Aktenzeichen IX R 28/13
Leitsatz
1. NV: Zu außerordentlichen Einkünften führen nur solche Entschädigungen, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen führt (ständige Rechtsprechung).
2. NV: Von einer einheitlichen, ggf. in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ausgezahlten Entschädigung ist auszugehen, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein zwei Teilleistungen begründendes Schadensereignis darstellt. Dies gilt auch, wenn eine Teilentschädigung dafür geleistet wird, dass der Arbeitnehmer besondere Modalitäten der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses akzeptiert.
Verfahrensgang
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 24. Januar 2013, Az: 6 K 2670/10, Urteil
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Industriekauffrau und erzielte in den Streitjahren 2007 und 2008 sowohl Einkünfte aus Gewerbebetrieb als auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie war 2006 bei der B GmbH beschäftigt. Am 20. Dezember 2006 kündigte die B das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 2007 aus betriebsbedingten Gründen. Für den Verlust ihres Arbeitsplatzes wurde der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 41.453 € angeboten, die mit der letzten Entgeltrechnung ausgezahlt werden sollte. Daneben bot die B der Klägerin an, ab dem 1. Februar 2007 für längstens 12 Monate in die Transfergesellschaft X gGmbH (X) zu wechseln, dies mit Erhöhung der Abfindungssumme um 5.970 €. Die Klägerin unterzeichnete am 5. Januar 2007 einen Vertrag über den Wechsel in die X. Nach der Präambel beruht der Vertrag auf dem bei der B zwischen der Geschäftsleitung und Betriebsrat abgeschlossenen Sozialplan vom 30. November 2006 sowie dem zwischen B und X abgeschlossenen Vertrag über die Einrichtung einer Transfergesellschaft (TG). Ausweislich des Vertrages erfolgte die Einstellung zur Vermittlung der Klägerin in ein Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber, welche durch Qualifizierungsmaßnahmen, durch ein Betriebspraktikum und durch Arbeitsvermittlung unterstützt werde. Die Einstellung erfolgte befristet vom 1. Februar 2007 bis 31. Januar 2008. Mit Abschluss des Transfervertrages endete das Vertragsverhältnis zwischen der B und der Klägerin einvernehmlich zum 31. Januar 2007. Zugleich verpflichtete sich die Klägerin, etwaige Kündigungs- oder Bestandsschutzklagen gegen die B zurückzunehmen. Im Vertrag zwischen der Klägerin, der X und der B wurde Folgendes vereinbart: “Der Arbeitnehmer hat beim Ausscheiden von B einen Anspruch auf eine Abfindung gemäß Sozialplan vom 30. November 2006 gemäß §§ 9, 10 KSchG. Davon erhält er beim Ausscheiden bei B eine Teilauszahlung in Höhe von € 5.970,00. Die Auszahlung der restlichen Abfindungssumme in Höhe von € 41.453,00 erfolgt durch die X beim Austritt aus der TG.” Die Auszahlung durch die X erfolgt dabei im Auftrag der B. Am 19. Mai 2008 verlängerte die Klägerin ihren befristeten Arbeitsvertrag mit der X bis 22. Juni 2008. Der Klägerin wurde vereinbarungsgemäß mit der Januar-Entgeltabrechnung 2007 ein Teilbetrag in Höhe von 5.970 € ausgezahlt. Die Auszahlung der rechtlichen Abfindungssumme in Höhe von 41.453 € erfolgte durch die X beim Austritt der Klägerin aus der TG im Jahr 2008.
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In ihrer Einkommensteuererklärung 2007 vom 11. April 2008 erklärte sie bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben ihrem Bruttoarbeitslohn als “Entschädigung/Arbeitslohn für mehrere Jahre” einen Betrag in Höhe von 5.970 €. Die –bestandskräftige– Veranlagung 2007 erfolgte erklärungsgemäß.
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In der am 19. März 2009 eingegangenen Einkommensteuererklärung 2008 wies die Klägerin bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben ihrem Bruttoarbeitslohn als “Entschädigung/ Arbeitslohn für mehrere Jahre” einen Betrag in Höhe von 41.453 € aus. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) forderte in der Folge die entsprechenden Vertragsunterlagen an. Aufgrund der im Rahmen der Bearbeitung der Steuererklärung 2008 gewonnenen Erkenntnisse erließ das FA für 2007 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem es die Anwendung des § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Teilabfindung in Höhe von 5.970 € versagte. Dadurch erhöhte sich die ursprünglich festgesetzte Einkommensteuer von 801 € auf 1.040 €.
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Mit Einkommensteuerbescheid 2008 setzte das FA Einkommensteuer in Höhe von 10.975 € fest, wobei es die gezahlte Abfindung in Höhe von 41.453 € nicht nach § 34 EStG ermäßigt besteuerte.
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Mit ihrem Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 beantragte die Klägerin die Steuerermäßigung nach § 34 EStG für die gezahlten Abfindungen. 2010 erging ein nach § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG geänderter Einkommensteuerbescheid 2008, der die Einkommensteuer mit 8.349 € festsetzte. Die Einsprüche wies das FA wegen fehlender Zusammenballung zurück. Die hiergegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin die Anwendung des § 34 EStG auf die Abfindungszahlungen begehrte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1669 veröffentlichten Urteil, die der Klägerin in den Streitjahren zugeflossenen Zahlungen aufgrund der Sozialplanregelung unterlägen als Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit keiner ermäßigten Besteuerung gemäß § 34 Abs. 1 EStG. Sie seien der Klägerin nicht zusammengeballt zugeflossen. Für die Einordnung als außerordentliche Einkünfte i.S. von §§ 24 Nr. 1, 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG seien mehrere Zahlungen als Teil einer einheitlich zu beurteilenden Entschädigung anzusehen, wenn sie Ersatz für ein und dasselbe Schadensereignis darstellten. Dies sei vorliegend der Fall. Die Auszahlung im Jahr 2007 könne nicht mehr als geringfügig angesehen werden. Sie führe mit Blick auf einen monatlichen Bruttoarbeitslohn von knapp 3.000 € nicht zu einer derart relevanten Progressionsverschiebung, die geeignet wäre, eine Ausnahmesituation für die Klägerin hinsichtlich ihrer Progressionsbelastung in den Streitjahren anzunehmen.
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Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts (§§ 24, 34 EStG) rügt. Insbesondere liege keine einheitliche Entschädigungszahlung vor. Der in 2007 zugeflossene Betrag sei von der Arbeitgeberin in erster Linie gezahlt worden, weil sich die Klägerin bereit erklärt habe, ihre Kündigungsschutzklage zurückzunehmen und bereits zum 31. Januar 2007 und damit vor der kündigungsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Mai 2007 in die X zu wechseln und das Arbeitsverhältnis mit der B zu beenden. Damit sei zwar die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der B der Anlass für beide Zahlungen. Es hätte sich aber nicht um “ein und dasselbe Schadensereignis” gehandelt, denn den ersten Teilbetrag in 2007 habe die Klägerin nicht aufgrund der kündigungsbedingten einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, sondern für ihre Mitwirkung an dem einvernehmlichen Wechsel zur X und der damit verbundenen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und für die Rücknahme ihrer Bestandsschutzklage. Der in 2008 zugeflossene und zudem ganz wesentliche Abfindungsbetrag sei der Klägerin dagegen unabhängig von der einvernehmlichen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden. Die Sonderzahlung in 2007 stelle eine Entschädigung für die Aufgabe einer Tätigkeit i.S. des § 24 Nr. 1b EStG dar. Neben der Sonderzahlung in 2007 sei von der Arbeitgeberin in 2008 allen vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern eine weitere Abfindung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden. Diese Abfindung sei Ersatz für entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1a EStG.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2007 dahingehend zu ändern, dass von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag in Höhe von 5.970 € gemäß § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG ermäßigt besteuert werde, sowie den Einkommensteuerbescheid 2008 dahingehend zu ändern, dass von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag in Höhe von 41.453 € gemäß § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG ermäßigt besteuert werde.
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Das FA beantragt,die Revision zurückzuweisen.