Steuerrecht

Geschlossener Immobilienfonds – Veräußerung oder Rückabwicklung

Aktenzeichen  IX R 45/14

Datum:
6.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2016:U.060916.IXR45.14.0
Normen:
§ 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002
§ 22 Nr 3 EStG 2002
§ 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002
§ 23 Abs 1 S 4 EStG 2002
§ 23 Abs 3 EStG 2002
§ 24 Nr 1 Buchst a EStG 2002
§ 118 Abs 2 FGO
EStG VZ 2006
§ 39 Abs 2 Nr 2 AO
§ 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO
§ 179 Abs 1 AO
§ 2 EStG 2002
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

1. Für den Fall, dass die als Kaufpreis bezeichnete Gegenleistung teilweise auch für andere Verpflichtungen des Veräußerers erbracht worden ist (hier: Verzicht auf Schadensersatzansprüche, Rücknahme von Klagen), die nicht den Tatbestand des § 23 Abs. 1 EStG erfüllen, ist der vereinbarte Kaufpreis insoweit aufzuteilen.
2. Für Zwecke der Aufteilung ist das veräußerte Wirtschaftsgut zu bewerten; übersteigt die Gegenleistung den Wert des veräußerten Wirtschaftsguts, spricht dies dafür, dass der übersteigende Teil der Gegenleistung nicht zum Veräußerungspreis gehört, sondern dass insoweit eine andere Verpflichtung entgolten oder ein Teil der Gegenleistung unentgeltlich zugewendet werden soll.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 1. Oktober 2014, Az: 2 K 2085/11, Urteilnachgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 7. März 2018, Az: 2 K 3719/16, Beschluss

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 1. Oktober 2014  2 K 2085/11 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Baden Württemberg, Außensenate Freiburg, zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegt und wie gegebenenfalls der Veräußerungsgewinn zu berechnen ist.
2
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) trat zusammen mit seiner Ehefrau im … 1997 der B-GmbH & Co. KG und im … 1998 der T-GmbH & Co. KG als Treugeber-Kommanditist mit einem Kapitalanteil von jeweils … DM und … DM bei. Der Gesellschaftszweck der beiden als geschlossene Immobilienfonds konzipierten Gesellschaften bestand im Erwerb, der Errichtung, der Verwaltung, der Vermietung sowie in der Verwertung von Immobilien. Sowohl die B-GmbH & Co. KG als auch die T-GmbH & Co. KG waren Eigentümer von Immobilien oder erwarben Beteiligungen an Objektgesellschaften.
3
Die B-GmbH & Co. KG und die T-GmbH & Co. KG waren –neben weiteren geschlossenen Immobilienfonds– ab 1995 von der B-AG initiiert worden. Letztere hatte sich dazu mehrerer Tochtergesellschaften bedient, darunter auch der L-Bank. An den Fondsgesellschaften wurden Treuhandkommanditisten beteiligt, die sowohl im eigenen Namen als auch für noch zu werbende Treugeber Gesellschaftsanteile hielten. Kapitalanlegern wie dem Kläger wurde nach einheitlichem Muster der Abschluss von Treuhandverträgen angeboten, wonach sich der Treuhandkommanditist verpflichtete, seine Beteiligung künftig treuhänderisch für die Kapitalanleger (Treugeber) zu verwalten. Der Treuhandkommanditist übte seine Gesellschafterrechte nach deren Weisungen aus. Im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander und im Verhältnis zur Gesellschaft wurden die Treugeber wie unmittelbar beteiligte Kommanditisten behandelt. Sie durften an den Gesellschafterversammlungen teilnehmen und die auf ihre Beteiligungen entfallenden Stimmrechte sowie die einem Kommanditisten nach dem Gesetz zustehenden Kontroll- und sonstigen Rechte unmittelbar selbst ausüben. Dem Kläger stand außerdem ein Andienungsrecht zu, nach Ablauf von 25 Jahren seiner Anteile zum Nominalwert und nach Ablauf von 30 Jahren zu 115 % des Nominalwerts an eine Konzern-Gesellschaft der B-AG zurückzugeben.
4
Die wirtschaftliche Entwicklung der Fonds entsprach nicht den Erwartungen des Klägers. Zusammen mit einer Vielzahl weiterer Anleger beteiligte er sich an einem Sammelklageverfahren und erhob eine Schadensersatzklage gegen die L-Bank. Mit der Klage begehrte der Kläger die Zahlung von Schadensersatz aus Prospekthaftung und deliktischer Haftung und verlangte die Rückzahlung der Einlage Zug um Zug gegen Rückgabe der Kommanditanteile.
5
Im Jahr 2005 unterbreitete die zum Konzern der B-AG gehörende Y-GmbH dem Kläger ein jeweiliges Angebot zum Erwerb seiner Fondsanteile. Ein solches Angebot erhielten auch andere Fondsbeteiligte, die keine Schadensersatzklagen erhoben hatten. Der Kaufpreis bestimmte sich nach einem Prozentsatz der auf die Fondsbeteiligung gezahlten Kapitaleinlage zzgl. einer Verzinsung für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zur Durchführung des “Verkaufs” abzüglich der Ausschüttungen und Quellensteuern, die für den genannten Zeitraum gezahlt wurden. Die Angebote waren unwiderruflich und befristet. Letzter möglicher Annahmetag waren der 30. Juni 2008 (B-GmbH & Co. KG) und der 30. Juni 2009 (T-GmbH & Co. KG). Die Annahme der Angebote war nur möglich, wenn die Schadensersatzklage vor dem Annahmetag, spätestens jedoch bis zum 31. März 2006, zurückgenommen war. Der Kläger nahm die Angebote am … April 2006 an. Zugleich verzichtete er auf alle gegenwärtigen und zukünftigen Schadensersatzansprüche, die mit dem Erwerb der Beteiligungen zusammenhingen. Auch nahm der Kläger seine Schadensersatzklage zurück. Sowohl die B-GmbH & Co. KG als auch die T-GmbH & Co. KG bestanden nach dem Ausscheiden des Klägers als geschlossener Immobilienfonds fort.
6
Mit (geändertem) Einkommensteuerbescheid 2006 vom … Dezember 2008 erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) einen Veräußerungsgewinn des Klägers aus der B-GmbH & Co. KG in Höhe von 25.069 €. Mit (geändertem) Einkommensteuerbescheid 2006 vom … Januar 2009 erfasste das FA einen Veräußerungsgewinn aus der Beteiligung an der T-GmbH & Co. KG in Höhe von 82.220 €. Das FA übernahm dabei die jeweilige Veräußerungsgewinnberechnung, die sich aus einer (informatorischen) Mitteilung des für die Fondsgesellschaften zuständigen Finanzamts ergab. Danach wurden die nachfolgenden Veräußerungsgewinne ermittelt:
7
        
B-GmbH & Co. KG
T-GmbH & Co. KG (Nr. 1)
T-GmbH & Co. KG (Nr. 2)
Auszahlungsbetrag
74.683,37 €
80.675,01 €
121.012,51 €
+ anteilige Verbindlichkeiten
+ 209.395,48 €
+ 241.401,67 €
+ 362.102,49 €
= gesamter Veräußerungspreis
284.078,85 €
322.076,68 €
483.115,00 €
x anteiliger Veräußerungspreis der Immobilien
X 76,65971 %
X 83,31223 %
X 83,31223 %
=       
217.774,02 €
268.329,28 €
402.493,89 €
./. anteilige steuerliche Buchwerte der Immobilien
167.635,94 €
202.553,25 €
303.829,85 €
= Veräußerungsge-winn
50.138,08 €
65.776,03 €
98.664,04 €
davon Anteil des Klägers
25.069,04 €
32.888,01 €
49.332,02 €
8
Die Berechnung im Einzelnen wurde durch eine von der Fondsgesellschaft beauftragte Steuerberatungsgesellschaft vorbereitet. Aus den mitgeteilten Werten ergibt sich nicht, auf welchen Stichtag die anteiligen Verbindlichkeiten und der anteilige steuerliche Buchwert der Immobilien ermittelt worden sind.
9
Der vom Kläger u.a. gegen die steuerliche Erfassung der Veräußerungsgewinne eingelegte Einspruch blieb mit Einspruchsentscheidung vom … Mai 2011 insoweit ohne Erfolg.
10
Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 1. Oktober 2014  2 K 2085/11 (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2015, 641) als unbegründet ab. Der Kläger habe mit den Kauf- und Übertragungsverträgen vom … April 2006 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 4 EStG erzielt. Es habe sich nicht um die bloße Rückabwicklung der Anschaffungsgeschäfte gehandelt. Die Kauf- und Übertragungsverträge vom … April 2006 seien als neuerliche Veräußerung und nicht als Rückabwicklung des ursprünglichen Anschaffungsgeschäfts auszulegen.
11
Mit seiner Revision bringt der Kläger u.a. vor, das FG habe rechtsfehlerhaft eine Rückabwicklung der jeweiligen Beteiligung verneint. Werde die i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG angeschaffte Beteiligung an die von Anfang an betrügerisch zum Nachteil der Anleger zusammenwirkenden Initiatoren wegen festgestellter irreparabler Leistungsstörungen “zurückgegeben”, stelle dies eine Rückabwicklung der Anschaffung dar. Denn es seien von Beginn an mit bewusst fehlerhaften Prospekten geschlossene Immobilienfonds mit Schrottimmobilien auf den Markt gebracht worden. Zudem sei der Veräußerungsgewinn vom FA fehlerhaft ermittelt worden.
12
Am … April 2009 und am … Mai 2009 ergingen aus nicht streitigen Gründen geänderte Einkommensteuerbescheide für den Veranlagungszeitraum 2006. Der Veräußerungsgewinn wurde unter Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von 823 €, welche im Zusammenhang mit der Veräußerung der Fondsanteile standen, mit 106.466 € angesetzt.
13
Der Kläger beantragt,das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 1. Oktober 2014  2 K 2085/11 aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid 2006 vom … Mai 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … Mai 2011 dahin abzuändern, dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften um 106.466 € niedriger angesetzt werden.
14
Das FA beantragt,die Revision zurückzuweisen.
15
Das FA bringt vor, es liege ein Veräußerungsvorgang vor. Eine Aufteilung des Entgelts in einen Veräußerungspreis und Schadensersatz sei mangels steuerlicher Auswirkung entbehrlich. Soweit ein Teil des Kaufpreises als Schadensersatz einzuordnen sei, sei dieser Teil der Zahlung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V. mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG als Entschädigung steuerbar. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Bruchteilsbetrachtung des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG auch im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 3 EStG Anwendung finde. Die Übernahme von Verbindlichkeiten sei folglich im Rahmen des Veräußerungsentgelts zu berücksichtigen. Der Veräußerungsgewinn sei daher wie folgt zu ermitteln:
16
Auszahlungsbetrag
        
        
zzgl. anteilige Verbindlichkeiten
        
        
= gesamter Veräußerungspreis
x Anteil an Immobilien
Veräußerungspreis
        
        
        
Einlage (bar)
        
        
Agio   
        
        
zzgl. anteilige Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der Anschaffung
        
        
= gesamte Anschaffungskosten
x Anteil an Immobilien
./. Anschaffungskosten
        
        
./. Veräußerungskosten
        
        
+ in Anspruch genommene Abschreibung
        
        
= Gewinn/Verlust

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