Aktenzeichen M 10 K 15.5124
HGB § 128, § 161 Abs. 2
Leitsatz
1. Eine Haftung nach § 69 AO wird nur dann ausgelöst, wenn die dafür in Betracht kommende Person eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat und diese Pflichtverletzung einen Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen verursacht hat (wie BFH BeckRS 2006, 25011410). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Pflicht des Geschäftsführers einer Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden, besteht nicht erst bei Fälligkeit der Steuerschuld; vielmehr obliegt es ihm schon im Vorfeld, auf bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderungen Rücksicht zu nehmen und sich nicht (schuldhaft) außer Stande zu setzen, diese im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Hat sich die gesetzliche Vertreterin einer GmbH grobfahrlässig außer Stande gesetzt, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen, haftet sie insoweit, als der Steuergläubiger bei pflichtgemäßem Verhalten im Fälligkeitszeitpunkt befriedigt worden wäre(s. auch BFH BeckRS 1984, 22006857). (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein gesetzlicher Vertreter einer Gesellschaft handelt grob fahrlässig, wenn er nach Kenntnis einer Prüfungsanordnung des Finanzamtes die Liquidation der Gesellschaft betreibt bzw. die Auflösung der Gesellschaft beschließt, ohne dafür Sorge zu tragen, dass die vor Auflösung entstandenen Steuern festgesetzt und entrichtet werden können. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Partien es für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Soweit die Beteiligten das Verfahren in Höhe von 23.729,13 Euro für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen. In dieser Höhe hat die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 3. April 2012 schließlich ganz aufgehoben und den streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Dezember 2012 abgeändert.
II. Im Übrigen bleibt die zulässige Klage ohne Erfolg.
1. Der noch streitgegenständliche Haftungsbescheid vom 27. Dezember 2012 in Form des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2015, des Änderungsbescheides vom 11. Dezember 2015 und des Änderungsbescheides vom 11. Januar 2016, der die Klägerin in einer Höhe von 482.661,87 Euro in Haftung nimmt, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a. Der angefochtene Haftungsbescheid ist hinreichend bestimmt, § 119 Abs. 1 Satz 1 AO. Denn er enthält eine genaue Aufstellung der Beträge, die von der Klägerin als Haftungsschuldnerin gefordert werden und zwar die Gewerbesteuer (Abschlusszahlung 2007) in Höhe von 479.934,- Euro, Nachzahlungszinsen 2007 in Höhe von 11.997,- Euro und Säumniszuschläge in Höhe von 14.460,- Euro. Mahngebühren werden – wie aus dieser Aufstellung ersichtlich ist – von der Beklagten nicht erhoben.
Durch die Zahlung des ebenfalls in Haftung genommenen Gesamtschuldners hat sich der zu zahlende Betrag auf 482.661,87 Euro gemindert. Die Reihenfolge der Tilgung ist bei fehlender Bestimmung durch den Schuldner gesetzlich geregelt. Nach § 25 Abs. 2 AO werden mit einer freiwilligen Zahlung, die nicht sämtliche Schulden deckt, nacheinander die übrigen Steuern, die Verspätungszuschläge, die Zinsen und die Säumniszuschläge getilgt.
b. Der Haftungsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. §§ 69, 34 Abs. 1 AO. Gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 3 Abs. 2 AO sind § 191 sowie §§ 69, 34 AO für die Gewerbesteuer als Realsteuer direkt anwendbar.
aa. Gemäß § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Die Haftung der Klägerin ergibt sich aus § 69 AO i. V. m. § 34 Abs. 1 AO. Danach haften gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Haftungsschuldner kraft Gesetzes sind nach § 69 Satz 1 AO unter anderem die in § 34 AO bezeichneten Personen. Eine Haftung nach § 69 AO wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann ausgelöst, wenn die dafür in Betracht kommende Person eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat und diese Pflichtverletzung einen Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen verursacht hat (vgl. BFH, U. v. 29.11.2006 – I R 103/05 – juris Rn. 12; U. v. 05.03.1991 – VII R 93/88 – juris Rn. 11 ff.; B. v. 11.08.2005 – VII B 244/04 – juris Rn. 9).
bb. Die Klägerin gehört zu den in § 34 Abs. 1 Satz 1 AO bezeichneten Personen, denn sie war als Geschäftsführerin/Liquidatorin der Komplementär-GmbH (… GmbH) deren gesetzliche Vertreterin. Gemäß § 128 i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB haften die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unabhängig von deren Rechtsgrund den Gläubigern persönlich; eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam. Bei einer Kommanditgesellschaft haben die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 161, 114, 125, 164, 170 HGB) danach die Pflichten zu erfüllen, welche dieser Gesellschaft wegen der Besteuerung auferlegt sind (§ 34 Abs.1 AO). Ist persönlich haftender Gesellschafter eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, haben deren Geschäftsführer (§ 35 GmbHG) die steuerlichen Pflichten dieser Gesellschaft (§ 34 Abs.1 AO) und mit diesen die steuerlichen Pflichten der Kommanditgesellschaft zu erfüllen (vgl. VG Ansbach, U. v. 21.3.2007 – AN 11 K 06.03127 – juris Rn. 17; BFH, U. v. 6.3.2001 – VII R 17/00 – juris Rn. 15).
cc. Nach § 34 Abs. 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.
Eine Pflichtverletzung der Klägerin i. S. v. §§ 34, 69 AO liegt vor. Die Pflicht des Geschäftsführers, dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden, besteht dabei nicht erst bei Fälligkeit der Steuerschuld (vgl. BFH, U. v. 26.4.1984 – V R 128/79 – juris LS 2). Schon im Vorfeld obliegt es ihm, auf bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung Rücksicht zu nehmen und sich nicht (schuldhaft) außer Stande zu setzten, diese im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. Eine die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insofern auch darin liegen, dass sich der gesetzliche Vertreter durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise außerstande setzt, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. In diesem Fall haftet der Geschäftsführer insoweit, als der Steuergläubiger bei pflichtgemäßen Verhalten im Fälligkeitszeitpunkt befriedigt worden wäre (vgl. BVerwG, U. v. 9.12.1988 – 8 C 13/87 – juris Rn. 20, 23; BFH, U. v. 26.4.1984 – V R 128/79 – juris Rn. 23; vgl. auch etwa BFH, U. v. 21.12.2004 – I B 128/04 – juris).
So liegt der Fall auch hier. Die Gewerbesteuerschuld für das Veranlagungsjahr 2007 ist mit Ablauf des Jahres 2007 bereits entstanden (§ 38 AO, § 18 GewStG). Nach § 18 GewStG entsteht die Gewerbesteuer mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Festsetzung vorgenommen wird; Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr (§ 14 Satz 2 GewStG). Folglich sind die Steueransprüche der Beklagten gegen die KG für das Veranlagungsjahr 2007 hier mit Ablauf des Kalenderjahres 2007 kraft Gesetzes – unabhängig von der Festsetzung – entstanden (§§ 37 Abs. 1, 38 AO) und damit begründet. Dass die endgültige Festsetzung hier erst mit Gewerbesteuerbescheid vom 7. Juli 2011 erfolgte, ist unbeachtlich; der Festsetzung des Anspruchs kommt insoweit nur deklaratorische Wirkung zu (sog. materielle Rechtsgrundtheorie, st. obergerichtliche Rspr., vgl. schon BFH, U. v. 10.11.1953 – I 108/52 S – BFHE 58, 294; Drüen in Tipke/Kruse, AO, Stand: Mai 2016, § 38 AO Rn. 10 m. w. N.).
Vor diesem Hintergrund geht auch der Einwand fehl, wonach der finanzbehördliche Messbetragsbescheid vom 17. Juni 2008, welcher wiederum auf den von den Steuerberatern der KG abgegebenen Steuererklärungen basierte, einen Gewerbesteuermessbetrag auf 0,00 Euro festsetzte. Das Finanzamt hatte sich dabei ausdrücklich die Nachprüfung und damit spätere Änderungen des Bescheids vorbehalten (§ 164 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AO). Die Beklagte hatte einen Gewerbesteuerbescheid auf Grundlage dieses Messbescheides nicht einmal erlassen. Der Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamtes vom 7. September 2009 in geänderter Form vom 9. Mai 2011 ist bestandskräftig geworden. Der Gewerbesteuerbescheid vom 7. Juli 2011, der schließlich eine Gewerbesteuer für das Jahr 2007 in Höhe von 479.934,- Euro festgesetzt hat, ist ebenfalls bestandskräftig.
Die Klägerin hat als gesetzliche Vertreterin der … GmbH, die zur Geschäftsführung der KG gesetzlich berufen war, am 4. November 2008 das Erlöschen der KG bewirkt. Sie hat sich außerstande gesetzt, die seinerzeit im Jahre 2007 bereits entstandene, aber noch nicht fällig gewordene Gewerbesteuerforderung zu erfüllen (vgl. VG Stade, U. v. 2.4.2014 – 3 A 1404/12 – juris Rn. 35). Laut dem Jahresabschluss der KG zum Geschäftsjahr vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 war zum Jahresende noch ein Umlaufvermögen von 528.162,46 Euro bei der KG vorhanden. Dieses wurde laut dem Vortrag der Klägerin im Januar 2009 auf ein Gemeinschaftskonto der beiden Kommanditistinnen (… GmbH und … GmbH) gebucht.
dd. Die Pflichtverletzung war auch grob fahrlässig. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 11. Aufl., 2012, § 69 Rn. 32 m. w. N.).
Dies ist hier der Fall. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin, die bis zum 16. Februar 2009 (Zeitpunkt der gesellschaftsrechtlichen Auflösung der … GmbH) Geschäftsführerin der … GmbH, die Komplementärin der KG war, über die zur Ausübung dieser Funktionen notwendigen, hohen persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte und verfügt. Hätte sie die ihr danach mögliche Sorgfalt walten lassen, hätte ihr ohne Weiteres klar sein können und müssen, dass mit der „vorläufigen“ Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages unter dem „Vorbehalt der Nachprüfung“ das Besteuerungsverfahren für die Gewerbesteuer 2007 nicht beendet ist und es – gerade im Hinblick auf den Vorbehalt der Nachprüfung in dem Bescheid vom 17. Juni 2008 – zu abweichenden Einschätzungen durch das Finanzamt und damit auch zu Steuerfestsetzungen gegenüber der Steuerpflichtigen KG kommen könnte, wie dies auch der damalige Steuerberater der KG im Schreiben vom 19. Juni 2008 (Anlage A5 der Gerichtsakte) im letzten Absatz ausgeführt hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte eine Verteilung des vorgehaltenen Geldes nicht mehr erfolgen dürfen. Im Rahmen des Besteuerungsverfahrens ist es dem Finanzamt nicht verwehrt, einen von der Steuererklärung abweichenden “Ansatz” zu wählen. Dadurch, dass sie diese nahe liegende Möglichkeit, die tatsächlich nach erfolgter Außenprüfung im Jahre 2009 eingetreten ist, außer Acht gelassen hat und nicht dafür Sorge getragen hat, dass ausreichende Mittel zur Deckung noch nicht fälliger oder streitiger Verbindlichkeiten vorhanden sind – wie es zu ihren steuerrechtlichen Pflichten als Geschäftsführerin und später Liquidatorin gehört hätte (§ 161 Abs. 2 i. V. m. § 155 Abs. 2 Satz 2 HGB; vgl. auch BFH, U. v. 16.6.1971 – I R 58/68 – juris) -, sondern ohne Durchführung eines Liquidationsverfahren die Löschung der KG bewirkt und eine Umbuchung des Umlaufvermögens geduldet hat, hat sie ihre Sorgfaltspflichten in ungewöhnlich hohem Maße verletzt (vgl. VG Stade, U. v. 2.4.2014 – 3 A 1404/12 – juris Rn. 36).
Ein gesetzlicher Vertreter handelt in jedem Fall grob fahrlässig, wenn er in diesem Stadium die Liquidation der Gesellschaft betreibt bzw. die Auflösung der Gesellschaft beschließt, ohne dafür Sorge zu tragen, dass die vor Auflösung entstandenen Steuern festgesetzt und entrichtet werden können. In ihrer Eigenschaft als Liquidatorin der … GmbH musste der Klägerin spätestens mit der Prüfungsanordnung des Finanzamts … für die KG am 4. Dezember 2008 bewusst werden, dass eine Gewerbesteuerfestsetzung noch erfolgen könnte. Eine Umbuchung des bei der KG zum 31. Dezember 2008 noch vorhandenen Umlaufvermögens ist erst danach im Januar 2009 erfolgt. Dieser Vorgang ging der Auflösung der KG voraus, so dass diese außer Stande gesetzt wurde, die bereits entstandene und erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. Denn nach der endgültigen Veranlagung der KG konnte die Gewerbesteuer 2007, festgesetzt zuletzt mit Bescheid vom 7. Juli 2011, bei Fälligkeit zum 19. Oktober 2009 aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Vermögenslosigkeit der KG nicht mehr eingezogen werden. Auch die Auflösung, Liquidation und schließlich die Löschung der … GmbH als persönlich haftende Komplementärin der KG am … Mai 2010 führte dazu, dass die Gewerbesteuerschuld von dieser nicht mehr beigetrieben werden konnte.
Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin zumindest grob fahrlässig verabsäumt, bei der KG oder auch bei der … GmbH als Komplementärin Mittel für die absehbar fällig werdenden Gewerbesteuerschulden 2007 zu hinterlegen.
Die Klägerin kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass sie als Geschäftsführerin der … GmbH von den beiden anderen Geschäftsführern immer „übergangen“ worden ist. Ein Geschäftsführer, der sich in der von ihm vertretenen Gesellschaft oder im Unternehmensverbund nicht durchsetzen kann und sich an jeglicher Einflussnahme und an einer Kontrolle des Zahlungsverkehrs gehindert sieht, darf nicht untätig bleiben, sondern muss zur Vermeidung haftungsrechtlicher Konsequenzen von der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit Abstand nehmen oder sein Amt niederlegen (vgl. st. Rspr. BFH, B. v. 5.3.1985 – VII B 69/84 – BFH/NV 1987, 422; B. v. 12.5.2009 – VII B 266/08 – juris Rn. 13; B. v. 31.10.2005 – VII B 57/05 – juris Rn. 17).
ee. Die der Beklagten zustehenden Ansprüche aus dem Gewerbesteuerschuldverhältnis (Steueranspruch, steuerliche Nebenleistungen, vgl. § 3 Abs. 2, § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 37 Abs. 1 AO) wurden nicht erfüllt, insoweit ist der Beklagten ein Schaden entstanden.
ff. Die in der Nichterfüllung der Steuerberücksichtigungspflicht liegende Pflichtverletzung der Klägerin ist ursächlich für den der Beklagten entstandenen (Haftungs)Schaden.
Kausalität in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn der Schaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Dabei sind nur solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen (sog. Adäquanztheorie); d. h. die Möglichkeit, dass infolge der Pflichtverletzung Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erfüllt werden, darf nicht so fern liegen, dass sie nach allgemeiner Lebenserfassung vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann (Loose in Tipke/Kruse, AO und FGO, Stand: Oktober 2012, § 69 AO Rn. 20 ff. m. w. N.).
Hier ist die Pflichtverletzung der Klägerin kausal für den Steuerausfall bei der Beklagten, denn dieser Schaden wäre nicht eingetreten, wenn die Klägerin unter Rücksichtnahme auf die künftige Fälligkeit im Vorfeld entsprechende Mittel zur Zahlung der entstandenen Gewerbesteuerschulden für das Veranlagungsjahr 2007 bei der KG oder der … GmbH vorgehalten und bei Fälligkeit geleistet hätte. Die sich auf dem Geschäftskonto der KG zum 31. Dezember 2008 noch befindlichen 528.162,46 Euro sind nach Einlassung der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin gerade für eventuelle Steuerverbindlichkeiten dort zurückgehalten worden.
ff. Eine Haftung der Klägerin entfällt auch nicht deshalb, weil nachweislich im Haftungszeitraum der … GmbH und der KG nicht ausreichend Mittel zur Verfügung standen, um die fälligen Gewerbesteuerschulden zu begleichen.
Der Geschäftsführer einer GmbH verletzt seine Pflichten schuldhaft, wenn er Steuerschulden schlechter behandelt als andere Verbindlichkeiten. Er hat daher auch die Gewerbesteuern im gleichen Umfang zu tilgen wie die Verbindlichkeiten anderer Gläubiger (vgl. BayVGH, B. v. 25.5.2004 – 4 CS 03.152 – juris; Loose a. a. O. Rn. 34 m. w. N.).
Der Einwand fehlender Mittel im Fälligkeitszeitpunkt greift im vorliegenden Fall nicht durch.
Denn Anknüpfungspunkt der Haftung ist hier, wie oben ausführlich dargestellt, gerade der Vorwurf gegenüber Klägerin, dass sie sich als gesetzliche Vertreterin der … GmbH grobfahrlässig außer Stande gesetzt hat, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen; demzufolge haftet sie insoweit, als der Steuergläubiger bei pflichtgemäßem Verhalten im Fälligkeitszeitpunkt befriedigt worden wäre (vgl. BFH, U. v. 26.4.1984 – V R 128/79 – juris Rn. 23). Die Klägerin hat gerade vortragen lassen, dass die vor der Auflösung der KG noch vorhandenen Gelder für die Tilgung einer etwaigen noch festzusetzenden Gewerbesteuerschuld vorgehalten wurden. Dass ansonsten noch Verbindlichkeiten offen gewesen sind, hat die Klägerin nicht vortragen lassen und dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte.
gg. Das Verschulden der Klägerin entfällt nicht aufgrund einer internen Haftungsbegrenzung. Die Klägerin macht zwar geltend, dass sie und ihr Ehemann lediglich für die Immobilienverwaltung und den Vertrieb zuständig gewesen seien und der dritte Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter sich alleine um die Finanzen der Gesellschaften gekümmert habe. Dies kann die Klägerin jedoch nicht entlasten. Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen hat die Rechtsprechung eine Begrenzung der Haftung durch eine interne Verteilung von Aufgabenbereichen und eine dadurch bewirkte Einschränkung des Grundsatzes der Gesamtverantwortung zugelassen. Danach kommt einer internen Aufgabenverteilung eine haftungsbegrenzende Wirkung nur dann zu, wenn die nähere Ausgestaltung der Aufgabenzuweisungen vor Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit klar und eindeutig schriftlich festgelegt worden ist (vgl. BFH, B. v. 4.3.1986 – VII S 33/85 – juris; B. v. 12.5.2009 – VII B 266/08 – juris Rn. 11; B. v. 31.10.2005 – VII B 57/05 – juris Rn. 12). Ein entsprechendes Schriftstück hat die Klägerin nicht vorgelegt. Mündliche Abreden oder tatsächliche Aufgabenverteilung reichen dagegen nicht aus, um eine interne Haftungsbegrenzung annehmen zu können.
Selbst wenn eine solche Vereinbarung bestanden hätte, hätte die Klägerin trotzdem eine Überwachungspflicht getroffen, die sich zu einer inhaltlichen Überprüfungspflicht der gesamten Geschäftsführertätigkeit steigert, wenn die Person des handelnden Gesellschafters dazu Anlass gibt. Die nicht mit Steuerangelegenheiten befassten Geschäftsführer können auch dann in Anspruch genommen werden, wenn sie trotz Kenntnis von Unregelmäßigkeiten nichts unternommen haben, um Abhilfe zu schaffen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand: Mai 2016, § 69 Rn. 32). So hat im vorliegenden Fall die Klägerin durchaus bemerkt, dass das für die Gewerbesteuer zur Verfügung gestandene Geld vom Konto der KG abgebucht worden ist und auch nach ihrem Vortrag erkannt, dass dies nicht hätte erfolgen dürfen, da dieser Vorgang laut ihrem Vortrag zu einem ernsten Zerwürfnis zwischen den Geschäftsführern geführt hat.
hh. Die Haftung erstreckt sich auch auf die mit Gewerbesteuerbescheid vom 7. Juli 2011 festgesetzten Nachzahlungszinsen für 2007 (vgl. §§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, 3 Abs. 4, 233, 233a AO). Fehler hinsichtlich der Zinsberechnung wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Nach § 69 Satz 2 AO umfasst die Haftung auch die in Folge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge im Sinne von § 240 AO.
ii. Die Ermessenentscheidung seitens der Beklagten erfolgte pflichtgemäß und rechtsfehlerfrei, sowohl bzgl. des der Beklagten zustehenden Entschließungsermessens, überhaupt mittels der Haftungsbescheide gemäß § 191 AO tätig zu werden, wie auch bzgl. des Auswahlermessens.
Das Entschließungsermessen hinsichtlich des „Ob“ der Inanspruchnahme ist durch die kommunalrechtlichen Vorschriften jedenfalls im Regelfall auf Null reduziert (vgl. BayVGH, B. v. 21.4.2008 – 4 CS 07.2718 – juris Rn. 16). Durch Art. 62 Abs. 1 und 2 GO sind Gemeinden verpflichtet, Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften zu erheben. Besteht die Möglichkeit, Abgaben, die ein Steuerschuldner nicht entrichtet hat, vom Haftungsschuldner zu erhalten, ist die Gemeinde gehalten, die Abgaben einzutreiben, wenn nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen etwa für einen Erlass (§ 227 AO) vorliegen (vgl. BayVGH, U. v. 19.3.1997 – 4 B 96.679). Für einen Erlass sprechende Gesichtspunkte sind vorliegend nicht erkennbar.
Das Auswahlermessen wurde ebenfalls korrekt ausgeübt. Der weitere eingetragene Liquidator der … GmbH wird ebenfalls im gleichen Umfang in Haftung genommen. Es erfolgt eine Inanspruchnahme der Liquidatoren der Gesellschaft als Gesamtschuldner gemäß § 44 Abs. 1 AO. Die Inanspruchnahme des früheren dritten Geschäftsführers (Ehemann der Klägerin) schließt die Beklagte ermessensfehlerfrei aus. Sie knüpft zwar an eine Pflichtverletzung an, die in den Zeitraum vor der Auflösung der … GmbH fällt, als auch der Ehemann der Klägerin noch Geschäftsführer war.
Doch ist die … GmbH ebenfalls Schuldnerin der von der Beklagten mit Bescheid vom 7. Juli 2011 festgesetzte Gewerbesteuerverbindlichkeit aufgrund ihrer akzessorischen Haftung nach § 161 Abs. 2 i. V. m. § 128 HGB. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Kapitalgesellschaft auch nach ihrer Löschung im Handelsregister und ihrer Abwicklung solange als fortbestehend anzusehen, wie sie steuerliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, FGO, Stand: Mai 2016, § 57 FGO, Rn. 3-5 m. w. N.; BFH, U. v. 6.5.1977 – III R 19/75 – juris Rn. 12). Daher besteht die … GmbH auch zum jetzigen Zeitpunkt noch fort, so dass die Klägerin als Liquidatorin in Anspruch genommen werden konnte und die Beklagte nicht auf einen früheren Geschäftsführer zurückgreifen muss, der überdies im Ausland lebt (vgl. vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag).
Daher kann auch der Einwand des Klägerbevollmächtigten, die Steuerschuld sei bei der KG zu realisieren, die auf die … GmbH übergegangen sei, nicht durchgreifen. Die Auflösung der KG ändert zum einen nichts an der grundsätzlich fortbestehenden Haftung der Gesellschafter für die im Zeitpunkt ihrer Beteiligung an der KG entstandenen Steuerschulden. Weiter hat die Auflösung der KG vor der Festsetzung der Gewerbesteuer keinen Einfluss auf das Bestehen der Gewerbesteuerpflicht, denn diese berührt die gewerbesteuerliche Existenz der KG nicht. Eine Personengesellschaft wie die KG besteht so lange als Unternehmer fort, bis alle gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und der Beklagten gehört, unter den Gesellschaftern beseitigt sind (vgl. BFH, B. v. 21.9.2006 – V B 102/05 – juris Rn. 5 m. w. N.; VG Köln, U. v. 16.10.2013 – 24 K 5185/11 – juris Rn. 90 und 122 ff.).
Dass die Klägerin möglicherweise im internen Gesellschaftsverhältnis einen Anspruch gegen ihren Mitgesellschafter und Mitliquidator aufgrund einer eventuellen treuwidrigen Entziehung der finanziellen Mittel hat, hat im rechtsgeschäftlichen Außenverhältnis und damit auch auf die Haftung nach den §§ 191 i. V. m. 34, 69 AO keinen Einfluss und musste daher von der Beklagten bei der Ermessensausübung und der Auswahl des richtigen Haftungsschuldners nicht berücksichtigt werden.
jj. Der Haftungsbescheid enthält zu Recht auch eine Zahlungsaufforderung. Nach § 219 AO darf ein Haftungsschuldner nur auf Zahlung in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldner ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Dies ist hier der Fall, da die (aufgelöste) KG ebenso wie die (aufgelöste) … GmbH – wie oben bereits dargelegt – über kein Vermögen mehr verfügen.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 506.391,- festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.