Steuerrecht

Beschwerde, Bescheid, Gemeinde, Verwaltungsakt, Vollstreckung, Fahrzeug, Einspruchsverfahren, Zwangsvollstreckung, Unterlassung, Feststellung, Verfahren, Einstellung, Strafvollzug, Verpflichtungsklage, ordre public, Bundesrepublik Deutschland, einstweiligen Anordnung, Nichtzulassungsbeschwerde, Fahrereigenschaft, Verschulden, Verletzung, Feststellungsklage, Vorbeugende Unterlassungsklage

Aktenzeichen  6 K 1111/17

Datum:
14.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 146408
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger im Hauptantrag die Unterlassung von Vollstreckungsmaßnahmen und die Einstellung des Vollstreckungsverfahrens beantragt, und unbegründet, soweit er hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen begehrt.
1. Der Finanzrechtsweg ist nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO eröffnet. Der Beklagte als Landesfinanzbehörde leistet Vollstreckungshilfe nach den Vorschriften der Abgabenordnung.
2. Nach § 2 Abs. 2 Bayerische Verordnung über Zuständigkeiten im Amts- und Rechtshilfeverkehr in Verwaltungssachen mit dem Ausland (BayZustVAR) vom 18.09.1990 (BayGVBl 1990, 419) sind die Finanzämter die zuständigen Stellen, die nach Art. 9 des Amtshilfeabkommens die Ersuchen um Vollstreckung erledigen. Leisten die Finanzämter Vollstreckungshilfe als Behörden des Freistaates Bayern, gelten nach Art. 25 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (BayVwZVG; BayRS II, 232, Gliederungs-Nr: 2010-2-I) für das Verfahren und die Kosten der Vollstreckung die Vorschriften der AO entsprechend, und es findet, soweit nicht ein anderer Rechtsweg ausdrücklich gegeben ist, die FGO – wie im Streitfall – Anwendung.
3. Die auf Unterlassung von Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2016 und Einstellung des Vollstreckungsverfahrens gerichtete Klage ist unzulässig.
a) Dieses Begehren kann der Kläger nicht im Rahmen einer Verpflichtungsklage verfolgen.
Gemäß § 40 Abs. 1, 2. Alt. 1. HS FGO kann durch Klage die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden.
Vorliegend begehrt der Kläger jedoch nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern gerade die Unterlassung zukünftiger Vollstreckungsmaßnahmen, die nach § 118 AO den Charakter von Verwaltungsakten haben.
b) Der Kläger kann sein Anliegen auch nicht im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage erfolgreich geltend machen.
aa) Nach § 40 Abs. 1, 2. Alt. 2. HS FGO kann durch Klage die Verurteilung zu einer anderen Leistung begehrt werden.
Mit der Leistungsklage kann ein – vorbeugendes – Unterlassen begehrt werden (vgl. Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 40 FGO, Rz. 27 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für das Begehren, einen zukünftigen Verwaltungsakt zu unterlassen (vgl. Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 40 FGO, Rz. 28 m.w.N.).
Mit der vorbeugenden Unterlassungsklage kann der Kläger sein Begehren grundsätzlich verfolgen.
Er begehrt, Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens (dauerhaft) zu unterlassen und das Vollstreckungsverfahren einzustellen, ohne dass bislang Vollstreckungsmaßnahmen vorgenommen und damit diesbezügliche Verwaltungsakte erlassen wurden.
bb) Für einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz ist angesichts des Rechtsschutzsystems der FGO ein besonders intensives Rechtsschutzinteresse Voraussetzung (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739 m.w.N.).
Geht es darum, eine behördliche Maßnahme abzuwehren, bietet die FGO dem Rechtssuchenden neben Einspruch und Anfechtungsklage einstweiligen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) bzw. einstweilige Anordnung (§ 114 FGO). Für eine Unterlassungsklage ist nur dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit diesen Rechtsbehelfen nicht erreicht werden kann, wenn also substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, und ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachen ist (BFH-Urteile vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739; vom 27.10.1993 I R 25/92, BStBl II 1994, 210; vom 19.03.1998 VII R 73/97, BFH/NV 1999, 86).
cc) Das besonders intensive Rechtsschutzbedürfnis liegt im Streitfall nicht vor.
Zwar konnte der Kläger mit der einstweiligen Anordnung sein erstrebtes Rechtschutzziel nicht erreichen. Dies hatte jedoch – wie sich aus dem Beschluss vom 20.02.2017 6 V 1713/16 ergibt – die Ursache darin, dass der Kläger als Antragsteller im dortigen Verfahren einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hatte.
Auch vorliegend hat der Kläger nicht dargelegt, welche irreparablen Nachteile ihm drohen, wenn er gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts mit Einspruch, Klage und Aussetzungsantrag vorginge. Eine nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachende Rechtsverletzung im Zusammenhang mit bestimmten, künftig zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts hat er nicht substantiiert und in sich schlüssig dargetan. Inwieweit dadurch nicht wiedergutzumachende Schäden zu erwarten wären, hat er nicht dargelegt.
Eine irreparable Rechtsverletzung ist angesichts von Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich eines Betrags von 395 € nicht ersichtlich.
Die vorbeugende Unterlassungsklage ist damit unzulässig.
4. Soweit der Kläger beantragt festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2016 rechtswidrig ist und keine Grundlage für eine Vollstreckung darstellen kann, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg; die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
a) Durch Klage kann nach § 41 Abs. 1 FGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 S. 1 FGO).
b) Rechtsverhältnis i.S.d. § 41 Abs. 1 FGO ist jede aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, durch Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30.03.2011 XI R 12/08 BFH/NV 2011, 1346; vom 29.07.2003 VII R 39, 43/02, BStBl II 2003, 828). Es muss sich um ein eigenes abgabenrechtliches Verhältnis des Klägers zum Beklagten handeln, da nur hierfür der Finanzrechtsweg eröffnet ist (vgl. § 33 FGO).
Vorliegend kommt als maßgebliches Rechtsverhältnis allein ein „Vollstreckungsverhältnis“ des Beklagten gegenüber dem Kläger im Rahmen der Vollstreckung als ersuchte Behörde in Frage.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass wer gegen eine drohende Vollstreckung einwenden will, es liege kein wirksames Leistungsgebot vor, sich hierfür der Feststellungsklage bedienen kann (FG Hamburg, Urteil vom 26.10.2011 3 K 205/10, EFG 2012, 482). Demgemäß kann vom Kläger auch mit dieser Klageart gegen eine drohende inländische Vollstreckung eingewendet werden, dass das ausländische Leistungsgebot im Inland nicht vollstreckbar sei (FG München, Urteil vom 04.04.2012 6 K 434/11, DStRE 2013, 75). Eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer künftigen Vollstreckung, weil ein Beitreibungsersuchen keine wirksame Vollstreckungsgrundlage darstelle, ist – unter dem Subsidiaritätsgrundsatz – nur dann unzulässig, wenn die Rechtmäßigkeit dieses Ersuchens bereits als Vorfrage in einem anhängigen Klageverfahren gegen eine bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahme zu klären ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 739 m.w.N.). Diese Ausnahme ist jedoch im Streitfall nicht gegeben.
c) Die Verhältnisse, wegen derer die Feststellungsklage unzulässig war (vgl. Ausführungen hierzu im Urteil vom 24.02.2017 6 K 1712/16 unter 4 b)) sind nicht mehr gegeben.
Das Finanzamt war entsprechend Art. 9 Abs. 6 S. 1 und 2 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31.05.1988 (BGBl 1990 II S. 357, künftig „Amtshilfeabkommen“) vorgegangen, wonach Einwendungen gegen das Bestehen, die Höhe oder die Vollstreckbarkeit des zu vollstreckenden Anspruchs von der zuständigen Stelle des ersuchenden Staats nach dessen Recht zu erledigen sind und, wenn diese bei der ersuchten Stelle erhoben werden, diese der ersuchenden Stelle zu übermitteln sind und deren Entscheidung abzuwarten ist. Diese war zum Zeitpunkt des Urteils vom 24.02.2017 noch nicht erfolgt. Damit stand eine Vollstreckung nicht unmittelbar bevor.
Inzwischen hat die österreichische Behörde ein Aktenkonvolut ohne Anschreiben übersandt. Eine klare „Entscheidung“ der österreichischen Verwaltung ist nicht ersichtlich. Aus der Übersendung hat das Finanzamt – nach Auffassung des Senats richtigerweise – geschlossen, dass aus Sicht der österreichischen Verwaltung das Vorbringen des Klägers ohne Belang ist und die Vollstreckung fortgesetzt werden soll. Damit steht der Vollstreckung von österreichischer Seite nichts im Weg; dem Zweck der Übermittlung der Einwendungen an die ersuchende Stelle und des Abwartens deren Entscheidung entsprechend Art. 9 Abs. 6 S. 1 und 2 Amtshilfeabkommen ist damit Genüge getan. Ein „Vollstreckungshindernis“ durch ein noch laufendes „Verfahren“ im Sinn von Art. 9 Abs. 6 S. 1 und 2 Amtshilfeabkommen besteht nicht mehr.
d) Die Feststellungsklage ist unbegründet. Die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ist nicht rechtswidrig.
Die gegen die Strafverfügung geltend gemachten Einwendungen des Klägers führen nicht zur Unzulässigkeit der Vollstreckungshilfe gem. Art. 4 Abs. 1 Amtshilfeabkommen.
aa) Im Verhältnis zu Österreich hat das Amtshilfeabkommen Vorrang vor der EU-Beitreibungsrichtlinie (RL 2010/24/EU v. 20.04.2010, mit VO Nr. 1189/2011 v. 18.11.2011) bzw. der EG-Beitreibungsrichtlinie (RL 2008/55/EG v. 26.05.2008, mit VO Nr. 1179/2008 v. 28.11.2008).
bb) Gemäß Art. 4 Abs. 1 Amtshilfeabkommen wird Amtshilfe nicht geleistet, wenn sie nach dem Recht des ersuchten Staates unzulässig ist.
Die Übermittlung eines Vollstreckungstitels durch einen um Vollstreckung ersuchenden Mitgliedstaat der Europäischen Union nach den Bestimmungen der EG-Richtlinie 76/308/EWG unter Beifügung einer deutschen Übersetzung des Vollstreckungstitels hindert das FG nicht an der Prüfung, ob die Vollstreckung des ausländischen Titels in Deutschland gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstieße. Vielmehr ist das Gericht sogar zu einer solchen Prüfung verpflichtet, wenn der in Deutschland ansässige Steuerpflichtige substantiiert besondere Umstände vorgetragen hat, die einen Verstoß gegen den ordre public zumindest möglich erscheinen lassen (BFH-Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, BStBl II 2011, 401; vgl. FG München, Urteil vom 10.10.2013 10 K 2217/13, DStRE 2014, 1511). Denn Art. 9 Abs. 5 Amtshilfeabkommen räumt den zuständigen Stellen des ersuchten Staates die Entscheidungen über die Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung ein. Eine entsprechenden Prüfungsbefugnis des FG wurde vom BFH bereits bei Anwendung des (alten, vorhergehenden) Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten vom 11.09.1970 angenommen (BFH-Urteil vom 21.02.1978 VII R 49/74, BFHE 124, 480).
Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt (hier nach Art. 9 Abs. 6 Amtshilfeabkommen), muss es sich bei dem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln, so dass mögliche Rechtsfehler nicht ausreichen (BFH-Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, BStBl II 2011, 401).
cc) Die Amtshilfe ist nach deutschem Recht nicht unzulässig. Insbesondere ist ein Verstoß gegen den ordre public nicht ersichtlich.
(i) Den Begriff des ordre public im Licht europäischer und deutscher Rechtsprechung hat der BFH im Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, (BStBl II 2011, 401) dargestellt. Eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung in Deutschland durch die Vollstreckung aus einem Vollstreckungstitel wäre hiernach dann anzunehmen, wenn der Vollstreckungstitel in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zu grundlegenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung stünde, so dass das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts nach deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen untragbar erschiene.
Dabei kam es im vom BFH zu entscheidenden Fall der Vollstreckung aus einem Vollstreckungstitel (Urteil eines italienischen Oberlandesgerichts, das das Urteil eines italienischen Gerichts erster Instanz bestätigte, mit dem die Klage gegen die Zahlungsaufforderung eines italienischen Zollamts aufgrund verspäteter Einlegung des Rechtsbehelfs abgewiesen worden war) entscheidend darauf an, ob die Rechtsvorgängerin der dortigen Klägerin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte erwirken können und ob sie sich in zumutbarer Weise darum bemüht hat.
(ii) Von Klägerseite wird vorgetragen, der Kläger werde als Halter des Fahrzeugs in Anspruch genommen, was gegen den ordre public verstoße, da nach deutscher Rechtordnung eine Halterhaftung nur im ruhenden Verkehr bestehe.
Der Kläger wird jedoch nicht – verschuldensunabhängig – als Halter des Fahrzeugs in Anspruch genommen, sondern als Lenker/Fahrer.
Mit der Strafverfügung vom 19.01.2015, die einem deutschen Bußgeldbescheid vergleichbar ist (BFH-Beschluss vom 30.04.2001 VII B 35/01, BFH/NV 2001, 1141), wird dem Kläger eindeutig vorgeworfen, als Lenker eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben.
Anders verhielt es sich bei der Zahlungsaufforderung zur Leistung der Ersatzmaut vom 24.10.2014, wonach der Kläger als Halter in Anspruch genommen wurde.
Sowohl im Straferkenntnis vom 18.05.2015 als auch bei der Entscheidung des LVwG vom 17.07.2015 liegt weiter der Vorwurf einer Verwaltungsübertretung durch den Kläger als Lenker vor.
Eine Inanspruchnahme als Halter im Rahmen der Strafverfügung / des Straferkenntnisses als Grundlage des Vollstreckungsersuchens erfolgte zu keinem Zeitpunkt. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers entbehrt jeglicher Grundlage.
(iii) Ein Verstoß gegen den ordre public ist nicht darin zu sehen, dass die österreichische Verwaltung die Lenkereigenschaft des Klägers nicht positiv festgestellt hat.
Die österreichischen Behörden haben den Kläger in der Strafverfügung vom 19.01.2015 und im Straferkenntnis vom 18.05.2015 der Verwaltungsübertretung bezichtigt. Hierbei wurde der objektive Tatbestand geprüft und die Stellungnahme der ASFiNAG mit den Photos zur Frage der ordnungsgemäßen Anbringung der Vignette herangezogen. Wer Fahrer war, wurde nicht ausdrücklich geprüft und angesprochen. Aus der Adressierung von Strafverfügung und Straferkenntnis ergibt sich jedoch, dass die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck von der Lenkereigenschaft des Klägers ausging.
Der Kläger hat in dem ausführlichen Schriftverkehr, den der Klägervertreter für ihn führte, zu keinem Zeitpunkt weder ausdrücklich bestritten, Lenker gewesen zu sein, noch dies sonst in Frage gestellt. Sein diesbezügliches Vorbringen beschränkte sich darauf, den Tatbestand des § 20 Abs. 1 öBStMG zu negieren. In diesem Zusammenhang trug er zwar vor, dass er nach seiner Überzeugung keinesfalls ohne Vignette auf einer mautpflichtigen Straße gefahren sei (vgl. Schreiben vom 30.06.2015 an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), jedoch nur im Zusammenhang mit dem Vortrag, dass er eine Vignette gekauft habe und es nicht nachvollziehbar sei, dass diese nicht ordnungsgemäß angebracht worden sein solle. Der Kläger hat bis heute nicht vorgetragen, nicht am Steuer gesessen zu haben. Er wendet nur ein, seine Fahrereigenschaft sei nicht positiv festgestellt worden.
Damit hat es der Kläger versäumt, seine Rechte im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren in Österreich zu wahren. Es hätte bei Eingang der Strafverfügung vom 19.01.2015 für ihn sofort nahe liegen müssen, für sich selbst zu prüfen, ob er bei dem ihm vorgeworfenen Mautvergehen überhaupt gefahren ist, und Einwendung wegen der Lenkereigenschaft im Verfahren mit den österreichischen Behörden und dem Gericht zu erheben. Dies wäre dem Kläger angesichts fehlender Sprachbarriere und fortgesetzter anwaltlicher Vertretung durch den Klägervertreter problemlos möglich gewesen.
Spätestens im Verfahren vor dem LVwG hätte der Kläger seine Einwendung, seine Lenkereigenschaft sei nicht positiv festgestellt worden, klar ersichtlich erheben müssen.
Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (öVwGVG) hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z. 3 und 4 öVwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 öVwGVG) zu überprüfen. Nach § 9 Abs. 1 öVwGVG hat die Beschwerde u.a. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Nr. 3) und das Begehren (Nr. 4) zu enthalten.
Das LVwG hat auf den Prüfungsumfang nach § 27 öVwGVG verwiesen und die vom Kläger vorgebrachten Beschwerdepunkte geprüft, aber als nicht geeignet gehalten, die Rechtwidrigkeit des Straferkenntnisses aufzuzeigen. Aus Sicht des Gerichts bestand kein Zweifel, dass der hiesige Kläger als Kraftfahrzeuglenker eine Mautstrecke benutzt hat, ohne die geschuldete Maut entrichtet zu haben.
Das Gericht hat nach § 27 öVwGVG einen auf die vorgebrachten Beschwerdepunkte beschränkten Prüfungsumfang. Folgerichtig hat es den Punkt der Fahrereigenschaft nicht von sich aus problematisiert, führt jedoch unter II. 2. der Entscheidung vom 17.07.2015 aus, es bestehe insgesamt kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer als Kraftfahrzeuglenker eine Mautstrecke benützt habe, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut entrichtet zu haben und dadurch die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 20 Abs. 1 öBStMG erfüllt hat. Eine gerichtliche Bestätigung der objektiven Tatbestandserfüllung durch den Kläger liegt somit vor.
Das Gericht hat sich in Folge mit der inneren Tatseite und dem Verschulden des Klägers beschäftigt und ausgeführt, dieser habe – was seine Aufgabe sei – nichts vorgebracht, was ein fehlendes Verschulden glaubhaft machen könnte. Im Übrigen hat sich das LVwG mit dem – hierzu untauglichen – Vorbringen des Klägers auseinander gesetzt, er habe eine Vignette erworben.
Mangels weiter vom Kläger eingelegten Rechtsmitteln ist das Erkenntnis vom 17.07.2015 rechtskräftig geworden.
(iv) Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nicht darin, dass in Österreich eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat. Es wäre dem Kläger möglich gewesen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen.
In der Rechtsbehelfsbelehrung:des Straferkenntnisses vom 18.05.2015 wird darauf hingewiesen, dass in der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem LVwG beantragt werden kann.
Nach § 44 Abs. 1 öVwGVG hat das Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 44 Abs. 3 öVwGVG von einer Verhandlung absehen, wenn (u.a.) im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.
Der Kläger und sein Vertreter haben einen entsprechenden Antrag nicht gestellt. In der mündlichen Verhandlung im vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren hat der Klägervertreter hierzu erklärt, dies sei aus Kostengründen erfolgt; bei einem Streitwert von 120 € mache dies keinen Sinn. Letzteres ist unrichtig, da das Straferkenntnis vom 18.05.2015, gegen das beim LVwG Beschwerde eingelegt wurde, eine Geldstrafe von 300 € festsetzt; der Streitwert war somit entsprechend hoch.
Es ist durch den Senat nicht zu beurteilen, ob bei Stellung eines entsprechenden Antrags eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden wäre, da § 44 Abs. 2 und 4 öVwGVG weitere Konstellationen nennt, in denen eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt wird.
Allerdings haben der Kläger und sein Vertreter den ihnen möglichen und hierzu nötigen Schritt, nämlich die Antragstellung, gar nicht unternommen.
Der Kläger kann nach dem Unterlassen möglicher, naheliegender und notwendiger Prozesshandlungen nicht einen Verstoß gegen den ordre public geltend machen, wenn sich Verfahrensfolgen realisieren, auf die er Einfluss hätte nehmen können.
(v) Ein Verstoß gegen den ordre public liegt schließlich nicht wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs in Österreich vor.
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 03.11.2009 VI S 17/09, BFH/NV 2010, 226, vom 26.03.2007 II S 1/07, BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.; vom 30.08.2007 IX S 6/07, BFH/NV 2007, 2324; vom 29.10.2012 I S 11/12, BFH/NV 2013, 394, mit weiteren Nachweisen).
Das LVwG hat das Vorbringen des Klägers gewürdigt und sich mit diesem inhaltlich auseinandergesetzt. Die Ehefrau wurde nicht als Zeugin einvernommen, jedoch wurde ihre schriftliche Aussage gewürdigt. Damit hat das Gericht die Ausführungen des Klägers zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen. Zudem war das, wofür die Ehefrau als Zeugin gehört werden sollte, für die Frage, ob die Vignette ordnungsgemäß angebracht war, ohne Relevanz.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird nicht dadurch verletzt, dass das Gericht der Rechtsansicht eines Beteiligten nicht folgt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 und Abs. 2 FGO.

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