Aktenzeichen 34 SchH 3/17
Leitsatz
Es stellt einen Missbrauch des Ablehnungsrechts dar, wenn der Antragsteller die Richterablehnung nicht ihrem Zweck entsprechend, sondern – systematisch – als Instrument zur Kontrolle richterlicher Verfahrensleitung sowie zur Bekämpfung richterlichen Handelns einsetzt, wenn das gerichtliche Vorgehen bei der Behandlung seiner Anträge nicht seinen Vorstellungen entspricht und das Gericht sein Rechtsverständnis oder seine Sachverhaltsinterpretation nicht teilt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 4. August 2017 gegen die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht X X sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht X und Dr. X wird verworfen.
II. Die Anhörungsrüge des Antragstellers vom 4. August 2017 gegen den Senatsbeschluss vom 17. Juli 2017 wird verworfen.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens nach § 1037 Abs. 3 ZPO sowie des Rügeverfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird für die Zeiträume bis zum 9. Mai 2017 auf 700.000 € und ab dem 10. Mai 2017 auf 9.700 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller war zusammen mit den Antragsgegnern zu 2 und 3 Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1, einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (künftig: GbR) mit Sitz in Bayreuth. Mit dem Gesellschaftsvertrag (GV) hatten die Beteiligten am 24.2.2001 auch eine Schiedsvereinbarung getroffen, wonach alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen den Partnern untereinander oder zwischen Partnern und der Gesellschaft unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch ein Schiedsgericht, bestehend aus drei Schiedsrichtern, von denen der Vorsitzende die Befähigung zum Richteramt haben muss, endgültig entschieden werden.
Mit seiner Schiedsklage vom Juni 2008 und Erweiterung vom August 2013 nebst (Teil-)Zusammenfassung vom 2.3.2015 macht der Antragsteller gegen die Antragsgegner Ansprüche auf Auskunft und Zahlung hinsichtlich seines Auseinandersetzungsguthabens sowie auf Rechenschaftslegung über die zum Zeitpunkt seines Ausscheidens schwebenden Geschäfte nebst Zahlung seines diesbezüglichen Anteils geltend.
1. Im Verlauf des Schiedsverfahrens lehnte der Antragsteller die drei Schiedsrichter wiederholt ab. Seine diesbezüglich beim Oberlandesgericht München gestellten Anträge, die Ablehnung der drei Schiedsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit für berechtigt zu erklären, blieben in den Verfahren 34 SchH 8/12, 34 SchH 21/13, 34 SchH 14/15 sowie 34 SchH 13/16 ohne Erfolg. Im Verlauf dieser Verfahren nahm der Antragsteller jede richterliche Tätigkeit der Verfahrensleitung und -entscheidung zum Anlass, die jeweils mit der Sache befassten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
2. Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 17.1.2017 stellte er wiederum den Antrag, die Ablehnung der drei Schiedsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit für berechtigt zu erklären. Zur Begründung bezog er sich auf den von den Schiedsrichtern erlassenen Beschluss vom 30.8.2016, mit dem die gegen sie gerichteten Ablehnungsgesuche vom 28.6. und 15.7.2016 zurückgewiesen wurden. Er machte geltend, die Behandlung dieser Ablehnungsanträge im Beschluss vom 30.8.2016 sei geeignet, Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Denn das zur Begründung der Ablehnungsgesuche angeführte Vorbringen – unter anderem: Nichterlass eines Teilurteils über den Antrag auf Rechenschaftslegung betreffend die zum Ausscheidenszeitpunkt schwebenden Geschäfte; keine Fristsetzung an die Schiedsbeklagten, zum klägerseitig vorgelegten Gutachten substantiiert Stellung zu nehmen; Inhalt des Beweisbeschlusses vom 11.4.2016, des Hinweises vom 27.6.2016 sowie eines Ergänzungsbeschlusses vom selben Tag; Behandlung vorangegangener Ablehnungsgesuche in den die beschlussgegenständlichen Gesuche mitauslösenden Entscheidungen – seien bei der Darstellung des Sachverhalts unterdrückt und daher weder zur Kenntnis genommen noch bei der Entscheidung gewürdigt worden.
Mit der – so wörtlich – „aus dem Beschluss vom 30.8.2016 erkennbaren fortgesetzten verfahrenswidrigen ‘Gestaltung’ des Schiedsverfahrens“ lägen neue und eigenständige Ablehnungsgründe vor.
Von der abschlägigen Entscheidung des Schiedsgerichts über das deswegen angebrachte Ablehnungsgesuch vom 12.9.2016 hatte der Antragsteller am 20.12.2016 Kenntnis erlangt.
3. Nach der unter dem 3.2.2017 erklärten Kündigung des Schiedsvertrags durch die Schiedsrichter und in dem auf die Anhörungsrüge vom 2.5.2017 gemäß Senatsbeschluss vom 17.7.2017 fortgesetzten Verfahren hat der Antragsteller das Verfahren über die Schiedsrichterablehnung in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten den Antragsgegnern aufzuerlegen.
Die Antragsgegner haben der ihnen mit Hinweis gemäß § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO, erteilt gemäß richterlicher Verfügung vom 17.7.2017, zugestellten Erledigungserklärung nicht widersprochen und beantragt, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
4. Mit Schriftsatz vom 4.8.2017 hat der Antragsteller außerdem gegen den Senatsbeschluss vom 17.7.2017 Anhörungsrüge erhoben und die Verletzung rechtlichen Gehörs sowie sonstiger Verfahrensgrundrechte geltend gemacht. Des Weiteren hat er die den Beschluss sowie die Verfügung vom 17.7.2017 verantwortenden Richterin(nen) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Bei der Entscheidung – insbesondere über die Ablehnungsgesuche des Antragstellers – sei der Sachverhalt unzutreffend oder sinnentstellend verkürzt wiedergegeben und damit der wesentliche Kern des Vorbringens durch Unterdrückung entscheidungserheblicher Tatsachen gestaltet worden. Die Beschlussbegründung erwecke den Eindruck, dass unter Verfälschung des tatsächlichen Erledigungsereignisses der Entscheidungsfindung im fortgesetzten Verfahren der Weg bereitet werden solle. Dies rechtfertige ebenso wie die Selbstentscheidung über die Ablehnungsgesuche die Besorgnis der Befangenheit.
II.
4. Das gegen die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht X. X. sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht X. und Dr. X. angebrachte Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 4.8.2017 dient offensichtlich verfahrensfremden Zwecken. Es ist daher wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig – auch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter (vgl. BVerfG vom 15.6.2015, 1 BvR 1288/14, juris Rn. 15 f. und 18; NJW 2005, 3410/3412; NJW 2007, 3771/3773) – zu verwerfen.
Der Antragsteller setzt sein bereits in den Verfahren 34 SchH 21/13, 34 SchH 14/15 und 34 SchH 13/16 zum Ausdruck gekommenes schematisiertes Vorgehen fort, wie es unter Ziff. I. 1. komprimiert dargestellt ist, indem er auf die richterliche Verfahrensführung und Behandlung seiner Eingabe(n) mit Ablehnungsgesuchen reagiert und dabei geltend macht, die Besorgnis der Befangenheit ergebe sich aus dem Inhalt der erlassenen Entscheidung oder Verfügung und der Art der Verfahrensführung. Aus diesem Vorgehen ist ersichtlich, dass der Antragsteller die Richterablehnung nicht ihrem Zweck entsprechend, sondern – systematisch – als Instrument zur Kontrolle richterlicher Verfahrensleitung sowie zur Bekämpfung richterlichen Handelns einsetzt, wenn das gerichtliche Vorgehen bei der Behandlung seiner Anträge nicht seinen Vorstellungen entspricht und das Gericht sein Rechtsverständnis oder seine Sachverhaltsinterpretation nicht teilt. Dies stellt einen Missbrauch des Ablehnungsrechts dar.
III.
Die gegen den Beschluss vom 17.7.2017 erhobene Anhörungsrüge ist schon nicht statthaft, soweit sie sich gegen die im Verfahren nach § 321a ZPO ergangene Abhilfeentscheidung (Ziff. II des Tenors) richtet (§ 321a Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Soweit sie sich gegen die Verwerfung der Ablehnungsgesuche richtet (Ziff. I des Tenors), erweist sich die Gehörsrüge zwar als statthaft (vgl. Thomas/Putzo ZPO 38. Aufl. § 321a Rn. 1), aber unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet wurde (§ 321a Abs. 2 Sätze 4 und 5 mit Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Indem der Antragsteller rügt, dass die vorgebrachten Ablehnungsgründe inhaltlich nicht verarbeitet und daher nicht zur Kenntnis genommen worden seien, hat er eine Entscheidungserheblichkeit nach dem maßgeblichen Rechtsstandpunkt des Gerichts (vgl. BVerfG vom 10.5.2002, 1 BvR 1685/01, juris Rn. 17) nicht dargetan. Mit seinen Ausführungen zur Selbstentscheidungskompetenz abgelehnter Richter stellt er seine Rechtssicht der für falsch erachteten Sicht des Gerichts gegenüber; ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist damit nicht dargelegt (BVerfGE 80, 269/286; BGH vom 21.2.2008, IX ZR 62/07, juris).
IV.
Gemäß der im Verfahren nach § 1037 Abs. 3 ZPO entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 91a Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO bedingt die widerspruchslos gebliebene Erledigterklärung des Antragstellers eine vollständige Verfahrensbeendigung (Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 91a Rnr. 12, 22). Das Gericht hat nur noch über die Kostentragung unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden; es nimmt hierbei eine lediglich summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des ursprünglichen Antrags vor (statt vieler: BGH vom 20.6.2012, XII ZR 131/10, juris; Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 24 – 27).
Auf der Basis dieser Grundsätze werden die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auferlegt. Sein Antrag, die Ablehnung der drei Schiedsrichter für begründet zu erklären, war zwar bei Einleitung des Verfahrens zulässig, wäre aber bei Ausbleiben der Erledigung voraussichtlich in der Sache ohne Erfolg geblieben. Dass die Schiedsrichter mit der Behandlung der Ablehnungsgesuche vom 28.6. und 15.7.2016 im Beschluss vom 30.8.2016 Anlass für berechtigte Zweifel an ihrer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit (§ 1036 Abs. 2 ZPO) gegeben hätten, ist nämlich nicht zu erkennen. Bereits im Verfahren 34 SchH 13/16 hat der Senat mit Beschluss vom 17.11.2016 ausführlich begründet, dass auf der Grundlage der vom staatlichen Gericht eigenständig durchgeführten Prüfung des antragstellerseitigen Vorbringens in den Ablehnungsgesuchen vom 28.6. und 15.7.2016 berechtigte Ablehnungsgründe gegen die drei Schiedsrichter nicht vorliegen. Hierauf wird Bezug genommen. Indem der Antragsteller nun als neuen und eigenständigen Ablehnungsgrund vorträgt, die aufrechterhaltenen Bedenken gegen die Unparteilichkeit der Schiedsrichter würden sich aus der im schiedsrichterlichen Vorschaltverfahren ergangenen Entscheidung über die Ablehnungsanträge ergeben, beruht seine Argumentation im Wesentlichen auf einem nicht tragfähigen Zirkelschluss, weil ihr wiederum das Rechtsverständnis und die Sachverhaltsinterpretationen des Antragstellers zugrunde liegen, die der Senat nicht teilt. Weder die Sachverhaltsdarstellung noch die Rechtsausführungen im Beschluss vom 30.8.2016 erlauben aus der maßgeblichen objektivierten Sicht die Schlussfolgerungen des Antragstellers. Die schiedsrichterliche Entscheidung gibt daher keinen Anlass zur Besorgnis von Befangenheit.
Dass die Antragsgegner bis zum Eingang der Erledigungserklärung weder einen Zurückweisungsantrag gestellt noch sich zur Sache eingelassen haben, besagt nicht, dass die Interpretationen des Antragstellers nach § 138 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO als unstreitig zu behandeln wären, und bleibt deshalb für die Kostengrundentscheidung im Ergebnis ohne Auswirkung.
V.
Für das Verfahren der Anhörungsrüge ergibt sich die Kostenfolge aus § 91 ZPO.
VI.
Die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs gemäß Ziff. I. des Tenors und gegen die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO gemäß Ziff. III. des Tenors ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 574 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO) nicht vorliegen. Im Übrigen (Ziff. III. des Tenors) ist der Beschluss kraft Gesetzes unanfechtbar, § 321a Abs. 4 Satz 4 ZPO.
VII.
Der angemessene Streitwert für das Verfahren der Schiedsrichterablehnung liegt hier nahe dem Hauptsachewert (§ 48 GKG, § 3 ZPO) und ermäßigt sich ab dem Eingang der Erledigungserklärung auf das Kosteninteresse (BGH MDR 2015, 51; Zöller/Vollkommer § 91a Rn. 12 mit § 3 Rn. 16 Stichwort „Erledigung der Hauptsache“; Gerichtsgebühr nach Nr. 1624 KV GKG und Anwaltsvergütung nach Nrn. 3327, 3337, 1008, 7002, 7008 VV RVG je aus einem Wert von 700.000 €).