Aktenzeichen M 15 K 13.4194
SGB X SGB X § 45 Abs. 1
Leitsatz
1 Liegen hinsichtlich eines auf den Namen eines Auszubildenden lautenden Wertpapierdepots weder rechtliche noch gesetzliche Verwertungshindernisse vor, führt auch die Berufung auf moralische Gründe – kein Handeln gegen den mutmaßlichen Willen des ursprünglichen Vermögensinhabers – nicht zu einer (unbeachtlichen) Unverwertbarkeit des Vermögens aus sittlichen Gründen. (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Eine rechtlich anzuerkennende Treuhandschaft setzt eine schuldrechtliche Vereinbarung voraus, aus der sich ergeben muss, dass die mit der rechtlichen Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis zugunsten des Treugebers eingeschränkt ist. Die Treuhandabrede muss die Weisungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem Treuhänder und dessen Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treugutes zum Gegenstand haben, darüber hinaus muss die Vereinbarung eines entsprechenden Auftrags-, Geschäftsbesorgungs- oder Darlehensverhältnisses ernsthaft gewollt sein und es muss eine konkrete, mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zustande gekommene Absprache nachgewiesen werden (BVerwG BeckRS 2008, 40958). (red. LS Clemens Kurzidem)
3 An den Nachweis eines Treuhandverhältnisses unter Angehörigen durch den Auszubildenden im Zusammenhang mit beantragter Ausbildungsförderung sind wegen der Missbrauchsgefahr bei solchen Abreden strenge Anforderungen zu stellen (BVerwG BeckRS 2008, 40958). (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Die Frage, ob ein ausbildungsförderungsrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis unter Familienangehörigen vorliegt, ist, da die relevanten Umstände oft in familiären Beziehungen wurzeln bzw. sich als innere Tatsachen darstellen, am Vorliegen äußerlich erkennbarer Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) zu beurteilen. (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Eine Anrechnung zugewandten Vermögens kommt auch bei einer Zweckschenkung bzw. einer aufschiebend bedingten Schenkung nicht in Betracht, weil in diesem Fall dem Schenker entweder ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch zustände oder das Vermögen noch nicht der Verfügungsgewalt des Auszubildenden unterläge. (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I.
Der Bescheid des Landratsamtes Rosenheim vom 1. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 21. August 2013 wird aufgehoben.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Landratsamtes Rosenheim vom 1. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 21. August 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) kann der Leistungsträger einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, wenn der Begünstigte deswegen nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen durfte, weil dieser auf Angaben beruht, die er grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Soweit ein Verwaltungsakt zurückgenommen worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwingend zu erstatten.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Die ursprünglich an die Klägerin gerichteten begünstigenden Bescheide, mit denen ihr Ausbildungsförderung für den Zeitraum 8/2006 bis 7/2010 bewilligt worden war, waren vielmehr rechtmäßig. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung hatte die Klägerin kein den Freibetrag übersteigendes Vermögen. Der gegenständliche Betrag i. H. v. EUR 23.500,– nebst Zinsen (abzüglich eines fiktiven Vermögensverbrauchs ab dem August 2007) ist nämlich nicht zum Vermögen der Klägerin zu rechnen, so dass ihr im streitgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch auf die bewilligte Ausbildungsförderung zustand.
Nach § 1 BAföG hat ein Auszubildender Anspruch auf Ausbildungsförderung, wenn ihm die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Auf seinen Förderbedarf sind nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BAföG u. a. eigenes Einkommen und Vermögen anzurechnen. Zum Vermögen des Auszubildenden zählen nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG Forderungen und sonstige Rechte, wobei nach § 28 Abs. 2 BAföG deren Wert zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist.
Zwar befanden sich zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung am 14. Juli 2006 auf dem formal auf den Namen der Klägerin laufenden Depot Nr. … bei der Volksbank … unstrittig Bundesschatzbriefe im Nennwert von 23.500,- €. Diese waren jedoch nicht bei der Berechnung eines etwaigen Ausbildungsförderungsanspruchs als Vermögen der Klägerin zu berücksichtigen, da ihr das Guthaben aus den Wertpapieren aufgrund einer bestehenden Treuhandabrede in Höhe von 15.500,– € sowie einer Zweckschenkung in Höhe von 8.000,- € nicht als eigenes Vermögen zuzurechnen ist und es somit entweder nicht um Vermögen im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG handelt oder ein Herausgabeanspruch aus dem Treuhandverhältnis nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG abzuziehen wäre.
Hinsichtlich der Bundesschatzbriefe im Nennwert von 23.500,- € war die Klägerin zwar nach dem objektiv für die Bank erkennbaren Willen Gläubigerin des entsprechenden Guthabens, da das Depot Nr. … bei der Volksbank … auf den Namen der Klägerin eingerichtet war und keinerlei Verfügungsbeschränkungen mit der Bank zulasten der Klägerin vereinbart waren (BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12/08 – DVBl 2009,129 unter Hinweis auf BGH, U.v. 18.10.1994 – XI ZR 237/93 – BGHZ 127, 229). Dementsprechend sollte die Klägerin nach dem für die Bank erkennbaren Willen der die Kontoeröffnung beantragenden Großmutter der Klägerin Gläubigerin der Einlage werden. Ein etwaiger anderweitiger Vorbehalt bei der Kontoerrichtung wäre gemäß § 116 Satz 1 BGB unbeachtlich gewesen. Es existierten auch keine schriftlichen Kontounterlagen, nach denen nicht die Klägerin, die in den Kontounterlagen als Kontoinhaberin bezeichnet ist, sondern ein Dritter im Verhältnis zur Bank Rechte auf das Guthaben erwerben sollte. Entsprechende mündliche Abreden wären regelmäßig nichtig (BayVGH, U.v. 28.1.2009 a. a. O. unter Hinweis auf BGH, U.v. 2.2.1994, a. a. O.). Im Zusammenhang der Forderungsinhaberschaft ist es auch unbeachtlich, aus wessen Mitteln die auf ein Konto eingezahlten Gelder stammen (BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 30/07 – BVerwGE 132, 10).
Es lagen im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung auch keine rechtlichen oder gesetzlichen Verwertungshindernisse (vgl. hierzu Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Stand Mai 2015, Anm. 10 zu § 27) vor, die die Klägerin an einer Verwertung der Wertpapiere gehindert hätten. Sie hätte über diese verfügen können, ohne dass sie aus objektiven Gründen darin beschränkt war. Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie aus moralischen Gründen nie gegen den Willen ihrer Großmutter gehandelt hätte, handelt es sich allenfalls um eine unbeachtliche Nichtverwertbarkeit aus sittlichen Gründen (Rothe/Blanke, a. a. O., Anm. 10.2 zu § 27). Andere Verwertungshindernisse wurden von der Klägerin nicht vorgetragen.
Allerdings scheidet hier eine Zurechnung des Vermögens zur Klägerin aus, da hinsichtlich des Betrags von 15.500,- € eine Treuhandabrede zwischen der Klägerin und ihrer Großmutter bestand (vgl. nachfolgend unter 1.) und in Höhe des Betrags von 8.000,- € eine Zweckschenkung bzw. eine aufschiebend bedingte Schenkung der Großmutter an die Klägerin vorlag (vgl. nachfolgend unter 2.).
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Anerkennung von Verbindlichkeiten aus Treuhandabreden bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht ausgeschlossen. Das gilt auch für sogenannte verdeckte Treuhandverhältnisse (BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12/08 – juris).
Ein Treuhandvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in der Ausübung der sich aus dem Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (BSG, U.v. 28.8.2007 – B 7/7a AL 10/06 R – juris). Eine rechtlich anzuerkennende Treuhandschaft setzt eine entsprechende schuldrechtliche Vereinbarung voraus, aus der sich ergeben muss, dass die mit der rechtlichen Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis zugunsten des Treugebers eingeschränkt ist. Die Treuhandabrede muss die Weisungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem Treuhänder und dessen Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treugutes zum Gegenstand haben. Die Vereinbarung eines entsprechenden Auftrags-, Geschäftsbesorgungs- oder Darlehensverhältnisses muss ernsthaft gewollt sein und es muss eine konkrete, mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zustande gekommene Absprache nachgewiesen werden. Dabei muss das Handeln des Treuhänders im eigenen Namen wegen der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge eindeutig erkennbar sein (BayVGH, B.v. 1.10.2013 – 12 ZB 13.1738 – juris unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12/08 – juris). An den Nachweis eines solchen Treuhandverhältnisses unter Angehörigen durch den Auszubildenden im Zusammenhang mit beantragter Ausbildungsförderung sind wegen der Missbrauchsgefahr bei solchen Abreden strenge Anforderungen zu stellen (BayVGH, U.v. 28.1.2009 a. a. O.).
Entsprechend diesen Vorgaben ist der Treuhandcharakter eines Kontos oder Depots nur anzunehmen, wenn eine entsprechende Treuhandabrede zivilrechtlich wirksam zustande gekommen und dies von dem insoweit darlegungspflichtigen Auszubildenden auch nachgewiesen worden ist. Zur Klärung der Frage, ob überhaupt ein wirksamer Treuhandvertrag geschlossen worden ist und welchen Inhalt dieser gegebenenfalls hat, sind alle Umstände des Einzelfalles sorgsam zu würdigen. Soweit die tatsächlichen Grundlagen des Vertragsschlusses der Sphäre des Auszubildenden zuzuordnen sind, obliegt ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht insoweit zu seinen Lasten. Da die relevanten Umstände oft in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig nicht zweifelsfrei feststellbar sind, ist es zudem gerechtfertigt, für die Frage, ob ein entsprechender Vertragsschluss vorliegt, äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen (vgl. BVerwG, a. a. O.; SächsOVG, U. v. 9.2.2012 – 1 A 532/10 – juris).
Ein gewichtiges Beweisanzeichen im zuvor genannten Sinne ist etwa die Separierung des Treuguts. Für die Beantwortung der Frage, ob überhaupt eine wirksame Treuhandvereinbarung geschlossen worden ist, ist zu berücksichtigen, dass die vorhandenen gesetzlichen Regelungen über treuhänderisches Vermögen regelmäßig vorschreiben, das Treugut vom eigenen Vermögen des Treuhänders getrennt zu halten (vgl. § 292 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 2 DepotG). Die zivilgerichtliche Rechtsprechung erkennt auch ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO bei einem Treuhandkonto nur an, wenn das Konto ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt ist. Ein zivilrechtlicher Herausgabeanspruch gegen den Treuhänder aus einem Auftragsverhältnis kann aber auch dann bestehen, wenn der Treuhänder empfangenes Geldvermögen abredewidrig nicht getrennt von seinem Vermögen verwahrt hat. Ist allerdings die Separierung des Treuguts schon nicht Bestandteil des behaupteten Vertrages und hat der angebliche Treuhänder das Empfangene auch tatsächlich nicht von seinem eigenen Vermögen getrennt, so ist in der Regel davon auszugehen, dass die Beteiligten eine verbindliche Treuhandvereinbarung tatsächlich nicht getroffen haben (BVerwG, a. a. O.).
Ferner spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit eines behaupteten Vertragsschlusses, wenn der Inhalt der Abrede und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt werden. Gleiches gilt, wenn ein plausibler Grund für den Abschluss des Vertrages nicht genannt werden kann. Zweifel am Eingehen einer entsprechenden Verbindlichkeit können ferner berechtigt sein oder bestätigt werden, wenn die Durchführung des Treuhandvertrages nicht den geltend gemachten Vereinbarungen entspricht und die Abweichung nicht nachvollziehbar begründet werden kann. Ebenso lässt es sich als Indiz gegen einen wirksamen Vertragsschluss werten, wenn der Auszubildende eine treuhänderische Bindung (von Teilen) seines Vermögens nicht von vornherein in seinem Antragsformular bezeichnet hat, sondern erst geltend macht, nachdem er der Behörde gegenüber nachträglich einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen. Für das Vorliegen eines beachtlichen Treuhandverhältnisses während eines in der Vergangenheit liegenden Bewilligungszeitraums kann es dagegen sprechen, wenn das Treugut nachweislich bereits zu dem Zeitpunkt an den Treugeber zurückgegeben worden war, zu dem der Auszubildende zum ersten Mal das Treuhandverhältnis offenlegte und sich damit erstmals die Frage seiner ausbildungsförderungsrechtlichen Anrechnung stellte (BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12/08 – juris).
Gemessen an diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist das Gericht vorliegend bei Würdigung aller Gesamtumstände davon überzeugt, dass zwischen der Klägerin und ihrer Großmutter ein Treuhandverhältnis vorgelegen hat.
Zwar spricht gegen eine Treuhandabrede, dass die Klägerin nicht bereits in den Antragsformularen die Umstände offen gelegt hat.
Für ein Treuhandverhältnis spricht aber zum einen, dass die Klägerin das Vorliegen einer Treuhandabrede substantiiert hat darlegen können. Auch wenn sie die geschilderte Abmachung mit ihrer Großmutter zunächst nicht als Treuhandabrede bezeichnet hatte, hat sie bereits mit der Aufforderung des Beklagten vom 14. Mai 2012 zur Offenlegung von Vermögen an den Stichtagen der BAföG-Antragstellungen einen Sachverhalt dargelegt, der einem Treuhandverhältnis im oben beschriebenen Sinn entspricht. Die Klägerin hat im gesamten Verwaltungsverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren widerspruchsfrei und nachvollziehbar das Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung geschildert, was von der Großmutter der Klägerin in ihrer Einvernahme als Zeugin auch bestätigt worden ist. Die Klägerin, die zur Zeit der Anlage des Wertpapierdepots im Juli 2004 schon volljährig war, konnte eine solche Treuhandabrede auch wirksam abschließen. Die Klägerin war zudem von Anfang an bemüht, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dies spricht dafür, dass die Klägerin zu Lebzeiten der Großmutter auf das Depot nicht zugreifen durfte.
Hierfür spricht ferner die Tatsache, dass die Großmutter der Klägerin eine Vollmacht über das Depot und das Sparbuch, über das die Depotgeschäfte abgewickelt wurden, hatte.
Das Gericht hält die Aussagen der Klägerin und ihrer Großmutter für glaubhaft. Die Großmutter hat den Sachverhalt sicher und stimmig vorgetragen. Auch für die Klägerin möglicherweise negative Gesichtspunkte, etwa ihre Vorstellung, dass das Geld „ja für die Klägerin sein sollte“, hat sie nicht weggelassen. Die Schilderung der Zeugin stimmt zudem in allen wesentlichen Aspekten, die die Verwendung des Wertpapierdepots betreffen, mit den Angaben der Klägerin überein.
Für das Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung spricht insbesondere auch, dass anhand der vorgelegten Belege lückenlos nachgewiesen werden konnte, wie das Depot im Wert von 23.500,- € in mehreren Schritten – in einem Zeitraum, der sich über mehrere Monate erstreckte – aufgelöst worden ist, über das Sparkonto Nr. … bei der Volksbank … an den Vater der Klägerin gegangen ist und von diesem – mit Ausnahme eines kleinen Teilbetrags, der ihm von der Großmutter überlassen worden ist – wieder der Großmutter der Klägerin zugeflossen ist.
Der Umstand, dass die Zeugen sowie die Klägerin angegeben haben, dass die Wertpapiere fällig geworden seien und der entsprechende Geldbetrag im Anschluss an den Vater der Klägerin zur Aufbewahrung übergeben worden sei, lässt keine Zweifel am Bestehen einer Treuhand aufkommen. Zwar war die Gesamtfälligkeit der Wertpapiere nach den Depot-Auszügen am 1. Juli 2010 (vgl. Blatt 165 BA), mit der Gesamtfälligkeit hätte es auch keiner gesonderten Auflösung bedurft. Vorliegend wurde das Depot aber – anders als von der Klägerin und ihrer Großmutter vorgetragen – vorzeitig durch aktives Handeln aufgelöst. Diese vermeintlichen Unstimmigkeiten wertet das Gericht aber nicht als Widerspruch: Die Formulierung, dass etwas „fällig“ geworden ist, kann von juristischen Laien nämlich sowohl für den Fall der Fälligkeit nach dem Ende des vorgesehenen Zeitraums der Geldanlage verwendet werden, als auch für eine Auszahlung nach einer Fälligkeit als Folge einer vorgenommenen Kündigung. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass die genauen Umstände wegen des seither vergangenen Zeitraums nicht mehr erinnerlich waren. Zudem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben, zur Auflösung des Kontos veranlasst worden zu sein, weil sich die Geldanlage nicht mehr lohne. Die Großmutter der Klägerin hat angegeben, dass sie beschlossen habe, das Depot aufzulösen und es wegen der „Unruhe in der Bank“ nicht mehr anlegen zu wollen. Auch dies spricht für die Interpretation, dass mit „Fälligkeit“ die Auszahlung nach der Auflösung gemeint war. Darüber hinaus kann für die Großmutter ein nachvollziehbares Motiv für die vorzeitige Auflösung der Wertpapiere die zu diesem Zeitpunkt bestehende Bankenkrise, die im August 2008 und damit kurz vor Auflösung des Depots, ihren Höhepunkt hatte, gewesen sein. Dies hat sie wohl gemeint, indem sie von einer „Unruhe in der Bank“ gesprochen hat. Für das Gericht ist in diesem Zusammenhang auch die Bitte an ihren Sohn, das Geld zu verwahren – gerade wegen des zeitlichen Zusammenhangs der Auflösung der Wertpapiere mit der Bankenkrise und im Hinblick auf die Aussage der Großmutter, eine Anlage bei der Bank lohne sich nicht mehr – nachvollziehbar.
Für die Glaubwürdigkeit des klägerischen Vortrags – insbesondere auch im Zusammenhang mit der Auflösung des Depots – spricht zudem, dass die Wertpapiere erst im November 2008 sukzessive über mehrere Monate aufgelöst wurden, somit zu einer Zeit, als die Klägerin schon drei BAföG-Anträge gestellt hatte, die auch bewilligt worden waren. Insbesondere die Tatsache, dass das Vermögen nicht vor dem BAföG-Antrag vom 16. September 2008 aufgelöst wurde, wertet das Gericht als wesentliches Indiz, dass andere Motive als die Vermeidung einer Anrechnung im Rahmen der BAföG-Antragstellungen für die Auflösung des Wertpapierdepots eine Rolle gespielt haben.
Für eine Treuhandvereinbarung spricht auch die von der Rechtsprechung geforderte Separierung des Treuguts, die von der Klägerin vollzogen worden ist. Das Depotguthaben wurde nicht mit anderem Vermögen der Klägerin vermischt. Das Gericht hat von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Eindruck erhalten, dass sie das Depotguthaben nicht als „ihr“ Vermögen angesehen hat.
Zudem erkennt das Gericht keine Anhaltspunkte dafür, dass bis zur Auflösung des Depots von der Treuhandvereinbarung abgewichen worden ist.
Schließlich wertet das Gericht zugunsten der Klägerin insbesondere auch den Umstand, dass das auf den Namen der Klägerin laufende Sparbuch Nr. … (zuvor Nr. …) bei der Volksbank …, über das die Buchungsvorgänge, die das Wertpapierdepot betrafen, abgewickelt worden sind, nach übereinstimmender Aussage der Klägerin und ihrer Großmutter in den Händen der Großmutter verblieben ist. Diese hatte Vollmacht für dieses Konto und auch die Kontoauszüge, die dieses Konto betrafen, wurden an die Postanschrift der Großmutter übersandt.
Die Rechtsprechung zu Sparbüchern, die auf den Namen des Auszubildenden angelegt sind, geht in den Fällen, in denen das Sparbuch nicht im Besitz des Auszubildenden ist, regelmäßig davon aus, dass der auf einem derartigen Sparbuch verbriefte Geldbetrag einem Auszubildenden mangels Besitzes des Sparbuchs tatsächlich nicht zur Verfügung steht und damit die Rechtfertigung fehlt, ihm diese Geldmittel zuzurechnen (vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2012 – 12 ZB 12.184 – juris Rn. 14). Wenngleich diese Rechtsprechung hier nicht unmittelbar anwendbar ist, da das Sparbuch nur als Verrechnungskonto für das Wertpapierdepot verwendet wurde, ist die Tatsache, dass die Klägerin nicht im Besitz des Sparbuchs, über das die Depotgeschäfte abgewickelt wurden, gewesen ist, ein gewichtiges Indiz dafür, dass nicht gewollt war, dass ihr das Depotguthaben schon zu Lebzeiten der Großmutter zustehen sollte, was wiederum wesentlich für die Glaubwürdigkeit der Treuhandvereinbarung spricht.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Erlöse aus den Wertpapierverkäufen aus dem Depot Nr. … bei der Volksbank … über das Verrechnungskonto Nr. 7… bei der gleichen Bank auf das Konto Nr. … bei der VR Bank … eG in … geflossen sind und dieses Konto ebenfalls auf den Namen der Klägerin lautete. Die Klägerin und ihr Vater haben in der mündlichen Verhandlung versichert, dass dieses Konto ausschließlich von den Eltern der Klägerin genutzt wurde, die aufgrund einer Privatinsolvenz über kein eigenes Konto verfügten. Der Vortrag, dass das Konto nur von den Eltern genutzt worden sei, ist auch glaubhaft, da zum einen die Klägerin und ihr Vater dies widerspruchsfrei und übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung ausgesagt haben und zum anderen die Klägerin, die in Schleswig-Holstein studierte und wohnte, bei ihren BAföG-Anträgen andere Bankverbindungen (Volksbank … eG bzw. Volksbank …) angegeben hatte, während die Eltern der Klägerin beide in … wohnten. Den vorgelegten Kontoauszügen zum Girokonto bei der VR Bank … eG sind zudem bis auf die Eingänge der Erlöse aus dem Wertpapierverkauf sowie die Abbuchung der entsprechenden Beträge ausschließlich Buchungen zu entnehmen, die den Eltern der Klägerin zuzurechnen sind (insbes. Lohnzahlungen für die Mutter, Rechnungen der Telekom – Kundenbuchhaltung …, Flugtickets bei der Lufthansa auf den Namen der Eltern der Klägerin, Stadtwerke …).
2. Hinsichtlich des Betrags von 8.000,- € geht das Gericht ebenfalls davon aus, dass eine Vermögenszurechnung zur Klägerin nicht in Betracht kommt, unabhängig davon, ob man eine rechtswirksame Zweckschenkung annimmt oder eine aufschiebend bedingte Schenkung. Bei Annahme einer Zweckschenkung stünde für den Fall, dass der vereinbarte Zweck – vorliegend die Gründung eines eigenen Haushalts bzw. ein Wohnungs- oder Hauskauf – nicht erreicht wird, dem Schenker ein Rückforderungsrecht nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB als Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung zu (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Komm., 61. Aufl., § 525 Rn. 11). Eine Anrechnung der 8.000,- € nach §§ 11 Abs. 2, 26 ff. BAföG käme auch dann nicht in Betracht, wenn man die Vereinbarung als eine nach § 158 Abs. 1 BGB aufschiebend bedingte Schenkung ansehen würde, bei welcher die Klägerin die Verfügungsgewalt über das betreffende Guthaben erst zu dem Zeitpunkt erlangen sollte, in welchem sie sich zur Verwendung des Geldbetrags zum vorgesehenen Zweck entscheiden sollte.
Nach alledem war das Wertpapierkonto kein auf den ausbildungsrechtlichen Bedarf der Klägerin anrechenbares Konto. Daher war der Klage vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).