Steuerrecht

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Beschlüssen vom 17.7.2014 VI R 2/12 und VI R 8/12 – Vorlage an das BVerfG: Ausschluss des Werbungskostenabzugs für Berufsausbildungskosten – rückwirkende Geltung der Neuregelung des Abzugs von Berufsausbildungskosten)

Aktenzeichen  VI R 72/13

Datum:
17.7.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Vorlagebeschluss
Normen:
§ 9 Abs 6 EStG 2009 vom 07.12.2011
§ 10 Abs 1 Nr 7 EStG 2009 vom 07.12.2011
§ 12 Nr 5 EStG 2009 vom 07.12.2011
§ 4 Abs 9 EStG 2009 vom 07.12.2011
§ 52 Abs 23d S 5 EStG 2009 vom 07.12.2011
§ 52 Abs 12 S 11 EStG 2009 vom 07.12.2011
Art 3 Abs 1 GG
Art 100 Abs 1 GG
§ 80 Abs 1 BVerfGG
§ 80 Abs 2 S 1 BVerfGG
Art 12 GG
Spruchkörper:
6. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 4. September 2013, Az: 2 K 159/11, Urteilnachgehend BVerfG, 19. November 2019, Az: 2 BvL 22/14, Beschluss

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 9 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als danach Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet und auch keine weiteren einkommensteuerrechtlichen Regelungen bestehen, nach denen die vom Abzugsverbot betroffenen Aufwendungen die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern.

Tatbestand

1
A. Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt, Entscheidung des Finanzgerichts –FG– und Vortrag der Beteiligten)
2
Streitig ist, ob Aufwendungen für die erstmalige Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer als vorweggenommene Werbungskosten anzuerkennen sind.
3
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) vereinbarte mit der X-GmbH Anfang August 2003 einen Schulungsvertrag über seine fliegerische Grundschulung zum Verkehrsflugzeugführer als seine erstmalige Berufsausbildung nach den Standards der X-AG. Die X-AG trug die Kosten der Schulung zum Verkehrsflugzeugführer, der Kläger musste daran allerdings einen Eigenanteil von 40.903 € leisten, der zwölf Monate nach Schulungsbeginn fällig wurde. Während der Schulung hatte der Kläger mit Ausnahme eines Zuschusses zur Kantinenverpflegung von der X-GmbH kein steuer- und sozialversicherungspflichtiges Einkommen. Zur Finanzierung des Eigenanteils hatte die X-AG Anfang August 2003 dem Kläger ein Darlehen über 40.903 € zugesagt, das bei Fälligkeit des Eigenanteils im August 2004 dafür verwendet wurde. Bis zum Beginn eines Arbeitsverhältnisses als Flugzeugführer im X-Konzern war das Darlehen zins- und tilgungsfrei. Schließlich sah der Schulungsvertrag vor, dass dem Kläger nach erfolgreicher Schulung entweder bei der X-AG oder einer unter den Konzerntarifvertrag für das Cockpitpersonal fallenden Gesellschaft ein Arbeitsplatz angeboten werde. Im Juli 2006 bot die X-AG dem Kläger einen Arbeitsplatz an.
4
Der Kläger machte mit seiner Einkommensteuererklärung für 2004 die von ihm getragenen Schulungskosten von 40.903 € sowie die Fahrtkosten von rund 120 € als vorweggenommene Werbungskosten geltend. Er vertrat die Auffassung, dass zwischen ihm und der X-AG ein Ausbildungsdienstverhältnis i.S. von § 12 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592) entsprechend dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) in der für das Streitjahr (2004) gültigen Fassung begründet worden sei, zumal auch die Zinsfreiheit des Darlehens sowie die verbilligte Beköstigung als geldwerte Vorteile/Sachbezüge unstreitig der Lohnsteuer zu unterwerfen seien.
5
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) setzte im Einkommensteuerbescheid für 2004 die Einkommensteuer auf 0 € fest; er berücksichtigte dabei die Schulungskosten nur als Sonderausgaben mit dem Höchstbetrag von 4.000 €. Den Abzug der geltend gemachten Schulungskosten als Werbungskosten lehnte er ab, weil die Schulung weder ein Zweitstudium noch ein Ausbildungsdienstverhältnis sei. Weiter stellte das FA mit Bescheid über die gesonderte Feststellung den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 2004 in Höhe von 3.376 € fest; Grundlage dafür waren negative Einkünfte aus dem Veranlagungszeitraum 2003.
6
Der Kläger machte dagegen im Einspruchsverfahren im Ergebnis erfolglos geltend, dass angesichts des Schulungs- und Darlehensvertrags sowie der Rechnung über die Schulungskosten die steuerlichen Voraussetzungen für ein Ausbildungsdienstverhältnis vorlägen.
7
Mit der dagegen erhobenen Klage begehrte der Kläger die Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von 44.483 €, die sich im Wesentlichen aus den Schulungskosten in Höhe von 40.903 €, aus Verpflegungsmehraufwand durch den Schulungsaufenthalt in den USA in Höhe von 3.240 € sowie aus geschätzten Telefonkosten in Höhe von 120 € und geschätzten sonstigen Nebenkosten in Höhe von 100 € zusammensetzten. Der Kläger machte insbesondere geltend, dass ein Ausbildungsdienstverhältnis vorliege, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2011 VI R 8/09 (BFH/NV 2011, 2038) in einem annähernd identischen Streitfall die Kosten zur Ausbildung als Berufspilot als Werbungskosten abziehbar gewesen seien sowie dass die durch das BeitrRLUmsG geschaffenen Neuregelungen gegen das objektive Nettoprinzip verstießen.
8
Das FG hat aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1995 veröffentlichten Gründen die Klage abgewiesen.
9
Das FA habe die Änderung der Feststellung hinsichtlich der Aufwendungen des Klägers für die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer zu Recht abgelehnt. Die Aufwendungen für die erstmalige Ausbildung zum Berufspiloten im Veranlagungszeitraum 2004 seien gemäß § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 i.V.m. § 52 Abs. 23d, Abs. 30a EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig. Die Ausbildung finde nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt. Die gesetzlichen Neuregelungen verstießen auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
10
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen (Verfassungs)Rechts. Er trägt vor, entgegen der Auffassung des FG liege im Streitfall ein Ausbildungsdienstverhältnis vor, und begründet dies im Einzelnen. Die gesetzlichen Neuregelungen verstießen überdies gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot und gegen das objektive Nettoprinzip.
11
Der Kläger beantragt,das Urteil des FG Schleswig-Holstein aufzuheben und den Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2007 dahin abzuändern, dass ein Verlustvortrag in Höhe von 47.859 € festgestellt wird.
12
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
13
Zur Begründung nimmt das FA in vollem Umfang auf das Urteil des FG Bezug.

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