Steuerrecht

Fristgerechte Klageerhebung

Aktenzeichen  7 K 775/17

Datum:
11.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143657
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 47 Abs. 1
AO § 122 Abs. 2 Satz 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Streitig ist, ob das Finanzamt den Kläger zu Recht für Steuerschulden der Firma …-Projektmanagement Ltd. (…) in Haftung genommen hat.
Die … ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in …, Großbritannien und unterhielt eine Zweigniederlassung in München. Sie wurde beim Amtsgericht München im Handelsregister unter HRB … eingetragen. Der Gegenstand ihres Unternehmens war die Planung und Durchführung von Baumaßnahmen sowie die Vergabe von Aufträgen. Die … war Komplementärgesellschaft der Firma …-Bauregie-Projektmanagement Ltd. & Co. KG (Ltd. & Co. KG). Der Kläger war Gesellschafter der … und Kommanditist der Ltd. & Co. KG, außerdem war er vom 25. Mai 2010 bis 31. Mai 2011 Generalbevollmächtigter der ….
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 24. November 2014 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das im Inland belegene Vermögen der … mangels Masse abgelehnt und die Zweigniederlassung der Gesellschaft mit Wirkung vom 20. Mai 2015 wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht. Nach Ermittlungen des Finanzamts München handelte es sich bei der … um eine im Gründungsstaat rechtlich existente, aber wirtschaftlich inaktive Briefkastengesellschaft.
Für den Veranlagungszeitraum 2010 gingen beim Finanzamt am 1. Juni 2012 und am 20. Dezember 2012 vom Kläger unterschriebene Körperschaftsteuererklärungen ein. Aus einer Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2011 vom 1. Juli 2013 ergab sich ein Gewinn über 128.609 €.
Nach entsprechender Ankündigung und Anhörung des Klägers nahm ihn das Finanzamt mit Bescheid vom 20. Juli 2015 für Körperschaftsteuer der … für den Zeitraum 2010 und viertes Quartal 2011 nebst Zinsen und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer über insgesamt 23.448,51 € gemäß § 69 i.V.m. §§ 34, 35 Abgabenordnung als faktischen Geschäftsführer in Haftung. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Die an den steuerlichen Vertreter des Klägers adressierte Einspruchsentscheidung war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:und einem Absendevermerk ebenfalls vom 17. Februar 2017 versehen.
Die dagegen gerichtete Klage ging beim Finanzgericht mit Telefax vom 21. März 2017 um 16.39 Uhr ein. Der steuerlich vertretene Kläger wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Einspruchsverfahren. Da er derzeit inhaftiert sei, sei ihm ein Zugriff auf Unterlagen derzeit nur erschwert bzw. überhaupt nicht möglich. Er sei über 60 Jahre alt und aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen erwerbsgemindert bzw. erwerbsunfähig und nur sehr eingeschränkt zu Zahlungen in der Lage.
Im Übrigen sei die Einspruchsentscheidung mittels einfachen Briefs ausweislich des Eingangstempels des steuerlichen Vertreters am 21. Februar 2017 eingegangen. Der Büroablauf sei so organisiert, dass an den Arbeitstagen von Montag bis Freitag sämtliche Brief-kästen und das Postfach geleert würden und die Posteingänge noch am gleichen Tag mit tagesaktuellem Eingangsstempel versehen würden. Es werde anwaltlich versichert, dass die Einspruchsentscheidung erst am 21. Februar 2017 eingegangen sei, so dass die Klageeinreichung am 21. März fristgemäß gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 20. Juli 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2017 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zu den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung trägt es vor, dass die Klage verspätet erhoben worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Absatz 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
II.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage wurde erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben und ist unzulässig.
Gemäß § 47 Abs. 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) bei einer Übermittlung im Inland grundsätzlich am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Fällt dieser 3. Tag auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist gemäß § 108 Abs. 3 AO erst mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 19. November 2009 IV R 89/06, BFH/NV 2010, 818). Im Streitfall gilt die Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2017 (Freitag), an deren Absendung keine Zweifel bestehen, gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am Montag, 20. Februar 2017 bekanntgegeben. Die einmonatige Klagefrist begann mit dem Tage der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO) und endete gemäß §§ 54 Abs. 2 FGO, 222 Zivilprozessordnung (ZPO), 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit Ablauf des 20. März 2017(Montag). Die Klage ging jedoch erst am 21. März 2017 und damit verspätet ein.
Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ist es nicht gelungen, die gesetzliche Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu entkräften. Diese Vermutung greift dann nicht, wenn der Verwaltungsakt tatsächlich nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang zu beweisen. Um die Beweislast der Behörde zu begründen, muss der Steuerpflichtige nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung durch substantiierte Erklärungen darlegen, dass er nicht rechtzeitig in den Besitz des Bescheides gekommen ist (vgl. BFH vom 14. Februar 2012 V S 1/12 (PKH), BFH/NV 2012, 979 m.w.N.). Er muss Tatsachen vortragen, die den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische – Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post – ernstlich in Betracht zu ziehen ist. Es genügt danach nicht schon ein einfaches Bestreiten, um die gesetzliche Vermutung über den Zeitpunkt des Zugangs des Schriftstücks zu entkräften. Es müssen vielmehr nach dem schlüssigen oder jedenfalls vernünftig begründeten Vorbringen des Steuerpflichtigen Zweifel am Zugangszeitpunkt bestehen (BFH vom 6. Juli 2011 III S 4/11 (Pkh), BFH/NV 2011, 1717). Zur Begründung von Zweifeln am Zugang innerhalb der Drei-Tages-Frist reicht ein abweichender Eingangsvermerk allein nicht aus (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2010 IX B 149/09, BFH/NV 2010, 1115, m.w.N.).
Im Streitfall liegen keine Umstände vor, nach denen ein anderer Geschehensablauf als der typische Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post ernstlich in Betracht zu ziehen ist. Insbesondere reicht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein abweichender Eingangsvermerk allein nicht aus (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2010 IX B 149/09, BFH/NV 2010, 1115, m.w.N.), so dass die vom Klägervertreter vorgelegte Einspruchsentscheidung mit einem Eingangsstempel nicht genügt, um den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post ernstlich in Betracht zu ziehen ist (vgl. die Ausführungen im BFH-Beschluss vom 25. Februar 2010 IX B 149/09, BFH/NV 2010, 1115).
Auch eine als mögliche anwaltliche Versicherung zu wertende Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers genügt zur Glaubhaftmachung des Zugangszeitpunkts eines Verwaltungsaktes nicht, wenn objektive Beweismittel, beispielsweise ein Briefumschlag, zur Verfügung gestanden hätten (s. BFH-Beschlüsse vom 10. Oktober 2003 VI B 95/03, BFH/NV 2004, 219; vom 13. Oktober 2005 IV B 21/05, BFH/NV 2006, 328).
2. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist kommt vorliegend nicht in Betracht. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung der im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen, vgl. § 56 Abs. 2 FGO.
Im Streitfall scheidet eine Wiedereinsetzung schon deswegen aus, weil der Kläger an der Einhaltung der Klagefrist nicht ohne Verschulden gehindert war. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, handelt regelmäßig schuldhaft, wer Rechtsmittelbelehrungen nicht beachtet (BFH-Beschluss vom 29. März 2007 VIII B 52/06, BFH/NV 2007, 1515). Der Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2017 war eine verständliche Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt, wonach gegen die Entscheidung Klage erhoben werden kann. Bei Beachtung der zumutbaren Sorgfalt wäre es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, den zutreffenden Rechtsbehelf fristgerecht einzulegen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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