Aktenzeichen X R 41/14
§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002
§ 10 Abs 1 Nr 1a EStG 2002
§ 10 Abs 1 Nr 2 Buchst a EStG 2002
§ 19 EStG 2002
§ 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa EStG 2002
§ 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst bb EStG 2002
§ 33 EStG 2002
§ 1587a BGB
§ 1587b BGB
§ 1587f BGB
§ 1587o BGB
§ 1 Abs 2 VersorgAusglHärteG
§ 1 Abs 3 VersorgAusglHärteG
§ 2 VersorgAusglHärteG
§ 3b VersorgAusglHärteG
§ 76 SGB 6
§ 57 BeamtVG
EStG VZ 2006
Leitsatz
1. Eine Ausgleichszahlung für den Ausschluss des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs konnte im Jahre 2006 bei dem Verpflichteten steuerlich nicht berücksichtigt werden .
2. Eine Ausgleichszahlung für den Ausschluss des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs im Wege des Splittings oder des Quasi-Splittings war im Jahre 2006 bei dem Verpflichteten dem Grunde nach als Werbungskosten abziehbar. Die für die Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen begründete Rechtsprechung ist auf alle Formen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs anwendbar .
3. Der Werbungskostenabzug einer Ausgleichszahlung ist nur insoweit möglich, bis der sozialversicherungsrechtliche Höchstausgleich erreicht wird .
4. Er ist zusätzlich begrenzt auf den künftig der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente bei Rentenbeginn .
Verfahrensgang
vorgehend FG Köln, 26. März 2014, Az: 7 K 1037/12, Urteil
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. März 2014 7 K 1037/12 aufgehoben.
Der Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 27. Dezember 2007 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 8. November 2011 und der Einspruchsentscheidung vom 15. März 2012 wird dergestalt geändert, dass bei den sonstigen Einkünften Werbungskosten in Höhe von 8.616,62 € berücksichtigt werden.
Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der Kläger zu 20 % und der Beklagte zu 80 % zu tragen.
Tatbestand
I.
1
Der Ende 1954 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte als angestellter Rechtsanwalt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wurde im Streitjahr 2006 von seiner früheren Ehefrau (B) geschieden. Ehevertragliche Vereinbarungen hatten nicht bestanden. Der Kläger hatte Versorgungsanwartschaften aus dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen (Versorgungswerk) in Höhe von 1.775,39 € und aus einer betrieblichen Versorgungszusage in Höhe von 1.097,03 €, B aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.115,81 € und ebenfalls aus einer betrieblichen Versorgungszusage in Höhe von 182,05 € erworben. Das Versorgungswerk sowie beide Träger der betrieblichen Altersversorgung lassen im Falle eines Versorgungsausgleichs die Realteilung nicht zu.
2
Im Rahmen der Scheidung schlossen der Kläger und B eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung. Darin gingen die Parteien davon aus, dass B wegen der unterschiedlichen Höhe der Anwartschaften Ansprüche auf Versorgungsausgleich in Höhe von 787,28 € pro Monat zustünden. Es handelt sich um die Hälfte der Differenz zwischen den beiderseitigen Versorgungsansprüchen. Die Parteien erklärten den wechselseitigen Verzicht auf den Versorgungsausgleich und schlossen den Ausgleich von Anwartschaften oder Anrechten auf eine Versorgung wegen Alters oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 1408 Abs. 2 und 1587o des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der im Streitjahr geltenden Fassung (BGB a.F.) aus. Als Gegenleistung für den Versorgungsausgleichsverzicht hatte der Kläger an B 98.394,25 € zu zahlen, fällig im Oktober 2006. Das Familiengericht hat die Vereinbarung genehmigt.
3
Der Kläger machte zunächst den gesamten Betrag als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften geltend, während der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Zahlung für privat veranlasst erachtete. Im Klageverfahren hat der Kläger sein Begehren auf einen Teilbetrag von 10.770 € beschränkt.
4
Er legte dabei eine Berechnung über den fiktiven gesetzlichen Versorgungsausgleich zugrunde. Danach sei durch analoges Quasi-Splitting nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) ein Versorgungsausgleich von 787,28 € zu leisten, jedoch auf den Höchstausgleich von 86,17 € beschränkt. Dieser gehe vollständig zu Lasten der Anwartschaft bei dem Versorgungswerk. Mit der dem Höchstausgleich entsprechenden Quote diene die Ausgleichszahlung daher dazu, die nach § 25 der Satzung des Versorgungswerks vorzunehmende Kürzung der dortigen Anwartschaft zu unterbinden. Die Abfindungszahlung sei vergleichbar mit Ausgleichszahlungen zur Erhaltung beamtenrechtlicher Pensionsansprüche, die als Werbungskosten abziehbar seien.
5
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2014, 1470). Ein Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus § 22 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) sei nicht möglich, da es sich um nachträgliche Anschaffungskosten für die Versorgungsanwartschaft handele. Diese sei der privaten Lebensführung zuzurechnen. Es könne sich auch nicht um vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus § 19 EStG handeln, da die Betriebsrente bei Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht gekürzt worden wäre. Vielmehr stelle die Abfindungszahlung eine Vorwegnahme der Einkommensverwendung dar. Für einen Sonderausgabenabzug fehle eine Rechtsgrundlage.
6
Mit der Revision rügt der Kläger zunächst eine Verletzung des objektiven Nettoprinzips. Die Abfindungszahlung stehe in einem ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang mit späteren Renteneinnahmen. Das Konzept des FG, die Aufwendungen als Anschaffungskosten zu bewerten, beruhe offensichtlich auf der Rechtsprechung zu § 22 EStG vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG). Nachdem das AltEinkG ab 2040 die nach § 22 EStG zu versteuernden Renten den nach § 19 EStG zu versteuernden Beamtenpensionen gleichstellen wolle, liege es nahe, die dortigen Grundsätze auch auf die Auslegung des neuen § 22 EStG anzuwenden. Eine Ungleichbehandlung sei nicht mehr gerechtfertigt. Der wirtschaftliche Zusammenhang mit zu versteuernden Einnahmen sei bei der nachgelagerten Besteuerung offensichtlich. Soweit die Gleichstellung erst nach einer Übergangszeit eintrete, stehe das dem vollständigen Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten dem Grunde nach nicht entgegen. Um sicherzustellen, dass den Werbungskosten auch zu versteuernde Einkünfte gegenüberstünden, sei stattdessen zu prüfen, ob voraussichtlich ein Totalüberschuss verbleibe. Das sei im Streitfall gegeben (86,13 € pro Monat * 12 Monate * 17,33 Lebenserwartung ab 1. September 2020 [reguläres Renteneintrittsalter] * 80 % Besteuerungsanteil = 14.329,31 €, also Totalüberschuss 3.560,31 €) Zumindest aber wäre derjenige Anteil der Abfindungszahlung als Werbungskosten zu behandeln, der dem Besteuerungsanteil der späteren Renten entspreche, d.h. 80 % bzw. 8.616 €.
7
Jedenfalls aber sei der Werbungskostenabzug in Höhe von 4.092,60 € bei den Einkünften aus § 19 EStG zu gewähren. Rechnerisch entfalle von dem Gesamtbetrag in Höhe von 10.770 € ein Teilbetrag von 6.677,40 € (62 %) auf den ungeschmälerten Erhalt der Bezüge des Versorgungswerks, ein Teilbetrag von 4.092,60 € (38 %) auf die Betriebsrente. Diese Quotierung entspreche dem Verhältnis der zu erwartenden Bezüge. Von dem Höchstausgleich in Höhe von 86,17 € entfalle so eine Quote von 32,74 € auf die Betriebsrente. Da diese jedenfalls zu den Einkünften aus § 19 EStG gehöre, müsse wenigstens der entsprechende Teil der Abfindungszahlung als Werbungskosten abziehbar sein.
8
Der Kläger beantragt sinngemäß,das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 27. Dezember 2007 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 8. November 2011 und der Einspruchsentscheidung vom 15. März 2012 in der Weise zu ändern, dass bei den sonstigen Einkünften Werbungskosten in Höhe von 10.770 € berücksichtigt werden,hilfsweise,dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Werbungskosten in Höhe von 4.092,60 € berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,die Revision zurückzuweisen.
10
Die Abfindungszahlung stelle hinsichtlich der Ansprüche gegen das Versorgungswerk Anschaffungskosten für eine Altersversorgung dar. Es gälten die für den Rentenankauf maßgebenden Grundsätze, nach denen die vom ausgleichsverpflichteten Ehegatten zur Begründung von Rentenansprüchen an die gesetzliche Rentenversicherung geleisteten Zahlungen dem steuerrechtlich irrelevanten Vermögensbereich zuzuordnen seien. Anders als im Falle des Klägers werde dem Beamten, der Zahlungen zur Erhaltung beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge leiste, kein als Beitrag eingezahltes Kapital zurückgezahlt. Soweit es die Betriebsrente betreffe, hätte auch der Versorgungsausgleich die Höhe der künftigen Einnahmen nicht berührt. Der Sonderausgabenabzug sei tatbestandlich nicht möglich.
11
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, soweit es die unterschiedliche Behandlung der Abfindungszahlungen für Beamtenversorgungen und für andere Rechte betreffe, liege nicht vor. Ein vorweggenommener Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus § 22 EStG sei gesetzlich ausgeschlossen. Soweit die nachträglichen Anschaffungskosten für den Erwerb des Rentenstammrechts und damit für ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut nicht abziehbar seien, beruhe das auf den auch nach Inkrafttreten des AltEinkG geltenden systemimmanenten Unterschieden, die u.a. dazu führten, dass Rentenversicherungsbeiträge keine vorweggenommenen Werbungskosten seien.