Steuerrecht

Konkludente Duldungsverfügung für Schornsteinfegerarbeiten

Aktenzeichen  W 8 K 17.425

Datum:
16.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17855
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchfHwG § 25 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, S. 2
VwGO § 42 Abs. 2, § 74 Abs. 1 S. 2
VwZVG Art. 29 Abs. 2 Nr. 2, § 36, § 38 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Ist der Kläger weder Inhalts- noch Zustellungsadressat des angegriffenen Bescheides, ist die Klage mangels Klagebefugnis unzulässig. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 In dem Hinweis auf eine zwangsweise Öffnung der Haustür durch den Schlüsseldienst liegt eine auch mündlich mögliche konkludente Verfügung, Schornsteinfegerarbeiten zu dulden, die den Eingriff in das Besitzrecht an einem Grundstück erlaubt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1. Die Klage, über die das Gericht trotz Nichterscheinens des ordnungsgemäß geladenen Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden konnte, da er auf diese Folge des Ausbleibens in der Ladung ausdrücklich hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist soweit sich das auslegungsbedürftige (§ 88 VwGO) klägerische Begehren auf den Zweitbescheid des Landratsamts Hassberge vom 27. Dezember 2016 und den Leistungsbescheid des Landratsamts Hassberge vom 30. Januar 2017 bezieht, bereits unzulässig. Im Übrigen ist die Klage hinsichtlich der Durchführung der Ersatzvornahme am 11. Januar 2017 unbegründet.
2. Da sich das klägerische Begehren nicht ausdrücklich aus den Schreiben des Klägers ergibt, bedarf es einer Auslegung. Das klägerische Begehren ist anhand der schriftlichen Ausführungen des Klägers nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er einerseits gegen den Zweitbescheid des Landratsamts vom 27. Dezember 2016 und den Leistungsbescheid des Landratsamts vom 30. Januar 2017 vorgehen möchte sowie zusätzlich gegen die tatsächliche Durchführung der Ersatzvornahme am 11. Januar 2017. Dies ergibt sich insbesondere aus seiner bei Gericht am 26. April 2017 eingegangenen Klageschrift. In dieser stellte er zum einen den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit und Aufhebung des sogenannten Verwaltungsaktes und führte dazu aus, dass man ihm im Zusammenhang mit dem Kaminkehrer wiederholt falsche Bescheide ausgestellt habe. Aufgrund des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs beziehen sich diese Ausführungen auf den Zweitbescheid vom 27. Dezember 2016 und den Leistungsbescheid vom 30. Januar 2017. Außerdem schildert er in der Begründung den Ablauf der Durchführung der Ersatzvornahme. Aus dieser Schilderung wird auch erkennbar, dass er auch die Durchführung der Ersatzvornahme für rechtswidrig hält, da er diesbezüglich auf sein Hausrecht verweist.
3. Die Klage gegen den Zweitbescheid vom 27. Dezember 2016 und den Leistungsbescheid vom 30. Januar 2017 ist unzulässig. Der Kläger hat bezüglich beider Bescheide keine Klagebefugnis. Außerdem ist die Klage insoweit verfristet.
a. Der Kläger ist bezüglich des Zweitbescheids vom 27. Dezember 2016 und des Leistungsbescheides vom 30. Januar 2017 nicht klagebefugt. Denn er selbst ist weder Inhaltsadressat noch Zustellungsadressat der Bescheide und somit durch keinen Verwaltungsakt beschwert. Der Zweitbescheid vom 27. Dezember 2016 ist nicht an ihn, sondern an seine Ehefrau J… G… adressiert. Auch inhaltlich ist der Bescheid an seinen minderjährigen Sohn M… G… gerichtet wie sich aus der Formulierung „Frau J… G… als gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Sohnes“ in Nr. I des Tenors des Zweitbescheids vom 27. Dezember 2016 ergibt. Der Leistungsbescheid vom 30. Januar 2017 ist ausschließlich an seine Ehefrau J… G… gerichtet.
b. Selbst wenn man im Rahmen einer weiten Auslegung davon ausginge, dass der Kläger im Namen seines Sohnes als gesetzlicher Vertreter gegen die streitgegenständlichen Bescheide klagt oder als Vertreter seiner Ehefrau, ist die Klage wegen Verfristung unzulässig.
Entgegen § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO wurde die Klage nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben.
Die Bekanntgabe des Zweitbescheids vom 27. Dezember 2016 an den minderjährigen Eigentümer als Inhaltsadressat erfolgte am 29. Dezember 2016 mittels wirksamer Zustellung. Laut Postzustellungsurkunde wurde der Zweitbescheid vom 27. Dezember 2016 Frau J… G…, der Mutter des minderjährigen Eigentümers, als Zustellungsadressatin durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder ähnliche Vorrichtung am 29. Dezember 2016 zugestellt. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 VwZVG war der Bescheid auch an die gesetzlichen Vertreter des minderjährigen und somit handlungsunfähigen Eigentümers des streitgegenständlichen Anwesens zuzustellen. Dabei genügte die Zustellung an nur einen seiner gesetzlichen Vertreter nach Art. 7 Abs. 3 VwZVG. Da die Zustellung am 29. Dezember 2016 erfolgte, war Fristende am Montag, den 30. Januar 2017, vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2, § 193 BGB. Der Eingang der Klage gegen den Zweitbescheid vom 27. Dezember 2016 bei Gericht am 26. April 2017 war somit nicht fristgerecht.
Auch die Klage gegen den Leistungsbescheid vom 30. Januar 2017 war verfristet. Die Zustellung erfolgte laut Postzustellungsurkunde am 1. Februar 2017 an die Zustellungsadressatin Frau J… G… . Nach § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB war Fristende am Mittwoch, den 1. März 2017. Der Eingang der Klage am 26. April 2017 gegen den Leistungsbescheid vom 30. Januar 2017 war daher ebenfalls nicht fristgerecht.
4. Sofern der Kläger gegen die Durchführung der Ersatzvornahme selbst vorgehen möchte, sind nach Art. 38 Abs. 3 VwZVG förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels nur insoweit zulässig, als geltend gemacht werden kann, dass diese Maßnahmen eine selbständige Rechtsverletzung darstellen.
Der Kläger könnte allenfalls als Besitzer des Grundstücks einschließlich der streitgegenständlichen Feuerungsanlage eine selbstständige Rechtsverletzung geltend machen. Der Eingriff in sein Besitzrecht war aber rechtmäßig, da der Eingriff jedenfalls dadurch gerechtfertigt ist, dass ihm gegenüber im Zeitpunkt der Durchführung der Ersatzvornahme eine konkludente Duldungsverfügung nach § 25 Abs. 2 SchfHwG analog (vgl. VG Oldenburg, B.v. 28.8.2014 – 5 B 2809/14 – juris Rn. 5) erging, denn er war bei der tatsächliche Vornahme anwesend und wurde, wie aus dem Aktenvermerk I/2-826/4-6 bezüglich der Zwangskehrung (Bl. 36 der Behördenakte) hervorgeht, von den hinzugezogenen Polizeibeamten und den Vertretern des LRA auf den Einsatz eines Schlüsseldienstes hingewiesen, nachdem der Kläger sich geweigert hatte, jemanden hereinzulassen, und auf sein Hausrecht hingewiesen hatte. Diese konkludente Duldungsverfügung gegen den Kläger konnte auch nach Art. 37 Abs. 2 BayVwVfG mündlich ergehen. Art. 36 Abs. 1, Abs. 7 VwZVG, wonach die Androhung der Ersatzvornahme schriftlich zuzustellen ist, ist nicht anwendbar, da es gerade nicht um die Androhung eines Zwangsmittels geht.
Anhaltspunkte, dass die Duldungsverfügung materiell rechtswidrig gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Hierbei ist gerade nicht inzident die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung zu prüfen, da diese einerseits aufgrund der verfristeten Klage bestandskräftig geworden ist und andererseits nach Art. 38 Abs. 3 VwZVG bei der Überprüfung der Anwendung eines Zwangsmittels eine inzidente Überprüfung der Grundverfügung, da sie keine selbstständige Rechtsverletzung des Klägers begründet, nicht zulässig ist.
Soweit der Kläger vorträgt, man hätte die Haustür nicht durch einen Schlüsseldienst öffnen lassen müssen, da ein Zugang zum Kamin und Heizraum über andere offene Türen möglich gewesen wäre und damit andeutet, dass die konkreten Durchführungshandlungen unverhältnismäßig gewesen seien, ist dem entgegenzuhalten, dass dies im Zeitpunkt der Durchführung der Ersatzvornahme der Behörde nicht bekannt war und auch nicht hätte sein müssen. Der Kläger war bei der Durchführung der Ersatzvornahme anwesend und hätte die Vertreter des Landratsamtes darauf hinweisen können.
5. Die Kostenentscheidung des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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