Aktenzeichen IX R 17/14
Leitsatz
1. NV: Ein verbleibender Verlustabzug ist gemäß § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG, § 181 Abs. 5 AO für bereits festsetzungsverjährte Jahre nur dann festzustellen, wenn die zuständige Finanzbehörde Kenntnis von dem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte hatte und die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat .
2. NV: Die durch § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) angeordnete Anwendung des § 10d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG auf alle bei Inkrafttreten der Norm noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen stellt keine von Verfassung wegen unzulässige Rückwirkung dar .
Verfahrensgang
vorgehend FG München, 3. Juni 2014, Az: 13 K 1443/11, Urteil
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 3. Juni 2014 13 K 1443/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Im Streit ist die Durchführung der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlusts zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1999.
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Dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) entstanden im Streitjahr 1999 Aufwendungen für ein Studium. Nach Abschluss des Studiums war der Kläger berufstätig und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2007 beantragte der Kläger die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf den 31. Dezember 1999. In der gleichzeitig für 1999 eingereichten Einkommensteuererklärung machte der Kläger Kosten für das Studium in Höhe von 9.960 DM als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Den Antrag auf Verlustfeststellung lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) am 17. April 2008 ab.
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Der Kläger legte dagegen Einspruch ein und bezifferte die geltend gemachten Aufwendungen mit insgesamt 11.584 DM. Am 20. Dezember 2010 erließ das FA einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1999. Der verbleibende Verlustabzug zum 31. Dezember 1998 in Höhe von 16.639 DM wurde auf den 31. Dezember 1999 fortgeführt.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 11. April 2011 wies das FA den Einspruch gegen die Ablehnung der Durchführung einer Verlustfeststellung vom 17. April 2008 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. Dezember 2010 als unbegründet zurück. Die Feststellungsfrist habe mit Ablauf des 31. Dezember 2006 geendet; sie sei daher im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bereits abgelaufen gewesen. Die Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) gelte gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2007 für den Feststellungszeitraum 1999. Da die Nichtdurchführung der Verlustfeststellung nicht auf einem pflichtwidrigen Unterlassen des FA beruht habe, finde § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) im Streitfall keine Anwendung.
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Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Auffassung des FA, auf den 31. Dezember 1999 sei bereits Feststellungsverjährung eingetreten und damit ein Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids ausgeschlossen. Der Antrag des Klägers sei erst nach Eintritt der Feststellungsverjährung gestellt worden. Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2007 sei die gesonderte Feststellung auch nicht nach § 181 Abs. 5 AO zulässig, da das FA die Feststellung des Verlustvortrags nicht pflichtwidrig unterlassen habe. Der Verlust sei erst am 21. Dezember 2007 und damit nach Ablauf der Feststellungsfrist geltend gemacht worden. § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2007 gelte für alle bei Inkrafttreten dieses Gesetzes noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2007). Da die Feststellungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2006 geendet habe, sei sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des JStG 2007 am 19. Dezember 2006 noch nicht abgelaufen gewesen. § 10d Abs. 4 Satz 6 und § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG, jeweils i.d.F. des JStG 2007, verstießen auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) abgeleitete Rückwirkungsverbot.
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Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er trägt im Wesentlichen vor, es sei verfassungsrechtlich nicht zulässig, die seit 40 Jahren geltende Regelung des § 181 Abs. 5 AO, die vom Gesetzgeber, den Gerichten, der Finanzverwaltung und den Steuerpflichtigen akzeptiert und gelebt worden sei, im Dezember 2006 mit Rückwirkung auf den Feststellungszeitraum 1999 zu ändern. Weder durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Juni 2002 XI R 26/01 (BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681) noch durch das BFH-Urteil vom 2. August 2006 XI R 65/05 (BFHE 214, 492, BStBl II 2007, 921) sei die Rechtslage geändert worden. Vielmehr sei lediglich der Gesetzeswortlaut des § 181 Abs. 5 AO und damit die bestehende Rechtslage bestätigt worden. Zudem habe er seinen Antrag auf Verlustfeststellung bereits zwölf Monate nach Inkrafttreten der Neuregelung gestellt.
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Der Kläger beantragt,das Urteil des FG München vom 3. Juni 2014 13 K 1443/11 aufzuheben und unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 17. April 2008 und Änderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1999 vom 20. Dezember 2010 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11. April 2011 das FA zu verpflichten, den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1999 auf 28.223 DM (14.430 €) festzustellen.
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Das FA beantragt,die Revision zurückzuweisen.