Aktenzeichen 7 U 1899/15
Leitsatz
1 Wird durch einen Vergleichsvertrag ein Ausscheidungsdatum aus einer Gesellschaft explizit festgelegt, dann ist dieses maßgebend. Die Folgen gelten auch für das Steuerrecht und das Erstellen einer Steuererklärung. (red. LS Andy Schmidt)
2 Bei der Frage der steuerlichen Behandlung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung kommt es bei beiderseitigem Anspruchsverzicht auf die tatsächlichen Geldzuflüsse und Verlustzuweisungen an. (red. LS Andy Schmidt)
Verfahrensgang
13 HK O 10970/14 2015-04-28 Urt LGMUENCHENI LG München I
Gründe
Oberlandesgericht München
Az.: 7 U 1899/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 27.01.2016
13 HK O 10970/14 LG München I
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger und Berufungskläger –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
…
– Beklagte und Berufungsbeklagte –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
wegen Vornahme einer Handlung
erlässt das Oberlandesgericht München – 7. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2016 folgendes
Endurteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.04.2015, Az. 13 HK O 10970/14, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe:
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Finanzamt im Hinblick auf die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2011, 2012, 2013.
Der Kläger war zusammen mit seinem Bruder Jürgen S. Kommanditist der Beklagten. Zum Inhalt des Gesellschaftsvertrags wird auf die Anlage B 1 verwiesen. In einem vor dem Landgericht München I geführten Rechtsstreit schlossen die Parteien am 21.02.2013 einen Vergleich, der neben dem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft zum 21.02.2013 (Ziffer 2.) insbesondere Vereinbarungen dahingehend enthält, dass die Beklagte auf den Ausgleich eines „etwaigen negativen Gesellschafterverrechnungskontos des Klägers zum heutigen Tage“ verzichtete (Ziffer 4.) und sich die Parteien darüber einig waren, dass „damit sämtliche wechselseitigen Ansprüche abgegolten und erledigt sind“ (Ziffer 9.) (vgl. Anlage B 2).
Zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses lagen die festgestellten Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2010/2011, 2011/2012 und 2012/2013 nicht vor. Der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2009/2010 wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 18.10.2010 (vgl. Anlage B 4) festgestellt. Er weist ein negatives Gesellschafterkonto des Klägers in Höhe von ca. 160.000,00 Euro aus (vgl. Anlage B 3, S. 19).
Mit Bescheid des für den Kläger zuständigen Einkommensteuerfinanzamts München vom 31.05.2013 wurden ihm betreffend seine Einkommensteuer 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut gesonderter Feststellung in Höhe von 58.683,00 Euro und für das Jahr 2012 57.848,00 Euro zugewiesen.
Der Kläger meint, aufgrund Ziffer 9. des Vergleichs und der darin enthaltenen wechselseitigen Abgeltung aller Ansprüche und deren Erledigung stünden einerseits ihm kein Anspruch auf Gewinnzuweisung oder sonstige Forderungen gegen die Beklagte und umgekehrt der Gesellschaft auch keine Ansprüche auf Gewinnzuordnung oder Belastung des Kapitals gegen ihn mehr zu. Die Beklagte habe daher zu Unrecht gegenüber dem Finanzamt beantragt, die vorgenannten Einkünfte aus Gewerbebetrieb ihm zuzuordnen. Sie sei deshalb verpflichtet, die begehrten berichtigenden Erklärungen über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2011 und 2012 gegenüber dem Finanzamt dahingehend abzugeben, dass dem Kläger für die Kalenderjahre 2011 und 2012 keine Gewinne und/oder Verluste sowie keine sonstigen Vergütungen wie auch Belastungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene zugewiesen werden. Für das Jahr 2013 sei eine entsprechende Feststellungserklärung abzugeben. Zum Wortlaut des Antrags erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen (dort S. 3).
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie ist der Auffassung, ein Anspruch auf Berichtigung der Erklärungen über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2011, 2012, 2013 stehe dem Kläger nicht zu, ein solcher ergebe sich nicht aus den Regelungen im Vergleich. Der Kläger sei bis 21.02.2013 Gesellschafter gewesen, bis dahin habe der Gesellschaftsvertrag gegolten, wonach Gewinne und Verluste den Kommanditisten jeweils zur Hälfte zuzuweisen seien. Der Kläger könne nicht verlangen, dass sie, die Beklagte, falsche Steuererklärungen abgebe.
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil es einen klägerischen Anspruch auf Abgabe der mit der Klage begehrten Erklärungen verneinte. Der Kläger könne nicht verlangen, dass die Beklagte Erklärungen abgebe, die steuerrechtliche Sachverhalte unzutreffend wiedergeben. Der Kläger sei bis 21.02.2013 Kommanditist der Beklagten gewesen, er könne daher gegenüber der Finanzverwaltung nicht so behandelt werden, als wäre er bereits ab dem Jahr 2011 nicht mehr Gesellschafter gewesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der mit seinem Rechtsmittel sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. In der Berufungsbegründung wiederholt und vertieft er seine Argumentation. Er lässt insbesondere vortragen, dass aufgrund der Regelung in Ziffer 9. des Vergleichs zwischen den Parteien festgelegt worden sei, dass bezüglich noch nicht entstandener und festgestellter Ansprüche keine gegenseitigen Ansprüche der Parteien mehr untereinander bestünden. Aufgrund des Vergleichs sei der Kläger im Verhältnis zur Gesellschaft im Grunde als Gesellschafter ohne Kapitalanteil zu behandeln. Es könnten ihm deshalb weder Gewinne noch Verluste noch weitere Entnahmen und Einlagen zugeordnet werden. Deshalb sei die Beklagte zur Abgabe entsprechender berichtigender Erklärungen gegenüber den Finanzbehörden verpflichtet.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des Landgerichts München I, Az: 13 HK O 10970/14 vom 28.04.2015 wird aufgehoben.
2. Die beklagte Partei wird verurteilt:
a) Die für das Kalenderjahr 2011 beim Finanzamt München, Abt. III/V unter der Identitätsnummer: …212 sowie Steuernummer …077 abzugebende Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen dahingehend zu korrigieren, als dem Kläger für das Kalenderjahr 2011 keine Gewinne oder Verluste sowie keine sonstige Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, wie auch Belastungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene zugewiesen werden;
b) Die für das Kalenderjahr 2012 beim Finanzamt München, Abt. III/V unter der Identitätsnummer: …212 sowie Steuernummer …077 abzugebende Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen dahingehend zu korrigieren, als dem Kläger für das Kalenderjahr 2012 keine Gewinne oder Verluste sowie keine sonstige Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, wie auch Belastungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene zugewiesen werden;
c) Die für das Kalenderjahr 2013 beim Finanzamt München, Abt. III/V unter der Identitätsnummer: …212 sowie Steuernummer …077 abzugebende Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen dahingehend zu korrigieren, als dem Kläger für das Kalenderjahr 2012 keine Gewinne oder Verluste sowie keine sonstige Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, wie auch Belastungen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene zugewiesen werden;
3. Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtszuges zu zahlen.
4. Im Fall der Zurückweisung der Berufung wird die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie wiederholt und ergänzt ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Ergänzend wird auf die tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil, auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich in der Sache als nicht begründet.
Zu Recht hat das Erstgericht die Klage abgewiesen, weil es einen Anspruch des Klägers auf Abgabe der begehrten Erklärungen gegenüber dem zuständigen Finanzamt verneinte.
Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die von der Beklagten gegenüber dem Finanzamt abgegebenen Erklärungen über die gesonderten und einheitlichen Feststellungen betreffend der Zuordnung von Gewinnen aus seiner Kommanditistenstellung in der Gesellschaft für den streitgegenständlichen Zeitraum unzutreffend waren und ihm deshalb ein Anspruch auf die Abgabe berichtigender Erklärungen gegenüber dem Finanzamt zusteht.
Der Nachweis fehlerhafter Erklärungen der Beklagten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellungen ist dem Kläger nicht gelungen.
Der Kläger stützt seinen Anspruch maßgeblich auf die Regelungen des zwischen den Parteien unstreitig abgeschlossenen Vergleichs vom 21.02.2013. Danach ist zunächst festzuhalten, dass der Kläger gem. Ziffer 2. des Vergleichs mit Wirkung zum 21.02.2013 aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war er unstreitig Mitkommanditist der Beklagten, deren Gesellschaftsvertrag gem. § 10 Abs. 1 regelt, dass die Gesellschafter an Gewinn und Verlust im Verhältnis ihrer festen Kapitalanteile beteiligt sind (vgl. Anlage B 2), mithin der Kläger und Jürgen S. je zur Hälfte.
Soweit der Kläger meint, insbesondere aus der in Ziffer 9. vereinbarten Abgeltungsklausel eine Regelung dahingehend ableiten zu können, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch nicht festgestellte Jahresergebnisse den übrigen Gesellschaftern der Gesellschaft zugeordnet werden und der Kläger „damit nicht mehr belastet“ werden könne, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vor allem kommt der Vereinbarung keine Wirkung dahingehend zu, dass „der Kläger im Verhältnis zur Gesellschaft im Grunde als Gesellschafter ohne Kapitalanteil zu behandeln“ sei. Die Vereinbarung ist vielmehr im Zusammenhang mit der Regelung in Ziffer 4. dahingehend zu verstehen, dass die Parteien pro futuro auf möglicherweise bestehende Ansprüche verzichten, solche – zwischen den Parteien möglicherweise bestehende Ansprüche – abgegolten und erledigt sind.
Für eine Auslegung dahingehend, dass damit der Kläger insbesondere auch steuerrechtlich so zu behandeln wäre, als wäre er bereits zu einem früheren, d. h. zu einem Zeitpunkt, als noch kein festgestellter Jahresabschluss vorlag (ab dem Geschäftsjahr 2010/2011), aus der Gesellschaft ausgeschieden, besteht angesichts der expliziten Festlegung des Ausscheidedatums im Vergleich kein Raum.
Eine Regelung über die steuerliche Behandlung von dem Kläger bis zu seinem Ausscheiden zugeflossenen Gewinnen ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Der Vergleich enthält keine Vereinbarung dahingehend, dass die vertraglich vereinbarte Gewinnverteilung und damit der Gesellschaftsvertrag zwischen den Gesellschaftern rückwirkend, d. h. ab dem Geschäftsjahr 2010/2011, dahingehend abgeändert wird, dass für diesen Zeitraum der Kläger nicht (mehr) an Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt ist. Bei der Frage der steuerlichen Behandlung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Klägers an der Beklagten kommt es angesichts des beiderseitigen Anspruchsverzichts vielmehr maßgeblich auf die tatsächlichen Geldzuflüsse bzw. Verlustzuweisungen an.
Allenfalls für den vom Kläger nicht vorgetragenen und nachgewiesenen Fall, dass die steuerliche „Gewinnzuordnung“ an den Kläger im maßgeblichen Zeitraum darauf beruht, dass die Gesellschaft Gewinne erzielt hat, dem Kläger auch unter Berücksichtigung eines möglicherweise negativen Gesellschafterkontos keine Mittel tatsächlich zugeflossen sind und ihm aufgrund der Abgeltungsklausel Gewinnansprüche nicht (mehr) zustehen, wäre es unbillig und nicht sachgerecht, dem Kläger steuerrechtlich den (fiktiven) Gewinn zuzuordnen. Dem Vergleich kommt daher ein so weit gehender Regelungsgehalt unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage nicht zu. In diesem Fall, in dem der Kläger aufgrund der vergleichsweisen Regelung am Gewinn tatsächlich nicht (mehr) beteiligt ist, müssten Steuererklärungen ggf. berichtigt werden. Der Senat hat diese Fallkonstellation in der mündlichen Verhandlung angesprochen, konkrete Tatsachen für das Vorliegen dieser besonderen Sachverhaltskonstellation hat der Kläger nicht vorgetragen. Demgegenüber hat die Beklagte vortragen lassen, dass bis zum Ausscheiden des Klägers aufgrund von Entnahmen ein negatives Gesellschafterkonto des Klägers bestanden habe, wofür auch die Regelung in Ziffer 4. des Vergleichs spricht.
Da der Kläger einen Nachweis dafür, dass die von der Beklagten im Zusammenhang mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen dem Finanzamt abgegebenen Erklärungen zu den dem Kläger zuzuordnenden Gewinnen für die Jahre 2010/2011, 2011/2012, 2012/2013 fehlerhaft waren, nicht gelungen ist, erweist sich die Berufung als erfolglos.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat bei seiner Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche maßgeblich die konkreten Umstände des vorliegenden Rechtsverhältnisses unter Würdigung des zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs beurteilt.