Aktenzeichen 2 V 1190/18
Leitsatz
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid für 2010, ob der Vorbehaltsbescheid vom 21. Juni 2012 dem Antragsteller zugegangen ist.
Mit an den steuerlichen Vertreter des Antragstellers bekanntgegebenen Bescheid über Einkommensteuer für 2010 vom 21. Oktober 2016 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung im Bescheid vom 21. Juni 2012 (Vorbehaltsbescheid) aufgehoben.
Gegen den Vorbehaltsbescheid vom 21. Juni 2012 über die Einkommensteuer für 2010 legte der Antragsteller am 29. Juni 2017 Einspruch ein. Die vom Antragsteller am 7. Februar 2018 beantragte Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für 2010 vom 21. Juni 2012 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 6. März 2018 ab.
Bei Gericht beantragt der Antragsteller nunmehr die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für 2009 und für 2010 -jeweils vom 21. Juni 2012-. Diese Bescheide seien ihm nicht zugegangen, da er am 1. Dezember 2011 in die Türkei verzogen und erst am 27. Oktober 2013 wieder ins Inland zugezogen sei.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für 2009 und für 2010 -jeweils vom 21. Juni 2012- in Höhe von 1.452 € (2009) und in Höhe von 1.401 € (2010) wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
1. Soweit der Antragssteller die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 21. Juni 2012 begehrt, ist der Antrag unzulässig.
Gem. § 69 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO bei Gericht in zulässiger Weise nur angebracht werden, wenn die Finanzbehörde einen Antrag nach § 69 Abs. 2 FGO ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies gilt nicht, wenn
1. die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2. eine Vollstreckung droht.
Der Antragsteller hat beim Antragsgegner schon die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für 2009 nicht beantragt, geschweige denn liegt ein Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vor.
Zudem liegt keiner der Ausnahmetatbestände des § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO im Streitfall vor, insbesondere droht keine Vollstreckung. Gegenteiliges hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
Hinzu kommt, dass der Antrag auch unzulässig ist, weil der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom Antragsteller mit keinem Rechtsbehelf angefochten wurde.
2. Soweit der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für 2010 vom 21. Juni 2012 beantragt, ist der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der Vorbehaltsbescheid vom 12. Juni 2012 wurde mit Bescheid vom 21. Oktober 2016 aufgehoben, ist nicht mehr existent und daher nicht mehr vollziehbar.
Gemäß § 164 Abs. 3 Satz 1 und 2 AO kann der Vorbehalt der Nachprüfung jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Soweit sich aus dem Bescheidinhalt oder den Umständen nichts anderes ergibt -wie im Streitfall-, ist ein Bescheid, der die „Aufhebung“ eines Steuerbescheids anordnet, dahin zu verstehen, dass der Steuerbescheid in Gänze und mit all seinen Rechtswirkungen beseitigt werden soll; damit entfällt auch ein im Steuerbescheid enthaltener Vorbehalt der Nachprüfung, bei dem es sich um eine unselbständige Nebenbestimmung des Steuerbescheids nach § 120 Abs. 1 AO handelt (dazu BFH-Beschlüsse vom 25. März 2013 I B 26/12, BFH/NV 2013, 1061, und vom 1. Juni 1983 III B 40/82, BStBl II 1983, 622).
Unabhängig von der Frage, ob der Vorbehaltsbescheid vom 21. Juni 2012 dem Antragsteller zugegangen ist oder nicht, ist mittlerweile an dessen Stelle der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 21. Oktober 2016 getreten. Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung, die mit dem Bescheid vom 21. Oktober 2016 erfolgt ist, steht gemäß § 164 Abs. 3 Satz 2 AO einer (erstmaligen) Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich (vgl. dazu auch Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl., § 164 Rn 39). Durch diese gesetzliche Fiktion wird erreicht, dass der Aufhebungsbescheid wie ein Steuerbescheid anzusehen ist. Das hat notwendig zur Folge, dass der Steuerpflichtige gegen den Aufhebungsbescheid Einspruch einlegen und Anfechtungsklage erheben kann und muss (vgl. BFH in BStBl II 1983, 622).
Der Bescheid vom 21. Oktober 2016 ist dem Prozessbevollmächtigten bekanntgegeben worden und ist bestandskräftig.
Ein Einspruch gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2016 wurde nicht eingelegt. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist liegen offensichtlich nicht vor.
Wiedereinsetzung ist gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war. Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Januar 2005 III R 43/03, BFH/NV 2005, 1312). Hiernach schließt jedes Verschulden die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Vertretene muss sich ein Verschulden seines Vertreters gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 AO zurechnen lassen. Im Streitfall hat der steuerliche Vertreter des Antragstellers die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids und der Steuerfestsetzung ungeprüft gelassen und damit seine Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Mandanten nicht beachtet. Stattdessen hat er den Bescheid lediglich an den Antragsteller weitergeleitet. Ihm als Angehörigen der steuerberatenden Berufe mussten die Rechtsfolgen eines Aufhebungsbescheids i.S. des § 164 Abs. 3 Satz 1 und 2 AO bekannt sein.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § § 135 Abs. 1 FGO.