Aktenzeichen M 16 K 18.5808
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhoben. Die Klage ist aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Rechtsgrundlage für die Untersagung des vom Kläger ausgeübten Gewerbes ist § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO). Danach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
a) Die Beklagte ist zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung ergeben (BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – BVerwGE 65, 9 ff).
Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, wie eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – BVerwGE 65, 9 ff).
Aus dem ausschließlich sicherheitsrechtlichen, zukunftsbezogenen Regelungszweck von § 35 GewO folgt, dass es auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden hinsichtlich der die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände nicht ankommt (BVerwG, B.v. 11.11.1996 – 1 B 226/96 – juris). Dies bedeutet aber nicht, dass die die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände bei rechtswidrigem Verhalten des Gewerbetreibenden ausnahmslos in jedem Fall bejaht werden können, ohne dass hierbei die Frage in den Blick genommen würde, inwieweit Pflichtverletzungen vorsätzlich bzw. fahrlässig begangen wurden. Ist ein strafrechtlich geahndetes persönliches Fehlverhalten des Gewerbetreibenden Anlass für die Prüfung einer Gewerbeuntersagung, so kann die Prüfung, ob sich der Gewerbetreibende künftig erneut falsch verhalten und damit die Allgemeinheit oder die im Betrieb Beschäftigten gefährden wird, regelmäßig nicht zutreffend beurteilt werden, ohne zum einen die Gründe für das Verhalten des Gewerbetreibenden zu kennen und zum anderen zu berücksichtigen, ob sich der Betreffende der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst war (BayVGH, B.v. 20.7.2016 – 22 ZB 16.284 – juris).
Nicht das Strafurteil, sondern das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zu dem Urteil geführt hat, kann eine Gewerbeuntersagung erfordern (BVerwG, B.v. 23.5.1995 – 1 B 78/95 – juris). Die Gewerbebehörden und Verwaltungsgerichte müssen sich selbst davon überzeugen, welcher Sachverhalt einer Strafe zugrunde gelegen hat – wobei sie in der Regel von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts ausgehen dürfen -, und in eigener Verantwortung prüfen, ob die der Bestrafung zugrunde liegenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigen (BVerwG, B.v. 26.2.1997 – 1 B 34/97 – juris). Dabei kann sich die von der Behörde anzustellende Prognose, wonach der Gewerbetreibende auf Grund der für die Vergangenheit festgestellten Verstöße auch für die Zukunft als unzuverlässig gilt, schon auf eine erhebliche gewerbebezogene Straftat stützen (OVG NRW, B.v. 16.6.2016 – 4 B 1401/15 – juris).
Die Beantwortung der Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO noch entgegengehalten werden dürfen, hat auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu erfolgen, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen sind (BayVGH, B.v. 5.3.2014 – 22 ZB 12.2174 – juris).
Nach diesen Maßstäben durfte die Beklagte die negative Zukunftsprognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers auf den der Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 Insolvenzordnung (InsO) zugrundeliegenden Sacherhalt, wie er vom Amtsgericht München ermittelt wurde, stützen. Danach ist der Kläger als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, innerhalb von drei Wochen für die von ihm vertretene GmbH einen Insolvenzantrag zu stellen, obwohl ihm bekannt war, dass diese zahlungsunfähig ist. Dieser gewerbebezogene Rechtsverstoß ist geeignet, die Unzuverlässigkeit des Klägers zu begründen. Aus dem Verhalten des Klägers wird deutlich, dass er den finanziellen Vorteil für die von ihm vertretene GmbH über die ihm als Geschäftsführer obliegende Verpflichtung zur unverzüglichen Stellung eines Insolvenzantrags gestellt hat und dabei in Kauf genommen hat, dass den Gläubigern der GmbH aufgrund des Risikos der Verringerung der Haftungsmasse ein erheblicher Schaden entstehen könnte. Dies lässt auf einen Charakter des Klägers schließen, der – obwohl seit Begehung der Tat einige Jahre vergangen sind und sich der Kläger seither nichts mehr zuschulden hat kommen lassen – die negative Zukunftsprognose, wie sie von der Beklagten angestellt wurde, trägt.
b) Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu untersagen. Ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht des Verhaltens des Klägers, wie es der rechtskräftigen Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zugrunde liegt, war die Untersagung der Gewerbeausübung auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich.
c) Die Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen ex-tremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
2. Rechtsgrundlage für die Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit ist § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Danach kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
a) Die Beklagte hat aus überzeugenden Gründen eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit des Klägers angenommen.
Eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur einen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies ist beispielsweise bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen der Fall (BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – juris; U.v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – BVerwGE 65, 9 ff).
Dass der Kläger nach den Feststellungen des Amtsgerichts München als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, innerhalb von drei Wochen für die von ihm vertretene GmbH einen Insolvenzantrag zu stellen, obwohl ihm bekannt war, dass diese zahlungsunfähig ist, und dabei in Kauf genommen hat, dass den Gläubigern der GmbH aufgrund des Risikos der Verringerung der Haftungsmasse ein erheblicher Schaden entstehen könnte, lässt auf einen Charakter des Klägers schließen, der – obwohl seit Begehung der Tat einige Jahre vergangen sind und sich der Kläger seither nichts mehr zuschulden hat kommen lassen – die Annahme rechtfertigt, dass er ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes oder anderer gewerblicher Tätigkeiten an den Tag legen würde.
b) Die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten ist auch erforderlich.
Erforderlich ist die Erstreckung der Gewerbeuntersagung, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende andere gewerbliche Tätigkeiten ausweichen wird. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – BVerwGE 65, 9 ff). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch ersichtlich.
c) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO.
Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO steht im Ermessen der Behörde. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere – nicht ausgeübte – gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – BVerwGE 65, 9 ff). Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.
d) Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz in Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (BVerwG, B.v. 12.1.1993 – 1 B 1/93 – juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
3. Hinsichtlich der Bemessung der Frist zur Einstellung der Gewerbeausübung und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.