Aktenzeichen II R 60/11
§ 146 Abs 3 BewG 1991 vom 20.12.1996
§ 146 Abs 7 BewG 1991 vom 20.12.1996
§ 42 AO
§ 12 Abs 3 ErbStG 1997
§ 138 Abs 1 S 2 BewG 1991
§ 138 Abs 3 BewG 1991
§ 138 Abs 5 BewG 1991
Leitsatz
1. NV: Der Bewertung eines bebauten Grundstücks für Zwecke der Erbschaftsteuer ist nach der bis 2006 geltenden Rechtslage regelmäßig auch dann die im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielte Miete zugrunde zu legen, wenn diese niedriger als die übliche Miete war und die Vermietung zwischen verbundenen Unternehmen erfolgte.
2. NV: Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gemäß § 146 Abs. 7 BewG a.F. kann nur durch ein Gutachten erbracht werden, das der örtliche zuständige Gutachterausschuss oder ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken erstellt hat.
Verfahrensgang
vorgehend FG Nürnberg, 6. Oktober 2011, Az: 4 K 1968/2009, Urteil
Tatbestand
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I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Familienstiftung, deren Vermögen zum 30. September 2003 nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) der Erbschaftsteuer (Erbersatzsteuer) unterlag. Zu dem Vermögen gehörten insbesondere Beteiligungen an der Unternehmensgruppe X.
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Der im Inland steuerpflichtige Teil der Unternehmensgruppe bestand am Bewertungsstichtag im Wesentlichen aus operativen Regionalgesellschaften sowie aus Grundstücksgesellschaften. Die Klägerin war jeweils in Höhe von 74,25 % an diesen Gesellschaften beteiligt. Eine solche Beteiligung bestand auch an der Grundstücksgesellschaft, die wiederum Alleingesellschafterin einer GmbH war, die Eigentümerin des im Streitfall zu bewertenden Grundstücks ist. Dieses Grundstück wurde 2001 mit einem Einkaufsmarkt bebaut. Die für das bebaute Grundstück aufgewandten Gesamtinvestitionen beliefen sich zum 30. September 2003 auf 3.511.422,41 €. Davon entfielen auf den Grund und Boden 2.310.473,30 €, auf das Gebäude 778.180,96 € und auf die Außenanlagen 422.768,15 €.
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Das bebaute Grundstück wurde ab dem 1. August 2001 an eine der Regionalgesellschaften der Unternehmensgruppe vermietet. Es wurde –wie seit dem 1. Januar 1999 in der Unternehmensgruppe üblich– eine jährliche, an den Lebenshaltungskostenindex anzupassende Investitionsmiete von 4,5 % der Gesamtinvestition vereinbart.
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Danach betrug die Nettokaltmiete für die Zeit von August 2001 bis September 2003 jährlich 154.049,16 €. Unter Hinweis auf ein Verkehrswertgutachten beantragte die Klägerin den Ansatz eines niedrigeren gemeinen Wertes in Höhe von 1.400.000 €. Dieses Gutachten hatte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellt.
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Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) folgte bei der Bewertung des Grundstücks weder dem Gutachten noch berücksichtigte er die gezahlten Mieten. Das FA stellte vielmehr mit Bescheid vom 28. März 2008 den Grundbesitzwert auf den Besteuerungsstichtag 30. September 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer in Höhe von 3.259.000 € fest. Der Berechnung legte es eine seiner Ansicht nach übliche Jahresmiete in Höhe von 7,5 % der Investitionssumme, einen Vervielfältiger von 12,5 und eine Alterswertminderung von 1 % zugrunde. Der Einspruch blieb erfolglos.
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Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte den Grundbesitzwert auf 2.607.000 € herab. Dabei vertrat es die Ansicht, dass das vorgelegte Verkehrswertgutachten auch in der im Klageverfahren vorgelegten Fassung nicht geeignet sei, den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes des Grundstücks zu erbringen. Bei der Ermittlung des Grundbesitzwertes sei wegen Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 der Abgabenordnung in der im Streitjahr gültigen Fassung (AO) nicht der vereinbarte, sondern gemäß § 146 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (BewG) der übliche Mietzins anzusetzen. Dieser betrage 6 % der Investitionssumme.
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Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Die Klägerin ist der Ansicht, das FG habe zu Unrecht die Feststellungen des Verkehrswertgutachtens einschließlich der ergänzenden Ausführungen im Klageverfahren nicht bei der Bewertung des Grundstücks berücksichtigt. Dies verstoße gegen § 146 Abs. 7 BewG, der dem Steuerpflichtigen die Wahl der Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Grundstückswertes freistelle. Das Gutachten sei zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes geeignet. Die Einwendungen des FG seien durch substantiiertes Parteivorbringen und Erläuterungen im finanzgerichtlichen Verfahren widerlegt worden.
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Folge man den Feststellungen des Gutachtens nicht, müsse der Wertfeststellung die vertraglich vereinbarte Jahresmiete für das Grundstück zugrunde gelegt werden. Der Ansatz einer üblichen Miete komme nicht in Betracht. Die Grundstückswerte seien in typisierender Weise zu ermitteln. Außerhalb der in § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG ausdrücklich genannten Fälle sei nicht zu prüfen, ob die tatsächliche Jahresmiete der üblichen Miete entspreche. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO liege nicht vor. Die in der Unternehmensgruppe zum 1. Januar 1999 generell vorgenommene Herabsetzung der Investitionsmiete von 6 % auf 4,5 % habe auf zahlreichen Mietwertgutachten beruht und zudem der Vermeidung der Anwendung des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gedient.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 30. September 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 28. März 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2009 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert in Höhe von 1.400.000 € festgestellt wird.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Es hat seine zunächst eingelegte Revision mit Schriftsatz vom 27. Juni 2012 zurückgenommen.