Steuerrecht

Kein Anspruch auf Beihilfe für Ruhestandsbeamten bei Versäumung der Antragsfrist

Aktenzeichen  B 5 K 15.742

Datum:
24.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 96 Abs. 3a
BayBhV Art. 48 Abs.6
BayVwVfG BayVwVfG Art. 32 Abs. 2

 

Leitsatz

Als Hindernis wird vorliegend die Unkenntnis von der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemacht. Zwar ist eine Wiedereinsetzung in die versäumte Zwei-Wochen-Frist nach Art. 32 II 1 BayVwVfG  grundsätzlich möglich, die bloße Unkenntnis dieser Frist ist dabei jedoch nicht ausreichend, so dass jedenfalls keine unverschuldete Versäumung dieser Frist gegeben ist. (redaktioneller Leitsatz)
Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt eine Fristversäumnis grundsätzlich nicht (wie BVerwG, NJW 1997, 2966); dies gilt auch für beihilferechtliche Antragsfristen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage konnte gem. § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten insoweit ihr Einverständnis erklärt haben.
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 18. Juni 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 17. September 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Festsetzung weiterer Beihilfe in Höhe von 194,49 Euro (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
a) Ruhestandsbeamte und deren Ehegatten erhalten gem. Art. 96 Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) Beihilfen als Ergänzung der aus den laufenden Bezügen zu bestreitenden Eigenvorsorge. Nach Art. 96 Abs. 2 BayBG werden Beihilfeleistungen dabei zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge gewährt. Dies setzt nach der Regelung in Art. 96 Abs. 3a BayBG, § 48 Abs. 6 Satz 1 Bayerische Beihilfeverordnung (BayBhV) jedoch voraus, dass die Beihilfe innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung beantragt wird.
Vorliegend hat der Kläger in seinem Antrag vom 14. Mai 2015, welcher am 20. Mai 2015 bei der Beihilfestelle einging, unter anderem Aufwendungen mit Rechnungsdatum 11.12.2013, 13.12.2013, 16.12.2013, 4.2.2014, 24.2.2014 und 19.3.2014 (zwei Rechnungen) in einer Gesamthöhe von 312,13 Euro geltend gemacht. Die Jahresfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG, § 48 Abs. 6 BayBhV zur Beantragung von Beihilfeleistungen war für diese Aufwendungen im Zeitpunkt des Antragseingangs bei der Beihilfestelle bereits abgelaufen, da zu diesem Zeitpunkt (Ablauf des 20. Mai 2015) die Jahresfrist für alle vor dem 20. Mai 2014 entstandenen Aufwendungen ablief (Art. 31 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG – i. V. m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Ein Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Beihilfeleistungen zu diesen streitgegenständlichen Aufwendungen ist somit wegen Versäumung der genannten Ausschlussfrist erloschen und kann folglich nicht mehr geltend gemacht werden.
b) Der Kläger kann hinsichtlich der Versäumung der Antragsfrist nach Art. 96 Abs. 3a BayBG, § 48 Abs. 6 BayBhV auch nicht mit Erfolg Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen. Nach Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist gem. Art. 32 Abs. 2 BayVwVfG innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, wobei Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen sind und die versäumte Handlung innerhalb dieser Frist nachzuholen ist. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war, Art. 32 Abs. 3 BayVwVfG.
Der Kläger macht, vertreten durch seine Ehefrau, in seinem Widerspruchsschreiben vom 28. Juni 2015, eingegangen am 2. Juli 2015, geltend, die Ehefrau sei aufgrund gesundheitlicher Probleme mit dem Ischiasnerv außer Stande gewesen, schriftliche Arbeiten zu verrichten und den Beihilfeantrag für die streitgegenständlichen Aufwendungen fristgerecht einzureichen. Darüber hinaus lässt der Kläger in der Klagebegründung vortragen, er und seine Ehefrau hätten von der maßgeblichen Jahresfrist keine Kenntnis gehabt.
Bei der versäumten Jahresfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG, § 48 Abs. 6 BayBhV handelt es sich zwar um eine gesetzliche Frist i. S. d. Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert indes bereits daran, dass die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist gem. Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG nicht eingehalten wurde. Stellt man auf die Erkrankung der Ehefrau des Klägers als maßgebliches Hindernis für die rechtzeitige Geltendmachung der Beihilfeansprüche ab, so war dieses Hindernis spätestens mit der Erstellung des Beihilfeantrags am 14. Mai 2015 weggefallen. Der Kläger hätte somit bis zum Ablauf des 28. Mai 2015 Wiedereinsetzung in die versäumte Jahresfrist beantragen müssen. Als Wiedereinsetzungsantrag kann indes frühestens das Widerspruchsschreiben des Klägers vom 28. Juni 2015 ausgelegt werden, welches erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist am 2. Juli 2015 bei der Beihilfestelle einging. In dem Formblattantrag vom 14. Mai 2015 allein kann ein Wiedereinsetzungsbegehren nicht gesehen werden.
Auch kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, in dem Widerspruchsschreiben vom 28. Juni 2015 sei konkludent ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist zu erblicken (sog. „Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzung“). Der Kläger war insoweit nicht ohne Verschulden daran gehindert, die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist in Bezug auf den Wiedereinsetzungsantrag in die versäumte Jahresfrist für die Beantragung der Beihilfe einzuhalten. Als Hindernis wird vorliegend die Unkenntnis von der Wiedereinsetzungsfrist nach Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG geltend gemacht. Zwar ist eine Wiedereinsetzung in die versäumte Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich möglich (vgl. BVerwG, B.v. 5.9.1985 – 5 C 33/85 – DVBl. 1986, 287; BayVGH, U.v. 6.5.1977 – 163 X 76 – BayVBl. 1978, 246), die bloße Unkenntnis dieser Frist ist dabei jedoch nicht ausreichend, so dass jedenfalls keine unverschuldete Versäumung dieser Frist gegeben ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage, § 32 Rn. 46). Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt eine Fristversäumnis grundsätzlich nicht (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 38/95 – NJW 1997, 2966).
Gleiches gilt auch, wenn als maßgebliches Hindernis für die rechtzeitige Geltendmachung der Beihilfeansprüche auf die Unkenntnis des Klägers bzw. seiner Ehefrau hinsichtlich der Jahresfrist nach Art. 96 Abs. 3a BayBG, § 48 Abs. 6 BayBhV abgestellt wird. Auch insoweit vermag mangelnde Rechtskenntnis den Kläger jedenfalls nicht zu entschuldigen.
Der Hinweis des Klägers auf seine mittlerweile über 50 Jahre bestehende Beihilfeberechtigung geht ebenfalls ins Leere, da dem Beklagten hinsichtlich der im Beihilferecht vorgesehenen Jahresfrist kein Ermessensspielraum zusteht. Der Kläger kann eine Erstattung der streitgegenständlichen Aufwendungen somit nicht verlangen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dier Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 124 und § 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth, Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth, schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in den § 3 und § 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach, einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 194,49 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, 3 GKG.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Streitwertbeschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth, Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth, oder Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Beschlusses eingelegt werden. Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach, eingeht.

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