Aktenzeichen III R 64/08
§ 96 Abs 1 FGO
Leitsatz
1. Der Senat hält daran fest, dass sich der Begriff des verarbeitenden Gewerbes auch vor Inkrafttreten des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010 nach der für das jeweilige Kalenderjahr geltenden Klassifikation der Wirtschaftszweige richtet.
2. Die Finanzgerichte haben die für die Zuordnung eines Betriebes zu einem Wirtschaftszweig erheblichen Tatsachen selbst festzustellen und zu würdigen; eine fehlerhafte Einordnung durch die Statistikämter dürfen sie nicht übernehmen.
Verfahrensgang
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 2. April 2008, Az: IV 618/06, Urteil
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Kalksandsteinbruch und veräußert überwiegend Baustoffe für die Untergrundherstellung im Straßenbau.
2
Im Steinbruch der Klägerin wird zunächst durch eine Fremdfirma der Stein vom Berg abgesprengt. Danach werden in einer Vielzahl von Sortier-, Sieb- sowie Mahl- und Bruchschritten genau definierte Steinprodukte hergestellt und entsprechend den Vorgaben nach DIN und den Anforderungen der Kunden nach bestimmten Verhältnissen sortiert und gemischt. Einem Teil der Endprodukte werden Zuschlagstoffe, wie z.B. Wasser, Sand und Zement, zugegeben.
3
Der Betrieb der Klägerin wurde durch das Landesamt für Statistik (Landesamt) als Betrieb des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden nach Abschnitt C (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden), Unterabschnitt CB (Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau), zunächst der Meldenummer 14.21 (Gewinnung von Kies und Sand) und seit dem Jahr 2003 der Meldenummer 14.11 (Gewinnung von Naturwerksteinen und Natursteinen, anderweitig nicht genannt) der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 (WZ 2003) zugeordnet. Dieser Einstufung des Unternehmens der Klägerin und ähnlich arbeitender Betriebe lagen vierteljährliche Produktionserhebungen zugrunde.
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Für genau bezeichnete, im Kalenderjahr 2004 getätigte Investitionen beantragte die Klägerin im Februar 2005 eine Zulage in Höhe von 41.944,82 €, d.h. 25 % der Bemessungsgrundlage von 167.779,26 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) setzte die Investitionszulage stattdessen in Höhe von 0 € fest und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
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Die Klage, mit der geltend gemacht wurde, die Einstufung durch das Landesamt sei offensichtlich unrichtig gewesen und allein aus statistischen Gründen erfolgt, hatte keinen Erfolg.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die unzutreffende Anwendung des § 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999. Das Finanzgericht (FG) habe den Begriff des “verarbeitenden Gewerbes” i.S. von § 2 InvZulG 1999 unrichtig ausgelegt. Es habe dazu die Klassifikation der Wirtschaftszweige herangezogen, obwohl die Klassifikationen 1993, 2003 und 2008 sich dazu nicht mehr eigneten. Die Eingruppierung ihres Betriebes unter dem Abschnitt “Bergbau” der WZ 2003 verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG), da die WZ 2003 Recyclingbetriebe oder lediglich Beton produzierende Betriebe trotz weitestgehend gleicher Produkte dem verarbeitenden Gewerbe zuordne und ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung nicht erkennbar sei. Dies ergebe sich auch aus der Stellungnahme des Statistischen Bundesamtes vom 11. April 2007, das festgestellt habe, dass typische Erzeugnisse von Unternehmen der Abteilung 14 (Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau) in erheblichem Umfang denen von Unternehmen anderer Wirtschaftszweige, z.B. der Abteilung 26 (Glasgewerbe, Herstellung von Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden), glichen.
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Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Investitionszulage 2004 unter Abänderung des Bescheides vom 10. Mai 2005 auf 41.944,82 € festzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Der Senat hatte das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in der Sache 1 BvR 857/07 –Verfassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 25. Januar 2007 III R 69/06 (BFH/NV 2007, 1187)– zum Ruhen gebracht. Nachdem das BVerfG der Verfassungsbeschwerde durch Beschluss vom 31. Mai 2011 1 BvR 857/07 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2011, 903) stattgegeben hat, hat die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt.