Steuerrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für § 80 Abs. 5 VwGO bei fehlender Hauptsache

Aktenzeichen  AN 10 S 17.01893

Datum:
14.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150264
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3-7, § 80 Abs. 5, § 123 Abs. 1, § 154 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Wird nicht neben einem Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zugleich eine korrespondierende Anfechtungsklage erhoben, fehlt es dem Antrag an Rechtsschutzbedürfnis, wenn insoweit Bestandskraft eingetreten ist.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch eine Umdeutung in einen Eilantrag nach § 123 VwGO kommt in diesem Fall regelmäßig nicht in Betracht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Eilantrag vom 8. September 2017 gegen einen Bescheid des Beklagten vom 30. August 2017, mit dem der Antrag des Antragstellers bei dem Antragsgegner auf Umschreibung seiner polnischen Fahrerlaubnis der Klassen B und D abgelehnt wurde und festgestellt wurde, dass er von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Inland keinen Gebrauch machen dürfe.
Der Antragsteller war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen BE, CE und DE, die ihm jedoch mit Urteil vom 19. Juli 2005 durch das Amtsgericht … entzogen worden war, da er aufgrund fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wurde. Der Antragsteller war am 24. April 2005 mit einem PKW auf öffentlichen Straßen unter Einfluss von Alkohol (Alkoholkonzentration 1,4 Promille) und Amphetamin (182 ng/ml) unterwegs. In dem Urteil, das am 1. September 2005 rechtskräftig geworden war, wurde eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bis zum 18. Mai 2006 angeordnet.
Am 30. April 2008 wurde dem Antragsteller ein Führerschein für die Klasse D in Polen ausgestellt. Bereits am 12. Juli 2007 hat er einen Führerschein der Klasse B in Polen erhalten, so dass er Inhaber einer polnischen Fahrerlaubnis der Klassen B und D war. Im polnischen Führerschein der Klasse D ist eine polnische Adresse eingetragen, nämlich in der Ortschaft … Am 25. Oktober 2016 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner die Umschreibung dieser in Polen ausgestellten Fahrerlaubnis auf eine entsprechende deutsche Fahrerlaubnis. Die Meldebehörde der Stadt … teilte dem Antragsgegner noch mit, dass der Antragsteller seit seiner Geburt in … mit Hauptwohnung gemeldet ist.
Im Verwaltungsverfahren und im diesbezüglichen Schriftverkehr mit den Bevollmächtigten des Antragstellers forderte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 auf, wegen der Alkohol- und Drogenfahrt, die zum Verlust des deutschen Führerscheins geführt hatte, die Fahreignung mit einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nachzuweisen. Dem ist der Antragsteller nicht nachgekommen, weil er unter Verweis auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Az.: C 227/05) davon ausging, dass der Antragsgegner dies bei einer zwischenzeitlich erteilten Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Mitgliedsstaat nicht verlangen dürfe.
Die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners ersuchte über das Kraftfahrtbundesamt eine Auskunft der zuständigen polnischen Behörde zur Frage, ob der Antragsteller seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung auch in Polen hatte. Nach der am 15. Februar 2017 übersandten Auskunft hätte sich der Antragsteller für 185 Tage im Kalenderjahr unter der im Führerschein genannten Anschrift aufgehalten und zudem auch eine Unterkunft gehabt. Fragen nach nahen Familienangehörigen, Berufsausübung, Grundbesitz und Verbindungen zu öffentlichen Einrichtungen wurden mit „unknown“ beantwortet. Danach ging die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners davon aus, dass von Polen Informationen bestünden, die das Vorliegen eines Wohnsitzes in Polen vor der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis zumindest in Zweifel ziehen würden und sah sich zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen veranlasst. Auf eine entsprechende Anfrage der Fahrerlaubnisbehörde antwortete der Antragsteller, er hätte sich aus persönlichen Gründen, da er zum damaligen Zeitpunkt für etwa 15 Monate eine Freundin in Polen gehabt hätte, und aus geschäftlichen, nämlich aus Gründen des Einkaufs von gebrauchten Fahrzeugen bzw. Fahrzeugteilen für den damaligen Geschäftsbetrieb seines Vaters, der ein Busunternehmen besaß, in Polen aufgehalten. Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde um Ergänzung dieses Vortrags gebeten hatte, wurde noch eine Meldebestätigung des westpommerschen Gouverneurs vom 1. April 2008 vorgelegt, aus der sich das Meldedatum vom 27. März 2007 ergibt. Weitere Belege über geschäftliche Tätigkeiten seien wegen der langen Zeitspanne und des zwischenzeitlichen Verkaufs der väterlichen Firma nicht mehr vorhanden.
Am 18. Juli 2017 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers im Hinblick auf seinen Antrag auf Umschreibung der polnischen Fahrerlaubnis Untätigkeitsklage.
Am 30. August 2017 wurde sodann der streitgegenständliche Bescheid erlassen, mit dem in Ziffer 1 der Antrag des Antragstellers auf Umschreibung seiner polnischen Fahrerlaubnis in eine entsprechende deutsche Fahrerlaubnis abgelehnt wurde, ausgesprochen wurde, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, mit seinem polnischen Führerschein in Deutschland fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge zu führen (Ziffer 2) und der Antragsteller aufgefordert wurde, seinen polnischen Führerschein zur Eintragung einer fehlenden Fahrberechtigung bei der Führerscheinstelle des Antragsgegners vorzulegen (Ziffer 3). Die zwangsweise Einziehung des Führerscheins wurde angedroht. Hinsichtlich der Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung der Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins zur Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung und der zwangsweisen Einziehung wurde die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet.
Im Wesentlichen wurde der Bescheid damit begründet, dass eine Umschreibung nicht stattfinden könne, weil der Antragsteller nicht berechtigt sei, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, weil im Sinne von § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV unbestreitbare Informationen aus Polen vorlägen, aus denen hervorgeht, dass der Antragsteller bei Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis seinen Wohnsitz im Inland hatte. Da damit auch das unionsrechtlich vorgesehene Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten worden sei, sei nicht von einer rechtmäßigen polnischen Fahrerlaubnis auszugehen. Der Antragsgegner beruft sich auf die einschlägige unionsrechtliche und auch verwaltungsrechtliche Rechtsprechung, wonach weitere Ermittlungen eingeholt werden dürften und auch sämtliche Umstände, auch inländische Umstände zur Klärung des Wohnsitzes zum Zeitpunkt der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis herangezogen werden dürften, wenn nach Informationen des Ausstellerstaates zumindest in Zweifel gezogen werden könne, dass er zum Erteilungszeitpunkt tatsächlich einen ordentlichen Wohnsitz im Sinne des Fahrerlaubnisrechts dort gehabt hatte. Angesichts der über das Kraftfahrtbundesamt vorgelegten Auskunft der polnischen Behörde hätte der Fall hier so gelegen. Nach Auswertung der inländischen Erkenntnisse, auch der Angaben des Antragstellers, sei davon auszugehen, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz immer im Inland gehabt hatte. Der Antragsteller hätte seinen Aufenthalt in Polen gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners nicht im genügenden Maße dargelegt und belegt. Nach dem gesagten hätte daher auch die Berechtigung bestanden, die fehlende Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland im Hinblick auf die polnische Fahrerlaubnis auszusprechen. Daher hätte auch der polnische Führerschein zur Eintragung eines entsprechenden Vermerks vorgelegt werden müssen. Der Sofortvollzug wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Antragsteller im Inland seine Fahreignung durch Entzug der Fahrerlaubnis durch das Amtsgericht … verloren hätte und diese auch nicht wieder erlangt hätte, da die in Polen erteilte Fahrerlaubnis rechtswidrig sei.
Nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides wurde die Untätigkeitsklage (Az. An 10 K 17.01365) als Verpflichtungsklage fortgeführt.
Am 8. September 2017 erhob der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten Eilantrag und beantragte,
die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Ziffern 2, 3 und 4 des Bescheids vom 30.8.2017 wieder herzustellen und im Übrigen die sofortige Vollziehung der Verfügung des Antragsgegners vom 30.8.2017 auszusetzen.
Im Wesentlichen wurde dies damit begründet, dass der Hauptsacherechtsbehelf gegen den Bescheid erfolgreich sein würde, da der Antragsteller das Wohnsitzerfordernis eingehalten hätte, also vor der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis dort gewohnt hätte. Zudem wäre die Begründung des Sofortvollzugs nicht ausreichend gewesen. Der Antragsteller sei aus beruflichen Gründen dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen.
Mit Schriftsatz vom 14. September 2017 beantragte der Antragsgegner
Antragsablehnung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der Antrag ist bereits unzulässig und war daher abzulehnen.
Der Antrag ist nach dem Begehr des Antragstellers, d. h. der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und der Aussetzung der sofortigen Vollziehung sowie nach seiner ausdrücklichen Bezeichnung in der Antragsschrift als Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung auszulegen. Der Antrag wendet sich gegen die sofortige Vollziehung der Ziffern 2, 3 und 4 des Bescheids vom 30. August 2017, also die Feststellung, dass die polnische Fahrerlaubnis keine Fahrberechtigung im Inland vermittelt, die Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins zu einer entsprechenden Eintragung und die angedrohte Zwangsmaßnahme. Weiter wendet sich der Antrag gegen die Sofortvollziehung des Bescheids im Übrigen.
Die sofortige Vollziehung wurde jedoch für die Ziffer 1, also die Ablehnung des Umschreibungsantrags, nicht angeordnet. Der Antrag läuft daher im Hinblick auf Ziffer 1 ins Leere.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nach allgemeinen Grundsätzen nur statthaft, wenn in der Hauptsache Anfechtungsklage zu erheben wäre, vgl. § 80 Abs. 1 VwGO. Eine Anfechtungsklage wäre jedoch nur im Hinblick auf die Feststellung der Nichtberechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen, die Verpflichtung zur Vorlage des polnischen Führerscheins und des angedrohten Verwaltungszwangs statthaft (vgl. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), weil nur in diesen Fällen das klägerische Begehren der Aufhebung eines Verwaltungsakts, was insoweit zum Rechtschutzziel führen würde, in Rede steht. Im Hinblick auf die Ablehnung der begehrten Umschreibung in Ziffer 1 des Bescheids wäre eine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft, weil insoweit der Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts begehrt wird. Der erhobene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist damit unstatthaft.
Nach dem Gesagten ergibt sich, dass der vorliegende Eilantrag nur bezüglich der Ziffern 2, 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids statthaft ist. Der Antrag ist jedoch gleichwohl insoweit unzulässig, weil nicht zugleich eine korrespondierende Anfechtungsklage gegen diese Ziffern des streitgegenständlichen Bescheids erhoben wurde und nunmehr daher insoweit Bestandskraft eingetreten ist. Es fehlt dem Antrag daher am Rechtschutzbedürfnis (hierzu: Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand 1.7.2016, § 80 VwGO Rn. 163). Denn es wurde keine Anfechtungsklage erhoben und wegen Bestandskraft kann auch keine zulässige Anfechtungsklage mehr erhoben werden, deren aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden könnte. In einem solchen Fall besteht kein Rechtschutzbedürfnis für einen Eilantrag.
Es besteht auch kein Anlass, den Eilantrag als Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO, also die einstweilige Umschreibung in einen deutschen Führerschein, anzusehen. Denn ein Ansatz zu einer derartigen Auslegung findet sich in der Antragsschrift nicht und ein derartiger Antrag nach § 123 VwGO wäre wohl mangels Dringlichkeit auch erfolglos, weil einstweiliger Rechtschutz für den Antragsteller ebenso auch dadurch erlangt werden kann, dass die Feststellung zur fehlenden Fahrberechtigung im Inland durch die polnische Fahrerlaubnis, gekoppelt möglicherweise mit einem Eilantrag, angefochten wird. Ein Bedürfnis für eine vorläufige Regelung im Hinblick auf die Umschreibung in eine deutsche Fahrerlaubnis besteht damit nicht. Ebenfalls kann die im Verfahren AN 10 K 17.01365 erhobene Verpflichtungsklage nicht auch als Anfechtungsklage angesehen werden, um dann zu einer Zulässigkeit des hier zu prüfenden Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu kommen. Denn ein Ansatz zu einer derartigen Auslegung findet sich in den diesbezüglichen Schriftsätzen nicht. Zudem hätte auch die Möglichkeit zur erforderlichen Anfechtungsklage bestanden und deren Bedürfnis hätte auch erkannt werden können.
Nach alledem war der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts basiert auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. den Empfehlungen nach Ziffer 1.5 und Ziffer 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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