Steuerrecht

Erfolgloses Eilverfahren gegen Auskunftsverlangen des Trägers der Ausbildungsförderung

Aktenzeichen  M 15 S 16.373

Datum:
22.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG BayVwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 2
SGB X SGB X § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
BAföG BAföG § 47 Abs. 4
SGB I SGB I § 60 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ein Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz bleibt trotz fehlender Anhörung im Verwaltungsverfahren erfolglos, wenn im Hauptsacheverfahren eine Nachholung möglich ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine zweiwöchige Frist zur Auskunftserteilung ist gemäß Art. 36 Abs. 1 S. 2 BayVwZVG angemessen, auch wenn sich der auskunftspflichtige Elternteil mehrere Monate im Ausland aufhält, wenn diesem klar sein musste, dass während seines Auslandsaufenthalts ein Auskunftsverlangen des Trägers der Ausbildungsförderung besteht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. Januar 2016, durch den er sofort vollziehbar zur Vorlage von Unterlagen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 27. Januar 2016 aufgefordert worden ist; für den Fall, dass er dem nicht nachkomme, ist ein Zwangsgeld in Höhe von 250,– € angedroht worden.
Der am … geborene Sohn des Antragstellers (im Folgenden: Auszubildender), studiert seit dem Wintersemester 2012/13 Politikwissenschaften (Diplom) an der Hochschule … in München. Am 29. Oktober 2015 hat er beim Antragsgegner Ausbildungsförderung für den Zeitraum 9/2015 bis 8/2016 beantragt. Zugleich stellte er einen Antrag auf Vorausleistungen nach § 36 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), den er damit begründete, dass es ihm nicht möglich sei, die für die Anrechnung des Einkommens seines Vaters erforderlichen Auskünfte zu erlangen. Die Mutter des Auszubildenden ist verstorben. Der Auszubildende hatte bereits für den Bewilligungszeitraum 4/2014 bis 9/2014 Vorausleistungen erhalten, da der Antragsteller die erforderlichen Angaben zu seinem Einkommen nicht gemacht hatte.
Mit Schreiben vom 27. November 2015 forderte der Auszubildende den Antragsteller schriftlich auf, das Formblatt 3 auszufüllen und zu unterschreiben sowie eine Kopie der entsprechenden Einkommensteuer- und Rentenbescheide beim Antragsgegner einzureichen. Das als Einschreiben mit Rückschein versandte Schreiben wurde vom Antragsteller nicht abgeholt. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bis zum 8. Januar 2016 folgende Unterlagen vorzulegen:
1. Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem beiliegenden „Formblatt 3“ ab Zeile 46 bezogen auf das Jahr 2013
2. Vollständige Nachweise über die Einkünfte und Einnahmen im Jahr 2013 (insbesondere Einkommensteuerbescheid, Belege über bezogene Lohnersatzleistungen, Rentenbescheid/e) in vollständiger Fotokopie
3. Kopie der Rentenbescheide 2013 > Julianpassungsbescheid 2013, aus dem die Brutto- und Nettorente ersichtlich ist.
Gleichzeitig wurde er mit weiterem Schreiben vom 21. Dezember 2015 nach § 37 BAföG über den Übergang von Unterhaltsansprüchen belehrt. Dieses Schreiben wurde dem Antragsteller ausweislich der in der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 22. Dezember 2015 durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt. Aus der Akte ist nicht ersichtlich, ob auch die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen per Postzustellungsurkunde am 22. Dezember 2015 zugestellt worden ist.
Mit Email vom … Januar 2016 teilte der Antragsteller dem Antragsgener mit, dass er das Schreiben beantworten werde, sobald er wieder aus … zurück sei, was Ende Februar oder Anfang März sein werde.
Am 13. Januar 2016 erließ der Antragsgegner folgende auf § 47 Abs. 4 bis 6 BAföG i. V. m. § 60 SGB I gestützte „Verfügung“ an den Antragsteller:
„I.
Sie werden aufgefordert, bis zum 27.01.16 dem Amt für Ausbildungsförderung diefolgenden vollständig ausgefüllten Erklärungen und Nachweise vorzulegen:
1. Erklärung über Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf beiliegendem ‚Formblatt 3‘, ab Zeile 46 bezogen auf das Jahr 2013
2. Vollständige Nachweise über Ihre Einkünfte und Einnahmen im Jahr 2013 (insbesondere Einkommensteuerbescheid, Belege über bezogene Lohnersatzleistungen, Rentenbescheid/e) in vollständiger Fotokopie
3. Kopie der Rentenbescheide 2013 > Julianpassungsbescheid 2013, aus dem die Brutto- und Nettorente für uns ersichtlich sein.
II.
Für den Fall, dass Sie diese Aufforderung nicht befolgen, wird ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 250,00 angedroht.
III.
Die sofortige Vollziehung der vorstehenden Nr. I wird angeordnet.
IV. Das Verfahren ist kostenfrei.“
Dieses Schreiben wurde laut Postzustellungsurkunde durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten am 14. Januar 2016 zugestellt.
Am 17. Januar 2016 hat der Antragsteller per Email dem Antragsgegner mitgeteilt, dass die Androhung eines Zwangsgeldes für ihn unverständlich sei. Er habe bereits mit Email vom 4. Januar 2016 mitgeteilt, dass er sich in … aufhalte. Es sei ihm bis zu seiner Rückkehr Ende Februar nicht möglich, auf die Fragen zu antworten, da er nicht mit Einkommensteuer- und Rentenbescheiden verreise. Er werde die Fragen nach seine Rückkehr beantworten und bitte um Bestätigung, dass das angedrohte Zwangsgeld zurückgenommen werde.
Am … Januar 2016 legte der Antragsteller per Telefax beim Antragsgegner Widerspruch ein.
Am … Januar 2016 hat der Antragsteller per Telefax beantragt,
die aufschiebende Wirkung gegen die Verfügung des Studentenwerks vom 13. Januar 2016 anzuordnen.
Zur Begründung führte er aus, dass er am 22. November 2015 nach … geflogen sei und erst am 23. Februar 2016 zurückkehre. Von seinen Nachbarn, die einen Schlüssel für seinen Briefkasten hätten, sei er am 10. Dezember 2015 informiert worden, dass sie einen Benachrichtigungszettel für ein Einschreiben übersehen hätten. Zu dieser Zeit sei die Abholfrist schon abgelaufen gewesen. Am 24. Dezember 2015 sei er über die Schreiben des Antragsgegners und deren Inhalt informiert worden, woraufhin er am 4. Januar 2016 dem Studentenwerk mitgeteilt habe, dass er die Fragen nach seiner Rückkehr aus … beantworten werde. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass sein Sohn noch studiere, da er nach dem Sommersemester 2014 keine Anfrage zur Einkommensermittlung mehr erhalten habe und davon ausgegangen sei, dass sein Sohn mittlerweile arbeite. Sein Sohn habe außerdem genug Zeit gehabt, ihm vor seiner Abreise nach … die Formulare zu bringen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Auskunftsverlangen sei zu Recht erfolgt und auch inhaltlich hinreichend bestimmt. Zudem überwiege das öffentliche Interesse des Antragsgegners, die finanziellen Verhältnisse der Eltern eines BAföG-Antragstellers so rechtzeitig zu erfahren, dass dieser rechtzeitig seine Förderung erhalten könne. Das Interesse des Antragstellers, ungestört seinen Urlaub verbringen zu können, müsse demgegenüber zurücktreten. Diesem sei es zumutbar, den Urlaub zu unterbrechen oder abzubrechen oder zumindest dafür Sorge zu tragen, dass er bei längerer Abwesenheit beispielsweise durch einen Bevollmächtigten in der Lage sei, hoheitlichem Handeln in Form eines Verwaltungsakts Folge leisten zu können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2016 hat der Antragsgegner den Widerspruch zurückgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage im Falle des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen bzw. im Falle von Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung hat das Gericht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegen das Interesse des Antragstellers abzuwägen, von der Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben. Dabei wird ein gegenüber den persönlichen Belangen des Betroffenen überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig angenommen, wenn der Verwaltungsakt rechtmäßig ist, während ein überwiegendes Interesse des Betroffenen an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dann zu bejahen ist, wenn sich der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweist. Sind bei der im Verfahren des § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung die Erfolgsaussichten der Klage als offen anzusehen, so ist aufgrund sonstiger, nicht nur an den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens orientierter Gesichtspunkte abzuwägen, welches Interesse schwerer wiegt. Unabhängig von einer Interessenabwägung ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig ergangen ist.
Nach diesen Grundsätzen bleibt der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung erfolglos, da nach summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Interessen des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehbarkeit überwiegen.
In formeller Hinsicht bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung, denn diese ist ausreichend begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Es überwiegt auch das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Auskunftsverlangens in Ziff. I des Bescheids des Antragsgegners vom 13. Januar 2016 gegenüber dem Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben, denn das Auskunftsverlangen erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.
Im Rahmen des Verfahrens auf vorläufigen Rechtsschutz ist es unbeachtlich, ob der Antragsteller vor Erlass des Bescheids ordnungsgemäß angehört worden ist (§ 24 SGB X). Denn für die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, ist zu berücksichtigen, dass eine unterlassene Anhörung nach § 41 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 3 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann. In Anbetracht der in einem möglichen Hauptsacheverfahren zu erwartenden Nachholung der Anhörung durch den Antragsgegner und der Heilung eines möglichen formellen Fehlers sind insoweit keine hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage zu erwarten (vgl. zuletzt BayVGH, B. v. 18.6.2015 – 12 CS 15.1008 – Rn. 12).
Materiellrechtlich findet das Auskunftsverlangen seine Rechtsgrundlage in § 47 Abs. 4 BAföG i. V. m. § 60 SGB I. Danach kann das BAföG-Amt von den Eltern des Auszubildenden Auskunft über die für die beantragte Leistung erheblichen Tatsachen und die Vorlage entsprechender Unterlagen verlangen. Hierzu gehören insbesondere Angaben über das elterliche Einkommen, denn die finanziellen Verhältnisse der Eltern sind gemäß §§ 11 Abs. 2, 24, 25 und 26 BAföG grundsätzlich bei der Ermittlung des Ausbildungsbedarfs zu berücksichtigen, wenn – wie hier – der Bedarf durch Einkommen und Vermögen des Auszubildenden selbst nicht sichergestellt werden kann und keine elternunabhängige Förderung nach § 11 Abs. 2 und 3 BAföG zu leisten ist. Dabei besteht die Auskunftspflicht der Eltern unabhängig davon, ob der Auszubildende einen zivilrechtlichen Anspruch auf Unterhalt gegenüber seinen Eltern hat, weil es das Auskunftsverfahren überfrachten würde, wenn in diesem Rahmen die komplexen und schwierigen Fragen einer konkreten Unterhaltsverpflichtung geklärt werden müssten (VG Ansbach, B. v. 26.1.2005 – AN 2 S 04.20696 – juris; VG Minden, B. v. 11.5.2009 – 6 L 208/09 – juris; Sächs. OVG, B. v. 23.7.2002 – 5 BS 40/02 – juris). Anders wäre es nur im Falle einer sogenannten „Negativ-Evidenz“, d. h. wenn ein Unterhaltsanspruch des Auszubildenden gegenüber seinen Eltern offensichtlich nicht besteht (Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, § 47 Rn. 12). Dies ist hier nicht der Fall, denn es gibt nach dem vom Auszubildenden vorgelegten Lebenslauf keinen Hinweis darauf, dass die Unterhaltspflicht des Antragstellers offensichtlich ausgeschlossen wäre.
Hiervon ausgehend ist das im Bescheid vom 13. Januar 2016 vom Antragsteller geforderte Verlangen, die dort aufgeführten Unterlagen vorzulegen, bei der im Eilverfahren erforderlichen summarischen Prüfung nicht zu beanstanden, zumal der Antragsgegner gehalten ist, möglichst bald über den BAföG-Antrag des Auszubildenden zu entscheiden.
Auch die Frist zur Erfüllung des Auskunftsverlangens bis zum 27. Januar 2016 ist angemessen im Sinne von Art 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Der Antragsteller hatte damit noch zwei Wochen Zeit, um die geforderten Unterlagen vorzulegen. Innerhalb dieser Frist konnte dem Antragsteller die geforderte Auskunftserteilung zugemutet werden, zumal der Antragsgegner den Antragsteller schon mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 um die Vorlage der Unterlagen gebeten hatte.
Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist außerdem noch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nach Aktenlage bereits wiederholt aufgrund mehrmonatiger Auslandsaufenthalte von ihm geforderte Auskünfte nicht rechtzeitig vorgelegt hat, nämlich im Juni 2013 (vgl. Blatt 13 und 24 der Behördenakte) sowie im Februar 2014 (vgl. Blatt 90 und 100 Behördenakte).
Die Behauptung des Antragstellers, er habe nicht gewusst, dass sein Sohn noch studiere, ist nur vorgeschoben. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 mitgeteilt, dass sein Sohn noch einen Förderanspruch bis 03/2017 habe und er daher jedes Jahr auf den Antragsteller wegen der entsprechenden Einkommensunterlagen zukommen werde. In diesem Schreiben wurde der Antragsteller zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass die Einkommensnachweise binnen der festgesetzten Frist vorgelegt werden können.
Bei dieser Sachlage war es dem Antragsteller zuzumuten, die geforderten Unterlagen rechtzeitig an den Antragsgegner zu übermitteln bzw. übermitteln zu lassen. Eine rechtliche Unzulässigkeit oder eine tatsächliche Unmöglichkeit, der Aufforderung des Antragsgegners fristgerecht Folge zu leisten, lag nicht vor.
Der Antragsteller ist außerdem nach seiner Aussage ab dem 24. Februar 2016 ohnehin wieder in Deutschland, so dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch aus diesem Grund kein Interesse mehr besteht, die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 188 Satz 2 VwGO).

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