Steuerrecht

Gestattung des Betretens und der Durchsuchung einer Wohnung gegenüber der Ausländerbehörde

Aktenzeichen  B 6 X 19.73

Datum:
5.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43691
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BayVwVfG Art. 52
BayVwZVG Art. 19, Art. 34 Abs. 1, Art. 37 Abs. 3 S. 1
GG Art. 13 Abs. 1
VwGO § 14

 

Leitsatz

Tenor

1. Das Betreten und die Durchsuchung der vom Antragsgegner bewohnten Wohnung einschließlich aller ihm zur Benutzung oder Mitbenutzung zur Verfügung stehenden Nebenräume in 9..5445 Bayreuth, …, zum Zweck der Sicherstellung des elektronischen Aufenthaltstitels Nr. …, gültig vom 05.07.2017 bis 20.07.2019, durch die Antragstellerin und/oder die von dieser beauftragten Dienststelle der Polizei wird gestattet. Verschlossene Haus- und Zimmertüren und Behältnisse dürfen geöffnet werden.
2. Die Durchsuchungsanordnung gilt bis einschließlich 05.04.2019.
3. Die Anordnung wird mit der Bekanntgabe an den Antragsgegner wirksam. Die Antragstellerin wird beauftragt, eine Ausfertigung dieser Anordnung vor Beginn der Durchsuchung gegen Empfangsbekenntnis auszuhändigen.
4. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Gestattung des Betretens und der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zum Zweck der Sicherstellung seines erloschenen elektronischen Aufenthaltstitels, um ihn als ungültig zu kennzeichnen.
Am 21.07.2017 erteilte die Stadt Regensburg dem Antragsgegner eine bis 20.07.2019 gültige Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums an der Universität Regensburg, Fachrichtung Mathematik. Folgende Nebenbestimmung fügte die Ausländerbehörde bei: „Die Aufenthaltserlaubnis erlischt bei Abbruch des Studiums, Studienende, Studienfachwechsel oder Hochschulwechsel.“ Den elektronischen Aufenthaltstitel holte der Antragsgegner am 18.08.2017 ab. Nachdem er das Dokument am 24.08.2017 verloren hatte, stellte ihm die Behörde am 28.08.2017 erneut eine Aufenthaltserlaubnis mit der gleichen Geltungsdauer und der gleichen Nebenbestimmung aus. Am 20.09.2017 holte der Antragsteller den neuen elektronischen Aufenthaltstitel beim Amt für Integration und Migration ab. Er hat die Dokumentennummer … Nachdem ihn die Universität Bayreuth am 12.12.2017 für ein Bachelorstudium im Studiengang „Informatik“ für das Sommersemester 2018 zugelassen hatte, exmatrikulierte die Universität Regensburg den Antragsgegner mit Wirkung zum Ende des Wintersemesters 2017/2018 am 31.03.2018. Am 27.03.2018 zog er nach Bayreuth, begann hier sein neues Studium und meldete sich am 09.04.2018 in seinem neuen Studienort an.
Die Antragstellerin sah in der Bestimmung der Aufenthaltserlaubnis, mit diesem Aufenthaltstitel werde das Studium im Studiengang Mathematik an der Universität Regensburg gestattet, eine Auflage zur Aufenthaltserlaubnis. Deshalb beantragte der Antragsgegner am 28.05.2018 wegen des Wechsels des Studiengangs eine Auflagenänderung. Als er am 11.06.2018 im Rahmen dieses Verfahrens die Exmatrikulationsunterlagen vorlegte, forderte ihn der zuständige Mitarbeiter der Antragstellerin mündlich auf, seinen elektronischen Aufenthaltstitel zur Entwertung abzugeben. Dagegen verwahrte der Antragsgegner sich. Daraufhin schrieb die Antragstellerin wegen der Einziehung der ungültigen Aufenthaltserlaubnis noch am gleichen Tag eine Sachfahndung aus.
Am 10.07.2018 erinnerte die Ausländerbehörde seine nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten daran, dass der Antragsgegner den erloschenen Aufenthaltstitel unverzüglich im Ausländeramt abzugeben habe. Am 24.07.2018 setzte die Antragstellerin eine Frist von einer Woche zur Abgabe des erloschenen Aufenthaltstitels und machte darauf aufmerksam, dass eine nicht fristgerechte Abgabe des Dokuments mit einer Geldbuße geahndet werden müsste.
Mit Bescheid vom 10.08.2018 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides zu verlassen (Ziff. 1), lehnte den von ihm am 28.05.2018 gestellten Antrag auf Wechsel des Studienfachs ab (Ziff. 2) und drohte ihm, wenn er der gewährten Ausreisefrist nicht fristgerecht nachkomme, die Abschiebung in das Königreich Marokko an (Ziff. 3). Die Wirkungen der Abschiebung wurden auf ein Jahr, gerechnet ab dem Tag des Verlassens der Bundesrepublik, befristet (Ziff. 4).
In der Begründung des Bescheides führte die Antragstellerin u.a. aus, durch den Eintritt der auflösenden Bedingung sei die von der Stadt Regensburg erteilte Aufenthaltserlaubnis erloschen.
Der Antragsgegner kam der Aufforderung, seinen Aufenthaltstitel herauszugeben, weiterhin nicht nach. Daraufhin verwarnte ihn die Antragstellerin am 11.08.2018 und verhängte ein Verwarnungsgeld von 50,00 EUR. Dieser Bescheid wurde am 14.08.2018 versandt. Mit Schreiben vom 31.08.2018 äußerte sich der Antragsteller auf dem beigefügten Anhörungsbogen, er werde den Aufenthaltstitel nicht aushändigen, solange noch keine Entscheidung durch das „Amtsgericht Bayreuth“ gefallen sei.
Da der Antragsgegner das Verwarnungsgeld nicht entrichtete und das Dokument auch in der Folgezeit nicht vorlegte, erließ die Antragstellerin am 03.09.2018 einen Bußgeldbescheid und setzte darin eine Geldbuße von 100,00 EUR fest.
Am 04.09.2018 hörte die Antragstellerin den Antragsgegner zum Erlass einer Ordnungsverfügung wegen der unterbliebenen Vorlage seines erloschenen Aufenthaltstitels an.
Mit Telefax vom 10.09.2018 erhoben die Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners Klage gegen den Bescheid vom 10.08.2018 mit dem Antrag die Antragstellerin zu verpflichten, über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Dieses Verfahren wird unter dem Az. B 6 K 18.958 geführt. Zugleich wurde beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (Az. B 6 S 18.957). Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 18.02.2019 ab. Auf die Begründung wird verwiesen.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 24.09.2018, der am 26.09.2018 der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgengers zuging, verpflichtete die Antragstellerin den Antragsgegner, seinen erloschenen Aufenthaltstitel im Ausländeramt der Antragstellerin vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen (Ziff.1), ordnete die sofortige Vollziehung dieser Anordnung an (Ziff. 2) und drohte für den Fall, dass der Antragsgegner der Verpflichtung nicht nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR an (Ziff. 3).
Die Antragstellerin stützte die Anordnung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. Art. 52 BayVwVfG. Der als Chipkarte ausgestellte elektronische Aufenthaltstitel sei eine Urkunde, die dem Nachweis eines erteilten Aufenthaltstitels diene und könne deshalb von der Antragstellerin zurückgefordert werden. In die Abwägung sei zum einen das Interesse des Staates einzustellen, den Rechtsschein nach außen erkennbar zu beenden, dass der am 31.03.2018 durch Eintritt einer beigefügten bestandskräftigen auflösenden Bedingung erloschene Aufenthaltstitel bis 20.07.2019 weitergelte, indem die Behörde den elektronische Aufenthaltstitel entwerte. Zum anderen sei das Interesse des Antragsgegners zu berücksichtigen, das ihm ausgestellte Dokument ohne Entwertung zu behalten. Der Vorrang gebühre dabei dem staatlichen Interesse, zumal der Antragsgegner beanspruchen könne, dass ihm die Antragstellerin den elektronischen Aufenthaltstitel nach der Kennzeichnung als ungültig wieder herausgebe.
Der Sofortvollzug werde angeordnet, weil der Schutz der Allgemeinheit vor der Täuschung im Rechtsverkehr das Interesse des Antragsgegners daran überwiege, dass eine von ihm erhobene Klage aufschiebende Wirkung entfalte. Die Androhung des Zwangsgeldes, wenn der Antragsgegner seiner ohne weiteres zu erfüllenden Handlungspflicht binnen der angemessenen Frist nicht nachkomme, sei gerechtfertigt. Bei der Festsetzung der Höhe sei auch berücksichtigt worden, dass das bereits verhängte Bußgeld beim Antragsgegner keine Wirkung gezeigt habe.
Nachdem der Antragsgegner das Dokument nicht fristgemäß abgeliefert hatte, drohte die Antragstellerin mit Bescheid vom 24.10.2018, der laut Empfangsbekenntnis am 30.10.2018 zuging, nunmehr ein Zwangsgeld in Höhe von 750 EUR an, wenn der Antragsgegner seine Verpflichtung nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides erfülle. Dieser Bescheid wurde ebenfalls bestandskräftig.
Da der Antragsgegner der Anordnung weiterhin nicht nachkam, drohte die Antragstellerin mit Bescheid vom 04.01.2019, zugestellt mit Empfangsbekenntnis am 07.01.2019, die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form der zwangsweisen Einziehung durch Polizeibeamte an, falls der Antragsteller nicht seinen erloschenen Aufenthaltstitel innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides herausgebe. Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Antragsschriftsatz vom 22.01.2019, der am 25.01.2019 einging, hat die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth beantragt,
1.Den Bediensteten der Antragstellerin bzw. den mit der Vollstreckung beauftragten Polizeibeamten wird gestattet, die Wohnung und die Nebenräume des Antragsgegners zum Zweck der Sicherstellung und Beschlagnahme des elektronischen Aufenthaltstitels Nr. …, gültig vom 05.07.2017 bis 20.07.2019, zu betreten und und zu durchsuchen. Zudem wird gestattet, verschlossene Türen und Behältnisse zu eben diesem Zweck zu öffnen und zu durchsuchen.
2.Dieser Beschluss gilt bis zum 05.03.2019.
3.Von einer Anhörung des Antragsgegners vor Erlass eines Beschlusses wird abgesehen.
4.Die Antragstellerin wird beauftragt, den vorliegenden Beschluss und eine Zweitschriftdes Antrages vom 22.01.2019 dem Antragsgegner zu Beginn der Durchführung der Maßnahme zu 1. zum Zweck der Zustellung auszuhändigen.
Mit Telefax vom 25.02.2019 stellte sie folgenden Änderungsantrag betreffend Ziffer 2:
Dieser Beschluss gilt bis zum 05.04.2019.
Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, der Antrag bei Gericht werde gestellt, weil Wohnungsdurchsuchungen nur durch den Richter angeordnet werden dürften.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lägen vor. Der zu vollstreckende Bescheid vom 24.09.2018 sei bestandskräftig und außerdem sofort vollziehbar. Der Antragsgegner habe seine Verpflichtung, seinen erloschenen Aufenthaltstitel herauszugeben, nicht erfüllt. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs sei das geeignete, erforderliche und angemessene Mittel, um die Sicherstellung zu ermöglichen, insbesondere auch deshalb, weil nicht damit zu rechnen sei, dass der Antragsgegner die Urkunde freiwillig herausgebe. Die Durchsuchung der Wohnung sei nicht unverhältnismäßig, weil es dem Antragsgegner, der bereits fünfmal schriftlich, darunter zweimal unter Androhung eines Zwangsgeldes zur Herausgabe des Aufenthaltstitels aufgefordert worden sei, ohne weiteres möglich gewesen sei, die Anwendung des unmittelbaren Zwangs abzuwenden und er eine Durchsuchung der Wohnung abwenden könne, wenn er den Aufenthaltstitel bei Beginn der Maßnahme sofort abgebe.
Um den Vollstreckungserfolg nicht zu gefährden, sei von einer Anhörung abzusehen, und die Antragstellerin zu beauftragen, den Beschluss unmittelbar bei Beginn der Durchsuchung zu übergeben. Schließlich sei die Anordnung bis 05.04.2019 zu befristen, damit der Antragstellerin genug Zeit verbleibe, um die erforderlichen Maßnahmen für die Durchführung der Wohnungsdurchsuchung zu treffen, nachdem ein entsprechender Gerichtsbeschluss ergangen sei.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Antragsbegründung vorgelegten Unterlagen und auf die Gerichts- und die Behördenakte im Verfahren B 6 S 18.957 verwiesen.
II.
1. Für die beantragte Gestattung des Betretens und der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
a) Die beantragte Duldungsanordnung fällt unter die öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten. Sie dient dazu, den Bescheid vom 24.09.2018, der im Vollzug aufenthaltsrechtlicher und damit öffentlich-rechtlicher Vorschriften ergangen ist, mit einem Zwangsmittel zu vollstrecken.
b) Die Streitigkeit ist auch keinem anderen Gericht, insbesondere nicht dem Amtsgericht, zugewiesen.
Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 PAG i. V. m. Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG kann die Polizei eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Sache befindet, die zur Abwehr einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut sichergestellt werden darf. Gemäß Art. 24 Abs. 1 PAG dürfen Durchsuchungen, außer bei Gefahr in Verzug, nur durch einen Richter angeordnet werden. Zuständig für die gerichtliche Entscheidung ist das Amtsgericht am Sitz des Landgerichts, in dessen Bezirk die beantragende Polizeidienststelle ihren Sitz hat (Art. 92 Abs. 2 PAG).
Diese Zuweisung an das zuständige Amtsgericht, hier das Amtsgericht Bayreuth, greift nicht ein. Den Antrag auf Gestattung der Durchsuchung stellt die Antragstellerin und nicht die Polizei. Die Polizei wird deshalb nicht gemäß Art. 2 Abs. 1 PAG, Art. 3 PAG in eigener Zuständigkeit tätig, sondern leistet der Antragstellerin gemäß Art. 2 Abs. 3 PAG, Art. 67 Abs. 1 PAG, wenn sie damit beauftragt wird, ggf. unselbständige Vollzugshilfe, so dass Art. 23, Art. 25 PAG nicht, auch nicht analog, anwendbar sind (BayVGH, B. v. 23.02.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 21f.).
2. Das Betreten und Durchsuchen der Wohnung und der Nebenräume des Antragsgegners, um den erloschenen Aufenthaltstitel sicherzustellen, bedarf einer vorherigen richterlichen Gestattung.
a) Rechtsgrundlage für die beantragte Durchsuchung ist Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG.
Danach sind die mit der Durchführung des Verwaltungszwangs beauftragten Bediensteten der Vollstreckungsbehörde und Polizeibeamten, soweit es der Zweck der Vollstreckung erfordert, befugt, die Wohnung des Pflichtigen zu betreten und verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen.
Diese allgemeine Vorschrift über das Betreten (und notfalls auch Durchsuchen) einer Wohnung ist hier anzuwenden.
Gemäß Art.18 Abs. 1 BayVwZVG werden Verwaltungsakte, die zur Leistung von Geld oder zu einem sonstigen Handeln verpflichten nach dem BayVwZVG vollstreckt, soweit die Vollstreckung nicht durch Bundesrecht unmittelbar geregelt oder bundesrechtliche Vollstreckungsvorschriften durch Landesrecht für anwendbar erklärt sind. Weder § 48 Abs. 1 Satz 1 AufenthG noch Art. 52 Sätze 1 und 2 BayVwVfG, auf die sich die Antragstellerin gestützt hat, als sie den Aufenthaltstitel herausverlangte, um ihn als ungültig zu kennzeichnen, enthalten eine Regelung, wie eine entsprechende Anordnung zu vollstrecken ist, wenn der Ausländer nicht einwilligt. Deshalb ist Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG als Grundlage dafür heranzuziehen, einen erloschenen Aufenthaltstitel einzuziehen (zur insoweit vergleichbaren Sicherstellung im Waffenrecht siehe BayVGH, a.a.O. Rn.23).
b) Auch für das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG bedarf es einer richterlichen Gestattung.
Zwar schreibt Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG, anders als Art. 24 Abs. 1 PAG, eine vorherige richterliche Gestattung nicht ausdrücklich vor. Die Vorschrift ist aber verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Richtervorbehalt auch hier gilt. Gemäß Art. 13 Abs. 2 GG dürfen Durchsuchungen nur durch den Richter angeordnet werden. Unter einer Durchsuchung ist auch das ziel- oder zweckgerichtete Suchen nach einer Sache zu verstehen, um sie sicherzustellen (BVerwG, B. v. 07.06.2006 – 4 B 36/06 – NJW 2006, 2504/2504).
Deshalb ist über die Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zur Sicherstellung seines Aufenthaltstitels vorab vom Verwaltungsgericht zu entscheiden.
3. Einer Zustellung des Antrages und der vorherigen Anhörung des Antragsgegners vor der Entscheidung über den Antrag, um seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG zu wahren, bedurfte es nicht. Zwar ist im Rahmen des normalen gerichtlichen Verfahrens eine vorherige Anhörung sinnvoll, um den Prozessbeteiligten Gelegenheit zu geben, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen. Das Absehen von der Zustellung des Antrages und der Anhörung des Vollstreckungsschuldners vor Erlass der Durchsuchungsanordnung ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn ansonsten der Vollstreckungserfolg gefährdet ist (OVG Koblenz, B. v. 11.10.1985 – 1 E 35/85 – NJW 1986, 1188/1189).
4. Der Antrag hat auch in der Sache – in dem im Tenor formulierten Umfang – Erfolg.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Vollstreckungsmaßnahme liegen vor und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, insbesondere rechtfertigt die zu vollstreckende Maßnahme den schwerwiegenden Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung, weil sonst der Vollstreckungserfolg gefährdet wäre (zum Maßstab der Entscheidung vgl. BayVGH, B. v. 23.02.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 25).
a) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
aa) Grundlage für die Vollstreckung ist die Anordnung der Antragstellerin vom 24.09.2018, den erloschenen Aufenthaltstitel dem Ausländeramt vorzulegen, auszuhändigen und vorläufig zu überlassen. Gegen diesen, seinen Verfahrensbevollmächtigten am 26.09.2018 zugestellten, Verwaltungsakt hat der Antragsgegner binnen Monatsfrist (§ 74 Abs. 1 S. 2 VwGO) keine Klage erhoben, so dass er unanfechtbar ist. Zudem wurde sie für sofort vollziehbar erklärt. Damit ist der Verwaltungsakt vollstreckbar (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BayVwZVG).
bb) Die Vollstreckung setzt weiter voraus, dass der Vollstreckungsschuldner seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt (Art. 19 A 2 BayVwZVG). Obwohl ihm mit den Bescheiden vom 24.09. und 24.10.2018 ein Zwangsgeld und mit Bescheid vom 04.01.2019 die zwangsweise Einziehung durch Polizeibeamte angedroht worden war, ist der Antragsgegner seiner Verpflichtung nicht nachgekommen. Damit liegt auch diese Vollstreckungsvoraussetzung vor.
b) Die Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs als Zwangsmittel (Art. 34 BayVwZVG) sind gegeben.
aa) Mit bestandskräftigem Bescheid vom 04.01.2019 hat die Antragstellerin unter Bestimmung einer Frist von einer Woche ab Zustellung des Bescheides am 07.01.2019 die Anwendung unmittelbaren Zwanges in Form der Einziehung durch Polizeibeamte schriftlich angedroht (Art. 34 Abs. 1 BayVwZVG).
bb) Da die Anwendung des ebenfalls zulässigen Zwangsmittels Zwangsgeld keinen zweckentsprechenden Erfolg erwarten lässt, wie die zweimalige fruchtlose Androhung von Zwangsgeld zuerst in Höhe von 250,00 EUR am 24.09.2018 und dann von 500,00 EUR am 24.10.2018 gezeigt hat, kann die Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang vollzogen werden (Art. 34 Satz 1 BayVwZVG).
c) Das zu gestattende Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs in Form des Betretens und Durchsuchens der Wohnung, steht in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck (Art. 29 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG).
Da davon auszugehen ist, dass sich die sicherzustellende Aufenthaltserlaubnis in der Wohnung oder den Nebenräumen des Antragsgegners befindet, ist das Betreten und die Durchsuchung ein geeignetes Mittel, um sie sicherzustellen.
Ein milderes Mittel gibt es nicht, insbesondere nachdem sich der Antragsgegner, obwohl er bislang bereits mehrfach mit zunehmendem Nachdruck aufgefordert wurde, den Aufenthaltstitel zur Verfügung zu stellen, bislang beharrlich geweigert hat, dieser Verpflichtung zu entsprechen.
Die Durchsuchung ist schließlich auch im Hinblick auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ein angemessenes Mittel, um den damit verfolgten Zweck zu erfüllen. Der Antragsgegner ist im Besitz eines elektronischen Aufenthaltstitels, der ohne Kennzeichnung als ungültig im Rechtsverkehr den Eindruck vermittelt, er sei noch bis 20.07.2019 gültig, obwohl er bereits am 31.03.2018 erloschen ist. Ohne Kennzeichnung als ungültig lässt sich dieser falsche Rechtsschein nicht beseitigen.
Die Rückgabe des Dokuments hat der Antragsgegner bisher allein mit dem Argument abgelehnt, er gebe die Urkunde nicht zurück, so lange noch keine Entscheidung des „Amtsgerichts“ (gemeint wohl des Verwaltungsgerichts) Bayreuth gefallen sei. Dieser Einwand steht der Gestattung aber nicht entgegen. Denn das Verwaltungsgericht Bayreuth hat inzwischen mit Beschluss vom 18.02.2019 im Verfahren B 6 S 18.957 entschieden und dabei zur Wirksamkeit des Aufenthaltstitels ausgeführt, er sei durch Eintritt der beigefügten auflösenden Bedingung erloschen (S. 8f.). Letztlich kommt es darauf aber nicht entscheidend an. Die Ausländerbehörde vollstreckt den Bescheid vom 24.09.2019, mit dem die Rückgabe des erloschenen elektronischen Aufenthaltstitels angeordnet wurde. Diese Anordnung ist bestandskräftig und jedenfalls nicht nichtig. Ohne dass ihre Rechtmäßigkeit im Einzelnen geprüft werden müsste oder dürfte, kann die Regelung damit zwangsweise durchgesetzt werden.
5. Eine Durchsuchungsanordnung ist zu befristen, weil eine für eine unbegrenzte Zeit geltende richterliche Durchsuchungsanordnung die konkrete richterliche Beschränkung des Grundrechtseingriffs zu einer Blankettermächtigung werden ließe (BVerfG, B. v. 27.05.1997 – 2 BvR 1992/92 – BVerfGE 96,44/52f. = NJW 1997, 2165/2166). Die (nunmehr) beantragte Befristung bis 05.04.2019 erscheint dem Gericht ausreichend, um die beabsichtigte Vollstreckungsmaßnahme vorzubereiten und durchzuführen zu können.
6. Um die Durchsuchung nicht zu gefährden, wird die Antragstellerin im Wege der Amtshilfe beauftragt, den Beschluss gemäß § 14 VwGO dem Antragsgegner unmittelbar bei Beginn der Durchsuchung durch Übergabe zuzustellen.
7. Als unterliegender Teil trägt der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Festsetzung eines Streitwertes bedarf es nicht, weil Gerichtskosten mangels eines entsprechenden Gebührentatbestands im Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz nicht erhoben werden (VG Karlsruhe, B. v. 22.09.2017 – 3 K 12552/17 – juris Rn. 19).

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