Steuerrecht

Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb

Aktenzeichen  12 K 1204/15

Datum:
26.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 124396
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 1
AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 179, § 365 Abs. 3, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
HGB § 230, § 233
FGO § 74

 

Leitsatz

1. Eine Erledigung des Einspruchsverfahrens tritt dann ein, wenn die Behörde dem Antrag des Einspruchsführers u. a. durch Änderung des Bescheids in vollem Umfang entspricht. Ob dies der Fall ist, ergibt ein Vergleich zwischen dem Antrag im Einspruchsverfahren und der Regelung im Abhilfebescheid.
2. Eine ausreichende Mitunternehmerinitiative ist erst dann gegeben, wenn dem stillen Gesellschafter nicht nur die Rechte nach § 233 HGB, sondern zumindest im Umfang eines Kommanditisten Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte zustehen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens

Gründe

I) Zutreffend hat das Finanzamt im vorliegenden Verfahren durch Einspruchsentscheidung vom 8. April 2015 über den Einspruch des Klägers vom 23. Oktober 2009 entschieden, weil dieser Einspruch durch die Aufhebung des Bescheids vom 30. September 2009 unter dem Datum vom 26. Oktober 2011 nicht erledigt worden und der unter dem Datum vom 28. Oktober 2011 ergangene negative Feststellungsbescheid für 2004 nach § 365 Abs. 3 AO zum Gegenstand des noch anhängigen Einspruchsverfahrens geworden ist.
Der Senat legt den Bescheid vom 30. September 2009 als negativen Feststellungsbescheid aus. Ein einen Gewinn von 0 € feststellender Bescheid – wie im Streitfall der Bescheid vom 30. September 2009 – kann im Einzelfall ein positiver oder auch ein negativer Gewinnfeststellungsbescheid sein. Der Regelungsgehalt ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH der objektive Erklärungsinhalt der Regelung maßgeblich, wie ihn der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Lässt der Tenor der Verwaltungsentscheidung Raum zu Zweifeln, so sind zum Zwecke der Auslegung auch die Gründe heranzuziehen (BFH-Urteil vom 18. November 1997 VIII R 65/95, BFH/NV 1998, 573).
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Bescheid vom 30. September 2009 um einen negativen Feststellungsbescheid. Dass das Finanzamt mit diesem Bescheid nicht die gewerblichen Einkünfte einer atypisch stillen GmbH auf 0 € feststellen wollte, ergibt sich im Streitfall schon aus dem Hinweis im Erläuterungstext des Bescheides, wonach „die atypisch stille Gesellschaft nicht anerkannt werden könne“. Darüber hinaus hat die Gesellschaft auch keinen gewerblichen Gewinn von 0 €, sondern einen Verlust von 96.220 € erklärt, von dem das Finanzamt ohne Hinweis auf einen etwaigen rechnerischen Berichtigungsgrund abgewichen ist. Daraus konnte ein Empfänger des Verwaltungsakts bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände erkennen, dass das Finanzamt keine gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung über einen gewerblichen Gewinn von 0 € durchführen, sondern vielmehr mangels Vorliegen einer atypisch stillen Gesellschaft die Durchführung eines Feststellungsverfahrens ablehnen wollte.
Der Einspruch gegen diesen Bescheid war durch die Aufhebung des Bescheides am 26. Oktober 2011 und den (erneuten) Erlass eines negativen Feststellungsbescheids unter dem Datum vom 28. Oktober 2011 nicht erledigt.
Eine Erledigung des Einspruchsverfahrens tritt dann ein, wenn die Behörde dem Antrag des Einspruchsführers u. a. durch Änderung des Bescheids (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO) in vollem Umfang entspricht. Ob dies der Fall ist, ergibt ein Vergleich zwischen dem Antrag im Einspruchsverfahren und der Regelung im Abhilfebescheid. Im Streitfall war der Einspruch des Klägers vom 23. Oktober 2009 gegen den Feststellungsbescheid vom 30. September 2009 durch die Aufhebung dieses Bescheides nicht erledigt; denn das Begehren des Klägers war nicht auf die isolierte Aufhebung des Feststellungsbescheids gerichtet, sondern auf die gesonderte und einheitliche Feststellung eines gewerblichen Verlustes. Diesem Begehren ist der Beklagte durch die Aufhebung des Bescheides vom 30. September 2009 und dem erneuten Erlass eines negativen Feststellungsbescheids nicht nachgekommen. Vielmehr ist der negative Feststellungsbescheid vom 28. Oktober 2011 zum Gegenstand des noch anhängigen Einspruchsverfahrens geworden.
II) Die Klage ist unbegründet.
1. Zu Recht hat das Finanzamt es abgelehnt, für das Jahr 2004 eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchzuführen, weil zwischen dem Kläger und der GmbH keine atypisch stille Gesellschaft begründet worden ist.
Nach §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO werden die einkommen- und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte gesondert und einheitlich festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Eine Beteiligung mehrerer Personen an Einkünften in der Form, dass die Einkünfte diesen Personen zuzurechnen sind, setzt voraus, dass mehrere Personen den Tatbestand der Einkunftserzielung gemeinsam verwirklichen. Eine gesonderte und einheitliche Feststellung ist daher grundsätzlich bei Vorliegen einer steuerlichen Mitunternehmerschaft gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz durchzuführen.
Im Streitfall bestand zwischen dem Kläger und der GmbH keine Mitunternehmerschaft. Der Senat verweist zur Begründung auf das hierzu für das Jahr 2003 ergangene Urteil vom 26. Oktober 2010 (12 K 3198/08) und nimmt auf die dortigen Entscheidungsgründe Bezug. Zutreffend weist das Finanzamt darauf hin, dass sich im Streitjahr 2004 an den vertraglichen Verhältnissen zwischen dem Kläger und der GmbH nichts geändert hat.
Soweit der Kläger geltend macht, dass eine ausreichende Mitunternehmerinitiative nach den BFH-Urteilen in BStBl 1982, 59 und in BFHE 163, 346 darin gesehen wird, dass dem stillen Gesellschafter die Rechte nach § 233 HGB zustehen, hat der BFH in späteren Entscheidungen diese Auffassung nicht mehr festgehalten. Ebenso wie der IV. Senat im Urteil in BFH/NV 2003, 36 verlangt hat, dass dem stillen Gesellschafter zumindest im Umfang eines Kommanditisten Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte zustehen, hat auch der VIII. Senat im Urteil vom 16. Dezember 2003 VIII R 6/93 (BFH/NV 2004, 1080) ausgeführt, dass Mitunternehmerinitiative die Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen zumindest im Umfang der Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte eines Kommanditisten nach dem Regelstatut des HGB voraussetzt. Es ist auch nachvollziehbar, dass eine Mitunternehmerstellung nicht nur ein Mindestmaß an unternehmerischem Risiko, sondern auch ein Mindestmaß an unternehmerischer Entscheidungskompetenz und nicht nur ein Kontrollrecht hinsichtlich des Jahresabschlusses, wie es dem stillen Gesellschafter nach § 233 HGB zusteht, verlangt. Wie der Senat im Urteil vom 26. Oktober 2010 dargelegt hat, erfüllt der zwischen dem Kläger und der GmbH abgeschlossene Vertrag vom 22. Dezember 2003 diesen Mindestumfang an Mitwirkungsrechten nicht, ohne dass dieses Weniger an Mitunternehmerinitiative im Streitfall durch ein besonders ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgeglichen worden wäre.
Soweit der Kläger vorträgt, dass die vom Senat im Urteil vom 26. Oktober 2010 zitierte Entscheidung des BFH in BFH/NV 2003, 6 auf den Streitfall nicht anwendbar sei, weil sie nicht zu der Frage eines Zuwenig an Mitunternehmerinitiative, sondern zu dem erforderlichen Minimum an Mitunternehmerrisiko ergangen sei, folgt der Senat dem ebenfalls nicht. Es ist zwar zutreffend, dass sich der BFH in der genannten Entscheidung in erster Linie zu der Frage eines ausreichenden Mitunternehmerrisikos geäußert hat, dies ändert jedoch nichts daran, dass er als Prämisse für das Vorliegen eines atypisch stillen Gesellschaftsverhältnisses die Mindestvoraussetzungen für die Annahme einer Mitunternehmerschaft wie vom Senat im Urteil vom 26. Oktober 2010 angegeben bezeichnet hat.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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