Steuerrecht

Bewilligung von Wohngeld

Aktenzeichen  M 22 K 16.1648

Datum:
27.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WoGG WoGG § 11 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Lässt sich das Einkommen wegen unzureichender Angaben des Antragstellers nicht ermitteln, dann kann nach den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast dem Wohngeldantrag grundsätzlich nicht entsprochen werden (ebenso BVerwG BeckRS 1974, 30428380). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei nicht glaubhaften, unplausiblen oder widersprüchlichen Angaben ist der Wohngeldantrag abzulehnen, wobei aber zu beachten ist, dass es in einem solchen Fall regelmäßig geboten sein wird, dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen, die aus Sicht der Behörde gegebenen Mängel zu beheben, indem er etwa dazu aufgefordert wird, als fehlend erscheinende Angaben zu ergänzen (ebenso BayVGH BeckRS 2007, 29789). (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom … Juni 2007 – in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom … April 2008 – ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
Eine Bewilligung von Wohngeld für den Bewilligungszeitraum Juli 2004 bis Juni 2005 kommt nicht in Betracht, da der Kläger nach wie vor nicht nachvollziehbar dargelegt hat, womit er im maßgeblichen Zeitraum seine Lebenshaltungskosten bestritten hat. Die Beklagte hat den Wohngeldanspruch daher im Ergebnis zu Recht mangels Plausibilität nach den allgemeinen Grundsätzen der materiellen Beweislast abgelehnt.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 WoGG i.d.F. vom 1. Januar 2001 (vgl. auch BT-Drs. 14/1636 S. 187 f.) ist bei der Ermittlung des Jahreseinkommens das Einkommen zu Grunde zu legen, das im Zeitpunkt der Antragstellung im üblicherweise zwölf Monate betragenden Bewilligungszeitraum zu erwarten ist. Dabei hat die Wohngeldstelle den relevanten Sachverhalt zwar von Amts wegen zu ermitteln, diese Ermittlungspflicht endet jedoch, wenn nach Ausschöpfen der erreichbaren Erkenntnisquellen erkennbar ist, dass sich bestehende Zweifel nicht beheben lassen. Die Pflicht zur Sachaufklärung setzt einen schlüssigen Vortrag voraus, der insbesondere beinhaltet, dass Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Klägers von diesem hinreichend substantiiert darzulegen sind. Kann dessen Angaben trotz der jeweils gebotenen Ermittlungsbemühungen nicht nachvollziehbar entnommen werden, mit welchen Mitteln der Lebensunterhalt finanziert wird, so fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für die im Antragszeitpunkt zu treffende verlässliche Aussage über das im Bewilligungszeitraum zu erwartende Einkommen. Die Höhe des wohngeldrechtlich anzusetzenden Einkommens gehört aber zu den Anspruchsvoraussetzungen für den Wohngeldanspruch. Lässt sich das Einkommen wegen unzureichender Angaben des Antragstellers nicht ermitteln, dann kann nach den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast dem Wohngeldantrag grundsätzlich nicht entsprochen werden. (BVerwG, U.v. 16.1.1974, BVerwGE 44, 265; BayVGH, B.v. 4.10.2005 – 9 ZB 05. 1654; B.v. 2.8.2011 – 12 ZB 11.1179).
Insbesondere wenn die nachgewiesenen Einnahmen unter dem sozialhilferechtlichen Bedarf liegen, sind die Angaben des Antragstellers besonders sorgfältig zu überprüfen und der Wohngeldantrag bei verbleibenden Zweifeln an der Bestreitung des Lebensunterhalts abzulehnen („Plausibilitätskontrolle“). Zweifel an der Glaubhaftigkeit und Vollständigkeit der Angaben können zudem auch dann gegeben sein, wenn Aufwendungen des allgemeinen Lebensunterhalts zuzüglich etwaiger Mehrbedarfe, Aufwendungen für Wohnraum einschließlich der Heizkosten und sonstige Aufwendungen tatsächlich vorliegen bzw. den Umständen nach anzunehmen sind und Einnahmen in entsprechender Höhe nicht nachgewiesen werden (vgl. auch 15.01 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Wohngeldgesetzes –WoGVwV).
Ein solches Vorgehen kommt auch bei nicht glaubhaften, unplausiblen oder widersprüchlichen Angaben in Betracht, wobei aber zu beachten ist, dass es in einem solchen Fall regelmäßig geboten sein wird, dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen, die aus Sicht der Behörde gegebenen Mängel zu beheben, indem er etwa dazu aufgefordert wird, als fehlend erscheinende Angaben zu ergänzen (vgl. BayVGH, B.v. 15.5.2007 – 12 C 05.1898 – juris Rn. 3).
Hiervon ausgehend hat der Kläger nach wie vor nicht zur Überzeugung der Kammer glaubhaft machen können, wie er seinen Lebensunterhalt auf der Grundlage der von ihm angegebenen Einnahmen im maßgeblichen Bewilligungszeitraum bestreiten wollte bzw. bestritten hat. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse erscheinen dem Gericht auch unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung nach wie vor nicht plausibel.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom … April 2008 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist auszuführen:
1. Der Kläger hat seine monatlichen Ausgaben nicht hinreichend dargelegt, so dass sein tatsächlicher monatlicher Bedarf nicht ermittelt werden kann.
a) Hinsichtlich der Frage, ob der Kläger im maßgeblichen Bewilligungszeitraum Unterhaltsleistungen für seine Kinder erbracht hat (in Höhe von monatlich EUR 460,00 – s. Bl. 5 der Behördenakte) oder die Unterhaltsverpflichtungen als Schulden beim Jugendamt aufgelaufen sind (in Höhe von monatlich EUR 340,00 bzw. 426,00 – s. Bl. 21 der Behördenakte), sind seine Angaben widersprüchlich. Insoweit ergibt sich aus den Kontoauszügen, dass im maßgeblichen Bewilligungszeitraum wohl Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich EUR 462,00 erfolgt sind und somit bei der Bestimmung des klägerischen Bedarfs zu berücksichtigen wären (Bl. 65, 68, 70, 71, 73, 75, 76, 81, 82, 83, 85 der Behördenakte).
b) Die Angabe des Klägers, lediglich EUR 20,00 pro Monat für Ernährung aufzuwenden, erscheint dem Gericht nicht als glaubhaft. Die vom Kläger angegebene Reduzierung seiner monatlichen Kosten durch Armenspeisung sowie der Verzehr von abgelaufenen Lebensmitteln vermögen seine Angabe nicht zu plausibilisieren. Die Äußerungen des Klägers hierzu bleiben vage, ein Nachweis für die Inanspruchnahme einer Armenspeisung oder den Bezug von abgelaufenen Lebensmitteln ist nicht erfolgt. So gibt der Kläger an, die Armenspeisung habe im Rahmen einer Privatinitiative stattgefunden, ohne diese näher zu erläutern oder zumindest zu benennen. Auf den Kontoauszügen des Klägers finden sich Lastschriftabbuchungen für Lebensmittel und Getränke, die über einen Betrag von monatlich EUR 20,00 hinausgehen (z.B. für einen vegetarischen Supermarkt in Höhe von EUR 41,39/ EUR 62,43/ EUR 24,23 – Bl. 64, 68, 73 der Behördenakte, oder für Getränke in Höhe von EUR 35,16/ EUR 22,22/ EUR 35,90/ EUR 27,66/ EUR 16,14 – Bl. 64, 67, 68, 71, 73, 79 der Behördenakte). Die Angaben des Klägers zu seinen Aufwendungen für Ernährung sind daher insgesamt nicht stimmig.
2. Auch wenn man die soeben genannten und die übrigen im Widerspruchsbescheid vom … April 2008 aufgeführten Unstimmigkeiten des klägerischen Vortrags im Hinblick auf seine Ausgaben außer Betracht ließe und unter Zugrundelegung der klägerischen Angaben auf dem Formblatt Nr. 6 (Bl. 21 der Behördenakte) von monatlichen Lebenshaltungskosten in Höhe von EUR 1.136,00 (statt des im Widerspruchsbescheid zugrunde gelegten Gesamtbedarfs von EUR 1.355,00 – Bl. 157 der Behördenakte) ausginge, hat der Kläger bis zuletzt nicht plausibel dargelegt, mit welchen Einnahmen oder welchem Vermögen er diese Kosten bestritten habe bzw. bestreiten wollte. Die Entnahmen vom angegebenen Girokonto erscheinen deutlich zu gering, um damit den Lebensunterhalt des Klägers zu finanzieren. Nach den Angaben des Klägers im Wohngeldantrag erzielt er lediglich ein monatliches Einkommen in Höhe von EUR 150,00 aufgrund von Zinsen und/oder anderen Kapitalerträgen (vgl. Bl. 19 d. Behördenakte) und keine sonstigen Einkünfte.
a) Die erfolgten Gutschriften der … … GmbH (z.B. vom … Juni 2004 in Höhe von EUR 5.319,88 – Bl. 62 der Behördenakte – oder vom … Juni 2004 in Höhe von EUR 1.182,00 – Bl. 64 der Behördenakte) konnte der Kläger nicht plausibel erklären. Die Erläuterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass es sich bei der Zahlung von EUR 5.319,88 um eine nachträgliche Gehaltszahlung und im Übrigen um Erstattungen von Auslagen handle, ist zur Plausibilisierung nicht ausreichend. Der Kläger hat nicht dargelegt, für welchen Zeitraum die nachträgliche Gehaltszahlung erfolgt sein soll und wie er zu nicht unerheblichen Auslagen für Benzinkosten in Höhe von EUR 1.182,00 komme. Darüber hinaus stehen mehrere „Auslagenerstattungen“ von jeweils bis zu EUR 50,00 in bar im Raum, die der Kläger nicht näher erläutert oder nachgewiesen hat. Der Kläger hat nicht plausibel dargelegt, woher die für die Auslagen in Höhe einer vierstelligen Summe hinreichenden Barmittel (siehe z.B. Gutsschrift vom … Juni 2004 in Höhe von EUR 1.182,00 – Bl. 64 der Behördenakte) stammen sollten. Auch das Argument des Klägers, dass Barabhebungen vom Girokonto aufgrund der Erstattung von Auslagen in bar bei Beträgen bis zu EUR 50,00 in der Regel nicht nötig gewesen seien, vermag nicht zu überzeugen. Auslagenerstattungen stellen keinen Zufluss dergestalt dar, dass dem Kläger mehr bare Mittel zur Bestreitung seiner Lebenshaltungskosten als zuvor zur Verfügung stehen. Sie setzen vielmehr zunächst voraus, dass der Kläger ursprünglich über Bargeld verfügte, das ausgelegt werden konnte. Der Kläger hat jedoch nicht dargelegt, woher diese ursprünglichen (für die Auslagen verwendeten) Barmittel stammen und in welcher Höhe er über Bargeld verfügte, das er für seine Lebenshaltungskosten aufwenden konnte.
b) Bezüglich seines Anlagekontos hat der Kläger trotz mehrfacher behördlicher Aufforderungen auch bis zur mündlichen Verhandlung keine Kontoauszüge vorgelegt. Wie aber beispielsweise Überweisungen von seinem Girokonto auf sein Anlagekonto vom … Juni 2004 in Höhe von EUR 5.000,00 und vom … Juni 2004 in Höhe von EUR 2.000,00 (Bl. 63 und 64 der Behördenakte) sowie vom Anlagekonto stammende Gutschriften auf dem Girokonto vom … August 2004 (EUR 1.000,00), vom … September 2004 (EUR 1.200,00), vom … November 2004 (EUR 1.000,00), vom … Dezember 2004 (EUR 1.500,00), vom … Januar 2005 (EUR 1.000,00), vom … Februar 2005 (EUR 1.000,00), vom … März 2005 (EUR 1.000,00), vom … April 2005 (EUR 900,00), vom … Mai 2005 (EUR 500,00) und vom *. Juli 2005 (EUR 500,00) belegen (vgl. Bl. 70, 71, 75, 76, 78, 80, 82, 85, 87 der Behördenakte), befinden sich auf dem Anlagekonto für die Einkommens- und Vermögenssituation des Klägers relevante Beträge. Die Vorlage von entsprechenden Kontoauszügen wäre daher zur Plausibilisierung eines Wohngeldanspruchs unabdingbar gewesen.
c) Auch ist nicht dargelegt oder auf sonstige Weise ersichtlich, woher die Barmittel zur Einzahlung durch den Kläger in Höhe von EUR 300,00 am … März 2005 bzw. in Höhe von EUR 600,00 am … Juni 2005 (vgl. Bl. 81 und 86 der Behördenakte) stammen. Der Vortrag bezüglich Kontogutschriften aufgrund Schuldenaufnahme bzw. Leihe von Verwandten im Hinblick auf eine spätere Erbschaft ist zu unsubstantiiert und vermag die bestehenden Unklarheiten nicht auszuräumen.
3. Ferner ist anzumerken, dass der Kläger trotz seiner prekären finanziellen Verhältnisse regelmäßig aufgrund von Daueraufträgen Förderbeiträge in Höhe von EUR 60,00 an den Verein „…“ (z.B. Bl. 63, 65, 68, 70, 72, 73, 76, 78, 79, 81, 82, 83, 86, 87 der Behördenakte) bzw. in Höhe von EUR 30,68 an den „…“ (Bl. 64, 71, 76, 81, 86 der Behördenakte) sowie monatlich EUR 5,00 an „…“ für religiöse Radiosendungen (z.B. Bl. 64, 69, 71, 72, 74, 76, 78, 79, 82, 83, 84, 86 der Behördenakte) überweisen konnte. Woher die Mittel zur Bestreitung dieser Förderbeiträge stammen, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
4. Zwischen den vom Kläger im Rahmen seiner Antragstellung angegebenen sowie im Übrigen ersichtlichen Einnahmen und den in Summe tatsächlichen anfallenden Aufwendungen für den Lebensunterhalt ist von einer erheblichen Diskrepanz auszugehen, was Zweifel an der Glaubhaftigkeit und Vollständigkeit der Angaben des Klägers weckt. Eine hinreichende Abnahme des Vermögens zur Bestreitung dieser Diskrepanz ist nicht plausibel dargelegt worden.
5. Der Kläger hat das Klageverfahren auch nicht genutzt, um den im Widerspruchsbescheid vom … April 2008 ausführlich dargelegten Zweifeln an der Plausibilität und Vollständigkeit seines Vorbringens (substantiiert) entgegenzutreten. Die Einkommensverhältnisse des klägerischen Haushalts erscheinen folglich selbst dann nicht als plausibel, wenn man ausnahmsweise nicht auf den generell für die Begründetheit des Antrags maßgeblichen Prognosezeitpunkt aufgrund der im Zeitpunkt der Antragstellung bekannten Daten abstellt (vgl. BayVGH, B.v. 15.05.2007 – 12 C 05/1898).
Eine Einkommensprognose ist wegen der unvollständigen und insgesamt nicht nachvollziehbaren Angaben des Klägers zu seiner Einkommenssituation nicht möglich. Der Wohngeldantrag des Klägers wurde daher im Ergebnis zu Recht letztlich unter Hinweis auf die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast abgelehnt, so dass die Anfechtungsklage gegen den Ablehnungsbescheid keinen Erfolg haben kann.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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