Aktenzeichen 2 V 1212/16
Leitsatz
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist im Hauptsacheverfahren (2 K 2532/14) die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids vom 6. August 2013 über den Antrag auf Erlass von Vermögensteuer der Jahre 1989 bis 1996, Säumniszuschlägen und sonstigen steuerlichen Nebenleistungen sowie der Einspruchsentscheidung vom 5. August 2014.
Der Antragsteller ist verheiratet. Er und seine Ehefrau wurden letztmals für den Veranlagungszeitraum 2004 zur Einkommensteuer beim Antragsgegner (dem Finanzamt -FA-) veranlagt. Der Antragsteller bezieht jedenfalls seit 2014 eine geringfügige Rente, seine Ehefrau als pensionierte Lehrerin eine Pension. Der Antragsteller teilte dem FA seit dem Auszug aus seinem Einfamilienhaus in T im Jahr 2006 trotz wiederholter Nachfrage seine Wohnanschrift nicht mit.
Laut den Steuerakten im Hauptsacheverfahren trug der Antragsteller gegenüber dem FA am 15. März 2012 vor, dass er sich im Anschluss an das Studium der christlichen Philosophie im dritten Semester des Diplomstudiums der Theologie befinde. Seine Ehefrau beziehe eine Pension von netto 2.624,49 € (erhöht seit 1. März 2012, vgl. drei Kontoauszüge). Die monatlichen Ausgaben für Übernachtungen von 1.200 €, für Verpflegung von 300 €, Kleidung von 100 €, Orthopädisches Schuhwerk etc. von 30 € sowie Taxikosten wegen Behinderung der Ehefrau 250 €, Arzneimittelkosten von 100 €, Kontoführungsgebühren von 5 €, Körperpflegekosten von 200 €, kulturelle Veranstaltungen von 100 €, Spenden für Messen etc. von 100 € sowie seine Studienkosten von 350 € seien durch die monatlichen Bezüge der Ehefrau gedeckt. Schulden ergäben sich aus Steuern von gegenwärtig 5.899,16 € und Kommunalabgaben von 1.261,70 €, für Strom seit 2007 von 150 € und für Rundfunkgebühren von 100 €. Daneben seien noch für eine nicht durch die Versicherung gedeckte Zahnbehandlung 1.000 €, für Grabgebühren 50 €, für die Kanalisationswiederherstellung 200 € und für den Rückstand der Brandversicherung 200 € zu zahlen.
Der Antragsteller verfügt als Alleineigentümer über Grundvermögen (vgl. Stundungs- und Erlassakte):
FlNr./Gemarkung/Fläche
Grundstücksart
grundbuchrechtliche Belastung
320/4 + 320/5
T / 1.379 m²
Einfamilienhaus
T
0,00 €
320/5 in T / 359 m²
unbebautes Grundstück
0,00 €
409/10 in T / 318 m²
Weg
0,00 €
Daneben ist der Antragsteller zusammen mit seiner Ehefrau hälftiger Miteigentümer des unbebauten Grundstücks in der F.straße in T (Flurnummer 322/8, Bauplatz, 941 m²).
Nach vom Antragsteller und seiner Ehefrau beantragter Aufteilung der Steuerschulden über Vermögensteuer 1989 bis 1996, Säumniszuschläge etc. hat die Ehefrau des Antragstellers nach dem Ergehen entsprechender Aufteilungsbescheide ihren Anteil an der Gesamtschuld beglichen. Der Antragsteller schuldet dagegen noch seinen Anteil an den steuerlichen Abgaben, insgesamt 7.227,48 € nach der Rückstandsanzeige vom 14. März 2016.
Pfändungen hatten keinen Erfolg. Im Jahr 2011 erfolgte die Eintragung einer Sicherungshypothek zugunsten des Freistaats Bayern (zu 5.717,96 €) auf dem 941 m² großen Baugrundstück in T.
Mit Einspruchsentscheidung vom 5. August 2014 wies das FA den Einspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 6. August 2013 über die Ablehnung der Anträge des Antragstellers auf Erlass der Steuerrückstände als unbegründet zurück.
Wegen der (weiterhin) bestehenden Abgabenschulden erließ der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) am 14. März 2016 eine an die Ehefrau des Antragstellers gerichtete Pfändungs- und Einziehungsverfügung (zugestellt am 13. April 2016) hinsichtlich des Anspruchs des Vollstreckungsschuldners auf Aufhebung der Gemeinschaft nach Bruchteilen, die hinsichtlich des Eigentums an dem Grundvermögen (Bauplatz, in T) und an dem im Grundbuch unter Abteilung III unter laufender Nr. 1 genannten Grundpfandrechten besteht, auf Zustimmung zu einer den Miteigentumsanteilen entsprechenden Teilung des Erlöses sowie auf Auszahlung des außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens zu verteilenden Erlöses unter Beifügung eines Vordrucks Drittschuldnererklärung.
Aufgrund des am 20. April 2016 bei Gericht eingegangenen Antrags des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz sah das FA davon ab, dem Antragsteller eine Ausfertigung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung bekanntzugeben.
Im hiesigen Verfahren (und im Hauptsacheverfahren) gab der Antragsteller bei Gericht keine ladungsfähige Anschrift an. Der Kontakt mit ihm sollte postlagernd über das Postamt Rerfolgen. Sein Einfamilienhaus in T sei seit Winter 2006 unbewohnbar und seither hätten er und seine Ehefrau in Ferienwohnungen, Pensionen, christlichen Heimen für Studenten gewohnt.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die oben genannte Pfändungs- und Einziehungsverfügung bis über das Hauptsacheverfahren (2 K 2532/14) entschieden sei. Zur Begründung trägt er vor, dass ihn seit Januar 2016 ein schweres Darmleiden quäle, das die Spätfolge eines Nierenleidens sei, dass er sich durch die langjährige Pflege seiner Eltern und durch die Sorge um seine verwaiste und spastisch gelähmte Nichte zugezogen habe. Er pflege auch seine schwerbehinderte Ehefrau. In dreißigjähriger Pflegezeit ohne staatliche Unterstützung habe er Volksvermögen erhalten. Seine Arbeitskraft sei nun zur Pflege seiner Ehefrau nötig. Der Vollzugsdruck sei von ihm wegzunehmen, um wieder gesund werden zu können. Seit 18 Jahren müsse er als Mittelloser ein Finanzamtsverfahren ertragen. Bankgeschäfte seien ihm fremd. Diese habe zunächst seine Mutter für ihn erledigt und jetzt seine Ehefrau. Das Grundstück (Bauplatz, in T), das seiner alleinigen Altersvorsorge diene, solle nun zwangsversteigert werden. Er habe das Grundstück von Ersparnissen bezahlt. Durch ein Kanalisationsversagen, das einen Wasserschaden ausgelöst habe, habe er zudem sein Heim verloren. Seit der Pflege seiner Eltern habe er keinen Cent mehr verdient. Um seine frühere Verlagsarbeit wieder aufnehmen zu können, absolviere er ein Studium in S.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
ihm vorläufigen Rechtsschutz gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sowie gegen den Ablehnungsbescheid des Antrags auf Erlass der Abgabenschulden Vollstreckungsaufschub zu gewähren.
Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie auf das gerichtliche Schreiben vom 5. Juli 2016 Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist ohne Aussicht auf Erfolg.
1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist schon deshalb unzulässig, weil der Antragsteller seine ladungsfähige Anschrift nicht angegeben hat.
Die Angabe des (tatsächlichen) Wohnorts des Antragstellers ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung, die auch im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes vorliegen muss, vgl. § 65 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) analog (vgl. Gräber/Stapperfend, Kommentar zur FGO, 8. Aufl., § 69 Rz. 133, m.w.N.). Zur Bezeichnung des Antragstellers ist es erforderlich, die ladungsfähige Anschrift anzugeben. Ist der Aufenthalt eines Antragstellers unbekannt, so ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 III R 53/07, BFH/NV 2011, 264).
Die Angabe der Wohnanschrift war vorliegend auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Antragsteller über „postlagernd, R“ auch für förmliche Zustellungen des Gerichts in Form des Einschreibens mit Rückschein gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 175 der Zivilprozessordnung erreichbar gewesen ist. Denn die Vorschriften über den notwendigen Inhalt einer Klage-/Antragsschrift dienen nicht nur zur Erleichterung der Zustellung, die nicht notwendig von der Angabe einer Wohnanschrift abhängt. Hinzu kommt das Interesse des Justizfiskus einen Ansatzpunkt für eine etwaige Vollstreckung zu haben (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2000 IV R 25/00, BStBl II 2001, 112, Gräber/Herbert, Kommentar zur FGO § 65 Rz. 15, m.w.N.).
Auf die Angabe der ladungsfähigen Anschrift kann zwar verzichtet werden, wenn durch die Angabe schützenswerte Interessen des Antragstellers gefährdet würden. Derartige schützenswerte Interessen sind im Streitfall nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
Die Angabe der Anschrift kann auch bei Wohnungslosen entbehrlich sein (vgl.Gräber/Herbert, Kommentar zur FGO § 65 Rz. 15). Der Antragsteller ist jedoch nicht wohnungslos. Auch möblierte Zimmer oder Ferienwohnungen kommen als Wohnung in Betracht (vgl. Klein/Gersch, Abgabenordnung -AO-, § 8, Rz. 2). Nach seinen Angaben wohnt der Antragsteller -ohne die jeweilige Unterkunft konkret zu bezeichnen und Anschriften zu nennenseit Winter 2006 zusammen mit seiner Ehefrau in Ferienwohnungen, Pensionen oder christlichen Heimen für Studenten (vgl. Schriftsatz des Antragstellers vom 11. April 2014, 2 K 2532/14, FG-Akte, Bl. 31, Stundungs- und Erlassakte, Bl. 56). Auch wenn die angemieteten Wohnunterkünfte nur vorübergehend von ihm und seiner Ehefrau genutzt worden sein sollten -wie dies der Antragsteller behauptet hat, obwohl nach den von ihm vorgetragenen Lebensumständen mit seiner schwerbehinderten und pflegebedürftigen Ehefrau und dem monatlich für Unterkunft zur Verfügung stehenden Betrag von 1.200 € nur schwer vorstellbar ist, dass keine Wohnung zur dauerhaften Nutzung angemietet worden ist,- ist gegenüber dem Gericht die aktuelle Wohnanschrift anzugeben. Zudem sind Änderungen der Anschrift während des gerichtlichen Verfahrens unaufgefordert dem Gericht mitzuteilen (vgl. Gräber/Herbert, Kommentar zur FGO § 65 Rz. 16). Frau L vom … Zentrum, R, hat auf telefonische Rückfrage mitgeteilt, dass der Antragsteller nicht im …Zentrum wohnt und sie hat nicht bestätigen können, dass der Antragsteller obdachlos ist.
2. Soweit der Antragsteller einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO gestellt hat, ist dieser Antrag auch mangels Beschwer unzulässig.
a) Gegen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen ist der statthafte Rechtsbehelf die AdV (§ 114 Abs. 5 FGO). Nach § 114 Abs. 5 FGO gelten die Vorschriften des § 114 Abs. 1 bis 3 FGO nicht für die Fälle des § 69 FGO, d.h. der Antrag auf einstweilige Anordnung ist subsidiär gegenüber dem Antrag nach § 69 FGO.
Der Antragsteller ist nicht beschwert, weil die Pfändungs- und Einziehungsverfügung nur der Ehefrau des Antragstellers zugestellt worden ist. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist dem Antragsteller bisher noch nicht einmal bekanntgegeben worden.
b) Soweit sich der Antrag auf die Eintragung der Zwangssicherungshypothek beziehen sollte, ist er unzulässig, weil die Eintragung der Zwangssicherungshypothek vom Antragsteller nicht mit Einspruch angefochten worden ist (§ 69 Abs. 1 Satz 1 FGO).
3. Soweit das Antragsbegehren des Antragstellers als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auszulegen ist, ist der Antrag auch unbegründet.
a) Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines Erlassantrags kann nur durch einstweilige Anordnung gewährt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 30. September 2015 I B 86/15, BFH/NV 2016, 569). Wird ein beantragter Erlass abgelehnt, so liegt kein vollziehbarer Verwaltungsakt i.S. des § 69 FGO vor (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 227 AO Tz. 142, § 69 FGO Tz. 24).
b) Ein solcher Antrag kann auf § 258 der Abgabenordnung -AO- (einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung, Aufhebung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen) gestützt werden (vgl. Gräber/Koch, FGO, § 69 Rz. 55 „Vollstreckungsmaßnahmen“). Mit dem Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) wird eine Regelungsanordnung durch das Gericht i.S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO begehrt. Die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Gründe („wesentliche Nachteile“ und „drohende Gewalt“) setzen Maßstäbe für die Beurteilung der Frage, ob ein „anderer“ Anordnungsgrund vorliegt. Er müsste so schwerwiegend sein, dass er die einstweilige Anordnung unabweisbar macht.
Die den Anordnungsgrund rechtfertigenden Umstände müssen über die Nachteile hinausgehen, die im Regelfall bei einer Vollstreckung zu erwarten sind (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFHvom 10. August 1993 VII B 262/92, BFH/NV 1994, 719). Umstände, wie eine zur Bezahlung von Steuern oder Rückzahlung von erhaltenen Leistungen notwendige Kreditaufnahme oder eine Einschränkung des gewohnten Lebensstandards sind für sich allein keine Anordnungsgründe (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1989 VII B 221/88, BFH/NV 1989, 794; vom 4. April 1989 VII B 35/88, BFH/NV 1989, 714; vom 10. August 1993 VII B 262/92, BFH/NV 1994, 719 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab kann das Gericht nicht erkennen, welche wesentlichen Nachteile dem Antragsteller drohen, die eine einstweilige Anordnung rechtfertigen würden. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Seine Belastung ergibt sich lediglich in der drohenden Zwangsvollstreckung als solcher, die jedoch kein Anordnungsgrund ist (vgl. Beschluss des Finanzgerichts München vom 18. August 2011 4 V 2050/11, juris). Auch eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit des Antragstellers ist durch die Vollstreckungsmaßnahme nicht ersichtlich. Weder hat er eine derartige Gesundheitsgefährdung glaubhaft gemacht noch ist erkennbar, dass gerade durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung eine derartige schwerwiegende Gesundheitsgefährdung ausgelöst worden ist. Hinzu kommt, dass das FA bereits eine Reihe von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Antragsteller ergriffen hat, die der Ast. gesundheitlich verkraftet hat, z.B. die Eintragung der Sicherungshypothek im Jahr 2011.
Zudem wäre es dem Antragsteller als Vollstreckungsschuldner unbenommen möglich gewesen, einen Kredit unter Einsatz seines (Grund-)Vermögens aufzunehmen und eine Vollstreckungsvereinbarung mit dem FA, z.B. über Ratenzahlungen, zu treffen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 2. August 2016 im Hauptsacheverfahren 2 K 2532/14 verwiesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.