Aktenzeichen 7 K 401/16
AO § 80 Abs. 1, § 110 Abs. 2, § 122 Abs. 1 S. 3 u. Abs. 2 S. 1
ZPO § 42 Abs. 1, § 222
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für die Jahre 2011 und 2012.
Der Kläger war in den Streitjahren 2011 und 2012 als Kfz-Sachverständiger tätig. Nachdem er trotz mehrfacher Aufforderung des Finanzamts keine Gewerbesteuererklärungen abgegeben hatte, setzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für 2011 mit Bescheid vom 9. Juli 2014 und für 2012 mit Bescheid vom 18. Juli 2014 jeweils gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren reichte der Kläger, der mittlerweile durch die … Steuerberatungsgesellschaft mbH vertreten wurde, im August 2014 Steuererklärungen ein und teilte mit, dass er als Sachverständiger Einkünfte aus selbständiger Arbeit und nicht aus Gewerbebetrieb erzielt habe.
Mit Schreiben vom 18. September 2014 forderte das Finanzamt den Kläger auf, Belege zu den als Betriebsausgaben geltend gemachten Rechts- und Beratungskosten vorzulegen. Am
10. Oktober 2014 wurden nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide zum Gewerbesteuermessbetrag 2011 und 2012 erlassen, in denen die Besteuerungsgrundlagen nach den Angaben in den eingereichten Erklärungen veranlagt wurden. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb jeweils bestehen. Da die angeforderten Unterlagen nicht eingereicht wurden, änderte das Finanzamt die Gewerbesteuermessbescheide 2011 und 2012 mit Änderungsbescheiden jeweils vom 27. Januar 2015 dahingehend, dass die als Betriebsausgaben geltend gemachten Rechts- und Beratungskosten in Höhe von 10.847,44 € für 2011 und 6.945,06 € für 2012 nicht mehr anerkannt wurden. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
Nachdem der Kläger Unterlagen im Zusammenhang mit den geltend gemachten Rechts- und Beratungskosten eingereicht hatte, erging am 4. August 2015 ein nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderter Gewerbesteuermessbescheid für 2012, in dem Aufwendungen in Höhe von 1.025,67 € als Betriebsausgaben des Klägers anerkannt wurden. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb wurde von 128.123 € um 1.025,67 € auf 127.097,33 € vermindert. Die geänderten Bescheide zum Gewerbesteuermessbescheid wurden Gegenstand des Einspruchsverfahrens.
Mit Schreiben vom 22. September 2015 legte die … Steuerberatungsgesellschaft mbH das Mandat nieder und widerrief die entsprechende Empfangsvollmacht. Mit Schreiben vom 30. September 2015 zeigte die Kanzlei Z die steuerliche Vertretung des Klägers an. Das Mandat umfasse sowohl die Erstellung der Steuererklärungen für die Jahre 2013 und 2014 sowie die Klärung der noch offenen Einspruchsverfahren für die Vorjahre. Entsprechend der dem Finanzamt übermittelten Vollmacht, die der Kläger am 14. August 2015 unterzeichnet hatte, war der Kanzlei Z die Vollmacht zur Vertretung in allen steuerlichen und sonstigen Angelegenheiten im Sinne des § 1 Steuerberatungsgesetz (StBerG) erteilt worden, insbesondere auch für die Entgegennahme von Steuerbescheiden und sonstigen Verwaltungsakten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2015, die an die Kanzlei Z adressiert war, wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück.
Hiergegen legte der Kläger mit Eingang beim Finanzgericht München am 15. Februar 2016 um 20.30 Uhr Klage ein. Außerdem erhob der Kläger ebenfalls am 15. Februar 2016 Klage gegen die Festsetzung des Gewerbesteuermessbescheids für 2013 sowie zusammen mit seiner Ehefrau Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2011 und 2012 sowie das Jahr 2013.
Mit seiner Klage wendet der Kläger im Wesentlichen ein, dass er die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2015 erst am 3. Februar 2016 persönlich erhalten habe. Zu Unrecht werde in der Einspruchsentscheidung die Steuerkanzlei Z genannt. Diese Kanzlei vertrete den Kläger erst ab den Jahren 2013. Es sei ihm nicht möglich gewesen, die Einsprüche zu begründen, da ihm am 12. Februar 2016 die Akteneinsicht in sämtliche Steuerakten durch das Finanzamt verweigert worden sei.
Im Übrigen sei sowohl vom Finanzamt als auch vom Finanzgericht die Einsichtnahme in Akten verweigert würde. Sämtliche Richter des 7. Senats würden daher wie in den vorangegangenen finanzgerichtlichen Verfahren abgelehnt. Soweit der Kläger Einsicht in die Akten seiner vorangegangenen finanzgerichtlichen Streitsachen im Finanzamt K habe nehmen können, sei ihm die Kopie des kompletten Akteninhalts untersagt worden. Soweit er die jeweilige Seitenzahl von einzelnen Akten für die Ausfertigung von Kopien benannt habe, sei er nicht sicher, ob die erhaltenen Kopien mit seiner Anforderung übereinstimmten. Da ihm sein Recht auf Akteneinsicht bislang nicht vollständig zugestanden worden sei, habe er noch keinen steuerlichen Berater beauftragt. Er habe ein Recht darauf, sich steuerrechtlich vertreten zu lassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gewerbesteuermessbescheid für 2011 vom 9. Juli 2014 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 27. Januar 2015 und den Gewerbesteuermessbescheid für 2012 vom 18. Juli 2014 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 4. August 2015 sowie die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2015 dahingehend zu ändern, dass Rechts- und Beratungskosten von 10.847,44 € für 2011 und 5.919,39 € für 2012 als Betriebsausgaben berücksichtigt werden und die Steuer entsprechend festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es trägt vor, dass die Klage verspätet erhoben worden sei. Die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an den Empfangsbevollmächtigten, die Sozietät Z sei nach der vorliegenden Empfangsvollmacht vom 14. August 2015 zutreffend erfolgt. Die Vollmacht sei nicht auf Veranlagungszeiträume ab 2013 beschränkt gewesen. Der Steuerberater Z habe ausdrücklich mitgeteilt, dass das Mandat auch die Klärung der noch offenen Einspruchsverfahren für die Vorjahre betreffe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Mit Schreiben der Geschäftsstelle vom 1. März 2016 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass eine Akteneinsicht nach vorheriger telefonischer Anmeldung in der Geschäftsstelle des Senats möglich sei. Der Kläger hat keine Akteneinsicht genommen.
II.
1. Die Klage wurde erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben und ist unzulässig.
Gemäß § 47 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) bei einer Übermittlung im Inland grundsätzlich am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Im Streitfall gilt die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2015, an deren Absendung keine Zweifel bestehen, damit am 7. Dezember 2015 als zugestellt. Die einmonatige Klagefrist begann mit dem Tage der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO) am 7. Dezember 2015 und endete gemäß §§ 54 Abs. 2 FGO, 222 Zivilprozessordnung (ZPO), 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit Ablauf des 7. Januar 2015. Die Klage ging jedoch erst am 15. Februar 2016 und damit verspätet ein.
2. Der Kläger kann nicht zu seinen Gunsten einwenden, dass die Einspruchsentscheidung nicht wirksam bekannt gegeben worden sei, da sie nicht an ihn persönlich, sondern an die Kanzlei Z versandt worden sei.
Gem. § 80 Abs. 1 AO kann sich ein Beteiligter im Besteuerungsverfahren durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen. Ein Widerruf der Vollmacht wird der Behörde gegenüber erst wirksam, wenn er ihr zugeht. Gemäß § 122 Abs. 1 S. 3 AO kann ein Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden.
Im Streitfall hatte der Kläger der Kanzlei Z am 14. August 2015 eine Vollmacht erteilt (vgl. § 80 Abs. 1 AO), die sowohl die Erstellung der Steuererklärungen für die Jahre 2013 und 2014 als auch die Klärung der noch offenen Einspruchsverfahren für die Vorjahre umfasste. Außerdem war der Kanzlei Z auch die Vollmacht zur Entgegennahme von Steuerbescheiden und sonstigen Verwaltungsakten erteilt worden. Gem. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO kann ein Verwaltungsakt wie die Einspruchsentscheidung auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden.
Demgemäß konnte das Finanzamt die den Kläger betreffende Einspruchsentscheidung durch Übersendung an die Kanzlei Z unter deren Postanschrift dem Kläger wirksam bekannt geben. Ein Widerruf der Vollmacht lag nicht vor.
3. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist kommt vorliegend nicht in Betracht. Der Kläger hat weder Gründe für eine Wiedereinsetzung innerhalb der Frist des § 110 Abs. 2 AO vorgetragen, noch sind solche Gründe ersichtlich.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung der im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen, vgl. § 56 Abs. 2 FGO.
Im Streitfall scheidet eine Wiedereinsetzung schon deswegen aus, weil der Kläger an der Einhaltung der Klagefrist nicht ohne Verschulden gehindert war. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der Senat anschließt, handelt regelmäßig schuldhaft, wer Rechtsmittelbelehrungen nicht beachtet (BFH-Beschluss vom 29. März 2007 VIII B 52/06, BFH/NV 2007, 1515). Der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2015 war eine verständliche Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt, wonach gegen die Entscheidung Klage erhoben werden kann. Bei Beachtung der zumutbaren Sorgfalt wäre es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, den zutreffenden Rechtsbehelf fristgerecht einzulegen. Im Übrigen wäre ein Verschulden des Bevollmächtigten dem Kläger als eigenes zuzurechnen.
4. Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist rechtsmissbräuchlich und damit offensichtlich unzulässig. Über ein rechtsmissbräuchliches und damit offensichtlich unzulässiges Gesuch auf Ablehnung der Richter eines Senats kann, ohne dass es insoweit einer dienstlichen Äußerung des betroffenen Richters bedarf, zusammen mit der Sachentscheidung entschieden werden (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422); bei Zuständigkeit des Einzelrichters – wie im Streitfall – entscheidet dieser selbst (vgl. BFH-Beschluss vom 26. August 1997 VII B 80/97, BFH/NV 1998, 463).
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Die Ablehnung ist insbesondere dann missbräuchlich, wenn der Antrag offenbar grundlos ist (BFH-Beschluss vom 12. November 2009 IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671, m.w.N.).
Im Streitfall hat der Kläger die Einzelrichterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil sie ihm seiner Auffassung nach den Zugang zu Akten und Aktenteilen des Finanzamts von vorangegangenen finanzgerichtlichen Streitsachen zu Unrecht verwehrt habe. Diesem Vortrag ist entgegenzuhalten, dass der Kläger im Rahmen einer Akteneinsicht zu den Verfahren … am 28. Juli 2015 beim Finanzamt K Einsicht in die Akten des Finanzgerichts zu den Verfahren … sowie zu den insoweit vorgelegten Finanzamtsakten (BP-Akte, EStG-Akte, GewSt-Akte, DU-Akte und 2 RBH-Akten) genommen hat. Die Akten wurden dem Finanzamt Kelheim, bei dem die Akteneinsicht erfolgt ist, vollständig übermittelt.
Soweit der Kläger mit Schreiben vom 14. Oktober 2015 die Einsicht in die Akten der bereits abgeschlossenen finanzgerichtlichen Verfahren .. beantragt hat, wurde ihm diese am 10. Dezember 2015 gewährt. Da die vorstehend genannten Verfahren rechtskräftig entschieden worden sind, besteht außerdem grundsätzlich kein Anspruch auf Akteneinsicht mehr (vgl. BFH-Beschluss vom 14. März 2000 XI B 141/99, BFH/NV 2000, 883), insbesondere auch nicht in die Finanzamtsakten, die dem Finanzgericht bei abgeschlossenen Verfahren nicht mehr vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn das Bedürfnis nach Akteneinsicht wie vorliegend auch damit begründet wird, dass die Kenntnis des Inhaltes der Akten für andere Verfahren bzw. wegen einer möglichen Regressforderung gegenüber dem Steuerberater oder Nachlassverwalter erforderlich oder zumindest hilfreich sei (BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2005 VII B 207/05, BFH/NV 2006, 201).
Eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Entscheidung rechtfertigt für sich genommen nicht die Besorgnis der Befangenheit (BFH-Beschluss vom 12. November 2009 IV B 66/08, BFH/NV 2010, 671, m.w.N.). Im Übrigen kam eine weitergehende Einsicht in die Akten des Finanzamts – wie ausgeführt – nicht in Betracht.
Soweit der Kläger außerdem alle Richter des 7. Senats pauschal abgelehnt hat, ist dieser Antrag offensichtlich unzulässig. Das Ablehnungsgesuch ist nicht hinreichend substantiiert, da es keinen auf die Person des abgelehnten Richters bezogenen individuellen Ablehnungsgrund enthält (BFH-Beschluss vom 10. Dezember 1997 IX B 85/97, BFH/NV 1998, 718, Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 51 Anm. 27, m.w.N.). Abgesehen davon, dass ein Ablehnungsgesuch nach ständiger Rechtsprechung nicht allein auf eine für unrichtig gehaltene richterliche Beurteilung gestützt werden kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7. April 1988 X B 4/88, BFH/NV 1989, 587, mit zahlreichen Nachweisen), handelt es sich bei den vom Kläger angeführten Entscheidungen um Kollegialentscheidungen im Zusammenhang mit bereits abgeschlossenen finanzgerichtlichen Verfahren und der Aktenübersendung an das Landgericht I, bei denen sich aufgrund des Beratungsgeheimnisses ohnehin nicht feststellen lässt, inwieweit sie auf der Ansicht des abgelehnten Richters beruhen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.