Aktenzeichen M 10 K 17.1511
Leitsatz
Die Frage, ob die Gewerbesteuer ursprünglich rechtmäßig oder fehlerhaft festgesetzt worden war, ist im Rahmen einer Klage gegen die Festsetzung als solche zu klären und nicht im Rahmen einer Klage auf Erlass von Gewerbesteuern. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der einen Gewerbesteuererlass ablehnende Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2015 in Gestalt des bestätigenden Widerspruchsbescheids der Regierung … vom 6. März 2017 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erlass der Gewerbesteuer 2006 sowie der angefallenen Nebenforderungen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), noch hat sie als Minus einen Anspruch auf eine erneute Ermessensentscheidung der Beklagten über den begehrten Erlass (§ 113 Abs. 5 Satz 2, § 114 VwGO).
Ein Anspruch auf einen – nachträglichen – Erlass von Steuerforderungen kann sich aus § 227 AO ergeben, der nach § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 18 KAG im Gewerbesteuerschuldverhältnis Anwendung findet. Danach kann die Beklagte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
Nach ständiger Rechtsprechung können Unbilligkeitsgründe aus persönlichen oder sachlichen Gründen in Betracht kommen. Persönliche Unbilligkeitsgründe sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Auch wenn demnach Härten, die der Gesetzgeber bei der Regelung des gesetzlichen Tatbestands bedacht oder in Kauf genommen hat, grundsätzlich keine Billigkeitsmaßname rechtfertigen, so ist eine derartige Maßnahme gleichwohl geboten, wenn ohne die begehrte Billigkeitsmaßnahme das Verhalten des Gesetzgebers aus verfassungsrechtlichen Gründen zu beanstanden wäre. Dies ist der Fall, wenn ein Gesetz, dass in seinen generalisierenden Wirkungen verfassungsgemäß ist, bei der Steuerfestsetzung im Einzelfall zu Grundrechtsverstößen führt. Allgemeine Folgen eines verfassungsgemäßen Gesetzes, die den gesetzgeberischen Planvorstellungen entsprechen und die der Gesetzgeber ersichtlich in Kauf genommen hat, vermögen einen Billigkeitserlass allerdings nicht zu rechtfertigen. Denn Billigkeitsmaßnahmen dürfen nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen. Mit verfassungsrechtlich gebotenen Billigkeitsmaßnahmen darf also nicht die Geltung des ganzen Gesetzes unterlaufen werden. Wenn solche Maßnahmen ein derartiges Ausmaß erreichen müssten, dass sie die allgemeine Geltung des Gesetzes aufhöben, wäre das Gesetz als solches verfassungswidrig (BVerwG, U.v. 19.2.2015 – 9 C 10.14 – BVerwGE 151, 255 m.w.N.).
Derartige sachliche Unbilligkeitsgründe liegen nicht vor. Insoweit folgt das Gericht der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 2. Dezember 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend wird zum Klagevorbringen ausgeführt, dass die Frage, ob die Gewerbesteuer ursprünglich rechtmäßig oder fehlerhaft festgesetzt worden war, im Rahmen einer Klage gegen die Festsetzung als solche zu klären wäre. Insoweit hätte die Klägerin gegen den letzten Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 2006 des Finanzamts … vom 2. Mai 2013 vorgehen müssen, welcher den Gewerbesteuermessbetrag auf 126.935,00 festsetzte. Ob diese Festsetzung damals rechtmäßig war oder ob sich zumindest zwischenzeitlich die Rechtsprechung insoweit geändert hat, dass aus heutiger Sicht die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung nicht mehr der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entspricht, kann nicht im Erlassverfahren geklärt werden. Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der damaligen Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung hätte es der Klägerin auch bei ursprünglich anderer Rechtsauffassung freigestanden, selbst gegen den Messbescheid vorzugehen und gegebenenfalls selbst im Rechtsbehelfsverfahren eine Änderung der Rechtsprechung zu erreichen, die – wie sie vorträgt – der Bundesfinanzhof in einem anderen Rechtsstreit vorgenommen hat. Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags im Bescheid des Finanzamts … vom 2. Mai 2013 ist jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig fehlerhaft, ohne dass es einer weiteren Auseinandersetzung mit der steuerrechtlichen Rechtsprechung hierzu bedürfte. Der Klägerin wäre es möglich und auch zumutbar gewesen, sich gegen den Gewerbesteuermessbetragsbescheid mit Rechtsmitteln zu wehren (BFH, B.v. 23.06.2003 – IX B 119.02 – BFH/NV 2003, 1289).
Damit ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 173 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.