Steuerrecht

Keine Wiederaufnahme bei einem durch beidseitige Erledigungserklärung beendeten Verfahren

Aktenzeichen  13 A 18.2319, 13 A 18.2320, 13 A 18.2321, 13 A 18.2322

Datum:
6.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 37513
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG § 32, § 51, § 59
ZPO § 578, § 580
BGB § 242
VwGO § 130a Abs. 2, § 133, § 144 Abs. 1
BAyVwVfG Art. 51

 

Leitsatz

1 Ein Ablehnungsgesuch ist unbeachtlich, wenn alle Richter einer Entscheidungsbesetzung abgelehnt werden und das Gesuch nicht mit individuellen, die Richter betreffenden Tatsachen begründet wird. Die Äußerung von Rechtsauffassungen und zu fachlichen Fragen sowie richterliche Hinweise zu Beginn der mündlichen Verhandlung über die im Augenschein gewonnenen Erkenntnisse vermögen eine Befangenheit von vorneherein nicht zu begründen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es kommt grundsätzlich weder eine Anfechtung noch ein Widerruf einer Erledigungserklärung als Prozesserklärung in Betracht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 153 Abs. 1 VwGO iVm §§ 578 ff. ZPO ist nur bei einem durch rechtskräftiges Urteil geschlossenen Verfahren statthaft (§ 578 Abs. 1 ZPO), hingegen nicht, wenn das Verfahren durch einen Einstellungsbeschluss beendet worden ist.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verwaltungsstreitverfahren 13 A 18.2319, 13 A 18.2320, 13 A 18.2321 und 13 A 18.2322 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Klage wird abgewiesen. Es wird festgestellt, dass die Verwaltungsstreitverfahren 13 A 17.1709, 13 A 17.1710, 13 A 17.1711 und 13 A 18.1058 in der Hauptsache erledigt sind.
III. Der Kläger hat jeweils die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 30,- Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Nach § 102 Abs. 2 VwGO konnte auch ohne den nicht zur mündlichen Verhandlung erschienenen Kläger verhandelt und entschieden werden, da die Ladungen zum Termin einen entsprechenden Hinweis enthalten. Das Verlegungsgesuch des Klägers war abzulehnen, da er keine Gründe vorgebracht hat, die eine Aufhebung des Termins rechtfertigen würden. Die mündliche Verhandlung dient der Erörterung der von ihm aufgeworfenen Fragen, insbesondere ob die Erledigungserklärung wirksam ist und ob beim Abfindungsflurstück 2308 ein Steinbestand in die Bewertung eingeflossen ist. Diese Fragen waren gerade Anlass für die Durchführung der mündlichen Verhandlung und konnten keinesfalls ihre Aufhebung rechtfertigen.
Das Ablehnungsgesuch war abzulehnen, weil es Gründe für eine Befangenheit nicht einmal ansatzweise erkennen lässt. Vielmehr bezichtigt der Kläger die Richter des Senats lediglich der seiner Ansicht nach unsachgemäßen Verfahrensbehandlung, die er beispielhaft zu belegen versucht. Das stellt sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts dar. Abgelehnt werden kann nur ein einzelner Richter, nicht dagegen das ganze Gericht, auch nicht, wenn sämtliche Richter einzeln benannt werden. Deshalb ist ein Ablehnungsgesuch unbeachtlich, wenn – wie hier – alle Richter einer Entscheidungsbesetzung abgelehnt werden und das Gesuch nicht mit individuellen, die Richter betreffenden Tatsachen begründet wird (siehe hierzu Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 54 Rn. 11, 20). Im Übrigen vermögen die Äußerung von Rechtsauffassungen und zu fachlichen Fragen sowie richterliche Hinweise zu Beginn der mündlichen Verhandlung über die im Augenschein gewonnenen Erkenntnisse eine Befangenheit von vorneherein nicht zu begründen.
In der Sache bleiben die Klagen ohne Erfolg, weil der Kläger weder einen Anspruch auf die Fortführung der Verwaltungsstreitverfahren 13 A 17.1709, 13 A 17.1710, 13 A 17.1711 und 13 A 18.1058 bzw. 13 A 13.1854 noch auf deren Wiederaufnahme hat.
Soweit der Kläger die Fortführung der Verwaltungsstreitverfahren 13 A 17.1709, 13 A 17.1710, 13 A 17.1711 und 13 A 18.1058 begehrt, bleibt die Klage ohne Erfolg. Wie bereits im Urteil des Senats vom 7. Dezember 2017 (BayVGH, U.v. 7.12.2017 – 13 A 17.439 – juris unter Hinweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung: BVerwG, U.v. 21.3.1979 – 6 C 10.78 – BVerwGE 57, 342 = NJW 1980, 135; U.v. 6.12.1996 – 8 C 33.95 – NVwZ 1997, 1210; BGH, U.v. 27.5.1981 – IVb ZR 589/80 – BGHZ 80, 389 = NJW 1981, 2193) ausgeführt, kommt grundsätzlich weder eine Anfechtung noch ein Widerruf einer Erledigungserklärung als Prozesserklärung in Betracht.
Auch ein Restitutionsgrund im Sinn von § 580 ZPO, der ausnahmsweise eine Widerrufsmöglichkeit eröffnen könnte, ist vorliegend nicht gegeben (vgl. BayVGH, U.v. 7.12.2017, a.a.O., unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 21.3.1979 a.a.O., und B.v. 26.1.1971 – VII B 82.70 – Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 3). Der Kläger beruft sich nur auf Vorgänge in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2018, in der anhand von Karten das Vorliegen von Steinen erörtert worden sein sollte. Insoweit rügt er eine fehlerhafte Bewertung im Jahr 2014. Ohne nähere Darlegung führt er weiter aus, nach der Verhandlung seien ihm noch weitere Gründe und Fakten bekannt geworden. Ein Restitutionsgrund, insbesondere nach § 580 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b ZPO, ergibt sich hieraus bei Weitem nicht. Der Kläger hat weder eine neue Urkunde vorgelegt noch behauptet, dass eine solche bereits im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 17. Oktober 2018 existiert hätte. Inwieweit und durch welche Urkunde eine für den Kläger günstigere Entscheidung hätte herbeigeführt werden können, lässt sich seinem Vortrag nicht einmal im Ansatz entnehmen.
Anhaltspunkte für eine Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), Drohung, sittenwidrige Täuschung, unzulässigen Druck, eine unzutreffende richterliche Belehrung bzw. Empfehlung oder für eine offensichtlich irrtümliche oder versehentliche Abgabe der Erledigungserklärung, die zu einer ausnahmsweisen Widerrufsmöglichkeit führen könnte, liegen ebenfalls nicht vor (BVerwG, U.v. 6.12.1996 – 8 C 33.95 – NVwZ 1997, 1210). Eine derartige Behandlung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2018 ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Da folglich den Hauptsacheerledigungserklärungen des Klägers keine sachwidrigen Umstände zugrunde lagen, scheidet der Widerruf der prozessualen Erklärungen vom 17. Oktober 2018 aus. Sie bleiben wirksam und für den Kläger bindend. Das Gericht ist in diesem Fall lediglich gehalten, mit der Kostenfolge des § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO festzustellen, dass die Rechtsstreite in der Hauptsache erledigt sind (BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75.98 – NVwZ-RR 1999, 407; B.v. 14.10.1988 – 9 CB 52.88 – NVwZ-RR 1989, 110; BayVGH, U.v. 7.12.2017 – 13 A 17.439 Rn. 24 – juris; U.v. 26.3.2015 – 13 A 14.1240, 13 A 14.1241 – juris Rn. 33).
Die von ihm im Schreiben vom 14. November 2018 zusätzlich beantragte Wiederaufnahmeklage nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 578 ff. ZPO ist mangels rechtskräftigen Urteils schon nicht statthaft. Auf die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen flurbereinigungsgerichtlichen Verfahrens sind nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 153 Abs. 1 VwGO die Vorschriften der §§ 578 ff. ZPO anzuwenden (BVerwG, B.v. 29.8.1986 – 5 B 49.84 – NVwZ 1987, 218). Eine Wiederaufnahmeklage setzt danach ein rechtskräftiges Urteil voraus. Sie ist zulässig gegen formell rechtskräftige Endurteile, einerlei, ob es sich um Prozessurteile oder Sachurteile handelt und in welcher Instanz sie ergangen sind (Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 153 Rn. 6). Die Wiederaufnahme ist weiter zulässig gegen Beschlüsse, die rechtskräftig oder nicht anfechtbar sind, auf einer Sachprüfung beruhen und ein Verfahren abschließen (Rudisile a.a.O.). Das gilt insbesondere für sogenannte urteilsvertretende Beschlüsse. So kann ein Wiederaufnahmeantrag gerichtet werden gegen Beschlüsse nach § 93a Abs. 2 S. 1 VwGO über ausgesetzte Verfahren nach Durchführung eines Musterverfahrens, nach § 125 Abs. 2 VwGO über unzulässige Berufungen, nach § 130a VwGO über unbegründete Berufungen, nach § 133 VwGO über die Verwerfung oder Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde oder über die Ablehnung einer Berufungszulassung, nach § 144 Abs. 1 VwGO über die Verwerfung der Revision, außerdem gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse nach § 164 VwGO und gegen Beschlüsse über die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Die Wiederaufnahme ist dagegen nicht zulässig gegen nicht rechtskräftige Urteile und Beschlüsse sowie gegen Beschlüsse, welche die Instanz nicht abschließen (Rudisile, a.a.O., Rn. 7).
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 578 ff. ZPO scheidet damit vorliegend aus, weil eine solche nur bei einem durch rechtskräftiges Urteil geschlossenen Verfahren statthaft ist (§ 578 Abs. 1 ZPO), hier jedoch die Verfahren durch einen Einstellungsbeschluss endeten (BayVGH, U.v. 7.12.2017 – 13 A 17.439 Rn. 17 – juris; U.v. 26.3.2015 – 13 A 14.1240, 13 A 14.1241 – juris Rn. 28). Der Einstellungsbeschluss aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO stellt lediglich deklaratorisch die kraft Gesetzes eingetretene Verfahrensbeendigung fest (vgl. BayVGH, U.v. 6.11.2008 – 13 A 08.2579 – juris Rn. 24). Dieser ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO ebenso unanfechtbar wie die nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu treffende Kostenentscheidung (BayVGH, U.v. 6.11.2008, a.a.O., Rn. 22).
Sollte der Kläger im Verfahren 13 A 18.2322 nicht die Wiederaufnahme des durch übereinstimmende Erledigungserklärungen am 17. Oktober 2018 beendeten Verfahrens 13 A 18.1058, sondern des Verfahrens 13 A 13.1854 (Bewertung des alten Wegs Einlageflurstück 1273) begehren, steht dem so verstandenen Klageziel die Rechtskraft des Urteils im Verfahren 13 A 17.439 vom 7. Dezember 2017 entgegen. Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Das ist hier der Fall. Wie auch vorliegend hat der Kläger in jenem Verfahren 13 A 17.439 bereits „Restitutionsklage betreffend des Abfindungsflurstückes Nr. 1273 hinsichtlich des alten Weges, Einlageflurstück 1273“ erhoben und insoweit die Wiederaufnahme des Verfahrens 13 A 13.1854 begehrt, das am 22. Oktober 2014 aufgrund einer übereinstimmenden Erledigungserklärung der Beteiligten eingestellt worden war. Der Streitgegenstand – nämlich Wiederaufnahme des durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendeten Rechtsstreits betreffend die Bewertung des alten Wegs Einlageflurstück 1273 – ist in beiden Verfahren identisch. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Dezember 2017 (13 A 17.439 – juris) ist in Rechtskraft erwachsen, so dass sie einer neuerlichen Klage über den gleichen Streitgegenstand entgegensteht (siehe hierzu Rennert in Eyermann, a.a.O., § 121 Rn. 19 m.w.N.).
Damit war auch die Wiederaufnahmeklage insgesamt mit der Kostenfolge des § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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