Aktenzeichen 3 K 683/14
Leitsatz
Ist die Korrektur eines unrichtigen Bilanzansatzes in derjenigen Schlussbilanz, in der er erstmals aufgetreten ist, nicht mehr möglich, weil die Feststellungs- oder Veranlagungsbescheide bestandskräftig sind und keine Änderungsvorschrift für diese Bescheide eingreift, so ist nach dem Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs die Korrektur in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich ist.
Die Waldwertminderung nach Abschn. 212 Abs. 1 Satz 8 EStR 1981 ist nach dem Wortlaut als Vereinfachungsregelung (Typisierungsvorschrift) zu verstehen und weder nach Wortlaut noch nach Funktion eine Billigkeitsregelung im Sinne des § 163 AO 1977.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Finanzamt hat zutreffend den Buchwert des Anlagevermögens Wald zum 01.01.2006 korrigiert.
1. Die Bilanzansätze sind bezogen auf die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG auf ihre objektive Richtigkeit nach der am Bilanzstichtag geltenden Rechtslage zu prüfen (BFH-Urteil vom 05. Juni 2014 IV R 29/11, BFH/NV 2014, 1538).
Ein unrichtiger Bilanzansatz ist grundsätzlich in derjenigen Schlussbilanz zu korrigieren, in der er erstmals aufgetreten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH müssen zwar Bilanzen für Zwecke der Veranlagung und der Gewinnfeststellung grundsätzlich im Fehlerjahr und in den Folgejahren berichtigt werden. Ist eine solche Berichtigung aber nicht mehr möglich, weil die Feststellungs- oder Veranlagungsbescheide bestandskräftig sind und keine Änderungsvorschrift für diese Bescheide eingreift, so ist nach dem Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs die Korrektur in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich ist (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BFHE 240, 162, BStBl. II 2013, 317; BFH-Urteile vom 05. Juni 2014 IV R 29/11, BFH/NV 2014, 1538; vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl. II 1998, 443; vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl. II 1992, 512, 516; Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Auflage, § 4 Rz. 689f, 706).
2. Es liegt ein unrichtiger Bilanzansatz zum Buchwert des Anlagevermögens Wald vor. Das stehende Holz ist ein vom Grund und Boden getrennt zu bewertendes Wirtschaftsgut des nicht abnutzbaren Anlagevermögens (BFH-Urteile vom 05. Juni 2008 IV R 67/05, BFHE 222, 265, BStBl. II 2008, 960; vom 17. Mai 1960 I 35/57 S, BFHE 71, 151, BStBl. III 1960, 306; Blümich/Nacke, § 13 EStG Rz 287, 290; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, B Rz 731, 777). Da sich der Holzzuwachs je nach Baumart über einen Zeitraum von 60 bis 200 Jahren erstreckt, tritt der Produktionsfaktor derart in den Vordergrund, dass eine Zurechnung des stehenden Holzes zum Anlagevermögen bis zum Zeitpunkt des Einschlags geboten ist. Erst mit der Trennung des Holzes von der Wurzel wechselt dieses in das Umlaufvermögen (BFH a.a.O. in BStBl. II 2008, 960; Blümich/Nacke, § 13 EStG Rz 290). Hierbei ist der einzelne Baum eines Waldes nicht als Wirtschaftsgut zu beurteilen, sondern es wird der in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehende Baumbestand zu einem Wirtschaftsgut zusammengefasst.
Die Klägerin kann ab dem 01.01.1999 nicht mehr für den Bestandsvergleich des stehenden Holzes die Fortführung der pauschalierten Waldwertminderung nach R 212 Abs. 1 Sätze 4 und 5 EStR 1998 geltend machen. Der von der Finanzverwaltung früher zugelassene Pauschalabschlag ist für Wirtschaftsjahre, die ab dem 01.01.1999 beginnen, nicht mehr anzuwenden. Eine Rechtsgrundlage für die Wiedereinführung dieser Vereinfachungsregelung ist nicht ersichtlich (BFH-Urteil vom 05. Juni 2008 IV R 67/05, BFHE 222, 265, BStBl. II 2008, 960; Schmidt/Kulosa, EStG, 34. Auflage, § 13 Rz. 9).
Auf Grund der Regelung in Abschn. 212 Abs. 1 Satz 7 EStR 1963 bis 1996 konnten die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des stehenden Holzes bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG um jährlich 3 % gemindert werden. Die Regelung wurde im Rahmen der Neufassung der EStR 1962 eingeführt (BStBl. I 1964, 67). Sie erfolgte als Reaktion auf das Urteil des BFH in BFHE 77, 107, BStBl. III 1963, 357. In dieser Entscheidung hatte der BFH in Abkehr von der früheren Rechtsprechung entschieden, dass neben den Waldanschaffungskosten auch die Erstaufforstungskosten aktivierungspflichtig sind. Unter Verweis auf frühere Urteile des Reichsfinanzhofs (Urteile vom 11. Dezember 1929 VI A 1510/29, VI A 1712/28, RStBl 1930, 214 und 217) hat der Richtliniengeber sodann ausgeführt, dass ein Abzug der aktivierten Anschaffungskosten als Betriebsausgaben jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn wesentliche Teile des Waldes eingeschlagen werden. Wegen der Schwierigkeiten bei der Durchführung und Überwachung der Minderung des Aktivums nach Maßgabe der Holzabgänge könnten aus Vereinfachungsgründen die aktivierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten jährlich um 3 % gemindert werden. Die sog. pauschalierte Waldwertminderung ist seit 1981 auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zugelassen worden (Abschn. 212 Abs. 1 Satz 8 EStR 1981). In den EStR 1998 vom 15. Dezember 1998 (BStBl. I 1998, 1518) ist der pauschalierte Abzug von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Wirtschaftsjahre, die ab dem 1. Januar 1999 beginnen, ersatzlos gestrichen worden (BFH-Urteil vom 05. Juni 2008 IV R 67/05, BFHE 222, 265, BStBl. II 2008, 960).
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob diese frühere Regelung auf einer sachgerechten Typisierung eines steuerlichen Abzugstatbestandes basierte und mithin einer gerichtlichen Prüfung überhaupt hätte standhalten können. Denn jedenfalls lässt sich dem Gesetz keine anspruchsbegründende Norm entnehmen, auf die die Klägerin ihren Anspruch auf den Erlass oder die Beibehaltung einer Typisierungsvorschrift stützen könnte.
3. Die vom Finanzamt vorgenommene Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2006 im Wege einer Bilanzberichtigung scheitert auch nicht daran, dass mit den Einkommensteuerbescheiden für 1999 bis 2005 rechtskräftige Billigkeitsmaßnahmen gewährt worden wären, die nicht durch eine Bilanzberichtigung, sondern nur unter bestimmten hier nicht vorliegenden Umständen des Widerrufs eines begünstigenden Verwaltungsakts zurückgenommen werden könnten. Zum einen ist die Waldwertminderung nach Abschn. 212 Abs. 1 Satz 8 EStR 1981 eine Typisierungsvorschrift und keine Billigkeitsregelung. Zum anderen war keine Billigkeitsregelung beantragt und sind die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2005 auch im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren und nicht im Billigkeitsverfahren ergangen.
a)Die Waldwertminderung nach Abschn. 212 Abs. 1 Satz 8 EStR 1981 ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut als Vereinfachungsregelung (Typisierungsvorschrift) zu verstehen gewesen. Man sprach von einer typisierenden Verwaltungsvorschrift (Typisierungsvorschrift “sog. pauschalierte Waldwertminderung”) im Rahmen der Aktivierung von stehendem Holz. Für die Verwaltungsvorschrift gab es keine Rechtsgrundlage, gleich ob man sie als AfA, pauschale Ausbuchung (von Waldeinschlag), vereinfachte Teilwertbewertung, Schätzung oder ähnliches wertete. Sie wurde aus Vereinfachungsgründen eingeführt. Sie diente erkennbar dem Zweck, die Finanzverwaltung im Einzelfall von der Aufklärung des dem Betriebsausgabenabzug zu Grunde liegenden Sachverhalts zu entbinden. Es handelt sich weder nach Wortlaut noch nach Funktion um eine Billigkeitsregelung im Sinne des § 163 AO 1977 (ebenso Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 02. Februar 1983 V 197/78, EFG 1983, 403). Zudem war die AO 1977 zum Zeitpunkt der Einführung des Abschn. 212 Abs. 1 Satz 8 EStR im Jahr 1963 noch gar nicht erlassen.
b)Die Steuerfestsetzung nach §§ 155 ff. AO und die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO sind auch bei ihrer äußerlichen Verbindung zwei verschiedene Streitgegenstände, über die in verschiedenen Verfahren entschieden wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 16. März 2004 VIII R 33/02, BFHE 205, 270,BStBl. II 2004, 927 mw.N.; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 163 AO Rz. 20; Klein/Rüsken, AO, 12. Auflage, § 163 AO Rz. 2). Die Billigkeitsmaßnahme ist Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerfestsetzung und damit für diese verbindlich (BFH-Urteil vom 16. März 2004 VIII R 33/02, BFHE 205, 270, BStBl. II 2004, 927).
c)Im Streitfall wird mit den eingereichten Bilanzen und Erklärungen nicht “offen und für das Finanzamt auch erkennbar weiterhin die Anwendung der Waldwertminderung beantragt”. Auch aus den Erklärungen oder Erläuterungen geht nicht hervor, dass eine derartige Billigkeitsmaßnahme beantragt wird. Nähere Erläuterungen sind den Tabellen zur Entwicklung des Anlagevermögens nicht beigefügt gewesen. Vielmehr wird ohne nähere Erläuterung eine 3 %ige Abschreibung bei dem Bilanzposten “Wald (Bestockung)” vorgenommen, d.h. sie erfolgte innerhalb und nicht außerhalb der Bilanz. Auch den Einkommensteuerbescheiden lässt sich nicht entnehmen, dass das FA eine Entscheidung im Billigkeitsverfahren getroffen hat. Dies gilt ausweislich des Einkommensteuerbescheids für 1998 vom 20.06.2000 und des Änderungsbescheids für 1998 vom 06.06.2001 für den Zeitraum der Geltung der Pauschalierungsrichtlinie. Es gilt aber auch für den Zeitraum danach, denn den Einkommensteuerbescheiden für 1999 vom 30.05.2001, für 2000 vom 06.11.2002, für 2001 vom 28.08.2003, für 2002 vom 20.09.2004, für 2003 vom 23.06.2005, für 2004 vom 23.06.2006 und für 2005 vom 23.07.2007 lässt sich kein Hinweis für eine Entscheidung im Billigkeitsverfahren entnehmen. Auch wenn das FA über Steuerfestsetzung und den Antrag auf Billigkeitsmaßnahme in einem einheitlichen Steuerbescheid entscheiden kann, so sind es doch 2 Verfahren und es bedarf eines ausdrücklichen Hinweises im Einkommensteuerbescheid, wenn das FA eine Entscheidung im Billigkeitsverfahren trifft. Eine Entscheidung des FA im Billigkeitsverfahren ist im Streitfall in den genannten Einkommensteuerbescheiden nicht ersichtlich.
d)Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Klägervertreter angeführten Billigkeitsvorschrift des R 14 Abs. 2 EStR und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Zwar hat der BFH entschieden, dass der Verzicht auf die Bewertung des Feldinventars als Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO zu sehen ist (BFH-Urteil vom 18. März 2010 IV R 23/07, BFHE 228, 526, BStBl. II 2011, 654). Dem Verzicht auf die Aktivierung des Feldinventars liegen jedoch landwirtschaftliche Besonderheiten zu Grunde. Das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr, das den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. Juni umfasst (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG), beginnt im Ackerbau mit der Ernte, an die sich die Feldbestellung anschließt; es endet, bevor die Ernte der angebauten Feldfrüchte beginnt. Der sofortige Betriebsausgabenabzug bewirkt daher, dass neben den Erlösen aus der Ernte auch der Aufwand für die Feldbestellung in demselben Wirtschaftsjahr berücksichtigt werden kann, in dem er angefallen ist. Damit wird die oft schwierige Bewertung des Feldinventars vermieden. Die Regelung führt auch nicht zu nennenswerten Gewinnverlagerungen, weil die Werte zu Beginn und am Ende des Wirtschaftsjahrs in normalen Jahren annähernd gleich bleiben (BFH-Urteil vom 18. März 2010 IV R 23/07, BFHE 228, 526, BStBl. II 2011, 654). Diese Regelung ist als Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO anzusehen, da eine Umstellung auf die Aktivierung des Feldinventars für die betroffenen Betriebe dazu führen würde, dass sie im Übergangszeitraum die Erlöse aus der Ernte zu versteuern hätten, ohne in diesem Wirtschaftsjahr den Aufwand aus der Feldbestellung abziehen zu können. Betroffen wären alle Betriebe, die zuvor von der Möglichkeit der Nichtaktivierung Gebrauch gemacht haben. Dazu gehören vor allem die in der Land- und Forstwirtschaft besonders häufig anzutreffenden Familienbetriebe, sofern sie bilanzieren. Die Möglichkeit, weiterhin auf eine Aktivierung des Feldinventars zu verzichten, stellt sich daher als Billigkeitsregelung dar (BFH-Urteil vom 18. März 2010 IV R 23/07, BFHE 228, 526, BStBl. II 2011, 654).
Diese Regelung des R 14 Abs. 2 EStR zur ansonsten schwierigen Bewertung des Feldinventars als Umlaufvermögen, die allenfalls zu Gewinnverschiebungen führen kann, und landwirtschaftliche Besonderheiten betrifft, ist mit dem Sachverhalt des Streitfalles jedoch nicht vergleichbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.