Steuerrecht

Gewerbeuntersagung wegen Beitrags- und Steuerschulden

Aktenzeichen  RN 5 K 15.1358

Datum:
14.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO GewO § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 6

 

Leitsatz

1. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit, ohne Rücksicht auf deren Ursachen, seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Der Unzuverlässigkeitsvorwurf iSv § 35 Abs. 1 S. 1 GewO knüpft in einem solchen Fall nicht an die Vermögenslosigkeit des Gewerbetreibenden, sondern an dessen unterlassene Betriebsaufgabe trotz anhaltender wirtschaftlicher Krise. (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus Steuerrückständen kann sich eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit auch dann ergeben, wenn die Rückstände auf einer Schätzung beruhen; maßgeblich ist die Fälligkeit der Steuerschuld, nicht ihre Rechtmäßigkeit (Anschluss an BVerwG BeckRS 1994, 31221383 mwN; vgl. auch VG München BeckRS 2016, 52980). (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden als Grundlage einer Gewerbeuntersagung ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. auch BVerwG BeckRS 2015, 48135 Rn. 15); nachträgliche Veränderungen der Sachlage können nur im Rahmes eines Antrags auf Wiedergestattung gemäß § 35 Abs. 6 GewO Berücksichtigung finden (vgl. auch VGH München BeckRS 2016, 54943). (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg
Aktenzeichen: RN 5 K 15.1358
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 14. Januar 2016
05. Kammer
Sachgebiets-Nr: 420
Hauptpunkte:
Unzuverlässigkeit; Steuerschulden; Schuldnerverzeichnis;
Anhörung der Handwerkskammer
Rechtsquellen:
Leitsätze:
In der Verwaltungsstreitsache

– Kläger –
bevollmächtigt:
Rechtsanwälte …
gegen
Stadt … vertreten durch den Oberbürgermeister
– Beklagte –
beteiligt: Regierung von … als Vertreter des öffentlichen Interesses
wegen Gewerbeuntersagung
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg, 5. Kammer,
unter Mitwirkung von Vorsitzendem Richter am Verwaltungsgericht Dr. Lohner Richter am Verwaltungsgericht Dr. Hohmann Richterin Dr. Zecca-Jobst ehrenamtlichem Richter E. ehrenamtlicher Richterin E2. aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. Januar 2016 folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger wehrt sich gegen die Untersagung des von ihm ausgeübten Gewerbes „Verputzarbeiten“ durch die Beklagte.
Das Finanzamt … beantragte mit Schreiben vom 8.1.2015 bei der Beklagten die Untersagung des Gewerbes „Verputzarbeiten“ des Klägers mit der Begründung, dass die gewerbliche Zuverlässigkeit nicht mehr bestehe. Der Kläger habe erhebliche Verbindlichkeiten von 31.220,21 € gegenüber dem Finanzamt. Es handelte sich hierbei um Lohnsteuer- und Solidaritätszuschlag für das 3. Quartal 2014 sowie Umsatzsteuer für die Jahre 2011, 2012 und 2014 sowie Säumniszuschläge. Durch die Nichtentrichtung dieser Steuern habe der Kläger gegenüber anderen Steuerpflichtigen mit gleichwertigem Gewerbe, die ihre Steuern pünktlich entrichten, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil. Außerdem wurde angeregt, dem Kläger die Ausübung aller Gewerbe im gesamten Bundesgebiet auf Dauer zu untersagen und die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigten eines Gewerbebetriebes oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs Beauftragten zu erstrecken.
Die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergaben noch folgende offene Forderungen: Der A. schuldete der Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagebeträge für die Zeit vom 16.5.2014 bis 26.8.2014 in Höhe von 2.226,06 €, Vollstreckungskosten in Höhe von 91,55 € und Säumniszuschläge in Höhe von 145,50 €. Bei der Stadt … (Beklagte) bestanden mit Stand vom 14.1.2015 offene Forderungen in Höhe von 1.686,00 €.
Das Schuldnerverzeichnis enthält vier Eintragungen vom 19.5.2014 sowie weitere Eintragungen vom 6.10.2014 und 13.10.2014 wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft.
Außerdem sind zehn Eintragungen vom 5.1.2014 soweit weitere zwei Eintragungen vom 21.11.2014 enthalten, wonach eine Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen ist.
Mit Schreiben vom 16.2.2015 hat die Beklagte unter Mitteilung der oben angegebenen offenen Forderungen dem Kläger die Möglichkeit gegeben, zur beabsichtigten Gewerbeuntersagung Stellung zu nehmen. Der Kläger bat mit anwaltlichem Schreiben vom 27.2.2015 um die Möglichkeit, alle offenen Forderungen noch bis Mai 2015 begleichen zu können.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 7.8.2015 wurde dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „Verputzarbeiten“ untersagt. Auf den Inhalt des Bescheids, der am 11.8.2015 dem Kläger zugestellt wurde, wird Bezug genommen. Der Kläger ließ am 3.9.2015 beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage einreichen.
Der Kläger beantragt,
der Bescheid der Beklagten vom 7.8.2015 wird aufgehoben.
Zur Begründung ließ der Kläger im Wesentlichen vortragen:
Der Bescheid sei ermessensfehlerhaft. Der Kläger habe nach Bescheidserlass einige offene Forderungen beglichen, so etwa die Gewerbesteuerforderung der Beklagten. Nach der erfolgten Aufrechnung ergebe sich im Ergebnis sogar ein Guthaben zugunsten des Klägers in Höhe von 1.536,05 €. Für die offenen Positionen der A. sei eine Tilgungsvereinbarung abgeschlossen worden mit dem Ziel der vollständigen Begleichung bis 4.9.2015. Die behaupteten Rückstände beim Finanzamt … würden der Höhe und dem Grunde nach bestritten. Es lägen lediglich Schätzungen vor, die auf falschen Grundlagen beruhten.
Zwischenzeitlich seien die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 und die Einkommenssteuer für das Jahr 2013 festgesetzt worden. Die Einkommenssteuervorauszahlungen für das laufende Jahr seien aber zu hoch angesetzt worden. Zwischenzeitlich seien Beträge in Höhe von 9.000 € und 8.595 € aufgrund der Änderungen der Schätzungen und Steuerrückerstattungen aus 2013 getilgt worden. Es sei mit weiterem Bescheid vom 19.8.2015 die zu zahlende Umsatzsteuer festgesetzt worden. Es habe sich wiederum ein Erstattungsbetrag von 2.660,28 € ergeben, der ebenfalls verrechnet worden sei. Es sei davon auszugehen, dass nach Erlass der jeweiligen Bescheide für das Jahr 2014 die Steuerschuld entsprechend weiter sinken werde (GA S. 35). Der Kläger habe auch veranlasst, dass drei Austragungen beim Schuldnerverzeichnis erfolgt seien. Zum Beweis dafür werde die Löschung der Eintragungen des Schuldners im zentralen Schuldnerverzeichnis mit Beschluss des Amtsgerichts H… vorgelegt (Bl. 45/46 GA). Mit Schriftsatz vom 17.12.2015 ließ der Kläger mitteilen, dass er beim Finanzamt insgesamt Zahlungen in Höhe von 15.272,55 €, Stand: 23.11.2015, geleistet habe. Der Kläger sei bemüht, alle Forderungen bis Juni 2016 zu begleichen. Ferner könne auch aus dem Beschluss des Amtsgerichts H… vom 9.12.2015 entnommen werden, dass die Eintragung des Klägers im Schuldnerverzeichnis gelöscht worden sei.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen noch aus:
Aus der beiliegenden Rückstandsaufstellung des Finanzamtes … vom 9.12.2015 könne entnommen werden, dass dort trotz der von der Klägerseite angeführten Verrechnung von Erstattungsbeträgen noch ein Rückstand in Höhe von 35.579,68 € bestehe. Bei der A. bestünden laut beiliegendem Schreiben vom 12.11.2015 noch offene Forderungen in Höhe von 2.086,70 €. Dieser Rückstand habe sich nach telefonischer Auskunft auf 1.557,20 €, Stand: 9.12.2015, ermäßigt. Laut Ausdruck aus dem Vollstreckungsportal sei auch zutreffend, dass drei der zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses enthaltenen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis vom 19.5.2014, 13.10.2014 und 21.11.2014 offenbar zwischenzeitlich gelöscht worden seien. Allerdings enthalte das Schuldnerverzeichnis aktuell immer noch 20 auf den Kläger lautende Eintragungen.
Die Gewerbeuntersagung sei damals wie heute auch immer noch aus den angeführten Gründen erforderlich, um zu verhindern, dass die Allgemeinheit weiterhin geschädigt werde, indem sich der Kläger seinen finanziellen Verpflichtungen entziehe. Aufgrund der nach wie vor bestehenden erheblichen Zahlungsrückstände und zahlreichen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis sei weiterhin davon auszugehen, dass der Kläger seinen Zahlungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß und pünktlich nachkommen werde. Mildere Mittel als die Gewerbeuntersagung erschienen nicht erfolgversprechend. Der Kläger habe die vor Bescheidserlass eingeräumte Gelegenheit zur Begleichung der gegen ihn bestehenden Forderungen nicht genutzt und erst nach Erlass der Gewerbeuntersagung Maßnahmen zur Reduzierung der Schulden ergriffen. Zwar sei eine Anhörung von Aufsichtsbehörden gemäß § 35 Abs. 4 GewO vor Bescheidserlass nicht erfolgt. Es handle sich hierbei aber um eine Sollvorschrift, von der Ausnahme möglich seien. Zudem sei die unterlassene Anhörung mittlerweile nachgeholt worden. Die Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz habe mit Schreiben vom 18.11.2015 mitgeteilt, dass dort für den Kläger noch ein Handwerkskammerbeitrag von 1.054,- € inclusive 10,- € Mahngebühr offen sei. Die Vollstreckungen seien in den Jahren 2014 und 2015 erfolglos verlaufen. Deshalb seien zusätzlich 475,20 € vorerst niedergeschlagen worden. Eine Anhörung nach § 35 Abs. 4 GewO vor Bescheidserlass hätte demzufolge zu keiner anderen Entscheidung geführt, sondern bekräftige vielmehr, dass der Kläger aufgrund seiner mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als unzuverlässig anzusehen sei.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte sowie auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Anfechtungsklage hat im Ergebnis keinen Erfolg, da der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hier vorliegenden Tatsachen sind ausreichende Gründe, um die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit darzutun.
Gewerberechtlich unzuverlässig ist nach ständiger Rechtsprechung und Literatur, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (BVerwG, U.v. 19.03.1970 – I C 6.69 – DVBl. 1971, 277; Pielow, Gewerbeordnung 2013, § 35 Rn. 19). Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten. Erforderlich ist weder ein Verschulden im Sinne eines moralischen oder ethischen Vorwurfs, noch ein Charaktermangel. Die Unzuverlässigkeit muss sich nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO aus in der Vergangenheit eingetretenen Tatsachen ergeben. Die bereits geschehenen Tatsachen hat die Behörde daraufhin zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in der Zukunft schließen lassen, d. h. ob sie die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit erfordert kein Verschulden des Gewerbetreibenden (BVerwGE 24, 38). Es kommt auch nicht darauf an, welche Ursachen zu der Überschuldung und der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Klägers geführt haben. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit, ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten, seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Der Unzuverlässigkeitsvorwurf der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit knüpft daher weniger an die Vermögenslosigkeit als solche an, sondern an die unterlassene Betriebsaufgabe trotz anhaltender wirtschaftlicher Krise (Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 63). Ansonsten würde dem Gewerbetreibenden jeder finanzieller Spielraum zur Erfüllung der mit seinem Gewerbebetrieb verbundenen Zahlungsverpflichtungen fehlen.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung ist immer der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, B.v. 23.11.1990 – 1 B 155/90 – juris Rn. 4). Ein späterer Entfall der Untersagungsvoraussetzungen berührt die Rechtmäßigkeit einer ausgesprochenen Untersagungsverfügung nicht, weil Wohlgefallen nach Bescheidserlass nur in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden kann.
Daneben rechtfertigen allein die hier zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses aufgelaufenen Steuerrückstände in Höhe von 31.220,21 € die Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 GewO.
Es ist allgemein anerkannte Meinung und ständige Rechtsprechung, dass Steuerschulden geeignet sind, auf die Unzuverlässigkeit zu schließen (Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 2013, § 35 Rn. 49 m. w. N.). Staat und Gemeinden sind auf den fristgerechten Eingang der von ihnen erhobenen Steuern und Abgaben angewiesen, um ihren ständig zunehmenden Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit genügen zu können. Wenn ein Gewerbetreibender sich seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat und der Gemeinde entzieht, so schädigt er nicht nur die Allgemeinheit, sondern versucht damit zugleich, sich in unlauterer Weise im Geschäftsleben einen Vorsprung vor den mit ihm im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden zu verschaffen, die ihre Steuerpflichten in redlicher Weise erfüllen. Von einem Gewerbetreibenden, der mit derart unlauteren Mitteln unter Missachtung der Belange der Allgemeinheit und seiner Mitbewerber nur seine eigenen geschäftlichen Interessen verfolgt, kann nicht erwartet werden, dass er sein Gewerbe im Einklang mit den bestehenden Vorschriften einwandfrei führen wird (BVerwG, B.v. 17.01.1964 – VII B 159/63).
Eine Norm über die Höhe der für eine Gewerbeuntersagung relevanten Steuerrückstände lässt sich von Gesetzes wegen nicht aufstellen. Wie das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, sind Steuerrückstände nur dann geeignet einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung (BVerwG, B.v. 29.01.1988 – 1 B 164/87 – juris Rn. 3; BVerwG, B.v. 19.01.1994 – 1 B 5/94 – juris Rn. 6). Eine feste Grenze, ab welcher Höhe der Steuerschuld Unzuverlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich dabei nicht angeben (BVerwG, B.v. 09.04.1997 – 1 B 81/97 – juris Rn. 4). Trotzdem wird in der Literatur eine Grenze bei 5.000 € gezogen (Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 2013, § 35 Rn. 52; so auch der Erlass des Bundesministers der Finanzen vom 17.12.2004, Az. IV A 4 – S 0130 – 113/04, BStBl. I S. 117). Irrelevant dabei ist, ob die Steuerrückstände auf Schätzungen beruhen, da nur die Fälligkeit der Steuerschuld maßgeblich ist, nicht deren materielle Rechtmäßigkeit (BVerwG, B.v. 01.02.1994 – 1 B 9/94 – juris Rn. 3; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 51). Diese Grenze ist bei Steuerschulden – wie hier vorliegend – weit überschritten. Der Kläger hat zwar vorgetragen, dass er sich um die Rückzahlung der Steuerschulden bemüht. Doch war dieses Bemühen nicht nachhaltig erfolgreich. Der Kläger hatte laut Schreiben des Finanzamtes … vom 9.12.2015 trotz der von ihm angeführten Verrechnung von Erstattungsbeiträgen immer noch einen Rückstand in Höhe von 35.579,68 €.
Im Schuldnerverzeichnis ist der Kläger trotz der seit Bescheidserlass erfolgten Löschungen immer noch mit 20 Einträgen verzeichnet. Zu den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis ist es wegen der Nichtabgabe der Vermögensauskunft (§ 882c Nr. 1 ZPO) und wegen ausgeschlossener Gläubigerbefriedigung (§ 882c Nr. 3 ZPO) gekommen. Diese Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zeigen, dass der Kläger zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit und daher nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig ist (vgl. dazu BayVGH vom 23.8.2015, Az. 22 ZB 15.1271 Rn. 12 und auch BayVGH vom 28.8.2013, Az. 22 ZB 13.1419 Rn. 19). Zudem hat der Kläger immer noch Rückstände bei der A.. Auch wenn sich der Kläger seit der streitgegenständlichen Gewerbeuntersagung um den Abbau seiner Verpflichtungen bemüht, so genügt dieses kurzfristige Wohlverhalten noch nicht für die Annahme einer positiven Prognose. Dafür ist erforderlich, dass der Gewerbetreibende die Gewähr dafür bietet, sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß auszuüben. Je länger das zuvor gezeigte Fehlverhalten andauerte, desto mehr müssen sich auch die Tatsachen auf einen längeren Zeitraum erstrecken, sozusagen nachhaltig sein, um die Grundlage für die Annahme eines geläuterten Verhaltens zu sein. Ein kurzfristiges Wohlverhalten kann eine über lange Zeit zu Tage getretene Unzuverlässigkeit nicht ohne Weiteres ausräumen, insbesondere wenn dieses Wohlverhalten nicht Teil eines durchdachten und Erfolg versprechenden Sanierungskonzepts oder Ergebnis eines inneren Reifeprozesses des Gewerbetreibenden ist (so BayVGH vom 16.10.2015, Az. 22 ZB 15.2022 Rn. 12). Der Kläger mag zwar derzeit von der guten Auftragslage im Verputzergewerbe und vom milden Winter, in dem ja möglicherweise noch im Januar Verputzarbeiten durchgeführt werden können, profitieren. Der Kläger verfügt aber nicht über ein nachvollziehbares Sanierungskonzept, das eine zeitnahe Abtragung der Schulden bei öffentlichen Gläubigern und auch bei seinen privaten Gläubigern und damit eine Rückkehr zu geordneten Vermögensverhältnissen erwarten lässt. Der Kläger ist somit für sein Gewerbe immer noch als unzuverlässig anzusehen. Nach § 35 Abs. 1 GewO hat deshalb die zuständige Behörde das ausgeübte Gewerbe – hier „Verputzarbeiten“ – zu untersagen. Dabei handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung. Aus diesem Grunde wirkt sich auch die vor Bescheidserlass nicht durchgeführte Anhörung der in § 35 Abs. 4 GewO genannten Stellen auf die Entscheidung nicht aus. Denn wie oben dargelegt, musste die Behörde aufgrund der hohen Rückstände des Klägers – unabhängig von der Stellungnahme der IHK – eine gebundene Entscheidung treffen. Der Verfahrensfehler ist deshalb nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich (so auch OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 18.5.2010, Az. 1 L62/10 Rn. 6). Zudem hat das Landratsamt die Anhörung nach § 35 Abs. 4 noch nachgeholt. Dabei hat sich herausgestellt, dass der Kläger auch bei der Handwerkskammer Beitragsrückstände in Höhe von 1.054,- € incl. 10,- € Mahngebühr hat und Vollstreckungen in den Jahren 2014 und 2015 erfolglos verliefen. Auch mussten noch zusätzlich 475,20 € niedergeschlagen werden. Dieses Ergebnis zeigt, dass eine rechtzeitig durchgeführte Anhörung für den Kläger kein positives Ergebnis gebracht hätte.
Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig. Auch gegen die Androhung des Zwangsgeldes und gegen die Kostenentscheidung ist nichts zu erinnern. Die Klägerseite trägt dazu auch nichts vor.
Deshalb war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 709 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg zu stellen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regensburg).
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen (Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 340148, 80098 München).
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Allen Schriftsätzen sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 15.000,- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 54.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- EUR übersteigt, oder wenn die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg einzulegen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regensburg). Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Allen Schriftsätzen sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.

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