Steuerrecht

Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung einer Eigentumswohnung

Aktenzeichen  12 K 796/14

Datum:
11.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ErbStB – 2017, 371
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 10e
EigZulG § 4
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung bei § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden.
2. „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ ist bei § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG so zu verstehen wie in § 10e EStG und in § 4 EigZulG.
3. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken wird auch dann angenommen, wenn der Steuerpflichtige einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag hat, eine Eigentumswohnung unentgeltlich zur alleinigen wohnlichen Nutzung überlässt.
4. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG setzt voraus, dass im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren eine „ausschließliche“, im Sinne einer zusammenhängenden und ununterbrochenen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vorliegt, die allerdings nicht die vollen drei Kalenderjahr umfassen muss.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens

Gründe

II.
Die Klage ist unbegründet.
Das Finanzamt hat zu Recht den Verkauf der Eigentumswohnung Nr. [888] als steuerbare Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz i.d. Fassung des Streitjahres (EStG) behandelt und den Gewinn in Höhe von 64.055 € in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer des Streitjahres einbezogen.
1. Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder ihnen gleichgestellten Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen von der Besteuerung sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (2. Alternative).
a) Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden (vgl. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1993 X R 49/91, BFHE 173, 144, BStBl II 1994, 687; vom 8. April 2003 IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171; vom 8. April 2014 IX R 18/13, BFHE 245, 323, BStBl II 2014, 826; vom 10. Februar 2015 IX R 23/13, BFHE 249, 149, BStBl II 2015, 487). Es handelt sich hierbei um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt und mit dessen Veräußerung endet (BFH-Urteil vom 27. Juni 2006 IX R 47/04, BFHE 214, 267, BStBl II 2007, 162 m.w.N.).
Entgegen der Auffassung der Kläger war bei der Veräußerung der Eigentumswohnung Nr. [888] die zehnjährige Veräußerungsfrist nicht abgelaufen. Die Anschaffung erfolgte aufgrund des Kaufvertrages vom […] Mai 2001; die Veräußerung liegt in dem am […] Januar 2011 abgeschlossenen Kaufvertrag. Der Vertragsabschluss vom […] Januar 2011 war innerhalb der Veräußerungsfrist für beide Parteien bindend und zwischen diesen beiden Verträgen sind weniger als zehn Jahre vergangen.
b) Zu Recht ist das Finanzamt davon ausgegangen, dass der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG für die Eigentumswohnung Nr. [888] nicht erfüllt ist. Zwischen den Beteiligten ist im Übrigen zu Recht unstreitig, dass nur die 2. Alternative des Satzes 3 „im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird“ im Streitfall in Betracht kommt, da die Wohnung nach der Anschaffung (und vor der Nutzung durch …) unstreitig an einen Dritten vermietet war.
aa) „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ ist bei § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG so zu verstehen wie in § 10e EStG und in § 4 des Eigenheimzulagengesetzes (BFH-Urteile vom 25. Mai 2011 IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II 2011; vom 18. Januar 2006 IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936; so auch die einhellige Auffassung im Schrifttum, vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 36. Aufl. 2017, § 23 Rz 18; Blümich/Glenk, EStG/KStG/GewStG, § 23 EStG Rz. 51 [Mai 2015]; Kirchhof/Kube, EStG, 16. Aufl. 2017, § 23 Rz. 6; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz. B 46 [April 2014]; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 23 EStG Rz. 130 [Sept. 2016] jeweils m.w.N.). Danach dient ein Wirtschaftsgut eigenen Wohnzwecken, wenn es vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird (BFH-Beschluss vom 28. Mai 2002 IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284, m.w.N. auf die Rechtsprechung). Dem entspricht der Zweck der gesetzlichen Freistellung, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) zu vermeiden (BTDrucks 14/265, S. 181 zu Nr. 27, § 23). Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist auch insoweit anzuerkennen, als eine Wohnung nicht nur vom Eigentümer (= Veräußerer), sondern auch von seinen Familienangehörigen zu Wohnzwecken genutzt wird; dazu gehören insbes. sein Ehegatte und seine unterhaltsberechtigten Kinder (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1991 X R 9/91, BStBl II 1992, 241; vom 26. Januar 1994 X R 94/91, BStBl II 1994, 544; Trossen, juris – die Monatsschrift 2015, 23 [27]; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 23 EStG Rz. 130 [Sept. 2016]). Außerdem wird eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken selbst dann angenommen, wenn der Steuerpflichtige einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG hat, eine Eigentumswohnung unentgeltlich zur alleinigen wohnlichen Nutzung überlässt (BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 X R 94/91, BStBl II 1994, 544; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 23 EStG Rz. 130 [Sept. 2016]; Blümich/Glenk, EStG/KStG/GewStG, § 23 Rz. 51 [Mai 2015]; ebenso Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 5. Oktober 2000, BStBl I 2000, 1383 Rz. 23). Die unentgeltliche Überlassung von Wohnungen an andere Personen erfüllt nicht die Voraussetzungen der Ausnahme nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 (Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 23 EStG Rz. 130 [Sept. 2016]).
bb) Auch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG setzt im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren eine „ausschließliche“, im Sinne einer zusammenhängenden und ununterbrochenen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, die allerdings nicht die vollen drei Kalenderjahr umfassen muss, voraus (Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 23 EStG Rz. 131 [Sept. 2016]; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 4. April 2016 8 K 2166/14, EFG 2016, 1521, Rz. 21 rkr). Zeitlich ist dabei als ausreichend anzusehen, wenn auch nur ein Teil des zweiten vorangegangenen Jahres die Eigennutzung vorliegt (Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 23 EStG Rz. 131 [Sept. 2016]; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Meliinghoff, EStG/KStG, § 23 EStG Rz. B 56 [April 2014]; Glenk in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 23 EStG Rz. 58 [Mai 2015]; ebenso BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2000, BStBl I 2000, 1383 Rz. 25; a.A: Kirchhof/Kube, EStG, 16. Aufl. 2017, § 23 Rz. 6 und Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 36. Aufl. 2017, § 23 Rz. 18: zwei volle vorangegangene Kalenderjahre; offen gelassen: FG Köln, Urteil vom 18. Oktober 2016 8 K 3825/11, EFG 2017, 226, Rn. 41 juris).
c) Nach diesen Maßstäben hat das Finanzamt zutreffend die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG abgelehnt und die Veräußerung der Eigentumswohnung Nr. [888] der Besteuerung unterworfen.
aa) Das Gericht ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens der Überzeugung, dass diese Wohnung kein Wirtschaftsgut ist, das im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren eine ununterbrochene Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch die Kläger erfahren hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts vielmehr fest, dass die Kläger ihrem Sohn … die Wohnung entgeltlich zur Miete überlassen haben und dies zumindest in der relevanten Zeit in den Jahren 2009 (zumindest dem Monat Dezember 2009), dem ganzen Jahr 2010 und dem Jahr 2011 bis zum Veräußerungszeitpunkt.
bb) Nach Auffassung des Gerichts hat der Zeuge … glaubhaft ausgesagt, dass er regelmäßig monatliche Zahlungen seit der Unterzeichnung der Mietvertragsurkunde an seine Eltern geleistet hat. Dass diese Zahlungen, wie vom Zeugen … ausgesagt, per Dauerauftrag ausgeführt wurden, wird auch durch die – an die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom Gericht übergebenen – Kontoauszüge für das Girokonto des … für Januar 2010 und Januar 2011 sowie die Kontrollmitteilung vom 7. Juli 2010 in den Einkommensteuerakten 2009, Bl 1 bewiesen. Die Kontrollmitteilung belegt, dass der Zeuge … bei dem dortigen Finanzamt Zahlungen am seine Mutter im Jahr 2009 mit dem Verwendungszweck Miete/Unterkunft erklärt hat. Auch hat der Zeuge … nach seiner glaubhaften Aussage als Verwendungszweck für die Überweisungen immer „Miete“ angegeben. Dies wird auch durch die Kontoauszüge vom Girokonto des … belegt; dort sind die Überweisungen aufgrund des Dauerauftrages ebenfalls mit dem Verwendungszweck Miete versehen. Zwar übertrifft die monatliche Höhe der Überweisungen von 692,50 € den im zum […] April 2004 wirksamen Mietvertrag vereinbarten monatlichen Mietzins von 625,00 €. Der Zeuge … und die Kläger haben aber in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie den Mietvertrag einmal später angepasst haben; sie konnten sich aber nicht an Details erinnern. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die Anpassung des Mietzinses auf diesen bezahlten Betrag erfolgt ist. Weiter hat der Zeuge … glaubhaft ausgeführt, dass er immer, wenn seine Ehefrau in [N-Stadt] war, er mit ihr zu zweit in seiner Wohnung gelebt hat. Damit ist nach Auffassung des Gerichts auch die Behauptung der Kläger widerlegt, … habe in deren größerer Wohnung gelebt und habe sich nur aus Platzgründen zum Schlafen in die kleiner Zwei-Zimmer-Wohnung zurück gezogen. Zwar weicht diese Aussage vom Vorbringen der Kläger ab, die in den Schriftsätzen behauptet ließen, dass sich die Ehefrau von … nie in Deutschland aufgehalten habe. In der mündlichen Verhandlung haben sie aber der Aussage des … in diesem Zusammenhang nicht widersprochen. In der Zeit der Anwesenheit der Ehefrau von … hat der jüngere Sohn … nach der glaubhaften Aussage des Zeugen … auch nicht in der Wohnung bei ihm übernachtet. Vielmehr stellen sich nach Auffassung des Gerichts dadurch die Übernachtungen des … in der Zwei-Zimmer-Wohnung bei … wie Besuche des jüngeren Bruders in der Wohnung des älteren Bruders dar. Aufgrund der Erfüllung der Hauptpflichten des Mietvertrages – Wohnungsüberlassung gegen Mietzinszahlungen (regelmäßige Überweisungen unter der Angabe des Verwendungszweckes) – hat das Gericht keine Zweifel daran, dass es sich auch um ein steuerlich anzuerkennendes Mietverhältnis unter nahen Angehörigen handelt (vgl. nur BFH-Urteil vom 9. Oktober 2013 IX R 2/13, BFHE 244, 247, BStBl II 2014, 527 m.w.N.). Der Zeuge … hat in seiner Aussage auch erklärt, dass er das Verhältnis in Bezug auf die Wohnung als Mietverhältnis betrachtet, wenn er auch mehr Freiheiten als in seinem derzeitigen Mietverhältnis hat. Dass die Kläger in den Monaten, in denen … gelegentliche finanzielle Engpässe hatte, weil er in Y-Land bei seiner Ehefrau verweilte, … unterstützt haben, spricht nicht dagegen, die Nutzung der Wohnung Nr. [888] als Nutzung aufgrund eines Mietverhältnisses anzusehen. Die Kläger haben ja nur Geld, das ihnen aufgrund der monatlichen Überweisungen des … als Miete zugeflossen ist, danach frei verwendet; die ständige BFH-Rechtsprechung sieht im Übrigen ja auch die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietverhältnis und die Erfüllung von Unterhaltspflichten als zwei wirtschaftlich unterschiedliche Vorgänge (vgl. nur BFH-Urteil vom 17. Dezember 2002 IX R 58/00, BFH/NV 2003, 750, Rn. 11, juris). Die Behauptung der Kläger, dass die monatlichen Zahlungen des … einen Beitrag zum Familienunterhalt darstellen würden, ist durch die Einvernahme des Zeugen … widerlegt. Damit sind nach Auffassung des Gerichts auch die Zahlungen der Stromkosten für die Wohnung Nr. [888] keine Leistungen zum Familienunterhalt, wie es die Kläger behauptet haben, sondern nur die regelmäßigen Zahlungen des Mieters … an seinen Energieversorger. Auch hat das Gericht aus dem Umstand, dass die Kläger dem … weite Teile des Mobiliars zur Verfügung gestellt haben, keine Zweifel am Vorliegen eines Metvertrages. Das Gericht hält es angesichts des Verwandtschaftsverhältnisses für selbstverständlich, dass die Eltern dem Sohn … Einrichtungsgegenstände zur Verfügung stellen. Das Gericht ist auch nicht der Auffassung, dass es sich dabei um das Aufbewahren von Gegenständen der Kläger in der Wohnung des … handelt, wie der Klägervertreter diesen Umstand gegenüber dem Zeugen … bezeichnete. Der Zeuge … hat nach Auffassung des Gerichts diese Frage des Klägervertreters zutreffend damit erwidert, dass er diese Frage nicht versteht. Das Gericht hält den Zeugen … auch für glaubwürdig, denn er dem Gericht alle Fragen sehr spontan beantwortet und wenn er sich an Details nicht mehr genau erinnern konnte, ohne Umschweife eingeräumt. Der Zeuge … hat auch nie den Eindruck erweckt, als erwarte er von den Klägern Hinweise, wie er Fragen des Gerichts beantworten solle.
cc) Da nach Überzeugung des Gerichts das Mietverhältnis der Kläger mit dem Zeugen … bewiesen ist, ist die Einschätzung der Kläger, dass sie die Zahlungen ihres Sohnes … als Entgelt für Verpflegung und Beitrag zum Familienunterhalt betrachtet haben, steuerlich als unerheblich einzustufen. Die Kläger haben auf die Frage des Gerichts auch keine vertragliche Grundlage für ihre Einschätzung, dass die Zahlungen des … als Verpflegungsentgelt anzusehen seien, angeben können.
dd) Aus der Aussage des Zeugen … ergibt sich nach Auffassung des Gerichts nicht, dass dieser überwiegend die Wohnung Nr. [888] unentgeltlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Der Zeuge … hatte über den zu Beweis gestellten Sachverhalt überwiegend keine brauchbare Erinnerung. So hat … auf die Frage des Gerichts, wann die Wohnung verkauft wurde und wie lange sein Bruder darin gewohnt hat, nur die Antwort geben, dass er das nicht weiß. Er hat nur ausgesagt, dass er auf jeden Fall in der Wohnung seines Bruders war und dass das schon lange her ist. Da der Zeuge … nicht einmal einen Zeitraum angeben konnte, wann dies gewesen war, ist schon gar kein Beweis dafür erbracht, dass dies in den Jahren 2009 bis 2011 gewesen sein kann. Aus der Aussage des … kann nach Auffassung des Gerichts nur abgeleitet werden, dass … sich gelegentlich in der Wohnung des älteren Bruders … als gern gesehener Besucher aufgehalten hat und dass der ältere Bruder … im selben Haus, in derselben Etage seine (eigene) Wohnung hatte. Im Übrigen ist an der Zeugenaussage des … auffällig, dass er nur auf die geschlossenen Fragen des Klägervertreters, z.B. „die Eltern haben gesagt, dass sie sich überwiegend beim Bruder aufgehalten haben, trifft das zu?“ präzise Antworten geben konnte. Als Antworten auf Suggestivfragen sind diese aber ohne jeglichen Beweiswert. Aufgrund des gesamten Auftretens hält das Gericht den Zeugen … auch für wenig glaubwürdig; er war ersichtlich bemüht, mit seiner Aussage seinen Eltern nicht zu schaden und wusste deshalb auf die offenen Fragen – anders als auf die Suggestivfragen des Klägervertreters häufig nur zu erklären, dass er nichts mehr weiß.
d) Die Überlegung des Prozessbevollmächtigten der Kläger, dass im Streitfall deren Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vorliegt, weil die verkaufte Wohnung Nr. [888] von den Klägern und ihrem Sohn … zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde, … als Dritter die Wohnung mitbenutzt hat und deshalb ein Fall der als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken anzuerkennenden „Mitnutzung einer Wohnung durch Dritte vorliegt“, ist nach Auffassung des Gerichts irrig. Zwar wird in der Literatur vertreten, dass eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vorliegt, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung „mit seinen Familienangehörigen oder gemeinsam mit einem Dritten bewohnt“. Gefordert wird so also nicht, dass der Steuerpflichtige gegenüber den Familienangehörigen (gesetzlich oder sittlich) unterhaltsverpflichtet und dass der Mitbewohner ein Familienangehöriger ist; erforderlich ist bei Dritten lediglich ein „gemeinsames Mitbewohnen“ (Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 23 EStG Rz. 130 [Mai 2017] m.w.N. auf BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2000, BStBl. I 2000, 1383, Tz. 22). Bei dieser Fallgestaltung wird aber immer vorausgesetzt, dass dem Dritte Teile der Wohnung zur unentgeltlichen Mitnutzung überlassen werden. Dies ist aber gerade im Streitfall nicht gegeben. Hier nutzte … die Wohnung entgeltlich aufgrund eines Mietvertrages und ließ seinen Bruder gelegentlich zu Besuch in der Wohnung verweilen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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