Aktenzeichen M 10 S 18.4681
AO § 34, § 69, § 191
Leitsatz
1 Der Widerspruch gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen hat aufschiebende Wirkung. Säumniszuschläge sind keine Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, sondern ein Druckmittel eigener Art, dem Zwangsgeld verwandt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Geschäftsführer einer GmbH verhält sich grob fahrlässig, wenn er sich bewusst nur zum Schein und zur Täuschung im Rechtsverkehr als Geschäftsführer einer GmbH vorschieben lässt, tatsächlich jedoch die Geschäftsführung, die Führung der Bücher und Konten einem anderen überlässt, ohne diese Person, die Buchführung und die Abgabe von Steuererklärungen zu überwachen und zu kontrollieren. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.634,94 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Gewerbesteuerhaftungsbescheid.
Der Antragsteller war vom 10. Oktober 2013 bis zum 18. Februar 2016 im Handelsregister als Geschäftsführer der … GmbH eingetragen. Nach dem umfassenden Ermittlungsverfahren des Hauptzollamts … (Schlussbericht vom 14. Juni 2018) und übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten war nicht der Antragsteller, sondern sein Bruder faktischer Geschäftsführer des Unternehmens. Der Antragsteller fungierte als „Strohmann“. Die GmbH wurde erst zum 1. September 2014 tatsächlich aktiv, es gab ein Vorgängerunternehmen, dessen Mitarbeiter und Aufträge die … GmbH ab September 2014 übernommen hat. Die … GmbH wurde von Amts wegen mit Eintrag vom 18. Februar 2016 im Handelsregister gelöscht. Zwei verschiedene Unternehmen wurden neu gegründet und haben Mitarbeiter der … GmbH übernommen. Als Gewinn aus dem Gewerbebetrieb wurde für das Jahr 2014 ein Betrag von 126.736,54 € ermittelt, für das Jahr 2015 ein Betrag von 93.863,65 €. Auf den umfangreichen Schlussbericht des Ermittlungsverfahrens wird Bezug genommen. Der Antragsteller hat für die Veranlagungsjahre 2014 und 2015 keine Steuererklärungen zur Gewerbesteuer für die … GmbH eingereicht.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2018 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller in Höhe von 30.539,75 € für Gewerbesteuerschulden und Nebenforderungen der Firma … GmbH aus den Jahren 2014 und 2015 in Haftung genommen (Gewerbesteuerschulden: 25.467,75 €; Zinsen: 4.432 €; Verspätungszuschlag: 640 €). Zur Begründung wird ausgeführt: der Gewerbesteuermessbetrag sei durch das Finanzamt … mit Berechnung vom 7. Juni 2018 auf 4.434,50 € (Veranlagungsjahr 2014) bzw. 3.283 € (Veranlagungsjahr 2015) festgelegt worden. Multipliziert mit dem Hebesatz ergebe sich eine Gewerbesteuerschuld in Höhe von 14.633,85 € (Veranlagungsjahr 2014) bzw. 10.833,90 € (Veranlagungsjahr 2015). Zudem werde ein Verspätungszuschlag von 10 € je angefangenem Monat festgesetzt. Gemäß § 71 AO hafte für verkürzte Steuern, wer eine Steuerhinterziehung begehe oder an einer solchen teilnehme. Der Antragsteller habe die Gewerbesteuer 2014 und 2015 hinterzogen. Dies gehe aus einem Schreiben des Finanzamts … vom 14. Juni 2018 und dem Ermittlungsbericht des Hauptzollamtes … vom 20. Oktober 2017 hervor, auf welche verwiesen werde. Der Antragsteller sei als eingetragener Geschäftsführer der … GmbH für die Abgabe richtiger und inhaltlich vollständiger Steuererklärungen verantwortlich gewesen.
Zudem hafte der Antragsteller gemäß § 69 AO als gesetzlicher Vertreter, nachdem Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden seien. Seit Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit sei die Pflicht des Antragstellers gewesen, die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen. Dass nach den Feststellungen der Prüfung die Geschäfte von einem faktischen Geschäftsführer geführt worden seien, entbinde den Antragsteller nicht von seiner Haftung. Der Antragsteller habe entgegen seinen Pflichten die Steuererklärungen für die Jahre 2014 und 2015 nicht abgegeben. Hierdurch seien die Steuern nicht rechtzeitig festgesetzt worden. Diese Pflichtverletzung sei zumindest grob fahrlässig. Von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebs werde die ordnungsgemäße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften verlangt. Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass Steuererklärungen und Anmeldungen innerhalb der vorgeschriebenen Fristen abzugeben seien. Bei pflichtgemäßer rechtzeitiger Abgabe richtiger Steuererklärungen wäre es nicht zu einem Steuerausfall gekommen. Bei einer rechtzeitigen Festsetzung der Steuern hätte die Gesellschaft noch über ausreichende Mittel verfügt, um ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.
Der Bescheid wurde am 12. Juli 2018 dem Antragsteller zugestellt.
Mit Schreiben vom 8. August 2018 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen den Haftungsbescheid eingelegt.
Mit Schreiben vom 13. September 2018 hat die Antragsgegnerin die Vollstreckung angekündigt.
Am 21. September 2018 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt: bei den Ermittlungen des Finanzamtes habe sich herausgestellt, dass der Antragsteller sich lediglich als Geschäftsführer habe eintragen lassen, um seinem Bruder einen Gefallen zu tun. Der Antragsteller erwirtschafte nur einen geringen Verdienst pro Monat, Vermögen sei nicht vorhanden. Eine Zwangsvollstreckung würde demnach ins Leere gehen.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 hat die Antragsgegnerin dem Gericht mitgeteilt, dass eine Begründung des Widerspruchs bisher nicht erfolgt sei. Einen Antrag stellte die Antragsgegnerin nicht.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Behörden und Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist hinsichtlich der Säumniszuschläge unzulässig (dazu unter 1.), im Übrigen unbegründet (dazu unter 2.).
1. Der Antrag ist hinsichtlich der Säumniszuschläge in Höhe von 640 EUR unzulässig.
Widerspruch und Klage gegen einen Haftungsbescheid nach § 191 AO haben insoweit keine aufschiebende Wirkung, soweit er Abgaben und die dazu gehörenden Nebenleistungen betrifft (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Haftungsschuld tritt anstelle der uneinbringlichen Steuerschuld, so dass auch die Haftungsschuld dem Finanzierungszweck der öffentlichen Hand dient und daher eine Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darstellt (vgl. VG München, B.v. 10.12.2003, Az.: M 10 S 03.2957). Anders verhält es sich bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen. Der Widerspruch gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aufschiebende Wirkung. Säumniszuschläge sind keine Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, sondern ein Druckmittel eigener Art, dem Zwangsgeld verwandt. Entsprechendes gilt, wenn Säumniszuschläge im Rahmen eines Haftungsbescheids geltend gemacht werden (vgl. VG München, B.v. 25.2.2000, Az.: M 10 S 99.4916).
Im Übrigen, also hinsichtlich der Haftung für die Gewerbesteuerschuld und der Verzinsung, ist der Antrag zulässig. Zwar hat der Antragsteller entgegen dem Erfordernis des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nach Aktenlage keinen vorherigen Antrag bei der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, jedoch ist sein Antrag gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO dennoch ausnahmsweise zulässig, nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. September 2018 die Zwangsvollstreckung angekündigt hat und mithin die Vollstreckung droht.
2. In der Sache hat der Antrag jedoch keinen Erfolg (dazu unter a.). Dies gilt auch hinsichtlich einer etwaigen unbilligen Härte gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (dazu unter b.).
a. Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Interessenabwägung anzustellen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 68). Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage einzubeziehen. Wird die Klage voraussichtlich erfolglos blieben, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers, da kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, von dem Vollzug eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben. Nur wenn die Vollziehung einen erheblichen, nicht mehr rückgängig zu machenden Eingriff darstellt, mithin vollendete Tatsachen schafft, könnte auch in diesem Fall das private Interesse des Antragstellers überwiegen (vgl. Schmidt in Eyermann, a.a.O. Rn. 76).
Im vorliegenden Fall wird der Widerspruch voraussichtlich keinen Erfolg haben. Unter Zugrundelegung der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist der angegriffene Gewerbesteuerhaftungsbescheid rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Haftungsbescheid vom 10. Juli 2018 beruht auf § 191 Abs. 1 S. 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 AO. Gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 3 Abs. 2 AO sind § 191 sowie §§ 69, 34 AO für die Gewerbesteuer als Realsteuer direkt anwendbar. Unabhängig von der Haftung wegen Steuerhinterziehung nach § 71 AO, auf welche die Antragsgegnerin die Haftung alternativ stützt, wurde der Antragsteller als Geschäftsführer bereits nach § 69 AO rechtmäßig in Anspruch genommen.
Gemäß § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet.
Die grundsätzliche Haftung des Antragstellers ergibt sich aus § 69 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 AO. Danach haften gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Haftungsschuldner kraft Gesetzes sind nach § 69 S. 1 AO unter anderem die in § 34 AO bezeichneten Personen. Eine Haftung nach § 69 AO wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann ausgelöst, wenn die dafür in Betracht kommende Person eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat und diese Pflichtverletzung einen Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen verursacht hat (vgl. BFH, U.v. 29.11.2006 – I R 103/05 – juris Rn. 12; U.v. 05.03.1991 – VII R 93/88 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 11.08.2005 – VII B 244/04 – juris Rn. 9). Das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheids hat grundsätzlich der Steuergläubiger zu belegen. Dem potentiellen Haftungsschuldner kommt hierbei nach §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AO eine Mitwirkungs- und Auskunftspflicht zu, deren Verletzung zu einer Beweismaßverringerung führen kann (BayVGH, B.v. 22.3.2016 – 4 CS 15.2488 – juris; VG München, B.v. 23.11.2017 – M 10 S 17.4897 – juris, Rn. 70,).
Unstreitig war der Antragsteller in den maßgeblichen Veranlagungsjahren 2014 und 2015 als Geschäftsführer der … GmbH eingetragen. Unerheblich ist, dass nach dem Abschlussbericht des Hauptzollamtes … vom 20. Oktober 2017 sowie nach eigenen Angaben des Antragstellers der Bruder des Antragstellers faktischer Geschäftsführer und der Antragsteller selber nur „Strohmann“ war. Eine Haftung nach § 69 AO i.V.m. § 34 AO knüpft an der formellen Geschäftsführereigenschaft an, nicht an der faktischen Übernahme von Geschäftsführertätigkeiten (vgl. VG München, U.v. 16.9.2004 – M 10 K 03.5631 – juris). Der Antragsteller hat eine Pflicht verletzt, indem er keine Steuererklärungen für die Veranlagungsjahre 2014 und 2015 abgegeben oder anderweitig dafür gesorgt hat, dass eine solche Steuererklärung abgegeben wurde. Der Antragsteller trug als nominell zum Geschäftsführer Berufener grundsätzlich die Verantwortung, dass Steuererklärungen richtig und rechtzeitig abgegeben werden. Für die … GmbH wurde keine Steuererklärung abgegeben.
Diese Pflichtverletzung erfolgte grob fahrlässig. Der Geschäftsführer einer GmbH verhält sich grob fahrlässig, wenn er sich bewusst nur zum Schein und zur Täuschung im Rechtsverkehr als Geschäftsführer einer GmbH vorschieben lässt, tatsächlich jedoch die Geschäftsführung, die Führung der Bücher und Konten einem anderen überlässt, ohne diese Person, die Buchführung und die Abgabe von Steuererklärungen zu überwachen und zu kontrollieren. Dies gilt unabhängig davon, ob Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers bestehen (vgl. VG München, U.v. 16.9.2004 – M 10 K 03.5631 – juris). Dass der Antragsteller von seiner Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen nach eigenem Vorbringen nicht wusste, entlastet ihn nicht. Ein GmbH-Geschäftsführer kann sich nicht damit exkulpieren, dass er von der ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte ferngehalten wurde und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Ist der Geschäftsführer – seinen entsprechenden Willen vorausgesetzt – nicht in der Lage, sich innerhalb der Gesellschaft durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, so muss er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, er sorge für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte (vgl. BFH U.v. 11.3.2004, VII R 52/02 – juris; BayVGH, B.v. 26.10.2004, 4 CS 04.1830 – juris).
Der Antragsgegnerin ist durch die Nichtabgabe der Steuererklärungen ein Schaden in Höhe von 14.633,85 € (Veranlagungsjahr 2014) bzw. 10.833,90 € (Veranlagungsjahr 2015) entstanden, nachdem diese Steuerschuld bisher nicht beglichen wurde. Hinsichtlich der Berechnungen des Hauptzollamtes …, auf welche sich die Antragsgegnerin stützt, bestehen keine Bedenken. Dass die Steuerschulden gegenüber der … GmbH mangels Kenntnis der Antragsgegnerin nie festgesetzt wurden, ist unerheblich. Die Ansprüche gegen den Erstschuldner müssen dem Grunde und der Höhe nach feststehen. Eine Festsetzung dieser Ansprüche ist für die Entstehung der Haftung jedoch nicht erforderlich (Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 153. Lieferung 08.2018, § 69 AO, Rn. 14).
Der Schaden beruht auch kausal auf der Pflichtverletzung des Antragstellers. Die Pflichtverletzung des gesetzlichen Vertreters muss für den Haftungsschaden ursächlich sein. Das ist dann der Fall, wenn der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Der Schaden ist unter anderem verursacht, wenn durch die unterlassene oder verspätete Steueranmeldung eine aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeit der Steuerbehörde vereitelt worden ist. Hat der Geschäftsführer die Steuererklärung pflichtwidrig nicht abgegeben, entfällt die Haftung nur dann, wenn der Geschäftsführer auch bei Vermeidung des ihm vorgeworfenen Pflichtenverstoßes, also durch das ihm abverlangte rechtmäßige Verhalten, den Schaden verursacht hätte (sog. rechtmäßiges Alternativverhalten; vgl. BFH U.v. 23.4.2014 – VII R 28/13 – BFH/NV 2014, 1489). Der Kausalzusammenhang zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Steuerausfall fehlt, wenn der Steuerausfall mangels ausreichender Zahlungsmittel unabhängig davon eingetreten ist, ob die Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht und die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlich hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind (BFH, U.v. 6.3.2001 – VII R 17/00 – juris). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Steuerpflichtige noch über ausreichende Mittel verfügt, um nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung zumindest einen Teil der Steuerschuld zu begleichen (BFH, U.v. 26.1.2016 – VII R 3/15 – juris; Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 153. Lieferung 08.2018, § 69 AO, Rn. 20 m.w.N. zur Rspr.). Aus der Aktenlage, auf welche das Gericht im Eilverfahren bei der erforderlichen summarischen Prüfung angewiesen ist, lässt sich entnehmen, dass in den Jahren 2014 und 2015 durch den faktischen Geschäftsführer Auszahlungen in Höhe von über 500.000 € von Konten der … GmbH bzw. des Vorgängerunternehmens vorgenommen wurden. Es wurde nicht Insolvenz angemeldet, so dass die Antragsgegnerin vom rechtmäßigen Verhalten und daher von der Zahlungsfähigkeit der … GmbH ausgehen durfte. Es liegt demnach nahe, dass im maßgeblichen Zeitpunkt, zu dem die Antragsgegnerin die Steuerschulden von der … GmbH bei rechtzeitiger und korrekter Abgabe der Steuererklärungen eingefordert hätte, ausreichende Mittel bei der GmbH zur Verfügung standen. Der Antragsteller hat diesbezüglich keine gegenteiligen oder überhaupt Angaben gemacht. Vor allem ist zu beachten, dass die haftungsbegründende Pflichtverletzung bereits vor Entstehung des Steueranspruchs in der unzureichenden Erfüllung der Vermögensvorsorgepflicht bestehen kann. Als Geschäftsführer einer zahlungsfähigen Gesellschaft oblag dem Antragsteller, Mittel zur Zahlung von Steuerschulden bereitzuhalten. Vom Vorliegen eines Kausalzusammenhangs ist zudem auch auszugehen, wenn auf Grund der verspäteten oder fehlenden Abgabe der Steuererklärung dem Finanzamt die Möglichkeit genommen wird, mit einem Vorsteuererstattungsanspruch aufzurechnen oder rechtzeitig Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten (Jatzke in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 141. Lieferung, § 69 AO, Rn. 55 m.w.N.).
Bei summarischer Prüfung reichen die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Ermessenserwägungen gerade noch aus. Auf Seite 4 des streitgegenständlichen Bescheides führt die Antragsgegnerin aus, es sei ermessensgerecht, alle Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, weil es die Sicherung des Steueranspruchs gebiete, sämtliche Möglichkeiten zur Realisierung auszuschöpfen. Nach Auslegung ist dies so zu verstehen, dass die Antragsgegnerin ihr Entschließungs- und Auswahlermessen zugunsten einer Inanspruchnahme ausüben möchte, um den Steueranspruch zu realisieren.
Der Zinsanspruch stützt sich auf § 233a AO, die Höhe wurde nach § 238 Abs. 1 Satz AO berechnet. Das Gericht hat nach summarischer Prüfung keine Bedenken hinsichtlich der Höhe der Zinsen unabhängig von den diesbezüglichen anhängigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Bis zu einer etwaigen Aufhebung ist § 238 AO als geltendes Recht der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legen.
Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vorgebracht oder ersichtlich.
b. Auch ist die Vollziehung des Haftungsbescheids nicht nach § 80 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 VwGO wegen einer unbilligen Härte auszusetzen. Eine unbillige Härte liegt nur dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Abgabepflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind, insbesondere, wenn die wirtschaftliche Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet wäre (BayVGH, B.v. 30.6.2008 – 4 CS 08.1409 – juris).
Eine unbillige Härte im Sinn des § 80 Abs. 4 VwGO setzt das Vorliegen eines persönlichen Billigkeitsgrundes in der Person des Abgabepflichtigen voraus, wobei Gegenstand der Beurteilung gerade die Vollziehung des Abgabenbescheides bzw. die sofortige Zahlung durch den Abgabepflichtigen darstellt. Im Rahmen der Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist entscheidend darauf abzustellen, ob die sofortige Vollziehung bzw. Zahlung der geforderten Abgabe eine wesentliche Ursache für die Existenzgefährdung darstellen würde.
Die Antragstellerseite hat keine Nachweise für eine solche unbillige Härte erbracht. Es wurde allein vorgetragen, der Antragsteller arbeite in angestellter Tätigkeit und erwirtschafte einen geringen Verdienst pro Monat, Vermögen sei nicht vorhanden. Nachweise oder konkrete Angaben fehlen.
3. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.