Steuerrecht

beschränkte Steuerpflicht, Technologietransfer-Verträge, Inländische Betriebsstätte, Haftungsbescheid, Steuerabzugsverpflichtung, Veräusserung, Vergütungsschuldner

Aktenzeichen  7 K 1440/17

Datum:
14.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2018, 1184
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die Klägerin zu Recht wegen des nicht vorgenommenen Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG als Haftungsschuldnerin nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG in Anspruch genommen.
1. Nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung wird bei beschränkt Steuerpflichtigen die Einkommensteuer im Wege des Steuerabzugs erhoben bei Einkünften, die aus der Vergütung für die Nutzung beweglicher Sachen oder für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten, insbesondere von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten, von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, z.B. Plänen, Mustern und Verfahren, herrühren, (§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 und 9); das Gleiche gilt für, die Veräußerung von Rechten im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG. In diesen Fällen muss der Schuldner der Vergütungen den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers vornehmen und die einbehaltene Steuer an das zuständige Finanzamt nach Maßgabe von § 73e Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) abführen (§ 50a Abs. 5 Sätze 2 und 3 EStG). Der Schuldner der Vergütungen hat den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers in dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Vergütungen dem Gläubiger zufließen (§ 50a Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG). Der Vergütungsschuldner haftet für die einzubehaltende und abzuführende Steuer (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG); soweit er seine Verpflichtungen nicht erfüllt, kann das Finanzamt die Steuer bei ihm durch Haftungsbescheid anfordern (§ 73g EStDV).
2. Die Einbehaltungs- und Abführungspflicht des Vergütungsschuldners nach § 50a Abs. 4 EStG knüpft daran an, dass der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger der Einkommensteuer bzw., soweit es sich wie im Streitfall um eine ausländische Kapitalgesellschaft handelt, der beschränkten Körperschaftsteuer unterliegende Einkünfte (§§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG) erzielt. Sie setzt mithin voraus, dass die vom Vergütungsschuldner geleisteten Zahlungen aus der Sicht des Vergütungsgläubigers dem Einkünftekatalog des § 49 EStG unterfallen. Ist das nicht der Fall, so scheidet mangels einer abzuführenden Steuer eine Haftung des Vergütungsgläubigers nach § 50a Abs. 5 EStG i.V.m. § 73g EStDV aus.
3. Voraussetzung für eine Steuerabzugsverpflichtung der Klägerin hinsichtlich der an P im August 2007 geleisteten Zahlung in Höhe von 300.000 € ist somit, dass sie den in § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG genannten beschränkt steuerpflichtigen Einkünften i.S.d. § 49 EStG zuzuordnen ist.
a) Nach Auffassung des Senats hat P im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Technologietransfervertrag beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erzielt. Unter diese Vorschrift fallen sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG (auch wenn sie bei P als Kapitalgesellschaft unter eine andere Einkunftsart fallen würden), soweit es sich – u. a. – um Einkünfte aus der Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, z.B. Pläne, Mustern und Verfahren, handelt, die im Inland genutzt werden oder worden sind. Dies gilt nicht, wenn es sich um steuerpflichtige Einkünfte im Sinne der Nummern 1 bis 8 handelt.
Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG u. a. um eine lückenschließende Bestimmung für Einkünfte aus der Überlassung gesetzlich nicht geschützten Erfahrungs- und Fachwissens, dem sog. Know-how. Die Besteuerung des Know-hows war vor Einfügung des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG umstritten. Die Rechtsprechung bezweifelte die Möglichkeit einer zeitlich begrenzten Überlassung i.S. von § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG mit der Begründung, dass dem Empfänger die übermittelten Erfahrungen auf Dauer verblieben (BFH-Urteil vom 4. März 1970 I R 86/69, BFHE 99, 116, BStBl II 1970, 567; vom 27. April 1977 I R 211/74, BFHE 122, 236, BStBl II 1977, 623). Andererseits ist es aus Sicht des Inhabers des Know-hows zweifelhaft, ob eine (unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG fallende) Veräußerung des Know-hows möglich ist, weil ihm dieses mangels eines gegenüber Dritten wirkenden Schutzes seinerseits nicht verlorengehen kann. Der Gesetzgeber hat durch die beispielhafte Aufzählung in § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG entschieden, dass die Überlassung von Know-how zu den Leistungen auf der Nutzungsebene i.S. dieser Vorschrift und damit i.S. von § 22 Nr. 3 EStG zählen kann, gleichgültig ob dieses Erfahrungswissen zeitlich begrenzt oder unbegrenzt überlassen oder übertragen wird (Hidien in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rdnr. J 99; Gosch in Kirchhoff, EStG, 17. Aufl. 2018, § 49 Rz. 94; FG München, Urteil vom 24. November 1982 I 349/79 E, EFG 1983, 353).
b) Im Streitfall hat P sich im streitgegenständlichen Technologietransfervertrag verpflichtet, das von ihr erarbeitete Know-how zur Herstellung von X ohne zeitliche Beschränkung im Wege des Technologietransfers auf die Klägerin zu übertragen. Da sie daraus Einkünfte erzielt hat, ist der Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfüllt. Die Subsidiaritätsklausel in § 49 Abs. 1 Nr. 9 letzter Halbsatz EStG greift nicht ein.
aa) Die Überlassung des Know-hows durch P ist gemäß dem Technologietransfervertrag in keiner Weise zeitlich begrenzt. Aus Ziff. 8 über die Vertragsdauer ergibt sich, dass das Know-how nicht für eine bestimmte Zeitdauer übertragen wird, sondern vielmehr für die Durchführung des Technologietransfers ein Zeitraum von 11 Monaten veranschlagt wird. Daraus ist zu schließen, dass nach erfolgreichem Abschluss des Technologietransfers die Klägerin auf Dauer zur Nutzung des Know-hows berechtigt sein sollte. Auch der Umstand, dass als Vergütung keine zeitabhängige Vergütung, sondern ein Pauschalbetrag in Höhe von 1 Mio. € vereinbart war, spricht gegen eine zeitliche Beschränkung. Damit scheiden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus.
bb) Auch greift – entgegen der Auffassung der Beteiligten – der Tatbestand der Veräußerung eines Rechts nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG nicht ein. Hierbei kann offenbleiben, ob rechtlich nicht geschütztes Erfahrungswissen (Know-how) überhaupt unter den Begriff des Rechts in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG zu subsumieren ist, da zweifelhaft ist, ob solches wie ein Recht veräußert und übertragen werden kann. Auch wenn der Rechtebegriff in § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG die nicht geschützten gewerblichen Erfahrungen und damit auch das Know-how mitumfasst und aus dessen zeitlich begrenzter Überlassung damit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden können, folgt daraus nicht zwingend, dass gleiches auch für Veräußerungsvorgänge nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG gilt. Jedenfalls gibt es im Streitfall keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich P mit Abschluss des Technologietransfervertrags des von ihm entwickelten Know-hows endgültig und in seiner Substanz entledigen wollte (vgl. Gosch in Kirchhoff, EStG, 17. Aufl. 2018, § 49 Rz. 94; FG München, Urteil vom 24. November 1982 I 349/79 E, EFG 1983, 353). Vielmehr spricht der Wortlaut der Vereinbarung (… Klägerin) erwirbt mit diesem Vertrag das uneingeschränkte Recht zu Nutzung des durch P erarbeiteten know-hows …“ in Ziff. 1.1., auch an mehreren anderen Stellen ist von „Rechten zur Nutzung der Technologie“ die Rede, z.B. Ziff. 5.3 und Ziff. 6.1) für eine von § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasste Nutzungsüberlassung.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin spielt es für die Verwirklichung des Tatbestands des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG keine Rolle, dass der vereinbarte Technologietransfer letztlich nicht verwirklicht wurde, weil das Vertragsverhältnis vorzeitig beendet worden ist. Im Anschluss an den Abschluss des Vertrags vom 27.07.2007 begann P sofort mit der Durchführung des Know-how-Transfers. Hierfür leistete die Klägerin u.a. den bei Vertragsschluss fälligen Teilbetrag von 300.000 €, welcher – wie auch die anderen an P geleisteten Zahlungen – auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in 2009 nicht zurückgefordert wurde (siehe die Endabrechnung der P vom 19.02.2010). Auch wenn der vereinbarte Know-how-Transfer letztlich nicht stattfand, da es im Laufe seiner Durchführung zum Abbruch des Projekts kam, hat ein Leistungsaustausch stattgefunden, der auf Seiten der P zu Einkünften geführt hat, welche den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG zuzuordnen sind. Denn für die Zuordnung von Zahlungen unter eine Einkunftsart spielt es keine Rolle, ob der Vertrag erfüllt wird oder die Vertragsparteien den Vertrag zwar beenden, aber sich noch zu Zahlungen verpflichten, die – wie im Streitfall – bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen aus dem beendeten Rechtsverhältnis darstellen (BFH-Urteil vom 16.09.2015 III R 22/14, BFH/NV 2016, 26 Rz.18).
d) Das von P der Klägerin überlassene Know-how war dazu bestimmt, in einer inländischen Betriebsstätte einer Schwestergesellschaft der Klägerin genutzt zu werden. Damit liegt die in § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG geforderte Nutzung im Inland vor. Dass es wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung nicht zu einer Überlassung des vertragsgegenständlichen Know-hows gekommen ist und somit keine tatsächliche Nutzung in der inländischen Betriebsstätte stattgefunden haben, spielt für die Erfüllung des Tatbestands der Nutzung in einer inländischen Betriebsstätte keine Rolle. Ausreichend ist, dass die von P aus der Technologietransfervertrag erzielten Einkünfte im Zusammenhang damit stehen, dass die Klägerin den Technologietransfervertrag zum Zwecke der Herstellung von X in einer inländischen Betriebsstätte abgeschlossen hat.
4. Damit war die Klägerin verpflichtet, den Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG im Zeitpunkt des Zuflusses der Vergütung (§ 50a Abs. 5 Satz 1 EStG) vorzunehmen. Da sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, durfte sie das FA für den unterlassenen Steuerabzug durch Haftungsbescheid in Anspruch nehmen (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG i.V.m. § 73g EStDV). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, die Ermessenserwägungen sind in der Einspruchsentscheidung ausreichend dargelegt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

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