Steuerrecht

Erfolgloses Bestreiten des Zugangs von Rundfunkbeitragsbescheiden

Aktenzeichen  M 6 S 17.3156

Datum:
15.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 58 Abs. 2, § 70 Abs. 1 S. 1, § 80 Abs. 5, § 80b Abs. 1, § 123 Abs. 1, Abs. 5
BayVwZVG BayVwZVG Art. 17 Abs. 1, Abs. 4 S. 2, Art. 22, Art. 41 Abs. 2
RBStV RBStV § 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 1, § 4 Abs. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Der Vorrang eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht gegeben, soweit der Antragsteller den fehlenden Zugang des streitgegenständlichen Beitragsbescheids geltend macht (Anschluss an VG München BeckRS 2016, 48624 u.a.). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist der Hauptsacherechtsbehelf aber bereits unzulässig, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr im Eilverfahren, da die aufschiebende Wirkung mit der Unanfechtbarkeit der Festsetzungsbescheide endet. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der dem Adressaten zuzurechnende „Machtbereich“ ist nicht mit dem Begriff der „Wohnung“ im Sinne der Zustellvorschriften deckungsgleich (entgegen SächsOVG BeckRS 2015, 54886). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4 Ist unter Angabe der richtigen Anschrift eine Vielzahl von Postsendungen an denselben Adressaten gerichtet und keine von ihnen zurück an den Absender gelangt, ist von deren Zugang beim Adressaten auszugehen und reicht ein bloßes Bestreiten des Zugangs durch diesen nicht aus (Anschluss an BayVGH BeckRS 2008, 30315). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
5 Die Vermutung der Meldung nach Melderecht für die Wohnungsinhaberschaft kann nur widerlegt werden, wenn die gemeldete Person plausibel darlegt, dass sie im maßgeblichen Beitragszeitraum trotz des melderechtlichen Anscheins tatsächlich keine Wohn- und damit einhergehende Zutrittsberechtigung betreffend die Wohnung hatte. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 198,99 € festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Schriftsatz vom … Juli 2017 erhob der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage (Az. M 6 K 17.3154) gegen sechs Festsetzungsbescheide des Bayerischen Rundfunks mit einer Gesamtsumme von 795,96 €:
– Festsetzungsbescheid vom 1. April 2015 für den Zeitraum Januar 2013 bis Dezember 2014 (Wohnung in A.)
– Festsetzungsbescheid vom 1. Mai 2015 für den Zeitraum Januar 2015 bis März 2015 (Wohnung in A.)
– Festsetzungsbescheid vom 1. August 2015 für den Zeitraum April 2015 bis Juni 2015 (Wohnung in A.)
– Festsetzungsbescheid vom 2. November 2015 für den Zeitraum Juli 2015 bis September 2015 (Wohnung in A.)
– Festsetzungsbescheid vom 3. Januar 2016 für den Zeitraum Oktober 2015 bis Dezember 2015 (Wohnung in A.)
– Festsetzungsbescheid vom 2. September 2016 für den Zeitraum Januar 2016 bis Juni 2016 (Wohnung in B.)
Gleichzeitig beantragte der Antragsteller, den Antragsgegner im Rahmen der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Vollstreckungsmaßnahmen auszusetzen.
Klage und Antrag begründete der 1984 geborene Antragsteller in erster Linie damit, dass er die Bescheide mit Ausnahme des letzten Bescheids vom 2. September 2016 nicht erhalten habe. An der Adresse in A. sei seine Mutter mit Hauptwohnsitz gemeldet, die Sozialleistungen beziehe. Der Antragsteller sei dort seit 2006 mit Nebenwohnsitz gemeldet. Faktisch handle es sich bei dem Wohnsitz um ein Kinderzimmer. Vermutlich seien ihm die Schreiben an den Nebenwohnsitz nicht weitergeleitet worden. Darüber hinaus nutze er die Angebote des Bayerischen Rundfunks nicht.
Der Antragsgegner erwiderte mit Schreiben vom 21. Juli 2017, dass die Festsetzungsbescheide ausweislich der Auszüge des elektronisch geführten Beitragskontos nachweislich an den Antragsteller versandt wurden und auch nicht als unzustellbar zurückgekommen seien. Darüber hinaus sei die aus den vollstreckbaren Titeln betriebene Zwangsvollstreckung (Vollstreckungsanordnung vom … Januar 2017) mittlerweile abgeschlossen. In der Sache sei festzustellen, dass der Antragsteller unter der in den Festsetzungsbescheiden genannten Adresse in A. mit Erstwohnsitz gemeldet gewesen sei. Der Sozialleistungsbezug seiner Mutter begründe keinen Befreiungsanspruch für den Antragsteller.
Mit Schreiben vom … August 2017 gab der Antragsteller an, dass aus seiner Sicht die Zwangsvollstreckung nicht abgeschlossen sei, da deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Auch seine Mutter habe keine Bescheide erhalten. Er habe den Antragsgegner bereits mit Schreiben vom … April 2016 gebeten, solange von einer Zwangsvollstreckung abzusehen, bis alle Unklarheiten aus dem Weg geräumt seien. Im Übrigen sei ihm beim Vollstreckungsgericht geraten worden, eine Vollstreckungsabwehrklage beim Amtsgericht München zu stellen, da die Forderung vom Vollstreckungsgericht nicht materiell-rechtlich geprüft werde. Die Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts habe ihm dann geraten, einen entsprechenden Antrag beim Verwaltungsgericht zu stellen.
Weiterhin rügt der Antragsteller verfassungsrechtliche Verstöße des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags – RBStV – und der darauf gestützten Bescheide. Gegen den Bescheid vom 2. September 2016 habe er per E-Mail Widerspruch eingelegt. Außerdem sei die Rechtsbehelfsbelehrung:unzutreffend, da an der vom Antragsgegner für die Einlegung des Widerspruchs zur Niederschrift angegebenen Adresse kein Parteiverkehr geführt werde.
Dem Schreiben lagen schließlich Kopien der Meldebestätigungen der Städte C., D. und B. bei. Der Meldebestätigung der Stadt B. lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller seit dem … Juni 2013 dort mit Hauptwohnsitz gemeldet ist.
Mit Schreiben vom 18. August 2017 bat das Gericht den Antragsgegner um Mitteilung, welche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bereits durchgeführt wurden und wies darauf hin, dass die History-Aufstellung der Behördenakte noch einen negativen Saldo enthalte, was dafür spreche, dass noch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen drohten.
Mit Schreiben vom 11. September 2017 teilte der Antragsgegner mit,
dass die vom Antragsteller erhobene Erinnerung vom Amtsgericht München zurückgewiesen worden sei. Der Antragsgegner gehe daher davon aus, dass die Zwangsvollstreckung nunmehr wie beantragt durchgeführt werde. Sollte dies nicht der Fall sein, werde die Durch- bzw. Fortführung der Zwangsvollstreckung beantragt. Die ursprüngliche Aussage, die Zwangsvollstreckung sei abgeschlossen, müsse nach alledem revidiert werden.
Daher werde beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Mit Beschluss vom 14. September 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 6 K 17.3154 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Das Gericht legt den Antrag des nicht anwaltlich vertretenen Antragstellers gem. §§ 86, 88 der i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO als Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO aus. Dem erkennbaren Begehren des Antragstellers, aus den in der Hauptsache angefochtenen Bescheiden bis zur Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit nicht der Zwangsvollstreckung ausgesetzt zu sein, kann im Erfolgsfall mit der (erstmaligen) Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festsetzungsbescheide des Bayerischen Rundfunks entsprochen werden. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Antragsgegner zur vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung zu verpflichten, ist dann gem. § 123 Abs. 5 VwGO kein Raum mehr.
Allerdings wäre der Einwand des Antragstellers, keine Bescheide erhalten zu haben, grundsätzlich im Rahmen eines behaupteten Anspruchs auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. Art. 22 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG – geltend zu machen („Fehlen der Vollstreckungsvoraussetzungen“), der gegen den Antragsgegner in der Hauptsache im Wege der Verpflichtungsklage verfolgt werden müsste. In dieser Konstellation käme auch eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht, da ein (vorrangiger) Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO dann mangels wirksamer Bekanntgabe der Bescheide wohl bereits unzulässig wäre. Auch insoweit ist der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht eröffnet (so auch VG München, U.v. 11.5.2016 – M 26 K 15.2175 – juris Rn. 25; Gerichtsbescheid vom 3.11.2016 – M 26 K 15.4667 – juris Rn. 23; VG Augsburg, B.v. 20.12.2016 – Au 7 E 16.1598 – juris Rn. 20). Von einer wirksamen Bekanntgabe ist indes nach summarischer Prüfung auszugehen (dazu noch unten), so dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich weitergehenden Rechtsschutz bietet.
Der Antragsteller hat außerdem in seinem Schreiben vom … August 2017 deutlich gemacht, dass er auch eine materielle Prüfung der Bescheide anstrebt und hat konsequenterweise auch ausdrücklich Anfechtungsklage gegen die Bescheide erhoben. Bei der Annahme eines Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO würde Art. 21 Satz 2 BayVwZVG den Antragsteller insoweit wohl gegen seine Absicht auf nachträglich entstandene Einwendungen beschränken. Dazu kommt, dass der Antragsteller die Vollstreckungsvoraussetzungen bereits im Rahmen der vom Antragsteller (richtigerweise, vgl. Art. 27 Abs. 1, Art. 26 Abs. 2, Abs. 7 Satz 2 BayVwZVG) vor dem Amtsgericht erhobenen Erinnerung gegen die Maßnahmen des Gerichtsvollziehers hat prüfen lassen. Bei dieser Sachlage liegt es eher fern, dass im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs gegen den Antragsgegner gem. Art. 22 BayVwZVG nunmehr nochmals (nur) eine derartige Prüfung gewünscht ist.
Auch wenn der Antrag den Umfang des Eilrechtsschutzes nicht ausdrücklich auf die Vollstreckung der Bescheide begrenzt, deren Aufhebung der Antragsteller in der Hauptsache begehrt, ergibt sich eine solche Beschränkung mittelbar aus der Stellungnahme hinsichtlich des Streitwerts, die sich mit dem Vollstreckungsersuchen des Antragsgegners vom … Januar 2017 unter Berücksichtigung der Gerichtsvollzieherkosten deckt. Dieses Vollstreckungsersuchen erfasst die (weiteren) für den Hauptwohnsitz des Antragstellers ergangenen Bescheide gerade nicht.
Aber auch der so verstandene Antrag ist bereits unzulässig, da kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht. Das Rechtsschutzbedürfnis ist zwar nicht bereits deshalb entfallen, weil keine Zwangsvollstreckung mehr drohen würde. Das bisherige Vollstreckungsersuchen war nur auf die Abnahme einer Vermögensauskunft gerichtet. Weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind daher grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Auf Nachfrage des Gerichts vom 18. August 2017 hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 12. September 2017 auch weitere Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt. Allerdings sind die streitgegenständlichen Bescheide nach der alleine möglichen, im Eilverfahren aber auch ausreichenden summarischer Prüfung wirksam bekannt gegeben worden und damit bestandskräftig. Ist der Hauptsacherechtsbehelf aber bereits unzulässig, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr im Eilverfahren, da die aufschiebende Wirkung gem. § 80b Abs. 1 Satz VwGO mit der Unanfechtbarkeit der Festsetzungsbescheide endet.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers sind ihm die angegriffenen Bescheide wirksam bekannt gegeben worden. Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass der melderechtlichen Situation lediglich indizielle Bedeutung für die wirksame Bekanntgabe eines Verwaltungsakts zukommt (vgl. OVG Bautzen, B.v. 17.7.2015 – 3 B 146/15 – NVwZ-RR 2016, 167). Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Verwaltungsakt dann wirksam bekannt gegeben, wenn er dergestalt in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass dieser bei gewöhnlichem Verlauf und unter normalen Umständen unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Möglichkeit hat, von ihm Kenntnis zu nehmen (BVerwG, B.v. 22.4.1994 – 4 B 212/93 – Buchholz 316 § 41 Nr. 2). Bei der Bekanntgabe an den gemeldeten Hauptwohnsitz wird dies in aller Regel der Fall sein. Vieles spricht dafür, dass dies auch generell für den Nebenwohnsitz gilt, da nach allgemeiner Verkehrsauffassung davon ausgegangen werden darf, dass vom Inhaber eines Nebenwohnsitzes Vorkehrungen getroffen werden, die sicherstellen, dass ihn zumindest die Briefpost zuverlässig erreicht, die den Nebenwohnsitz zum Gegenstand hat (z.B. Zweitwohnsitzsteuer, kommunale Gebühren, etc.). Dies kann beispielsweise über Nachsendeaufträge oder Vereinbarungen mit weiteren Wohnungsinhabern oder Nachbarn erfolgen.
Im konkreten Fall hat der Antragsteller auch nicht vorgetragen, keinen Zugang zu dem Briefkasten zu haben oder dass ihn Briefe an seinem Nebenwohnsitz niemals erreichen würden. Außerdem hat er seine Mutter beauftragt, an ihn gerichtete Post weiterzuleiten. Auch dies spricht dafür, die Wohnung unabhängig von dem Umfang seines Aufenthalts noch zu seinem Machtbereich zu rechnen, möglicherweise sogar dafür, die Mutter des Antragstellers als seine Empfangsbotin zu qualifizieren.
Zu eng erscheint damit die Ansicht, eine Bekanntgabe könne nur an dem Ort erfolgen, an dem der Bürger seinen räumlichen Lebensmittelpunkt hat (so aber OVG Bautzen, B.v. 17.7.2015 – 3 B 146/15 – juris Rn. 9). Denn der dem Adressaten zuzurechnende „Machtbereich“ ist nicht mit dem Begriff der „Wohnung“ im Sinne der Zustellvorschriften deckungsgleich, auf deren Auslegung das OVG Bautzen zur Stützung seiner Ansicht zurückgreift (dazu BVerwG, U.v. 1.3.1991 – 8 C 31.89 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 25.9.2003 – 11 CE 02.3099 – juris Rn. 34 m. w. N.). Die Zustellung der Festsetzungsbescheide ist wiederum weder gesetzlich vorgeschrieben noch gem. Art. 17 Abs. 1 VwZVG Voraussetzung für Vollstreckungsmaßnahmen.
Die demnach wohl anwendbare Zugangsfiktion des Art. 41 Abs. 2 BayVwVfG (analog) ist nach dem Vortrag des Antragstellers ebenfalls nicht entkräftet, da nicht substantiiert vorgetragen wurde, aus welchem Grund keiner der fünf Bescheide und diversen Mahnschreiben den Nebenwohnsitz des Antragstellers erreicht haben soll, obwohl die Aufgabe der Bescheide zur Post in der sog. History-Aufstellung des Antragsgegners dokumentiert und damit auch den Anforderungen des Art. 17 Abs. 4 Satz 2 VwZVG genüge getan ist (vgl. auch VG München, Gerichtsbescheid vom 3.11.2016 – M 26 K 15.4667 – juris Rn. 27). Ist unter Angabe der richtigen Anschrift eine Vielzahl solcher Postsendungen an denselben Adressaten gerichtet und keine von ihnen – wie hier – zurück an den Absender gelangt, so ist von deren Zugang beim Adressaten auszugehen und reicht ein bloßes Bestreiten des Zugangs durch diesen nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2007 – 7 CE 07.2317 – NVwZ-RR 2008, 220). Die Bescheide sind damit in Bestandskraft erwachsen.
Die Bestandskraft ist auch hinsichtlich des Bescheids vom 12. September 2016 eingetreten, gegen den der Antragsteller nur mit (einfacher) E-Mail und damit nicht formgerecht (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) Widerspruch eingelegt hat. Der Vortrag des Antragstellers, eine Einlegung zur Niederschrift sei ihm faktisch nicht möglich gewesen, da bei der vom Antragsgegner angegeben Adresse kein Parteiverkehr gestattet sei, könnte – als zutreffend unterstellt – ggf. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in der vorigen Stand rechtfertigen. Der Antragsteller hat einen solchen Antrag aber weder gestellt noch dargelegt, dass und warum ihn dieser Umstand an der fristgerechten Einlegung des Widerspruchs gehindert hat. Im Übrigen wäre mittlerweile auch die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO abgelaufen.
Selbst wenn man wegen Zweifeln an der Wirksamkeit der Bekanntgabe der ersten fünf Bescheide zugunsten des Antragstellers von der Zulässigkeit des Antrags ausgehen würde, wäre er jedenfalls unbegründet. Denn bei der vom Gericht im Rahmen der Prüfung der Begründetheit gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Interessenabwägung kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Gesetzgeber in § 80 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO eine generalisierende Interessenabwägung getroffen hat, wonach für bestimmte Arten von Entscheidungen ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses statuiert wird. Das Gericht hat deshalb die in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO getroffene Wertung, dass das Vollzugsinteresse hinsichtlich öffentlicher Abgaben in der Regel Vorrang vor den Belangen des Betroffenen hat, vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Einforderung von Abgaben von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, nachzuvollziehen (BayVGH, B.v. 3.12.2015 – 7 AS 15.2585 – juris). Nur bei einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache ist die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit ist hier aber nach dem oben Gesagten nicht ersichtlich. Über die bereits genannten Argumente hinaus wäre außerdem offen, ob der Zugang jedenfalls wegen des Verstoßes des Antragstellers gegen das Melderecht und rundfunkrechtliche Mitteilungspflichten anlässlich der Änderung seines Hauptwohnsitzes zu fingieren ist (so etwa konkret für die damalige Rundfunkgebühr VG München, B.v. 26.4.2010 – M 6b K0 09.5728 sowie im Rahmen eines Abfallgebührenbescheids BayVGH, U.v. 22.1.2009 – 4 B 08.1591 – BayVBl 2010, 541).
Lediglich hilfsweise sei ausgeführt, dass auch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Rechtswidrigkeit der Bescheide ersichtlich ist. Gem. § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich vom Wohnungsinhaber ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV wird als Inhaber jede Person vermutet, die dort nach Melderecht gemeldet ist, ohne dass insoweit ein Neben- oder Zweitwohnsitz ausgenommen wäre. Die Vermutung kann nur widerlegt werden, wenn die gemeldete Person plausibel darlegt, dass sie im maßgeblichen Beitragszeitraum trotz des melderechtlichen Anscheins tatsächlich keine Wohn- und damit einhergehende Zutrittsberechtigung in der Wohnung hatte. Eine Wohn- und Zugangsberechtigung hat der Antragsteller nicht bestritten, sondern lediglich ausgeführt, dass er dort nur ein Zimmer zur Verfügung habe. Der Antragsteller wurde auch nicht, wie von ihm wohl irrtümlich angenommen, für dieses Zimmer, sondern als Inhaber der gesamten Wohnung herangezogen, wobei er für die auf diese Wohnung entfallenden Rundfunkbeiträge grundsätzlich gem. § 2 Abs. 3 RBStV zusammen mit seiner Mutter als Gesamtschuldner haften würde, wenn diese nicht – was aus den Akten nicht ersichtlich ist, aber vom Antragsgegner mitgeteilt wurde – beitragsbefreit wäre. Diese Beitragsbefreiung wirkt für Kinder aber gem. § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV (unter weiteren Voraussetzungen) nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs und damit nicht mehr für den 1984 geborenen Antragsteller. Schließlich kommt es entgegen der Auffassung des Antragstellers für die Rundfunkbeitragsplicht nicht darauf an, ob er die Angebote des Antragsgegners nutzt oder nicht. Nach summarischer Prüfung erfolgte die Festsetzung damit auch in der Sache zu Recht, nachdem die rückständigen Beitragsforderungen nicht beglichen wurden (§ 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV).
Aus den genannten Gründen hätte im Übrigen auch ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO keinen Erfolg, weil die allgemeinen bzw. besonderen (verwaltungsrechtlichen) Vollstreckungsvoraussetzungen (vgl. Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1, 23 Abs. 1 VwZVG) vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. der Empfehlung in Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anh. § 164 Rn. 14).

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