Steuerrecht

Haftung für Gewerbesteuerforderungen

Aktenzeichen  M 10 S 17.4897

Datum:
23.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AO § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 Abs. 1 AO

 

Leitsatz

1 Der gesetzliche Vertreter juristischer Personen verletzt seine steuerlichen Pflichten nach § 69 S. 1, § 34 Abs. 1 AO schuldhaft, wenn er Steuerschulden schlechter behandelt als andere Verbindlichkeiten; sind allerdings keine verwalteten Mittel (mehr) vorhanden, ist er auch nicht verpflichtet, die Steuerschulden vorrangig zu befriedigen, vielmehr hat er im Zeitpunkt der Fälligkeit die vorhandenen Mittel lediglich anteilig zur Befriedigung des Steuergläubigers und der übrigen Gläubiger einzusetzen. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Haftung des gesetzlichen Vertreters setzt die Feststellung voraus, dass die Gesellschaft ungeachtet sonstiger Verbindlichkeiten bei Fälligkeit der Steuerschulden oder später über hinreichende Mittel zu deren Begleichung verfügte; dies wird grundsätzlich bis zu einer Insolvenzantragstellung vermutet. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen Ziffer 2 des Gewerbesteuerhaftungsbescheids der Antragsgegnerin vom 25. September 2017 wird hinsichtlich der Haftung für die Gewerbesteuerrückstände der … Energy GmbH aus 2014 (46.354,00 Euro) angeordnet und hinsichtlich der Haftung für die Säumniszuschläge (2.317,50 Euro) wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bis zu einer Entscheidung der Hauptsache aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 24. August 2017 und vom 21. September 2017 keine Rechte herzuleiten.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 12.168,63 festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Gewerbesteuerhaftungsbescheid der Antragsgegnerin vom 25. September 2017, mit dem er zur Haftung von Gewerbesteuerrückständen der … Energy GmbH aus dem Jahre 2014 nebst Säumniszuschlägen i.H.v. insgesamt 48.674,50 Euro zur Haftung herangezogen worden ist.
1. Gesellschaftsrechtliche Verhältnisse
Die … Energy GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 16. November 1999 unter ihrer ehemaligen Firma „… Management GmbH“ gegründet und am 2. Dezember 1999 im Handelsregister beim Amtsgericht … unter HR … eingetragen (Stammeinlage: 25.000,- Euro, Sitz zuletzt: ……). Die Gesellschaft befasste sich im Wesentlichen mit der Projektierung und dem Handel von Solaranlagen.
Aufgrund notariellen Geschäftsanteilsabtretungsvertrags vom 22. Februar 2012 erlangte der Antragsteller sämtliche Geschäftsanteile der … Energy GmbH und wurde gleichzeitig zum alleinigen Geschäftsführer bestellt; der vereinbarte Kaufpreis betrug 500,- Euro. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am … März 2012.
In der Gesellschafterversammlung vom 15. August 2013 wurde die Auflösung der Gesellschaft beschlossen, der Antragsteller als Geschäftsführer abberufen und gleichzeitig zum Liquidator bestellt (Eintragung im HR …8.2013).
Am 18. August 2014 stellte der Antragsteller für die … Energy GmbH Eigeninsolvenzantrag beim Insolvenzgericht München, der mit Zahlungsunfähigkeit begründet wurde.
Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28. August 2014 (Az.: 1542 IN 2680/14) wurde ein Sachverständigengutachten über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Auftrag gegeben.
In seinem Gutachten vom 8. Oktober 2014 empfahl der mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte Sachverständige, den Insolvenzantrag mangels Masse abzuweisen. Zu den betrieblichen Verhältnissen der … Energy GmbH stellte das Gutachten fest, dass der Geschäftsbetrieb der … Energy GmbH spätestens im Herbst 2013 eingestellt worden sei, der letzte Arbeitnehmer sei zum 30. September 2013 ausgeschieden. Das Mietverhältnis über die Geschäftsräume sei durch Kündigung der GmbH zum 31. Dezember 2012 beendet worden, in Bezug auf dessen Abwicklung sei aber noch ein Rechtsstreit vor dem Landgericht München II (Az.: 2 O 5000/2012) mit der ehemaligen Vermieterin anhängig.
Bzgl. der Bilanzen verwies das Gutachten auf die Jahresabschlüsse, aus denen sich für die Jahre 2010 bis 2012 folgende Verluste ersehen ließen: 2010 – 14.890,40 Euro, 2011 – 550.999,98 Euro, 2012 – 207.811,04 Euro.
Die Liquidationseröffnungsbilanz zum 14./15. August 2013 weise einen Verlust i.H.v. 37.018,49 Euro aus. Die Bilanz zum 14. August 2014 weise einen Gewinn i.H.v. 622.901,95 Euro aus.
Zu den Jahresabschlüssen führte der Sachverständige folgende Besonderheiten aus: Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag habe in der Bilanz vom 14./15. August 2013 noch 667.699,13 Euro betragen, während dieser Betrag in der Bilanz zum 14. August 2014 sich nur noch auf 54.798,18 Euro belaufen habe und dort gleichzeitig der Jahresüberschuss von 622.901,95 Euro ausgewiesen worden sei; der Steuerberater der GmbH habe mitgeteilt, dass dieser Jahresüberschuss dadurch entstanden sei, dass Rückstellungen für Gewährleistungen aufgelöst worden seien.
Ferner sei die … Energy GmbH zur Zahlung einer Forderung der … Solartechnik Vertriebs GmbH i.H.v. 20.526,38 Euro verurteilt worden (Landgericht München I, Urteil vom 22. Juli 2013 – 15 HKO 6066/13), aufgrund dessen am 3. Februar 2014 der … Energy GmbH ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt worden sei; spätestens seit diesem Zeitpunkt dürfte nach Ansicht des Sachverständigen Zahlungsunfähigkeit vorgelegen haben.
Auf die Einzelheiten des Insolvenzgutachtens, insbesondere die Ausführungen zum Insolvenzstatus wird verwiesen.
Unter anderem wies der Gutachter auch auf mögliche strafrechtlich relevante Sachverhalte (Insolvenzverschleppung durch den Antragsteller) hin.
Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 3. November 2014 (Az.: 1542 IN 2680/14) wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen (vgl. Eintragung im HR am 26.11.2014). Die Löschung nach § 394 FamFG wurde am 12. Mai 2016 im Handelsregister eingetragen.
2. Strafverfahren gegen den Antragsteller
Mit Strafbefehl vom 31. Juli 2015 wurde der Antragsteller der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 1, Abs. 4 InsO beschuldigt und gegen ihn wurde eine Geldstrafe i.H.v. 80 Tagessätzen zu zuletzt 90,- Euro (Beschluss des Strafrichters vom 2.11.2015) verhängt; die Entscheidung wurde am 27. Oktober 2015 rechtskräftig (Az.: Cs 61 Js 4064/15). Bereits zum Zeitpunkt des Liquidationsbeschlusses am 15. August 2013, spätestens jedoch mit Rechtskraft des Urteils über die Forderung der … Solartechnik Vertriebs GmbH am 29. Oktober 2013 sei dem Antragsteller die Zahlungsunfähigkeit der … Energy GmbH bekannt gewesen, er habe es jedoch pflichtwidrig unterlassen, binnen der gesetzlichen Frist von drei Wochen, also bis zum 5. September 2013, einen Eigeninsolvenzantrag zu stellen.
3. Steuerliche Veranlagung der … Energy GmbH
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2015 setzte das Finanzamt … den Gewerbesteuermessbetrag gegenüber der … Energy GmbH in Liquidation (i.L.) für das Jahr 2014 auf 13.244,- Euro fest (Gewinn aus Gewerbebetrieb: 622.916,- Euro davon anrechenbar festgestellter Gewerbeverlust des Vorjahres: – 244.442,- Euro gemäß gesondertem Bescheid vom 9.12.2015).
In Vollzug des Messbetragsbescheids setzte die Antraggegnerin daraufhin mit Gewerbesteuerbescheid vom 11. Dezember 2015 gegenüber der … Energy GmbH – z. Hd. des Antragstellers als Liquidator – die Gewerbesteuer für das Veranlagungsjahr 2014 auf 46.354,- Euro fest.
Eine Zahlung seitens der GmbH i.L. erfolgte auch auf Mahnung vom 22. Juni 2016 nicht.
4. Haftungsverfahren
Mit Schreiben vom 1. Juni 2016 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller Gelegenheit, sich zu einer beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme als Geschäftsführer der … Energy GmbH bis zum 16. Juni 2016 zu äußern; eine vom Antragsteller beantragte Verlängerung der Äußerungsfrist gewährte die Antragsgegnerin nicht.
Vielmehr erließ sie am 16. Juni 2016 einen (ersten) Haftungsbescheid, mit dem sie den Antragsteller als gesetzlichen Vertreter der früheren Firma … Energy GmbH mit seinem gesamten Vermögen für die Rückstände aus der Gewerbesteuer 2014 zzgl. Nebenforderungen i.H.v. 48.674,50 Euro in Anspruch nahm. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen zum Erlass eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 1 AO seien erfüllt.
Gegen diesen ersten Haftungsbescheid ließ der Antragsteller Widerspruch einlegen, den die Antragsgegnerin dem Landratsamt … zur Entscheidung zuleitete; unter dem 4. September 2016 wies das Landratsamt die Antragsgegnerin auf das Fehlen jeglicher Ermessensausübung in diesem ersten Haftungsbescheid hin. Daraufhin erließ die die Antragsgegnerin unter dem 8. September 2017 erneut einen (zweiten) Haftungsbescheid, in dessen Begründung nunmehr Ausführungen zum Ermessen nach § 191 Abs. 1 AO erfolgten, dem jedoch wohl keine Rechtsmittelbelehrungbeigefügt war (Bl. 132 der Akten der Antragsgegnerin).
Auf der Grundlage dieser ersten beiden Haftungsbescheide leitete die Antragsgegnerin die Vollstreckung der Haftungsforderung beim Antragsteller ein (Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ggü. der … Rentenversicherung vom 24.8.2017 sowie ggü. der …bank … e.G. und der Bausparkasse … AG jeweils vom 21.9.2017).
Mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 25. September 2017 hob die Antragsgegnerin ihre Haftungsbescheide vom 16. Juni 2016 und 8. September 2017 auf (Ziff. 1 des Bescheids), nahm den Antragsteller gleichzeitig aber erneut als gesetzlichen Vertreter der früheren Firma … Energy GmbH mit seinem gesamten Vermögen für die Rückstände der Gewerbesteuer 2014 zzgl. Nebenforderungen i.H.v. insgesamt 48.674,50 Euro (Gewerbesteuer 2014, fällig zum 16.1.2016: 46.354,00 Euro; Säumniszuschläge: 2.317,50 Euro; Rücklastschriftgebühren der Bank: 3,00 Euro) zzgl. weiter anfallender Säumniszuschläge in Haftung (Ziff. 2 des Bescheids). Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziff. 2 des Bescheids wurde angeordnet (Ziff. 3).
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Erlass eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 1 AO stehe im Ermessen der Antragsgegnerin. Die Städte und Gemeinden seien zu wirtschaftlichen und sparsamen Bewirtschaftung ihrer Mittel gesetzlich verpflichtet. Im Rahmen des Haushaltsausgleichs stünden den zu erwartenden Einnahmen Ausgaben gegenüber, die bei Nichtentrichtung der Steuern auf andere Weise finanziert werden müssten. Deshalb liege es im öffentlichen Interesse, die Steuern vollständig einzuziehen. Weiterhin würde es dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, nur einen Teil der Steuerpflichtigen tatsächlich zur Zahlung der Gewerbesteuer heranzuziehen.
Auf die bestandskräftig festgesetzte Gewerbesteuer sei bis dato nicht geleistet worden. Als Geschäftsführer, späterer Liquidator und gesetzlicher Vertreter der … Energy GmbH habe der Antragsteller seine Pflichten vorsätzlich verletzt, wie sich aus dem Schuldspruch des Amtsgerichts München (Az.: Cs 61 Js 4064/15) ergebe.
Es müsse davon ausgegangen werden, dass die mit den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 21. September 2017 festgesetzten Guthaben des Antragstellers sofort abgezogen würden, sollte die Anordnung des Sofortvollzugs aufgehoben werden; der Antragsteller habe am Telefon von 42.000,- Euro gesprochen, über die er verfügen müsse, weil sie für die Anschaffung einer Küche und die Tilgung eines Kredits vorgesehen seien.
5. Widerspruchsverfahren
Mit Schriftsatz seiner nunmehr bestellten Verfahrensbevollmächtigten vom 2. Oktober 2017 hat der Antragsteller gegen den Haftungsbescheid vom 25. September 2017 Widerspruch einlegen lassen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass offensichtlich keinerlei kausaler Zusammenhang zwischen einer etwaigen vom Antragsteller begangenen Insolvenzverschleppung und der Unfähigkeit der … Energy GmbH, die für den Veranlagungszeitraum 2014 festgesetzten Gewerbesteuerschulden zu zahlen, bestehe. Die Haftungsvoraussetzungen seien insoweit von der Antragsgegnerin nicht ansatzweise geprüft worden. Auf die weitere Begründung des Widerspruchs wird verwiesen.
Gleichzeitig wurde Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2017 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne. Auch hinsichtlich des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung könne eine andere Entscheidung nicht getroffen werden, da weiterhin davon auszugehen sei, dass die mit Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 21. September 2017 festgesetzten Guthaben sonst sofort abgezogen würden.
Unter dem 20. Oktober 2017 legte die Antragsgegnerin den Widerspruch dem Landratsamt … zur Entscheidung vor; über dem Widerspruch ist bislang nicht entschieden.
6. Gerichtliches Eilverfahren
Mit Telefax vom 16. Oktober 2017 haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers beim Verwaltungsgericht München beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen Nr. 2 des Haftungsbescheids der Antragsgegnerin vom 25. September 2017 anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die … Energy GmbH habe schon bei der Übernahme durch den Antragsteller bereits über kaum eigene Mittel verfügt, wodurch sich auch der geringe Kaufpreis von 500,- Euro für die Geschäftsanteile im Nennwert von 25.000,- Euro erkläre. Die … Energy GmbH habe zum 31. Dezember 2012 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag i.H.v. 640.680,64 Euro ausgewiesen. Maßgebliche Passivkosten hätten dabei die sonstigen Rückstellungen für Gewährleistungsverbindlichkeiten i.H.v. 500.000,- Euro gebildet. Steuerlich seien die aufgelaufenen Verlustvorträge i.H.v. 507.547,- Euro aufgrund der Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile jedoch nach § 8c Körperschaftsteuergesetz (KStG) nicht mehr verwertbar gewesen. Nach der Übernahme der Geschäftsanteile hätte der Antragsteller geplant, dass die GmbH als Vertriebsgesellschaft für eine dritte Gesellschaft im Rahmen des sogenannten Apollon-Projekts der EU tätig werden sollte, dies habe sich aber zerschlagen. Erträge seien von der GmbH ab Mitte 2012 praktisch nicht mehr erwirtschaftet worden, so dass der Antragsteller zum 14. August 2013 die Auflösung beschlossen habe. Die Liquidations-Eröffnungsbilanz habe dabei weiterhin einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag i.H.v. 677.699,13 Euro ausgewiesen. Im Geschäftsjahr 2013/2014 sei dann die vorbezeichnete Rückstellung aufzulösen gewesen, was zu einer Reduzierung des nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags zum 14. August 2014 auf 54.782,61 Euro geführt habe, ohne dass allerdings ein entsprechender Zufluss erfolgt sei. Handelsbilanziell habe dieser Zufluss zwar nicht gereicht, um die Verlustvorträge bzw. den nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag vollständig auszugleichen; da jedoch ein wesentlicher Teil der Verlustvorträge nach § 8c KStG nicht mehr habe verwendet werden können, habe dies zu dem Gewerbesteuermessbescheid vom 19. Dezember 2015 für 2014 geführt. Rund 1,5 Jahre vor Erlass dieses Bescheids habe der Antragsteller aber bereits Insolvenzantrag gestellt. Schon zu diesem Zeitpunkt habe der vom Insolvenzgericht beauftragte Gutachter empfohlen, den Insolvenzantrag mangels Masse abzuweisen. Grund für die Insolvenzantragstellung sei nicht die Gewerbesteuerschuld, sondern ein Rechtstreit mit dem Vermieter der Geschäftsräume der … Energy gewesen. Im Zusammenhang mit dem Insolvenzantragsverfahren sei gegen den Antragsteller der Strafbefehl vom 31. Juli 2015 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung ergangen, der sich darauf stütze, dass die Gesellschaft seit Mitte 2012 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen und spätestens seit 29. Oktober 2013 zahlungsunfähig gewesen sei. Die – vermögenslose – GmbH sei nicht in der Lage gewesen, die Gewerbesteuerschuld zu bedienen, die sich infolge der Auflösung der Rückstellung für Gewährleistungen für den Veranlagungszeitraum 2014 als steuerlicher Bilanzgewinn ergeben habe. Der Haftungsbescheid sei ergangen, nachdem die GmbH bereits aus dem Handelsregister gelöscht gewesen sei.
Die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids ergebe sich bereits daraus, dass die … Energy GmbH im Zeitpunkt des Erlasses des „ersten“ Haftungsbescheids bereits aus dem Handelsregister gelöscht und untergegangen sei, so dass eine – akzessorische – Inanspruchnahme per Haftungsbescheid nicht mehr in Betracht gekommen wäre.
Ungeachtet dessen setze die Haftung voraus, dass die GmbH infolge einer Verletzung der steuerlichen Pflichten des Antragstellers nicht zur Begleichung der Gewerbesteuerschuld in der Lage gewesen sei; an dieser Kausalität fehle es vorliegend jedoch ganz offensichtlich. Die Antragsgegnerin nehme offenbar an, dass die erforderliche Kausalität allein dadurch belegt sei, dass der Antragsteller einen Strafbefehl wegen Insolvenzverschleppung akzeptiert habe; ein solcher Schluss sei aber gerade nicht möglich (BFH, U.v. 2.2.1988 – VII R 80/86 – mit weiteren Nachweisen). Es komme vielmehr darauf an, ob die GmbH bei pflichtgemäßem Verhalten des Antragstellers überhaupt in der Lage gewesen wäre, die Gewerbesteuerschuld zu erfüllen. Die GmbH habe aber bereits im Jahr 2013 nicht ansatzweise über hinreichende Mittel verfügt, um die hier gegenständliche Gewerbesteuerschuld zu begleichen. Dies sei letztlich schon seit der Übernahme der Geschäftsführung durch den Antragsteller 2002 der Fall gewesen. Die Gewerbesteuerschuld, die der Haftungsinanspruchnahme zugrunde liege, sei jedoch erst mit Auflösung der Rückstellungen 2014 entstanden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die GmbH bereits schon länger nicht mehr über hinreichende Mittel verfügt habe. Daraus folge, dass die GmbH auch bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung die Gewerbesteuerschuld nicht hätte erfüllen können und die angebliche Pflichtverletzung des Antragstellers nicht kausal für den entstandenen Steuerschaden gewesen sei. Diese Wertung dränge sich geradezu auf, wenn man die Ausführungen in dem Strafbefehl unterstelle, dass spätestens nach der Beschlussfassung über die Liquidation keine positive Fortführungsprognose mehr bestanden habe, so dass bereits seit dem 14. August 2013 Insolvenzantragspflicht bestanden hätte. So hätte danach spätestens am 29. Oktober 2013 Zahlungsunfähigkeit bei der GmbH vorgelegen. Die Steuerschuld wäre mithin bei der Antragsgegnerin auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Antragstellers ausgefallen.
Ergänzend und vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Gewerbesteuerschuld aus einem reinen Buchgewinn aus Auflösung einer Rückstellung entstanden sei, der keinerlei Vermögenszufluss gegenüber gestanden habe, zumal damit nicht einmal der durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag der … Energy GmbH ausgeglichen worden sei. Der Umstand, der letztlich zur Gewerbesteuerschuld geführt habe, sei das Zusammenspiel zwischen diesem Buchgewinn und der verlustig gegangenen Möglichkeit zur Nutzung der Verlustvorträge nach § 8c KStG wegen der Veräußerung von 100% der Geschäftsanteile im Jahr 2012 an den Antragsteller. Zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller die Gesellschaft praktisch als „leere Gesellschaft“ erworben habe; Erträge seien nach der Übernahme nicht mehr erzielt worden. Durch die wegen § 8c KStG verlustig gegangene Möglichkeit zur Verrechnung des Buchgewinns sei eine Art „versteckte Steuerbelastung“ entstanden, ohne dass damit eine vom Antragsteller zu verantwortende geschäftliche Tätigkeit verbunden gewesen wäre. Dies alles sei im Rahmen der Ermessensausübung der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt worden.
Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2017 hat der nunmehr von der Antragsgegnerin bestellte Verfahrensbevollmächtigte beantragt,
den Antrag kostenpflichtig abzulehnen.
Zur Begründung wird unter dem 3. November 2017 geltend gemacht, der Antragsteller habe seine Pflichten als Geschäftsführer der … Energy GmbH schuldhaft verletzt; dies sei nicht nur aus dem Strafbefehl zu folgern, vielmehr wären bei pflichtgemäßem Handeln des Antragstellers, insbesondere bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags und bei rechtzeitiger Auflösung der Gewährleistungsrückstellungen, keine weiteren Verluste der Gesellschaft von mehr als 240.000,- Euro aufgelaufen und hätten die Steuerforderungen der Antragsgegnerin ohne weiteres bedient werden können. Der Strafbefehl weise nach, dass der Antragsteller den Insolvenzantrag vorsätzlich wesentlich zu spät gestellt habe.
Zum Sachverhalt sei ergänzend festzustellen, dass laut Bescheiden des Finanzamts … zum 31. Dezember 2011 ein vortragsfähiger Gewerbeverlust von 515.293,- Euro und ein körperschaftsteuerlicher Verlustvortrag von 507.547,- Euro bestanden habe; der Unternehmenskauf zum 1. Januar 2012 sei jedoch steuerschädlich (§ 8c KStG) gewesen, so dass diese Verluste nicht mehr zu berücksichtigen gewesen und entsprechend finanzamtlich auf null festgesetzt worden seien. Mit Bescheiden vom 10. November 2015 seien der steuerliche Verlust 2012 bzw. der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31. Dezember 2012 auf 207.424,- Euro festgesetzt worden. Im Jahr 2014 habe die GmbH einen Gewinn von 622.916,- Euro erzielt, der auf die Auflösung von Rückstellungen für Gewährleistungen zurückzuführen gewesen sei. Mit Bescheiden vom 9. Dezember 2015 sei der auf den 31. Dezember 2013 mit 244.442,- Euro festgestellte und vorgetragene Gewerbeverlust als Verlustabzug im Jahr 2014 berücksichtigt worden, woraus sich für 2014 ein Gewerbeertrag i.H.v. 378.400,- Euro ergeben habe. Der auf der Basis des entsprechenden Gewerbesteuermessbetrags über 13.244,- Euro von der Antragsgegnerin erlassene Gewerbesteuerbescheid sei bestandskräftig. Zahlungen seien nicht geleistet worden.
Rechtlich habe der Antragsteller als gesetzlich Verantwortlicher durch die Nichtleistung der rechtskräftig festgesetzten Gewerbesteuer und steuerlichen Nebenleistungen eine Pflichtverletzung begangen, durch die das Vermögen der Antragsgegnerin geschädigt worden sei. Dies sei auch schuldhaft erfolgt. Dem Antragsteller sei die schlechte Liquiditätslage der Gesellschaft seit Kauf des Unternehmens zum 1. Januar 2012 bekannt gewesen: ihm sei auch bekannt gewesen, dass die Auflösung von Rücklagen zu einem Unternehmensgewinn und folglich zu Steuerforderungen führen würde. Entgegen der Gepflogenheiten und trotz des ausdrücklichen Hinweises des beurkundenden Notars sei im Rahmen des Unternehmenskaufvertrags auf Betreiben der Parteien auf nähere Vereinbarungen zur Beschaffenheit des Unternehmens, zur Gewährleistung usw. abgesehen worden. Damit hätten die Parteien es vermieden, relevante Unternehmensdaten vorzulegen, anhand derer die wirtschaftliche und bilanzrechtliche Situation der GmbH nachvollziehbar beurteilbar gewesen wäre. Ungeachtet dessen räume der Antragsteller ein, dass der geringe Kaufpreis für die Gesellschaft aus deren schlechter Fortführungsprognose hergerührt habe. In der Gesamtschau mit den erheblichen Verlustvorträgen erwecke dies den Eindruck, dass die Gesellschaft bereits damals keine positive Fortführungsprognose habe aufweisen können und die Beendigung der Gesellschaft von Vornherein beabsichtigt gewesen sei. Sehe man dies in der Gesamtschau mit dem im Laufe des Jahres 2012 neu erwirtschafteten Gewerbeverlusten i.H.v. 207.424,- Euro, so könne zudem der Eindruck gewonnen werden, dass in der Gesellschaft entsprechendes Vermögen vorhanden gewesen sei, aus dem diese Verluste hätten getragen werden können. Zum 31. Dezember 2013 habe zudem ein Gewerbeverlust 2013 i.H.v. 37.018,- Euro, mithin ein vortragsfähiger Verlust i.H.v. 244.442,- Euro bestanden. Diese Verluste hätten aber offenbar nicht zu entsprechenden Verbindlichkeiten geführt, die in der Insolvenzaufstellung als solche auszuweisen gewesen wären, seien also aus dem Vermögen der Gesellschaft getragen worden. Das Vermögen könne daher zum 1. Januar 2012 nicht lediglich im Nominalwert der Stammeinlage und Erinnerungsposten bestanden haben. Das Insolvenzgutachten führe dementsprechend auch aus, dass 2012 noch ein Umsatz von 170.320,- Euro erzielt worden sei, 2011 i.H.v. rund 1,5 Millionen und im Jahr 2010 gar von rund 11 Millionen Euro. Auch hieraus sei zu erkennen, dass die Abwicklung der Gesellschaft von vornherein beabsichtigt gewesen sei. Dies decke sich auch mit der Begründung des Strafbefehls sowie mit den vorstehend dargelegten Gewerbeverlusten aus 2010 bis 2013 sowie mit den Feststellungen des Insolvenzgutachtens zu den in diesen Jahren erzielten Umsätzen. Es sei damit nachgewiesen, dass der Antragsteller trotz der bereits 2011 bestehenden und bekannten wirtschaftlichen Schwierigkeiten und trotz des vollständigen Einstellens des Geschäftsbetriebs spätestens Mitte 2012 dennoch Verbindlichkeiten habe auflaufen lassen, die innerhalb der beiden Jahre 2012 und 2013 zu einem weiteren Verlust i.H.v. 244.442,- Euro geführt hätten. Dennoch habe der Antragsteller die Gesellschaft erst mit Beschluss vom 15. August 2013 aufgelöst und am 16. August 2014 Insolvenzantrag gestellt und damit gegen seine Pflichten als Geschäftsführer schuldhaft und in strafrechtlich vorwerfbarer Weise verstoßen. Bezweckt werde durch die Insolvenzantragspflicht die rechtzeitige Einleitung des Verfahrens und damit der Schutz der Altgläubiger vor weiterer Verringerung der Haftungsmasse sowie der Neugläubiger vor Vertragsabschluss mit notleidenden Gesellschaften. Der Verweis auf das Vorliegen eines rechtskräftigen Strafbefehls sei hier auch nicht pauschal, sondern unter Hinweis auf die bereits 2012 bestehende Insolvenzreife der Gesellschaft und dem die Gläubiger, hier insbesondere die Antragsgegnerin, benachteiligende verspätete Antragstellung erfolgt.
Es sei auch keine umfassende Akzessorietät der Haftungsschuld gegenüber der Steuerschuld im Sinne einer Ausfallhaftung gegeben, so dass die Durchsetzung der Steuerforderung auch nicht erst erfolglos gegenüber der Steuerschuldnerin, also der GmbH, hätte versucht werden müssen, ehedem die Haftung beim Antragsteller eingetreten wäre. Er könne daher nicht erfolgversprechend einwenden, die Steuerforderung sei mit Beendigung der Liquidation untergegangen.
Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens habe im Übrigen noch das Eigenkapital der Gesellschaft i.H.v. 25.000,- Euro zur Verfügung gestanden, das zur Befriedigung der Antragsgegnerin hätte verwendet werden können und müssen. Mitnichten sei eine Inanspruchnahme des Antragstellers ausgeschlossen, weil die Steuerschuld untergegangen sei.
Bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung hätte der Antragsteller den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits Mitte 2012 stellen müssen und damit eine geordnete Liquidation der Gesellschaft ermöglicht. Bei diesem pflichtgemäßen Handeln wäre die Forderung gegenüber der Antragsgegnerin zeitlich früher entstanden und befriedigt worden; die Gewerbesteuerforderung wäre nicht ausgefallen.
Die Pflicht für die Entrichtung der Steuer aus dem Vermögen des Steuerschuldners entstehe nicht erst mit deren Fälligkeit; bereits vor Fälligkeit habe er die Mittel so zu verwalten, dass er zur pünktlichen Zahlung der später entstehenden Steuerschulden in der Lage sei. Der Antragsteller habe seine Pflichten insbesondere auch dadurch verletzt, dass er sich durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger schuldhaft außer Stande gesetzt habe, künftig fällig werdende Steuern zu tilgen, deren künftige Entstehung – durch die zwingende Auflösung der Gewährleistungsrücklagen – ihm bekannt gewesen sei. Faktum sei, dass der Geschäftsbetrieb Mitte 2012 eingestellt worden und nur noch Restaufträge abgewickelt worden seien. Insolvenzrechtlich sei unerheblich, an welchen Projekten sich die … Energy GmbH habe wirtschaftlich beteiligen wollen, da unsichere Projekte nicht als Aktiva zu führen seien. Gegen die Gesellschaft gerichtete Forderungen der Vermieter wären als streitige Forderungen zu passivieren gewesen, ebenso Forderungen von Geschäftspartnern in dem Zeitpunkt, in dem sie geltend gemacht worden seien. Mit Insolvenzantragstellung und/oder Liquidierung der Gesellschaft Mitte 2012 hätte einerseits vermieden werden können, dass weitere Verbindlichkeiten auflaufen und andererseits, dass einzelne Gläubiger bevorzugt befriedigt worden seien. Das Insolvenzgutachten weise aus, dass die Gesellschaft „kleinere Forderungen“ befriedigt habe, das Mietverhältnis zum 31. Dezember 2012 beendet worden sei und Monatsmieten i.H.v. mehr als 7.500,- Euro bis dahin offenbar bezahlt worden seien sowie ein Mitarbeiter bis September 2013 beschäftigt worden sei. Die GmbH habe ausweislich der generierten Verluste und der selbst eingeräumten Zahlungen an Drittgläubiger einzelne Gläubiger wie hier die Antragsgegnerin bewusst benachteiligt.
Von entscheidender Bedeutung sei in diesem Zusammenhang auch die Auflösung der Gewährleistungsrücklagen, die entgegen der handelsrechtlichen und steuerlichen Verpflichtungen aufrechterhalten worden seien. Für die bis zum Tage der Bilanzaufstellung bekannt gewordenen einzelnen Garantiefälle seien Einzelrückstellungen zu bilden; seien keine solch konkretisierten Fälle bekannt, könnten auch Pauschalrückstellungen gebildet werden, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Kaufmann aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit Garantieinanspruchnahmen rechnen müsse oder sich dies aus der branchenmäßigen Erfahrung ergebe. Sei der Grund für die Gewährleistungsverpflichtung entfallen, müsse die Rückstellung sowohl nach Handelsrecht als auch nach Steuerrecht aufgelöst werden. Im Rahmen des vorliegenden Unternehmenskaufvertrags hätten die Parteien trotz Hinweises des Notars auf nähere Vereinbarungen zur Gewährleistung usw. abgesehen und es vermieden, nähere Angaben zu Gewährleistungsfällen zu machen. Der massive Umsatzrückgang seit 2010 sei auf einen Rückgang der Aufträge zurückzuführen, so dass auch das Risiko auf Inanspruchnahme von Gewährleistungsansprüchen entsprechend zurückgegangen sei, mit der Folge, dass auch die Gewährleistungsrücklagen ab 2012 erheblich aufzulösen gewesen wären, auch zumal ab Mitte 2012 nur noch Restarbeiten abgewickelt worden seien. Dies bestätige auch der Insolvenzbericht, der keinerlei Gewährleistungs- oder Garantiefälle verzeichne. Wäre der Antragsteller der Verpflichtung zur sukzessiven Auflösung der Rücklagen nachgekommen, wären die Buchgewinne bereits in den Jahren 2012 und 2013 angefallen. Hätte der Antragsteller zudem seine Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung bereits 2012 erfüllt, wären nicht die oben aufgeführten Verluste i.H.v. 207.424,- Euro zusätzlich aufgelaufen und nicht einzelne Gläubiger vorrangig befriedigt worden. Die Gesellschaft hätte damit ohne Weiteres die Steuerverbindlichkeiten i.H.v. 46.354,00 Euro aus dem vorhandenen liquiden Vermögen und dem 2012 erzielten Umsatz von 170.320,41 Euro bedienen können. Der Antragsteller versuche, den Sachverhalt so darzustellen, als habe die Auflösung der Rücklagen erst 2014 im Rahmen des Insolvenzverfahrens erfolgen können, dies sei jedoch unrichtig. Damit falle auch die Argumentation des Antragstellers in sich zusammen, die GmbH hätte die Steuerschuld aufgrund des Insolvenzverfahrens ohnehin nicht leisten können. Bei pflichtgemäßer Auflösung der Gewährleistungsrückstellungen hätte es wohl nicht einmal zu einem Insolvenzverfahren kommen müssen. Jedenfalls wäre bei pflichtgemäßer Auflösung der Gewährleistungsrücklagen und Insolvenzantragstellung die Liquidation der Steuerschulden aus dem Vermögen der Gesellschaft ohne Weiteres möglich gewesen, weil der Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt noch Vermögen zur Verfügung gestanden habe und sie Umsätze erzielt habe. Damit werde auch die Argumentation des Antragstellers obsolet, die Gewerbesteuerschuld sei durch einen reinen Buchgewinn entstanden, vielmehr sei damals ein tatsächlicher Vermögenszufluss zu verzeichnen gewesen. Der Antragsteller habe in zumindest grob fahrlässiger Weise durch das pflichtwidrige Aufrechterhalten der Gewährleistungsrücklagen – ohne dahinter stehende Garantie- oder Gewährleistungsfälle – bei gleichzeitig vorsätzlich wesentlich verspätet beantragtem Insolvenzverfahren, aber in Kenntnis der (ex ante Anfang 2012: voraussichtlichen) Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eine Steuerforderung vorsätzlich gleichsam zu spät zur Entstehung gebracht und ihre Erfüllung, die bei pflichtgemäßem Handeln möglich gewesen wäre, vereitelt. Die Haftungsvoraussetzungen seien daher gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen Ziff. 2 des Haftungsbescheids der Antragsgegnerin vom 25. September 2017 ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
Die grundsätzlich mit Widerspruch und Anfechtungsklage verbundene aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) tritt kraft Gesetzes nicht ein, wenn durch einen Verwaltungsakt öffentliche Abgaben und Kosten angefordert werden (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Widerspruch und Klage gegen einen Haftungsbescheid nach § 191 AO haben insoweit keine aufschiebende Wirkung, als ein Widerspruch oder eine Klage gegen die Abgabe, für die gehaftet werden soll, keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Dies ist bei kommunalen Steuern (§§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2 AO) und den dazugehörigen Nebenleistungen nach § 37 Abs. 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 4 AO grundsätzlich der Fall.
Eine Ausnahme besteht aber hinsichtlich der Festsetzung von Säumniszuschlägen. Hier entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, denn Säumniszuschläge sind keine Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, sondern ein dem Zwangsgeld verwandtes Druckmittel eigener Art. Entsprechendes gilt, wenn Säumniszuschläge im Rahmen eines Haftungsbescheids geltend gemacht werden. Auch hier kommt dem Widerspruch hinsichtlich der Säumniszuschläge bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu (BayVGH, B.v. 21.12.1998 – 4 ZS 98.2811 – juris; VG München, B.v. 26.8.2008 – M 10 S. 08.2507 – juris; v. 24.3.2014 – M 10 S. 13.5972 – juris).
Vorliegend hat die Antragsgegnerin allerdings in Ziff. 3 ihres Bescheids vom 25. September 2017 die sofortige Vollziehbarkeit der Haftungsverfügung in Ziff. 2 des Bescheids angeordnet.
Hinsichtlich der Haftung für die Gewerbesteuerrückstände der … Energy GmbH (46.354,00 Euro) geht diese Vollzugsanordnung mit Blick auf die bereits gesetzlich angeordnete Vollziehbarkeit ins Leere; hinsichtlich der Haftung für die Säumniszuschläge (2.317,50 Euro) entfaltete sie jedoch Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, so dass auch insoweit ein Rechtschutzbedürfnis für den insoweit so verstandenen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO besteht.
Auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO liegen vor, da ein Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung von der Antragsgegnerin abgelehnt wurde und sie darüber hinaus bereits die Vollstreckung betreibt.
2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in den Fällen einer nach § 80 Abs. 2 VwGO gesetzlich vorgesehenen oder behördlich angeordneten Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen bzw. wiederherstellen, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse überwiegt.
Dies ist bei der Anforderung öffentlicher Abgaben in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte; das Gericht trifft insoweit eine originäre Ermessensentscheidung.
Zweifel im genannten Sinne bestehen, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher als ein Unterliegen ist. Die hiernach erforderliche Prognose über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren kann nur mit den Mitteln des Eilverfahrens getroffen werden. Demnach sind in erster Linie die vom Rechtsschutzsuchenden selbst vorgebrachten Einwände zu berücksichtigen, andere Fehler der Heranziehung hingegen nur, wenn sie sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen. Allerdings können im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes weder schwierige Rechtsfragen abschließend entschieden noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden.
Vorliegend bestehen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 25. September 2017, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt.
Die Antragsgegnerin stützt ihren Haftungsbescheid der Sache nach auf § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 Abs. 1 AO.
Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige durch einen Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Auf der Grundlage von § 69 Satz 1 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haften gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, soweit in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten eine Steuer nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt wird. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge (§ 69 Satz 2 AO).
Das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheids hat grundsätzlich der Steuergläubiger zu belegen. Dem potentiellen Haftungsschuldner kommt hierbei nach §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AO eine Mitwirkungs- und Auskunftspflicht zu, deren Verletzung zu einer Beweismaßverringerung führen kann (BayVGH, B.v. vom 22.3.2016 – 4 CS 15.2488 – juris).
Nach der zu treffenden kursorischen Prüfung vermögen hier nach Auffassung des Gerichts weder die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Begründung des Haftungsbescheids vom 25. September 2017 noch die Ergänzungen ihres Verfahrensbevollmächtigten in der Antragserwiderung vom 3. November 2017 eine Haftung des Antragstellers nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 Abs. 1 AO zu rechtfertigen.
§ 69 S. 1 AO stellt fünf Tatbestandsvoraussetzungen auf: Der Haftende muss dem Personenkreis der §§ 34, 35 AO angehören, er muss eine Pflichtverletzung begangen haben, die Pflichtverletzung muss zu einem Haftungsschaden geführt haben und für den Eintritt des Schadens ursächlich sein; schließlich muss der Haftende schuldhaft gehandelt haben.
Der Haftungsschaden besteht darin, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind; Kausalität ist gegeben, wenn der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Der Vertreter verletzt seine Pflichten schuldhaft, wenn er Steuerschulden schlechter behandelt als andere Verbindlichkeiten; sind allerdings keine verwalteten Mittel (mehr) vorhanden, ist er auch nicht verpflichtet, die Steuerschulden vorrangig zu befriedigen, vielmehr hat er im Zeitpunkt der Fälligkeit die vorhandenen Mittel lediglich anteilig zur Befriedigung des Steuergläubigers und der übrigen Gläubiger einzusetzen (vgl. i.E. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 149. Lieferung Juli 2017, § 69 AO, Rn. 6 bis 35 m.w.N).
a. Der Antragsteller war seit dem 2. März 2012 als alleiniger Geschäftsführer der … Energy GmbH und nach Auflösung der Gesellschaft (Gesellschafterbeschluss vom 15.8.2013, HR-Eintrag vom …8.2013) bis zu ihrer Löschung aufgrund insolvenzgerichtlichen Beschlusses vom 3. November 2014 – Az.: … – (HR-Eintrag vom …6.2016) als alleiniger Liquidator der GmbH i.L. im Handelsregister eingetragen und somit gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§§ 6, 35 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs. 1 GmbHG).
Als solchem oblag es ihm nach § 34 Abs. 1 AO, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden. Ferner oblag es ihm, schon im Vorfeld auf bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung Rücksicht zu nehmen und sich nicht (schuldhaft) außer Stande zu setzten, diese im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen (vgl. BFH, U.v. 26.4.1984 – V R 128/79 – juris).
b. Die Antragsgegnerin begründet ihren Haftungsbescheid dahingehend, der Antragsteller habe als Geschäftsführer, späterer Liquidator und gesetzlicher Vertreter der … Energy GmbH seine Pflichten vorsätzlich verletzt, wie sich aus dem Schuldspruch des Amtsgerichts München über die Insolvenzverschleppung ergebe; einen Schaden sieht sie in der Nichterfüllung der bestandskräftig festgesetzte Gewerbesteuerforderung.
Ferner wirft sie dem Antragsteller vor, es pflichtwidrig unterlassen zu haben, die Gewährleistungsrückstellungen bereits ab Mitte 2012 sukzessive aufzulösen, wodurch Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig hätten festgesetzt werden können.
aa. Soweit die Antragsgegnerin mit Hinweis auf den Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 31. Juli 2015 – Cs 61 Js 4064/15 – davon ausgeht, dass der Antragsteller eine Pflichtverletzung begangen hat, indem er nicht binnen drei Wochen nach Eintritt und Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der … Energy GmbH spätestens zum Zeitpunkt ihrer rechtskräftigen Verurteilung zur Zahlung von 14.199,92 Euro nebst Zinsen (insges. 20.526,38 Euro) an die … Solartechnik Vertriebs GmbH aufgrund Urteil des Landgerichts München I vom 22. Juli 2013 – 15 HKO 6066/13 -, also spätestens am 5. September 2013, Eigeninsolvenzantrag gestellt hat, trifft dies grundsätzlich zu und wird letztlich vom Antragsteller auch nicht bestritten.
Unstreitig ist ferner auch, dass die mit Gewerbesteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2015 für das Veranlagungsjahr 2014 gegenüber der … Energy GmbH i.L. auf 46.354,00 Euro festgesetzte Steuerforderung bei Fälligkeit am 14. Januar 2016 nicht beglichen worden ist.
Es ist allerdings von der Antragsgegnerin in ihrem Haftungsbescheid nicht ansatzweise dargelegt worden und auch nicht ersichtlich, inwiefern der spätestens seit dem 5. September 2013 „verschleppte“ Insolvenzantrag vom 18. August 2014 für den Steuerausfall bei der Antragsgegnerin in Kausalzusammenhang stehen sollte.
Die Haftung des gesetzlichen Vertreters setzt die Feststellung voraus, dass die Gesellschaft ungeachtet sonstiger Verbindlichkeiten bei Fälligkeit der Steuerschulden oder später über hinreichende Mittel zu deren Begleichung verfügte; dies wird grundsätzlich bis zu einer Insolvenzantragstellung vermutet (vgl. BayVGH, B. v. 26.6.2000 – 4 CS 00.379 – juris; VG München, U.v. 5.5.2011 – M 10 K 10.1412 – juris).
Aus dem Insolvenzgutachten vom 8. Oktober 2014 und dem Strafbefehl vom 31. Juli 2015 ergibt sich aber gerade, dass die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der … Energy GmbH i.L. tatsächlich (spätestens) schon aufgrund des landgerichtlichen Zahlungsurteils im Verfahren gegen die … Solartechnik Vertriebs GmbH am 22. Juli 2013 und der daraus betriebenen Zwangsvollstreckung (Pfändung vom 3. Februar 2014) anzunehmen war. Die Vermutung der Liquidität der GmbH war also bereits in diesem Zeitpunkt erschüttert und spätestens mit dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 3. November 2014 – 1542 IN 2680/14 –, mit dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde widerlegt.
Jedenfalls bei Fälligkeit der der Haftung zu Grunde liegenden Steuerforderung am 14. Januar 2016 lag unbestritten Mittellosigkeit bei der … Energy GmbH i.L. vor, so dass die Nichtzahlung dem Antragsteller haftungsrechtlich nicht vorwerfbar ist.
bb. Auch der Vorwurf der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe es pflichtwidrig unterlassen, die Gewährleistungsrückstellungen – die sich laut Kontennachweis zur Bilanz zum 31. Dezember 2012 auf 500.000,00 Euro und im Vorjahr auf 510.827,80 Euro beliefen – bereits ab Mitte 2012 sukzessive aufzulösen, so dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig hätten festgesetzt werden können, führt nach summarischer Beurteilung nicht zu einer Haftung.
Insoweit ist es der Antragsgegnerin schon nicht gelungen, eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Antragsteller substantiiert darzulegen.
Die kaufmännische Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen beruht auf § 249 HGB. Hierbei handelt es sich um Passivposten mit dem Zweck, Aufwendungen, deren Existenz oder Höhe am Abschlussstichtag noch nicht sicher sind und die erst später zu einer Auszahlung führen, der Periode der Verursachung zuzurechnen (vgl. § 266 Abs. 3 Buchst. B HGB). Sie sind aus dem Betriebsvermögen des Unternehmens ausgegliedert und werden dem Fremdkapital zugerechnet (Baumbach/Hopt/Merkt HGB § 249 Rn. 1, beck-online) Gem. § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 HGB sind auch Rückstellungen für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtungen erbracht werden und denen sich der Kaufmann aus geschäftlichen Erwägungen nicht entziehen kann (Kulanzleistungen), zu bilden. Es sind somit nicht nur rechtliche Verpflichtungen, sondern auch faktische Verpflichtungen zu passivieren. Die Passivierungspflicht endet im Zeitpunkt des Wegfalls des Rückstellungsgrundes (§ 249 Abs. 2 S. 2 HGB).
Garantierückstellungen, mit denen das Risiko künftiger Erlösschmälerungen durch kostenlose Nacharbeiten oder durch Ersatzlieferungen oder aus Minderungen oder Schadensersatzleistungen wegen Nichterfüllung aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Gewährleistung erfasst werden sollen, können – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – als Einzelrückstellung für die bis zum Tage der Bilanzaufstellung bekanntgewordenen einzelnen Garantiefälle oder als Pauschalrückstellung gebildet werden (BFH, U.v. 30.6.1983 – IV R 41/81 – juris).
Rückstellungen sind nach § 253 Abs. 1 HGB in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags anzusetzen.
Abzugrenzen sind sie von Rücklagen im Sinne von Reserven, bei Kapitalgesellschaften in der Form von Eigenkapital (vgl. § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB)
Nach diesen Maßgaben ist vorliegend derzeit nicht hinreichend geklärt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die … Energy GmbH bzw. der Antragsteller als ihr Geschäftsführer nach (handels-/steuer-)bilanziellen Regeln zur Bildung von Gewährleistungsrückstellungen verpflichtet war und wann und wie deren Auflösung mit Blick auf § 249 Abs. 2 S. 2 HGB zu erfolgen hatte.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass die Beurteilung der Notwendigkeit von Rückstellungen und deren Umfang auf Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen aus Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns und unter Berücksichtigung der betriebsindividuellen und branchenüblichen Erfahrungen zu erfolgen hat. Dass der Antragsteller hiergegen verstoßen hat, wird jedoch unter Hinweis auf fehlende Ausführungen zu Garantiefällen in dem Insolvenzgutachten vom 8. Oktober 2014 letztendlich lediglich gemutmaßt. Die Gewährleistungsrückstellungen beliefen sich laut Kontennachweis zur Bilanz zum 31. Dezember 2012 auf 500.000,00 Euro und im Vorjahr auf 510.827,80 Euro. Angesichts der Umsätze der GmbH von über 11 Millionen Euro noch in 2010 erscheinen Gewährleistungsrückstellungen in dieser Höhe und deren Fortbestand in 2012 aus Sicht des Gerichts nicht von Vornherein überzogen. Eine nähere Aufklärung der Umstände hierzu muss – soweit erforderlich – dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Aber selbst wenn – wie die Antragsgegnerin vortragen lässt – die Rückstellungen bereits Mitte 2012 hätten aufgelöst werden müssen und sich daraus nach (ggf. gem. § 8c Abs. 1 KStG eingeschränktem) Verlustabzug ein Gewerbeertrag ergeben hätte und infolgedessen eine Gewerbesteuer mit Ablauf des Jahres 2012 als Erhebungszeitraum entstanden wäre (§§ 14 Satz 2, 18 GewStG), die dann ggf. „rechtzeitig“ hätte festgesetzt werden können, ist bereits hier festzuhalten, dass die Auflösung der Rückstellungen mit Blick auf den Schuldenstand der … Energy GmbH wohl auch schon in 2012 lediglich zu Buchgewinnen – ohne „reale“ Ertragszuflüsse – geführt hätte; der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag belief sich nach der Bilanz zum 31. Dezember 2012 auf 640.680,64 Euro. Insoweit ist die Argumentation des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, mit der Auflösung der Rückstellungen bereits 2012 hätte eine Insolvenz der … Energy GmbH möglicherweise sogar vermieden werden können, nicht nachvollziehbar; es handelte sich gerade nicht um Rücklagen.
Die Antragsgegnerin trägt – wie ausgeführt – die objektive Beweisbzw. Feststellungslast für das Vorhandensein ausreichender (tatsächlicher) Mittel im Haftungszeitraum, aus denen die Steuerschulden der … Energy GmbH – ggf. zumindest anteilig – hätten getilgt werden können (vgl. in Bezug auf die Verpflichtung zur Rücklagenbildung speziell auch BayVGH, B.v. 22.3.2016 – 4 CS 15.2488 – juris). Ihr Vortrag erschöpft sich insoweit jedoch weitgehend in Spekulation.
Vor diesem Hintergrund kommt auch eine Haftung für die Säumniszuschläge gem. § 69 Satz 2 AO nach summarischer Prüfung nicht in Betracht.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beträgt der Streitwert in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 4 VwGO ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

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