Steuerrecht

Gewerbeuntersagung wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit

Aktenzeichen  22 C 17.643

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO GewO § 35

 

Leitsatz

1. Die Untersagung einer weiteren gewerblichen Betätigung ist zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich, wenn jeder, der mit dem Gewerbetreibenden in geschäftliche Beziehungen tritt, angesichts seiner hochgradigen Überschuldung befürchten muss, dass der Gewerbetreibende Zahlungsansprüche, die seinen Vertragspartnern zustehen, nicht zu erfüllen vermag. Dies gilt insbesondere, wenn in Bezug auf seine Person bereits eine SCHUFA-Eintragung aus älterer Zeit besteht.                                 (redaktioneller Leitsatz)
2. Gewerberechtliche Unzuverlässigkeit ist dann nicht gegeben, wenn im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt – nämlich bei Erlass bzw bei der Bekanntgabe des Gewerbeuntersagungsbescheids – die Erwartung begründet gewesen wäre, dass der Gewerbetreibende Einnahmen erzielen wird, die es ihm gestatten werden, zumindest den weitaus größten Teil seiner Schulden innerhalb überschaubarer Zeit zu tilgen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 16.2716 2017-03-03 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Der Kläger verfolgt im vorliegenden Beschwerdeverfahren sein Verlangen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein vor dem Verwaltungsgericht anhängiges Klageverfahren weiter, mit dem er die Aufhebung eines Bescheids der Beklagten vom 12. Mai 2016 erstrebt. Durch diesen Bescheid wurde ihm die Ausübung des Gewerbes „Einzelhandel mit Bodenbelägen, Einzelhandel mit Holz“, ferner jeder zulassungsfreien Tätigkeit im stehenden Gewerbe sowie jeder Betätigung als Geschäftsführer oder sonstiger Vertretungsberechtigter eines anderen Gewerbetreibenden untersagt.
Die Gewerbeuntersagung wurde der Sache nach auf die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers gestützt. Aus den Akten der Beklagten ergibt sich insoweit folgendes:
1. Das Schuldnerverzeichnis wies am 29. Februar 2016 42 den Kläger betreffende Eintragungen auf; diese Zahl stieg bis zum 11. Mai 2016 auf 49 an. 17 dieser Eintragungen wurden nach Darstellung der Beklagten, der der Kläger nicht widersprochen hat, deshalb angeordnet, weil er der Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen war; in den restlichen 32 Fällen erfolgte die Eintragung, da eine Vollstreckung nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses zur Gläubigerbefriedigung offensichtlich nicht geeignet gewesen wäre.
2. Beim Finanzamt München bestanden am 18. Dezember 2015 Rückstände an Lohn- und Umsatzsteuer zuzüglich steuerlicher Nebenleistungen und Vollstreckungskosten in Höhe von 7.057,90 €. Dieser Betrag stieg bis zum 11. Mai 2016 auf 10.764,22 € an; eine Ratenzahlungsvereinbarung bestand damals nicht. Die letzte freiwillige Zahlung des Klägers erfolgte nach Darstellung des Finanzamtes am 1. September 2015; die letzte gegen ihn unternommene Zwangsvollstreckungsmaßnahme sei erfolglos verlaufen.
3. Bei der Beklagten standen sowohl am 21. Januar 2016 als auch am 11. Mai 2016 Gewerbesteuerforderungen und steuerliche Nebenleistungen sowie Mahn- bzw. Vollstreckungskosten im Gesamtbetrag von 6.937,59 € offen. Die letzte freiwillige Zahlung in Höhe von 500,– € hat der Kläger nach den Angaben des Kassen- und Steueramtes der Beklagten am 16. Oktober 2014 geleistet. Eine am 8. April 2015 versuchte Kontenpfändung habe ergeben, dass er über ein Pfändungsschutzkonto verfüge; sein Gesamtrückstand bei Lieferanten habe sich damals auf etwa 65.000,– € belaufen. Die Forderungen gegen ihn seien daraufhin am 17. April 2015 unbefristet niedergeschlagen worden.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 3. März 2017 abgelehnt, da die Rechtsverteidigung des Klägers keine hinreichende Erfolgsaussicht biete.
II.
Über die zulässige Beschwerde, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat, konnte ohne Anhörung der Beklagten entschieden werden, da das Verwaltungsgericht – auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in der Beschwerdebegründung vom 25. April 2017 – zweifelsfrei zutreffend entschieden hat. Der Bescheid vom 12. Mai 2016 ist offensichtlich rechtmäßig, so dass der hiergegen erhobenen Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten zuerkannt werden können, wie das nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlich wäre.
Entgegen der in der Beschwerdebegründung aufgestellten Behauptung ist die Untersagung einer weiteren gewerblichen Betätigung des Klägers – sei es in der Branche, in der er gegenwärtig tätig ist, sei es in einem anderen Gewerbe – zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich, da jedermann, der mit ihm in geschäftliche Beziehungen tritt, angesichts seiner hochgradigen Überschuldung befürchten muss, dass der Kläger Zahlungsansprüche, die seinen Vertragspartnern zustehen, nicht zu erfüllen vermag. Die Gefahr, dass vor allem Lieferanten des Klägers mit gegen ihn gerichteten Forderungen ausfallen, wiegt in seinem Fall umso schwerer, als er nach Darstellung seines eigenen Steuerberaters (vgl. dessen Schreiben an die Beklagte vom 8.6.2015) u.a. deswegen keine Bank- bzw. Kontokorrentkredite erhält, weil in Bezug auf seine Person bereits eine SCHUFA-Eintragung aus älterer Zeit besteht; an die Stelle von Bank- und Kontokorrentkrediten träten im Fall des Klägers deshalb Lieferantenkredite. Die in der Beschwerdebegründung aufgestellte Behauptung, es bestünden keine Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber seiner (Haus-)Bank oder anderen Kreditinstituten, wäre vor diesem Hintergrund selbst dann nicht geeignet, seine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit in Frage zu stellen, falls diese Darstellung zutreffen sollte.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger – wie von ihm behauptet – mit seinen Gläubigern dergestalt Verbindung hält, dass er sie über den aktuellen Stand seiner geschäftlichen Situation unterrichtet. Unzuverlässig wäre er nur dann nicht, wenn im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt – nämlich bei Erlass bzw. bei der Bekanntgabe des Untersagungsbescheids – die Erwartung begründet gewesen wäre, dass er Einnahmen erzielen wird, die es ihm gestatten werden, zumindest den weitaus größten Teil seiner Schulden innerhalb überschaubarer Zeit zu tilgen. Weder aus der Beschwerdebegründung noch aus dem sonstigen Akteninhalt ergeben sich jedoch Anhaltspunkte dafür, dass sich die Ertragssituation des Unternehmens des Klägers bis zum Mai 2016 derart grundlegend gebessert hat, dass eine solche Erwartung gerechtfertigt wäre. Der Beschwerdebegründung muss im Gegenteil entnommen werden, dass die Rückstände des Klägers beim Finanzamt bis zum Beginn des laufenden Jahres auf ca. 17.000,– € angestiegen sind; die über seine wirtschaftliche Lage im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt angestellte Prognose hat sich damit bestätigt.
Mangels Entscheidungserheblichkeit auf sich beruhen kann ferner die Richtigkeit der in der Beschwerdebegründung aufgestellten Behauptung, „fast“ alle Gläubiger entsprächen der Bitte des Klägers, ihm (weitere) Stundungen zu gewähren und von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen; dies komme dadurch zum Ausdruck, dass gegen ihn u. a. keine zusätzlichen Haftbefehle mehr erwirkt worden seien. Denn ein solches Verhalten kann seine Erklärung auch darin finden, dass nicht nur dem Kassen- und Steueramt der Beklagten, sondern auch anderen Gläubigern des Klägers bewusst ist, dass (erneute) Vollstreckungsversuche in seinem Fall nicht nur zwecklos sind, sondern zum Nachteil des beitreibenden Gläubigers lediglich Kosten verursachen.
Der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 11.500,– € als Ausgleich für die Einbußen angeboten hat, die er wegen der vor seinem Geschäftslokal durchgeführten Straßenbaumaßnahmen erlitten habe, ist ebenfalls nicht geeignet, seine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit zu entkräften. Denn dieser Betrag würde selbst dann nicht ausreichen, einen ausreichend großen Teil der gegen ihn gerichteten Forderungen zu tilgen, wenn er das Angebot der Beklagten künftig noch annehmen sollte. Auf die Frage, ob eine solche künftige Entwicklung an seiner Unzuverlässigkeit im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt etwas zu ändern vermöchte, kommt es im Hinblick hierauf nicht an.
Gleichfalls unbehelflich sind die als Anlagen zur Beschwerdebegründung vorgelegte Mitteilung einer Auskunftei vom 8. März 2013 sowie die Bankbestätigung vom 7. Mai 2014. Denn diese Unterlagen beziehen sich auf die Verhältnisse in der Zeit vor dem Beginn der Straßenbaumaßnahmen vor dem Geschäftslokal des Klägers, die seiner Darstellung zufolge für den wirtschaftlichen Niedergang des Betriebs ursächlich waren; im Schreiben an einen seiner Prozessbevollmächtigten vom 28. April 2016 hat der Kläger geltend gemacht, wegen dieser Baustelle sei es „ab Frühjahr 2014“ zu einem drastischen Umsatzrückgang gekommen. Ungeeignet, den Befund der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Klägers im Mai 2016 zu erschüttern, sind aus dem gleichen Grund der von ihm vorgelegte Einkommensteuerbescheid für 2013 sowie die in Bezug auf die Stichtage „31. Dezember 2013“ bzw. „31. Dezember 2014“ erlassenen Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

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