Steuerrecht

Nichtangabe einer Kunstsammlung mit erheblichen Wert bei Erklärung der Schenkung eines Einfamilienhauses mit Zubehör und Inventar – Ablauf der Festsetzungsfrist

Aktenzeichen  4 K 1902/15

Datum:
16.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO AO § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AO AO § 170 Abs. 5 Nr. 2
AO AO § 170 Abs. 1
AO § § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ErbStG ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4a
ErbStG ErbStG § 16

 

Leitsatz

1. 1. Auch unvollständige Angaben sind regelmäßig unrichtige Angaben, weil die Erwartung der Vollständigkeit geschützt wird. Eine unvollständige Angabe liegt vor, wenn eine Erklärung im Rechtsverkehr so gewertet wird, dass sie zu einem bestimmten Sachzusammenhang eine vollständige Aussage enthält. Das Verschweigen von Tatsachen hat dann den positiven Erklärungswert, dass weitere, zu offenbarende Tatsachen nicht vorhanden sind.
2. Die Erklärung der Schenkung eines Einfamilienhauses mit Zubehör und Inventar und alle weiteren im Haus befindlichen beweglichen Gegenstände ist unvollständig, wenn das Inventar eine umfangreiche Kunstsammlung mit erheblichem Wert umfasst.

Gründe

Finanzgericht Nürnberg
4 K 1902/15
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
A. A-Straße, A-Stadt
– Klägerin
Prozessbev.: Steuerberatung B. B-Straße, B-Stadt
gegen
Finanzamt B-Stadt C-Straße, B-Stadt
– Beklagter
wegen Schenkungsteuer
hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht, die Richterin am Finanzgericht und den Richter am Finanzgericht sowie den ehrenamtlichen Richter und die ehrenamtliche Richterin aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung
vom 16. Juni 2016
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.
Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
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Tatbestand
Streitig ist, ob dem Erlass des Schenkungsteuerbescheids vom 19.05.2015 der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegensteht.
Mit notariell beurkundetem Überlassungsvertrag vom 14.06.2006 (URNr. … des Notars Z, 2) überließ Y unter 2. Überlassung den Grundbesitz FlNr. …/4, …/9 und …/8 des Grundbuchs des Amtsgerichts 1 für A-Stadt Band … Blatt …, bestehend aus A-Straße; Wohnhaus, Nebengebäude, Hofraum, Gartenland sowie Gebäude und Freifläche zu gesamt … qm, „mit allen Bestandteilen und eventuellem Zubehör sowie den gesamten in dem Wohnhaus befindlichen Inventar und auch alle weiteren in dem Wohnhaus befindlichen beweglichen Gegenständen in ihrer Sachgesamtheit“ an seine Ehefrau, die Klägerin, zum Alleineigentum. Weiter heißt es: „Auf Einzelaufführung der mitüberlassenen Gegenstände wird von den Vertragsteilen ausdrücklich verzichtet, da hiervon sämtliche Gegenstände in dem Wohnhaus in ihrer Gesamtheit betroffen sind.“
Nach 3. Gegenleistung und Vereinbarung a) handelte es sich um eine ehebedingte Zuwendung zur Herstellung einer zweckmäßigen ehelichen Vermögensordnung. Gemäß 3. Gegenleistung b) verpflichtete sich die Klägerin, die aufgeführten Grundstücke an eines oder mehrere Kinder des Herrn Y, die im Einzelnen benannt werden, herauszugeben und zu Eigentum zu übertragen. Den Übergabezeitpunkt konnte die Klägerin nach freiem Ermessen bestimmen; die Übergabe hatte jedoch spätestens mit ihrem Ableben zu erfolgen. Ausdrücklich festgestellt wurde hierzu, „dass sich diese Übertragungsverpflichtung nicht auf das mitübergebene Inventar und die sonstigen in dem Anwesen befindlichen beweglichen Gegenstände bezieht, so dass Frau A. hierüber nach dem Ableben von Herrn Y unbeschränkt verfügen kann.“
Wegen der weiteren Regelungen des Überlassungsvertrags wird auf diesen im Einzelnen verwiesen.
Die Abschrift des Überlassungsvertrags ging am 19.06.2006 beim Finanzamt ein. Im Anschreiben des Notariats ist der Wert, der der Kostenberechnung zugrunde liegt, mit 600.000 € angegeben. Das Finanzamt forderte mit an die Klägerin adressiertem Schreiben vom 27.07.2006 diese zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf. Mit dem Hinweis, sie seien bis einschl. 16.09.2006 verreist, wurde für die Klägerin in einer vom Ehemann der Klägerin auf der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung verfassten und gezeichneten Notiz Fristverlängerung bis zum 15.10.2006 erbeten.
Steuerberaterin W aus der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten rief nach Erhalt der Aufforderung vom 27.07.2006 den Ehemann der Klägerin an, worauf dieser ihr mitteilte, dass er seiner Frau sein Einfamilienhaus geschenkt und der Notar ihm gesagt habe, dass keine Schenkungsteuer zu erwarten sei.
Hiernach kam es zum telefonischen Kontakt zwischen der Bearbeiterin in der Schenkungsteuerstelle des beklagten Finanzamts, Frau V, und Frau W. In der Schenkungsteuerakte des Finanzamts trägt das Schreiben vom 27.07.2006 mit der Notiz des Ehemanns der Klägerin den handschriftlichen Vermerk der Bearbeiterin des Finanzamts „= ehebedingte Zuwendung stfrei 13 I 4a Tel. 471518 Fr. W tel. verst.“ mit Namenszeichen und Stempelaufdruck 11. AUG 2006.
Mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 14.08.2006 teilte das Finanzamt dieser mit: „für Ihren Erwerb aus der Zuwendung des Herrn Y, wohnhaft in A-Stadt, A-Straße, zum 14.06.2006 (Überlassungsvertrag) ist nach den eingereichten Unterlagen eine Schenkungsteuer nicht festzusetzen.“
Am 15.03.2014 verstarb der Ehemann der Klägerin. Dem Finanzamt wurde am 14.10.2014 im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuererklärung eine im Auftrag der Klägerin durchgeführte gutachtliche Schätzung des gemeinen Werts gem. § 9 Bewertungsgesetz (BewG) der Kunstwerke und Antiquitäten im vormaligen Eigentum des Herrn Y, erworben vor dem Stichtag 14. Juni 2006, des Gutachters U vom 03.09.2014 vorgelegt. Der Gutachter hatte als Summe der Einzelwerte einen Betrag von 993.540 € ermittelt. Die Kunstsammlung umfasst Plastiken, Möbel, Bilder sowie (figürliches) Porzellan.
Am 19.05.2015 erließ das beklagte Finanzamt einen Schenkungsteuerbescheid, der gegenüber der prozessbevollmächtigten Kanzlei bekanntgegeben wurde, in dem es aus der Zuwendung des Herrn Y zum 14.06.2006 gegenüber der Klägerin das Familienwohnheim in A-Stadt, A-Straße, mit einem geschätzten Wert von 500.000 € sowie Kunstgegenstände nach Erklärung vom 04.10.2014 mit einem gutachterlichen Schätzwert vom 03.09.2014 auf den 14.06.2006 von 993.540 € als Besitzposten ansetzte und unter Abzug von Freibeträgen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) i. H. v. 500.000 € sowie nach § 16 ErbStG i. H. v. 307.000 € einen steuerpflichtigen Erwerb von 686.500 € ermittelte und für diesen Schenkungsteuer i. H. v. 130.435 € festsetzte.
Nach den weiteren Erläuterungen des Finanzamts hatte die 4-jährige Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO gemäß § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO erst mit Ablauf des Jahres 2014 zu laufen begonnen, da das Finanzamt erst mit Übersendung der Erbschaftsteuererklärung am 14.10.2014 über den Erwerb von Todes wegen nach Herrn Y positive Kenntnis von der mit Schenkungsvertrag vom 14.06.2006 vollzogenen Schenkung von Kunstwerken und Antiquitäten im Gesamtwert von 993.540 € erlangt habe. Durch die am 19.06.2006 übersandte Abschrift des Schenkungsvertrags habe das Finanzamt nicht im erforderlichen Umfang Kenntnis von der vollzogenen Schenkung erlangt, weil dem Schenkungsvertrag zwar die erforderlichen Angaben zur Person des Schenkers und des Bedachten, jedoch nur unvollständig die Angaben zum Rechtsgrund des Erwerbs entnommen werden konnten. Weder im Schenkungsvertrag noch im Rahmen des Telefonats mit der Steuerkanzlei B. (Frau W) vom 11.08.2006 (das letztlich die Grundlage für die Nichtfestsetzungsmitteilung vom 14.08.2006 gewesen sei) sei ein Hinweis auf die – neben den konkret bezeichneten Schenkungsgegenständen – mitgeschenkte Kunst- und Antiquitätensammlung erfolgt. Somit sei das Finanzamt in Anbetracht der im Rahmen des Telefonats mitgeteilten Informationen der Steuerkanzlei lediglich von der Schenkung eines steuerbegünstigten Familienwohnheims sowie von Hausrat bzw. beweglichen Gegenständen ausgegangen, deren Wert unter den Freibeträgen i. S. d. §§ 13 Abs. 1 Nr. 1 und 16 ErbStG gelegen habe.
Die Klägerin erhob hiergegen Einspruch und machte den Ablauf der Festsetzungsfrist geltend. Mit dem Eingang der Schenkungsurkunde, in der mit dem Einfamilienhaus und dem gesamten in dem Wohnhaus befindlichen Inventar und alle weiteren in dem Wohnhaus befindlichen beweglichen Gegenstände in ihrer Sachgesamtheit zwei Schenkungsgegenstände konkret bezeichnet worden seien, habe das Finanzamt positive Kenntnis über die vollzogene Schenkung erhalten und sei in der Lage gewesen, zu prüfen, ob ein steuerpflichtiger Vorgang vorliege oder nicht. Das Finanzamt sei im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht dem Untersuchungsgrundsatz nicht ausreichend nachgekommen; eine falsche Schlussfolgerung des Finanzamts aufgrund eines mit Frau W geführten Telefongesprächs, das die Grundlage für die Nichtfestsetzungsmitteilung vom 14.08.2006 bildete, habe keinen Einfluss auf den Beginn der Festsetzungsfrist.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 08.12.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt ging davon aus, dass für den Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO positive Kenntnis des Finanzamts von der vollzogenen Schenkung gegeben sei, wenn es anderweitig als durch Anzeige gemäß § 30 ErbStG derart Kenntnis von der Schenkung erlangt, dass ihm ohne weitere Ermittlungen die Prüfung ermöglicht ist, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt. Dazu gehörten regelmäßig die Angabe des Namens und der Wohnung des Schenkers und des Bedachten sowie die Angabe des Rechtsgrunds für den Erwerb. Die Festsetzungsfrist beginne hingegen nicht bereits dann, wenn dem Finanzamt lediglich Umstände bekannt geworden seien, die ihm – ggf. nach weiteren Ermittlungen – die Prüfung möglich machen, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt. Das Schenkungsteuerfinanzamt habe erst durch die Beilage (Wertermittlung des Kunstsachverständigen) zur Erbschaftsteuererklärung, welche am 10.04.2014 (richtig 14.10.2014) eingereicht worden war, Kenntnis davon erlangt, dass die Übertragung, die mit der notariellen Urkunde vom 14.06.2006 erfolgte, insbesondere die der Kunstsammlung, einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang darstellte. Eine positive Kenntnis des Finanzamts von der Schenkung habe nicht bereits bei Eingang der vorerwähnten Urkunde vorgelegen. Aus deren Wortlaut erschließe sich nicht, dass die unentgeltliche Zuwendung auch Kunstgegenstände in einem Wert von nahezu einer Million umfasse. Selbst der steuerliche Berater führe in seiner Einspruchsbegründung aus, er bzw. die betraute Beraterin hätten keinen Einblick gehabt, was im Einzelnen und welcher Wert unter dieser Formulierung zu verstehen gewesen sei. Die steuerliche Beraterin habe sich aufgrund einer vom Finanzamt an die Klägerin übersandten Schenkungsteuererklärung am 11.08.2006 telefonisch an das Finanzamt gewandt, um mitzuteilen, dass es sich lediglich um die Zuwendung eines Familienwohnheims, somit um eine steuerfreie Zuwendung, gehandelt habe. Der steuerliche Berater hätte sich vor der telefonischen Auskunft gegenüber dem Finanzamt bei seinem Mandanten über die Vermögensübertragung Kenntnis verschaffen müssen. Der Vorwurf an das Finanzamt, den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt zu haben, verkenne die Tatsachen.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, es sei unrichtig, dass der steuerliche Berater der Klägerin hätte mitteilen lassen, dass es sich um eine nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG steuerfreie Zuwendung handeln würde und dass deswegen das Finanzamt auf die Abgabe der Schenkungsteuererklärung verzichtet habe. Die Festsetzungsfrist sei am 31.12.2010 abgelaufen, denn das Finanzamt habe mit Eingang der Schenkungsurkunde vom 14.06.2006, in der zwei Schenkungsgegenstände konkret bezeichnet worden seien, nämlich ein Einfamilienhaus und das gesamte in dem Wohnhaus befindliche Inventar und alle in dem Wohnhaus befindlichen beweglichen Gegenstände in ihrer Sachgesamtheit, positive Kenntnis über die vollzogene Schenkung i. S. v. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO erhalten. Zur positiven Kenntniserlangung genüge, wie hier, dass sich aus der Urkunde die Angabe des Namens und der Wohnung des Schenkers und des Bedachten sowie die Angabe des Rechtsgrundes für den Erwerb ergeben. Aufgrund seiner Kenntnis einer vollzogenen Schenkung habe das Finanzamt eine Schenkungsteuererklärung angefordert. Aus dem Wortlaut der Urkunde habe sich dem Finanzamt erschlossen, dass außer dem steuerfreien Wohnhaus weitere Gegenstände schenkweise übertragen worden waren, die eine Schenkungsteuer erwarten ließen. Der Wert dieser Gegenstände hätte durch die Abgabe einer Schenkungsteuererklärung oder mindestens durch entsprechende Rückfragen geklärt werden müssen. Die Steuerberaterin, die aufgrund eines vorangegangenen Telefonats mit Y nur von der Übertragung des Familienwohnheims gewusst habe, habe beim Finanzamt angerufen, um sich zu erkundigen, warum das Finanzamt trotz ihrer Meinung nach vorliegender Steuerfreiheit eine Schenkungsteuererklärung angefordert habe. Sie habe nicht angerufen, um eine Mitteilung zu machen, sondern um eine Frage zu stellen. Die beweglichen Wirtschaftsgüter seien während des gesamten Telefonats nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen. Erst aufgrund der Angaben in einer Steuererklärung könne abschließend über das Vorliegen eines steuerpflichtigen Erwerbs entschieden werden. Die Anforderung von Steuererklärungen stelle keinen Ermessensmissbrauch dar, wenn die Möglichkeit der Steuerpflicht bestehe. Die Klärung der Zweifel über das Bestehen der Steuerpflicht könne endgültig nur im Ver-anlagungs- und ggf. Rechtsmittelverfahren herbeigeführt werden. Ein Telefongespräch könne kein Ersatz für die Abgabe einer Steuererklärung oder einer schriftlichen Erklärung, in denen Angaben nach bestem Wissen und Gewissen zu machen sind, sein. Dass das Finanzamt die Klägerin zur Abgabe der Schenkungsteuererklärung aufgefordert hat, beweise, dass das Finanzamt die Urkunde genau gelesen habe und es ihm dabei zur Kenntnis gelangt sei, dass nicht nur ein steuerfreies Einfamilienhaus geschenkt worden war. Andernfalls hätte es auf eine Aufforderung wegen der Steuerfreiheit des Einfamilienhauses verzichtet, um nicht ermessensfehlerhaft zu handeln. Ein Verzicht wäre nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn eine Steuerschuld mit Sicherheit nicht bestanden hätte. Davon sei das Finanzamt, wie die Aufforderung zeige, aber nicht ausgegangen. Das Finanzamt habe gegen seine Ermittlungspflichten verstoßen, weil es trotz Kenntniserlangung von der Schenkung die Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung zurückgezogen habe.
Die Formulierung des Finanzamts im Schreiben vom 14.08.2006 zeige, das nicht das Telefonat vom 11.08.2006, sondern die dem Finanzamt eingereichten Unterlagen entscheidend für die Nichtfestsetzung der Schenkungsteuer gewesen seien.
Die Klägerin begehrt, den Schenkungsteuerbescheid vom 19.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.12.2015 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung und trägt darüber hinaus vor, selbst wenn sich die Beraterin zuerst nur erkundigen habe wollen, habe sie mit ihrem Anruf zum Ausdruck gebracht, dass lediglich ein Familienwohnheim übertragen worden sei, weil sie, wie mehrfach betont, von der gleichzeitig mitübertragenen Kunstsammlung nichts gewusst habe. Da dem Wortlaut der notariellen Urkunde nicht zu entnehmen sei, dass neben dem Familienwohnheim eine besonders wertvolle Kunstsammlung mitübertragen worden war, sei das Telefonat durchaus plausibel erschienen. Das Finanzamt habe keine Veranlassung gehabt, dem Geschehenen mit Misstrauen zu begegnen und weitere Ermittlungen anzustellen bzw. auf der Abgabe der Schenkungsteuererklärung zu bestehen. Gerade nach der Diktion des Prozessbevollmächtigten wäre es ermessensfehlerhaft gewesen, auf der Abgabe dieser Erklärung zu bestehen, wenn lediglich von der Schenkungsteuer befreites Vermögen übertragen worden wäre. Wenn nun die Beraterin aufgrund der vom Finanzamt übersandten Schenkungsteuererklärung beim Finanzamt habe hinterfragen wollen, ob diese Übersendung nicht ermessensfehlerhaft gewesen sei, weil nur steuerbefreites Vermögen – ein Familienwohnheim – übertragen worden sei, mute es zumindest treuwidrig an, wenn nunmehr eingewandt werde, das Finanzamt hätte ermitteln müssen, was die Beraterin (wenn auch wie behauptet unwissentlich) verschwiegen hat.
Auf die dem Gericht vorliegenden Akten – die Schenkungsteuerakten sowie die Steuerakten des Y – und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird im Einzelnen verwiesen.
Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 20.06.2016 einen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gestellt, auf den ebenfalls verwiesen wird.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Für die Festsetzung der Schenkungsteuer über den Erwerb der Klägerin aus der Zuwendung des Herrn Y zum 14.06.2006 war im Zeitpunkt des Erlasses des Schenkungsteuerbescheids vom 19.05.2015 keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
Der Schenkungsteuerbescheid vom 19.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO)).
Nach § 169 Abs. 1 S. 1 Abgabenordnung (AO) sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
1. Der Beginn der Festsetzungsfrist richtet sich nach § 170 AO.
a) Die Festsetzungsfrist beginnt vorliegend nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2006, somit am 31.12.2006.
Nach § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) entsteht die Steuer bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.
aa) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in der Fassung vom 24.03.1999).
Eine freigebige Zuwendung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.11.2011 II R 33/10, BStBl II 2012, 473, und vom 30.11.2009 II R 70/06, BFH/NV 2010, 900). Dies erfordert, dass der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann; maßgebend hierfür ist ausschließlich die Zivilrechtslage (BFH-Urteile vom 22.08.2007 II R 33/06, BStBl II 2008, 28, und vom 16.16.2008 II R 10/06, BStBl II 2008, 631).
In der unentgeltlichen Überlassung des näher bezeichneten Grundbesitzes AStraße in A-Stadt „mit allen Bestandteilen und evtl. Zubehör sowie dem gesamten in dem Wohnhaus befindlichen Inventar und auch alle weiteren in dem Wohnhaus befindlichen beweglichen Gegenständen in ihrer Sachgesamtheit“ an seine Ehefrau, die Klägerin, zum Alleineigentum mit Vertrag vom 14.06.2006 liegt eine Schenkung nach §§ 516 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
In der unter 3a) des Vertrags vom 14.06.2006 geregelten Verpflichtung, den Vertragsbesitz zu Lebzeiten des Veräußerers ohne dessen schriftliche Zustimmung weder zu veräußern noch zu belasten, liegt eine Auflage im Sinn des § 525 BGB. Die Regelung in 3b) des Vertrags, wonach die Grundstücke zu einem von der Klägerin frei wählbaren Zeitpunkt, spätestens mit dem Ableben der Klägerin, an die namentlich genannten Kinder herauszugeben und zu Eigentum zu übertragen sind, stellt eine Schenkung mit Weiterschenkklausel dar (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 17.02.1993 II R 72/90, BStBl II 1993, 523, unter dem Gesichtspunkt der schenkungsteuerlichen Beurteilung der Weiterschenkung an den Dritten als Schenkung des (ursprünglichen) Schenkers).
Die Form des § 518 Abs. 1 BGB ist durch die notarielle Urkunde gewahrt.
Die Beschreibung des Vertragsgegenstands ist auch hinreichend bestimmt. Überlassen werden neben Grundbesitz und Zubehör das gesamte in dem Wohnhaus befindliche Inventar und auch alle weiteren dort befindlichen beweglichen Gegenstände, damit also alle Gegenstände, die sich im Zeitpunkt der Schenkung im Wohnhaus befinden.
Wie bei allen rechtsgeschäftlichen Erklärungen gilt das Erfordernis der Bestimmtheit auch für die Einigung nach § 929 BGB. Das bedeutet aber nicht, dass bei der Verwendung von Sammelbezeichnungen jedes einzelne Objekt des Übereignungsvorgangs genau bezeichnet oder gar schriftlich festgelegt werden muss. Dem Bestimmtheitsgrundsatz wird auch dann ausreichend Rechnung getragen, wenn es infolge der Wahl einfacher, äußerer Abgrenzungskriterien für jeden, der die Parteiabreden in dem für den Eigentumsübergang vereinbarten Zeitpunkt kennt, ohne weiteres ersichtlich ist, welche individuell bestimmten Sachen übereignet worden sind (Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 31.01.1979 VIII ZR 93/78, BGHZ 73, 253). Im entschiedenen Fall hielt der BGH die Bezeichnung „Hausrat“ bzw. „Hausinventar“ für ausreichend bestimmt. Die Bestimmtheit der Einigung über den Eigentumsübergang sei nicht deshalb zu verneinen gewesen, weil nicht festgestellt worden ist, welche Hausratsgegenstände am Übereignungstag im Einzelnen vorhanden waren und welche Haushaltsgegenstände in der Zeit danach angeschafft worden sind. Hier sei zwischen Bestimmtheit und Beweisbarkeit zu unterscheiden. Spätere Ereignisse, die außerhalb des Vertrages liegen, könnten diesem nicht nachträglich seine Bestimmtheit nehmen. Am Übereignungstag habe für jeden, der die vertraglichen Abreden kannte, ohne weiteres festgestanden, dass alle Hausratsgegenstände, die sich in dem Einfamilienwohnhaus befanden, der Vereinbarung unterfielen.
Für die (an sich) notwendige Einzelübereignung genügt bei Sachgesamtheiten eine Sammelbezeichnung, die den Übereignungswillen auf alle Sachen erstreckt und die gemeinten Einzelsachen klar erkennen lässt. Die Bezeichnung Hausrat oder Inventar eines bestimmten Hauses ist ausreichend (vgl. BGH-Urteile vom 31.01.1979 VIII ZR 93/78, BGHZ 73, 253, und vom 08.06.1989 IX ZR 234/87 NJW 1989, 2542).
Im Streitfall erfolgte die Einigung unter Bezeichnung der Sachgesamtheiten als „Inventar“ und „alle weiteren in dem Wohnhaus befindlichen bewegliche[n] Gegenstände[n] in ihrer Sachgesamtheit“ und damit zulässigerweise unter Sammelbezeichnungen, bei denen für diejenigen, die die Parteiabreden in dem für den Eigentumsübergang vereinbarten Zeitpunkt kannten, ohne weiteres ersichtlich war, welche individuell bestimmten Sachen neben dem Grundbesitz übereignet worden sind, nämlich alle in dem Wohnhaus befindlichen beweglichen Gegenstände.
Die Übergabe kann im Wege der Einräumung eines Besitzmittlungsverhältnis-ses nach §§ 930, 854 BGB erfolgen. Der Schenker als bisheriger Mitbesitzer bzw. Alleinbesitzer wird zum Besitzmittler für die Beschenkte als mittelbare Besitzerin (vgl. auch Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 854 Rz. 13 und BGHUrteil vom 31.01.1979 VIII ZR 93/78, BGHZ 73, 253).
Die Vertragsparteien haben unter 5. des Vertrags geregelt, dass der Besitz, Nutzen, Lasten und das Haftpflichtrisiko ab dem 14.06.2006 auf den Erwerber übergeht. Darin ist – auch wenn die Formulierung trotz notariellen Vertrags etwas fragwürdig ist – die Einräumung des Besitzmittlungsverhältnisses zu sehen.
bb) Die Schenkung ist mit Ausführung der Zuwendung am 14.06.2016 vollzogen. Damit ist die Steuer entstanden.
Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, somit am 31.12.2006.
b) Die Prüfung der Vorschrift des § 170 Abs. 2 AO ergibt keinen anderen Zeitpunkt.
Nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO beginnt abweichend von § 170 Abs. 1 AO die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt.
aa) Das Finanzamt forderte die Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2006 auf, eine Schenkungsteuererklärung abzugeben. Hierin liegt eine Aufforderung im Sinn des § 149 Abs. 1 S. 2 AO.
Diese Aufforderung ist nie ausdrücklich aufgehoben worden. Der Bescheid des Finanzamts vom 14.08.2006, wonach „nach den eingereichten Unterlagen eine Schenkungsteuer nicht festzusetzen“ ist, ist jedoch dahin zu verstehen, dass die Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung nicht aufrechterhalten wird.
bb) Eine Anzeige ist nicht zu erstatten.
Nach § 30 Abs. 1 ErbStG ist jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb (§ 1) vom Erwerber, bei einer Zweckzuwendung vom Beschwerten binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall oder von dem Eintritt der Verpflichtung dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Erfolgt der steuerpflichtige Erwerb durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, ist zur Anzeige auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt (§ 30 Abs. 2 ErbStG).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs steht es einer Anzeige gemäß § 30 ErbStG gleich, wenn das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt anderweitig eine Kenntnis von der Schenkung erlangt, die ihm ohne weitere Ermittlungen die Prüfung ermöglicht, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt. Dazu gehört regelmäßig die Angabe des Namens und der Wohnung des Schenkers und des Bedachten (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 ErbStG) sowie die Angabe des Rechtsgrundes für den Erwerb (vgl. BFH-Urteil vom 05.02.2003 II R 22/01, BStBl II 2003, 502, m. w. N.).
Einer Anzeige bedarf es nach § 30 Abs. 3 S. 2 ErbStG jedoch nicht, wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet ist.
In diesem Fall besteht nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 ErbStG, § 8 Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) eine Anzeigepflicht der Notare.
Vorliegend bedurfte es wegen der notariellen Beurkundung des Überlassungsvertrags weder einer Anzeige der Klägerin noch des Schenkers Dr. Y.
c) Auch bei Anwendung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO errechnet sich kein anderer Zeitpunkt als der 31.12.2006.
aa) Hiernach beginnt für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2 bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat.
Maßgeblich ist dabei die Alternative, die als erste eingetreten ist (BFH-Urteile vom 28.05.1998 II R 54/95, BStBl II 1998, 647, und vom 05.02.2003 II R 22/01, BStBl II 2003, 502).
Wie schon bei Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO genügt es auch im Rahmen des Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 der Vorschrift, wenn das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt nicht durch eine Anzeige gemäß § 30 ErbStG, sondern anderweitig in dem erforderlichen Umfang (Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten; Rechtsgrund des Erwerbs) Kenntnis erlangt hat (so BFH-Urteile vom 28.05.1998 II R 54/95, BStBl II 1998, 647, und vom 05.02.2003 II R 22/01, BStBl II 2003, 502). Dafür spricht im Anwendungsbereich des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO bereits der Gesetzeswortlaut, der den Ursprung der Regelung in den erbschaftsteuerrechtlichen Anzeigepflichten nicht erkennen lässt.
Die inhaltlichen Anforderungen an eine Anzeige gemäß § 30 ErbStG geben das Maß dessen vor, was das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt auch bei anderweitiger Kenntniserlangung erfahren haben muss, damit die Rechtsfolgen des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Abs. 5 Nr. 2 ausgelöst werden (vgl. BFH-Urteil vom 05.02.2003 II R 22/01, BStBl II 2003, 502).
Nach ihrem Wortlaut verlangt die Vorschrift des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO für den Beginn der Festsetzungsfrist positive Kenntnis der Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung. Nicht ausreichend ist danach die Kenntnis von Umständen, die erst aufgrund weiterer Ermittlungen eine Prüfung der Frage ermöglichen, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 28.08.1998 II R 54/95, BStBl II 1998, 647, sowie BFH-Urteil vom 05.02.2003 II R 22/01, BStBl II 2003, 502).
bb) Im Streitfall hat das Finanzamt am 19.06.2006 mit dem Eingang des notariellen Überlassungsvertrags positive Kenntnis von der vollzogenen Schenkung erlangt.
Bei Lektüre der Nr. 2 des Überlassungsvertrags ergibt sich, dass der Grundbesitz mit allen Bestandteilen und Zubehör sowie das gesamte in dem Wohnhaus befindliche Inventar sowie alle dort befindlichen beweglichen Gegenstände in ihrer Sachgesamtheit überlassen werden. Auf eine Einzelaufstellung wird ausdrücklich verzichtet, da sämtliche Gegenstände in der Gesamtheit betroffen sind. Damit wird dem verständigen Leser klar, dass das Wohnhaus mit sämtlichem Inventar, Zubehör und beweglichen Gegenständen, also (einfach) alles in diesem Wohnhaus der Klägerin übertragen wird.
Es handelt sich nicht um einen Fall der Erlangung der Kenntnis von Umständen, die erst aufgrund weiterer Ermittlungen eine Prüfung der Frage ermöglichen, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt. Dies wurde seitens der Rechtsprechung des BFH bejaht, wenn dem Finanzamt ein notariell beurkundeter Erbauseinandersetzungsvertrag bekannt wurde, der wegen der Minderjährigkeit eines Vertragspartners der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte, die (noch) nicht erteilt war (BFH-Urteil vom 28.08.1998 II R 54/95, BStBl II 1998, 647), oder wenn dem Finanzamt ein notariell beurkundeter Gesellschaftsvertrag bekannt wurde, bei dem sich im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung wegen Wertdifferenzen bei der Übertragungen von Anteilen an einer Personengesellschaft und bei der Erbringung von Einlagen das Vorliegen einer Schenkung zwischen Ehegatten ergab (BFH-Beschluss vom 29.11.2005 II B 151/04, BFH/NV 2006, 700).
Vorliegend war dem Finanzamt positiv bekannt, dass das Wohnhaus und sein sämtlicher Inhalt auf die Klägerin übertragen wurden.
Dass das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis davon hatte und mangels ausdrücklicher Nennung oder Aufzählung auch nicht nehmen konnte, dass Teil der übertragenen Gegenstände zahlreiche Kunstgegenstände bzw. eine Kunstsammlung waren, ändert daran nichts.
Zwar kann die Formulierung unter 2. des Vertrags Anlass zur Annahme geben, es handele sich um eine „bloße“ Übertragung eines Wohnhauses mit dem üblichen Hausrat.
Hierbei wird jedoch schon eine Folgerung aus Erfahrungswerten und sonst ggf. üblichen Formulierungen von Notarverträgen gezogen, die sich vom Wortlaut des Überlassungsvertrags löst. Orientiert man sich am Wortlaut des Überlassungsvertrags, ergibt sich, dass ein Wohnhaus mit sämtlichem Inventar, Zubehör und allen beweglichen Gegenständen übertragen wird. Dass es sich hierbei nur um üblichen Hausrat handelt, ist dem Vertragswortlaut nicht zu entnehmen.
Relevant für die Kenntnis ist allein die Angabe des Namens und der Wohnung des Schenkers und des Bedachten (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 ErbStG) sowie die Angabe des Rechtsgrundes für den Erwerb; dies folgt aus der Wertung, dass es nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 28.05.1998 II R 54/95, BStBl II 1998, 647, und vom 05.02.2003 II R 22/01, BStBl II 2003, 502), wie schon bei Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, auch im Rahmen des § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO genügt, wenn das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt nicht durch eine Anzeige gemäß § 30 ErbStG, sondern anderweitig in dem erforderlichen Umfang (Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten; Rechtsgrund des Erwerbs) Kenntnis erlangt hat. Die weiteren Angaben, wie sie in § 30 Abs. 4 ErbStG genannt sind, sind für die anderweitige Kenntniserlangung nicht notwendig und müssen dem Finanzamt auch nicht in Rahmen positiver Kenntnis i. S. d. § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO für den Fristbeginn bekannt sein. Es handelt sich bei § 30 Abs. 4 ErbStG im Übrigen um eine Sollvorschrift.
Die Angabe des Namens und der Wohnung des Schenkers und des Bedachten sowie die Angabe des Rechtsgrundes für den Erwerb sind in dem Überlassungsvertrag enthalten.
Das Finanzamt hat somit am 19.06.2006 von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt.
2. Im Zeitpunkt des Erlasses des Schenkungsteuerbescheids vom 19.05.2015 war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen; sie beträgt im Streitfall 10 Jahre und endete mit Ablauf des 31.12.2016.
a) Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO vier Jahre und nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat (§ 169 Abs. 2 S. 3 AO).
b) Die Festsetzungsfrist beträgt 10 Jahre; eine Steuerhinterziehung durch den verstorbenen Ehemann der Klägerin liegt vor.
aa) Nach § 370 Abs. 1 AO begeht eine Steuerhinterziehung, wer (1.) den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder (2.) die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Steuern sind nach § 370 Abs. 4 S. 1 AO namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen von Normen des materiellen Strafrechts – wie des § 370 AO – bei der Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften von den Finanzbehörden und den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit festzustellen, sind verfahrensrechtlich die Vorschriften der AO und der FGO maßgebend und nicht die Strafprozessordnung (vgl. BFH-Urteil vom 15.01.2013 VIII R 22/10, BStBl II 2013, 526). Der BFH hat zur Frage der Inhaftungnahme wegen Steuerhinterziehung nach § 71 AO ausgeführt, das Finanzgericht habe gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, ob (für den Erlass eines Haftungsbescheids nach § 71 AO) diejenigen Tatsachen vorliegen, die den Tatbestand des Strafgesetzes ausfüllen. Allerdings dürfe es sich für die Feststellung einer Steuerhinterziehung nicht auf die Anwendung eines reduzierten Beweismaßes oder eine Schätzung beschränken; verbleibende Zweifel gingen nach den Regeln der Fest-stellungslast zulasten des Finanzamts. Bezüglich des Vorliegens einer Steuerhinterziehung ist allerdings kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt (BFH-Urteil 07.11.2006 VIII R 81/04, BStBl II 2007, 364).
Welche Anforderungen gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO im Einzelfall an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt werden müssen, entzieht sich nach der vorgenannten BFH-Entscheidung weitgehend abstrakter Festlegung. Grundsätzlich muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen wie der Steuerhinterziehung bilden. Das bedeutet, dass der Tatrichter ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem persönlichen Gewissen unterworfen persönliche Gewissheit in einem Maße erlangt, dass er an sich mögliche Zweifel überwindet und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann, wobei der Richter nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung anstreben darf, sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit überzeugen muss (vgl. BFH-Urteil vom 15.01.2013 VIII R 22/10, BStBl II 2013, 526 m. w. N.). Diese Grundsätze gelten auch für die Beurteilung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 370 AO im Rahmen der Bestimmung der Festsetzungsfrist.
bb) Der objektive Tatbestand der Verkürzung von Schenkungsteuer ist im Streitfall erfüllt.
In der Überlassung nach dem Vertrag vom 14.06.2006 liegt eine Schenkung (s.o. 1.a)).
Der Ehemann der Klägerin hat mittels der Steuerberaterin W den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unvollständige Angaben gemacht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).
(i) Tatsachen sind konkrete Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind (Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO RdNr. 228). Hiervon abzugrenzen sind Werturteile, d. h. Äußerungen, bei denen Tatsachen einer Wertung unterzogen werden, wie z. B. Schlussfolgerungen, Schätzungen, rechtliche Beurteilungen usw.. Werturteile sind nicht dem Beweis zugängliche Ereignisse und keine Tatsachen. Auch Rechtsauffassungen sind keine Tatsachen (Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO RdNr. 237).
Steuerlich erheblich sind alle Tatsachen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, also steuerlichen Zwecken dienen, insbesondere die Ermittlung, Erhebung oder Beitreibung einer Steuer betreffen (Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO RdNr. 231).
Auch unvollständige Angaben sind regelmäßig unrichtige Angaben, weil die Erwartung der Vollständigkeit geschützt wird (vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO RdNr. 248). Eine unvollständige Angabe liegt vor, wenn eine Erklärung im Rechtsverkehr so gewertet wird, dass sie zu einem bestimmten Sachzusammenhang eine vollständige Aussage enthält. Das Verschweigen von Tatsachen hat dann den positiven Erklärungswert, dass weitere, zu offenbarende Tatsachen nicht vorhanden sind.
(ii) Der Ehemann der Klägerin hat mittels der Steuerberaterin W unvollständige Angaben über die Zuwendungsgegenstände gemacht.
Er hat in seinem Telefongespräch mit der Steuerberaterin W im Vorfeld des Telefonats vom 11.08.2006 zwischen Steuerberaterin Wund Frau V angegeben, er habe seiner Frau sein Einfamilienhaus geschenkt. Hierbei handelt es sich um die unvollständige Angabe von Tatsachen, da die Schenkung das Einfamilienhaus mit Zubehör und Inventar und alle weiteren im Haus befindlichen beweglichen Gegenstände, namentlich die umfangreiche Sammlung an Kunstgegenständen mit erheblichem Wert, umfasste.
Die Tatsachen sind steuerlich erheblich. Sie betreffen die Steuerpflicht der Schenkung und die Steuerfreiheit einzelner Erwerbsgegenstände bzw. Zuwendungen.
Die Angaben des Ehemanns der Klägerin waren Grundlage des Gesprächs der Steuerberaterin W mit der Bearbeiterin des Finanzamts, Frau V. Unabhängig davon, ob diese Angabe in eine Frage der Steuerberaterin zur Notwendigkeit der Abgabe einer Steuererklärung oder in eine die Frage begleitende Mitteilung der Steuerberaterin gegenüber der Bearbeiterin des Finanzamts gekleidet war, war die Übertragung des Einfamilienhauses Gegenstand des Gesprächs zwischen Frau W und Frau V. Dies ergibt sich aus den sich insoweit entsprechenden handschriftlichen Vermerken in den Akten des Finanzamts und den Akten der Steuerberaterin. Die Bearbeiterin des Finanzamts notierte „stfrei § 13 I 4a“, die Steuerberaterin „stfrei gem. § 13 Erb (selbgen. Immobilie vom Ehegatten). Hieraus ergibt sich nach Auffassung des Senats zweifelsfrei, dass die Übertragung des selbstgenutzten Einfamilienhauses Thema des Gesprächs war und ein Konsens hinsichtlich der Steuerfreiheit nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG bestand.
Die beweglichen Wirtschaftsgüter waren während des gesamten Telefonats nicht Gegenstand des Gesprächs, wie der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 15.01.2016 bestätigte.
Die Steuerberaterin hat die ihr gegenüber gemachten unvollständigen Angaben des Ehemanns der Klägerin an das Finanzamt weitergegeben; der Ehemann der Klägerin hat mittels der Steuerberaterin unvollständige Angaben gegenüber dem Finanzamt gemacht.
Die Einschätzung des Ehemanns der Klägerin, dass keine Schenkungsteuer zu erwarten sei, ist keine Tatsache, sondern eine Rechtsauffassung oder Schlussfolgerung. Die Weitergabe der rechtlichen Einschätzung des Notars durch den Ehemann der Klägerin ist zumindest keine steuerlich erhebliche Tatsache, da die schenkungsteuerliche Beurteilung den Finanzbehörden und Finanzgerichten, nicht aber dem Notar obliegt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus 10. des Überlassungsvertrags.
(iii) Der Ehemann der Klägerin handelte als mittelbarer Täter.
Nach § 25 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) wird als Täter bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.
Bei mittelbarer Täterschaft begeht der Täter die Tat „durch einen anderen“. Der Hintermann beherrscht die die Tathandlung ausführende Person und setzt sie als Werkzeug ein. Das Gesamtgeschehen stellt sich als Werk des steuernden Willens des Hintermanns dar, nicht als das Werk des in eigener Person Handelnden (Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO RdNr. 111).
Der Ehemann der Klägerin hatte die Herrschaft über den Inhalt seiner unvollständigen Angaben gegenüber der Steuerberaterin W. Diese hat dem Finanzamt die Angaben – ob in eine Frage oder in eine Mitteilung gekleidet – weitergegeben.
Der Steuerberaterin war nach den von Finanzamt unbestrittenen Ausführungen des Prozessbevollmächtigten nicht bekannt, dass die Angaben des Ehemanns der Klägerin unvollständig waren; der Überlassungsvertrag lag ihr nicht vor. Der Ehemann der Klägerin war Partei des Überlassungsvertrags und damit für die Steuerberaterin eine kundige Auskunftsperson. Nach Auffassung des Senats handelte die Steuerberaterin bei Übermittlung der Angaben des Ehemanns der Klägerin ohne Vorsatz hinsichtlich der Unvollständigkeit der Angaben und erfüllt damit nicht den Tatbestand der Steuerhinterziehung in eigener Person. Vielmehr wurde sie vom Ehemann der Klägerin infolge dessen Wissensherrschaft über die Zuwendungsgegenstände gesteuert, die unvollständigen Angaben gegenüber der Finanzbeamtin zu machen.
(iv) Der Ehemann der Klägerin kann selbst den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklichen.
§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist als Allgemeindelikt anzusehen. Die Möglichkeit, gegenüber den in § 370 Abs. 1 AO genannten Behörden unrichtige oder unvollständige Angaben zu machen, hat nicht nur derjenige, der erklä-rungs- oder mitwirkungspflichtig ist, sondern jeder, der rein tatsächlich dazu Gelegenheit hat. Wer zwar nicht selbst erklärungspflichtig ist, gleichwohl durch seine Erklärung aber den steuerlichen Verkürzungserfolg herbeiführen kann, kann zwar nicht deshalb strafbar sein, weil er steuerlich erhebliche Angaben unterlässt. Führt er aber durch seine falschen Angaben den Erfolg tatsächlich herbei, hat er die Herrschaft über den Erfolg. Wenn er (überhaupt) für einen anderen steuerlich erhebliche Angaben macht, dann hat er die Pflicht, vollständige Angaben zu machen. Insofern setzt also auch der steuerlich eigentlich nicht zu Angaben Verpflichtete ein rechtlich missbilligtes Risiko, wenn er unvollständige Angaben macht (vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO RdNr. 91 unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
Der Ehemann der Klägerin ist als Schenker gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG selbst Steuerschuldner. Die Klägerin ist gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG als Beschenkte ebenfalls Steuerschuldnerin. Beide sind Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 S. 1 AO. Das Finanzamt hatte sich für die Anforderung der Schenkungsteuererklärung an die Klägerin als Bedachte gewandt. Dies (und eine spätere Steuerfestsetzung gegenüber dem Bedachten) ist ermessensgerecht, da das Finanzamt dem Wesen der Schenkungsteuer als Bereicherungssteuer entsprechend grundsätzlich gehalten ist, sich bei Anforderung der Steuer an den Bedachten zu halten (BFH-Urteil vom 29.11.1961 II 282/58 U, BStBl III 1962, 323).
Der Ehemann der Klägerin ist als Schenker grundsätzlich gemäß § 30 Abs. 2 ErbStG verpflichtet, den der Schenkungsteuer unterliegenden Erwerb dem für die Verwaltung der Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen; einer Anzeige bedarf es jedoch nach § 30 Abs. 3 S. 2 ErbStG nicht, wenn – wie vorliegend – eine Schenkung unter Lebenden notariell beurkundet ist.
Der Ehemann der Klägerin hat als Schenker eine andere Stellung als ein beliebiger Dritter.
Vom Tatsächlichen her hat er zum einen die Herrschaft über das Wissen und zum anderen über den Erfolg: Er selbst hat die umfangreichen Kunstgegenstände angesammelt. Diese hat er als Schenker zusammen mit dem Wohngrundstück der Klägerin übertragen. Er hat gegenüber dem Finanzamt die Stellung des Antrags auf Fristverlängerung nach dem Schreiben des Finanzamts vom 27.07.2006 in die Hand genommen, wie sich aus dem von ihm handschriftlich gestellten Antrag gegenüber dem Finanzamt vom 28.07.2006 ergibt, obwohl nicht er, sondern die Klägerin Adressatin des Schreibens war. Ferner war es der Ehemann der Klägerin und nicht die Klägerin selbst, der das Telefonat mit der Steuerberaterin W führte und die unvollständigen Angaben über den Schenkungsgegenstand machte. Mit der Weitergabe dieser unvollständigen Angaben an das Finanzamt, dem infolgedessen fälschlichen Konsens hinsichtlich der Steuerfreiheit und dem daraufhin erfolgten Schreiben des Finanzamts vom 14.08.2006 über die Nichtfestsetzung von Schenkungsteuer hat sich der Erfolg der unvollständigen Angaben des Ehemanns der Klägerin manifestiert.
Selbst wenn der Ehemann der Klägerin als Schenker und wegen seiner rechtlichen, tatsächlichen und vor allem persönlichen Nähe zur Bedachten und zu den Schenkungsgegenständen keine besondere Stellung hätte, kann er den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklichen. Wer für einen anderen steuerlich erhebliche Angaben macht, hat die Pflicht, vollständige Angaben zu machen.
Der Ehemann der Klägerin war in der Lage, für seine Ehefrau Angaben zu machen und hat für sie tatsächlich steuerlich erhebliche Angaben gemacht; wenn er diese macht, trifft ihn die Pflicht, die Angaben vollständig zu machen. Das Machen unvollständige Angaben erfüllt den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.
(v) Das Machen unvollständiger Angaben setzt nicht voraus, dass die unvollständigen Angaben im Rahmen einer Steuererklärung im Sinn des § 149 AO gemacht werden. Der Tatbestand der Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wird auch erfüllt, wenn die unvollständigen Angaben außerhalb einer förmlichen Steuererklärung, etwa im Vorfeld einer Steuererklärung gemacht werden, aber dennoch Auswirkungen auf die Festsetzung von Steuer haben.
Dies ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Vorschriften des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und § 153 Abs. 1 AO.
Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, (1.) dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, (…) so ist er nach § 153 Abs. 1 AO verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen. Die Verpflichtung trifft auch den Gesamtrechtsnachfolger eines Steuerpflichtigen und die nach den §§ 34 und 35 für den Gesamtrechtsnachfolger oder den Steuerpflichtigen handelnden Personen.
Der Anwendungsbereich des § 153 Abs. 1 AO beschränkt sich – auch wenn dort der Schwerpunkt liegt – aber nicht auf die Berichtigung von Steuererklärungen (Seer in Tipke/Kruse AO/FGO, § 153 AO, Rz. 1, 7). § 153 AO gehört materiell zu den im 3. Teil der AO angesiedelten allgemeinen Verfahrensvorschriften. Erklärungen im Sinn von § 153 Abs. 1 AO sind alle Äußerungen, die Einfluss auf die Festsetzung oder Erhebung/Vollstreckung der Steuer haben (Seer in Tipke/Kruse AO/FGO, § 153 AO, Rz. 1, 7).
Durch die Verletzung der Anzeigepflicht kann eine Steuerverkürzung i. S. v. § 370 Abs. 4 AO bewirkt werden.
Auch das pflichtwidrige Handeln entgegen § 153 Abs. 1 AO bei Abgabe von Erklärungen, die nicht „förmliche“ Steuererklärungen sind, aber Einfluss auf die Festsetzung oder Erhebung/Vollstreckung der Steuer haben, wird rechtlich missbilligt und erfüllt bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen den Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO.
Nach Auffassung des Senats hat auch die vorliegende unvollständige Erklärung des Ehemanns der Klägerin Auswirkungen auf die Festsetzung einer Steuer. Das Finanzamt hatte die Klägerin bereits zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung aufgefordert. Infolge der unvollständigen Angaben des Ehemanns der Klägerin kam es zu der beiderseitigen Fehleinschätzung hinsichtlich der Steuerfreiheit und dem daraufhin erfolgten Schreiben des Finanzamts vom 14.08.2006 über die Nichtfestsetzung von Schenkungsteuer.
(vi) Eine Verkürzung von Schenkungsteuer i. S. v. § 370 Abs. 4 AO liegt vor, da die Schenkungsteuer für die Zuwendung an die Klägerin nicht rechtzeitig festgesetzt wurde.
Die unvollständigen Angaben des Ehemanns der Klägerin waren ursächlich für die Steuerverkürzung. Das Finanzamt ging infolge der unvollständigen Angaben von der Steuerfreiheit der Übertragung des selbstgenutzten Einfamilienhauses nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG und der gesamten Überlassung aus, teilte der Klägerin mit Schreiben vom 14.08.2006 mit,
eine Schenkungsteuer sei nicht festzusetzen und bestand damit einhergehend nicht mehr auf der Abgabe der Schenkungsteuererklärung, so dass eine Schenkungsteuererklärung nicht abgegeben wurde und infolgedessen Schenkungsteuer nicht rechtzeitig festgesetzt wurde.
(vii) Es kommt für die Erfüllung des Tatbestandes des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht darauf an, ob das Finanzamt hätte wissen müssen oder erkennen können, dass es sich bei dem Zugewendeten nicht nur um das Familienwohnheim handelte.
Nach der Rechtsprechung des BGH genügt für die Erfüllung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, dass die unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in anderer Weise als durch eine Täuschung für die Steuerverkürzung oder das Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile ursächlich werden (vgl. BGH-Urteil vom 14.12.2010 1 StR 275/10, NJW 2011, 1299 m. w. N.). § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt keine gelungene Täuschung des zuständigen Finanzbeamten voraus. Deshalb kommt es auch auf den Kenntnisstand der Finanzbehörden von der Unrichtigkeit der gemachten Angaben nicht an.
§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO greift hiernach selbst dann ein, wenn der zuständige Veranlagungsbeamte von allen für die Veranlagung bedeutsamen Tatsachen Kenntnis hat und zudem sämtliche Beweismittel (§ 90 AO) bekannt und verfügbar sind. Im Gegensatz zu § 370 Abs.1 Nr. 2 AO ist bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO – schon nach seinem Wortlaut – nicht auf eine Kenntnis oder Unkenntnis der Finanzbehörden abzustellen oder das ungeschriebene Merkmal der „Unkenntnis“ der Finanzbehörde vom wahren Sachverhalt in den Tatbestand hineinzulesen. Anders als in der Unterlassungsvariante (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) setzt der Täter bei Begehung durch aktives Tun mit Abgabe der dann der Veranlagung zugrunde gelegten – aber unrichtigen – Erklärung eine Ursache, die im tatbestandsmäßigen Erfolg (i. S. d. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO) stets wesentlich fortwirkt. Der Erfolg wäre auch bei Kenntnis der Finanzbehörden vom zutreffenden Besteuerungssachverhalt – anders als in der Unterlassungsvariante – weder ganz noch zum Teil ohne den vom Steuerpflichtigen in Gang gesetzten Geschehensablauf eingetreten. Insofern realisiert sich gerade auch in dem Machen der falschen Angaben die durch § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtlich missbilligte Gefahr einer Steuerverkürzung.
Gleichzustellen ist der hier vorliegende Fall, in dem der Ehemann der Klägerin durch seine unvollständigen Angaben, die mittels der Steuerberaterin dem Finanzamt gegenüber gemacht wurden, die Ursache dafür setzte, dass das Finanzamt von einer Abgabe einer Steuererklärung und einer Steuerfestsetzung absah.
(viii) Es kommt auch nicht darauf an, ob das Finanzamt Ermittlungen zum Zustandekommen des vom Notar unter 4. des Vorblattes der übermittelten Urkunde angegebenen Wertes von 600.000 € bei der Klägerin hätte anstellen müssen.
Die Angaben des Notars beruhen auf § 8 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ErbStDV, wonach der Notar die Beteiligten über den Wert der Zuwendung zu befragen und die Angaben in der Anzeige nach § 30 ErbStG mitzuteilen hat.
Nach der unter 2. bb) (vii) dargestellten BGH-Rechtsprechung kommt es bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO darauf an, dass mit Abgabe der dann der Veranlagung zugrunde gelegten – aber unrichtigen – Erklärung eine Ursache geschaffen wird, die im tatbestandsmäßigen Erfolg stets wesentlich fortwirkt. Tritt der Erfolg auch bei Kenntnis der Finanzbehörden vom zutreffenden Besteuerungssachverhalt weder ganz noch zum Teil ohne den vom Steuerpflichtigen in Gang gesetzten Geschehensablauf ein, so kann für den Fall der ggf. pflichtwidrigen Unkenntnis nichts anderes gelten. Es kann daher offen bleiben, ob das Finanzamt im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 88 Abs. 1 AO, Untersuchungsgrundsatz) Ermittlungen hätte anstellen müssen, d. h. ob sich bei der Angabe des Ehemanns der Klägerin ohne weiteres Zweifelsfragen hätten aufdrängen müssen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO, § 88 Rz. 13), denen das Finanzamt nicht nachgegangen ist.
cc) Der Ehemann der Klägerin hat hinsichtlich der Hinterziehung von Schenkungsteuer mit bedingtem Vorsatz gehandelt.
(i) Bei Steuerhinterziehung muss sich der Vorsatz auf sämtliche äußeren Tat-bestandsmerkmale erstrecken, d. h. auf die jeweiligen Tathandlungen des § 370 Abs. 1 Nr. 1 – 3 AO, den Hinterziehungserfolg und den Zurechnungszusammenhang. Der Täter muss den Sinngehalt des Tatbestandsmerkmals und des darunter zu subsumierenden Verhaltens zutreffend erfassen (Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 619 f). Bei der Begehungsform des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO muss der Täter wissen und wollen, dass er unrichtige oder unvollständige Angaben macht, diese Angaben steuerlich erhebliche Tatsachen betreffen, er diese Angaben dem Finanzamt gegenüber macht und durch seine Handlung Steuern verkürzt werden (vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 623).
Der Vorsatz wird durch Absicht (direkter Vorsatz ersten Grades), wissentliche Tatbestandsverwirklichung (direkter Vorsatz zweiten Grades) oder bedingten Vorsatz verwirklicht (vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 608). Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter ernsthaft mit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung rechnet und den Erfolg billigend in Kauf nimmt. Fahrlässigkeit hingegen ist gegeben, wenn der Täter auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut hat (vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 612).
(ii) Der Senat ist nach § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes hinsichtlich der Hinterziehung von Schenkungsteuer beim Ehemann der Klägerin überzeugt.
Der Ehemann der Klägerin hat bei der Angabe über den Schenkungsgegenstand, die er mittels der Steuerberaterin gegenüber dem Finanzamt gemacht hat, ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet, dass er unvollständige Angaben macht und dass diese Angaben steuerlich erhebliche Tatsachen, die gegenüber dem Finanzamt gemacht werden, betreffen. Er hat ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet, dass dadurch Steuern verkürzt werden und diesen Erfolg billigend in Kauf genommen.
Der Ehemann der Klägerin hat bei der unvollständigen Angabe über die Schenkungsgegenstände in dem Wissen gehandelt, dass nicht nur das Familienwohnheim, sondern alle beweglichen Gegenstände im Wohnhaus, insbesondere die umfangreiche und wertvolle Sammlung von Kunstgegenständen und Antiquitäten der Klägerin geschenkt wurden.
Dem Kläger war bekannt, dass er Kunstgegenstände besaß. Nach Überzeugung des Senats hat der Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt des Überlassungsvertrags ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet, dass die Kunstgegenstände einen beträchtlichen Wert hatten.
Schon bei der Betriebsprüfung für die Vermögensteuer 1993 bis 1995 (Bericht vom 30.10.1998) wurde auf den die Vermögensteuer 1993 bis 1995 betreffenden Anlagen 3 „Kunstgegenstände 150.000“ (1993), „Kunstgegenstände 200.000“ (1994), „Kunstgegenstände 250.000“ (1995) ergänzt; unter „3. Vermögensteuer“ des Berichts wurde bei „Aufgrund der Prüfungsfeststellungen sind veranlasst“ ergänzt: „Nacherklärung Kunstgegenstände ab 93 angefordert“.
Nach dem Gutachten des Kunstsachverständigen U vom 03.09.2014 handelt es sich bei den vor dem 14.06.2006 erworbenen, im Eigentum des Y stehenden Kunstwerken und Antiquitäten um insgesamt 98 Bilder (Moderne, vor 1900, Münchener Schule und unterschiedlichen Künstler 19./20. Jahrhundert), 37 Skulpturen/Plastiken, 15 Möbelstücke und 36 Stück (figürliches) Porzellan, meist Meissener Porzellan. Der Gutachter hat als wertvollste Einzelstücke bei den Plastiken die Nr. 27 seiner Aufstellung (Hl. Georg, Schätzwert 75.000 €), Nr. 2 (Maria Immaculata mit Kind, Werkstatt Tilmann Riemenschneider, 55.000 €), Nr. 7 (Hl. Balthasar (?), Umkreis Veit Stoß, 45.000 €) und bei den Bildern vor 1900 die Nr. 29 (Waldlandschaft, Jan Breughel d.Ä., 65.000 €), Nr. 31 (Phantast. Architekturen, Christian Georg Schütz d.Ä., 48.000 € und Nr. 2 (Paradieslandschaft mit Sündenfall, Jan Breughel d.J. und Werkstatt, 40.000 €) eingeschätzt.
Nach Überzeugung des Senats wusste der Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt des Überlassungsvertrags, dass er eine umfangreiche Kunstsammlung besaß und dass die Kunstgegenstände einen beträchtlichen Wert hatten; zumindest rechnete er ernsthaft mit dieser Möglichkeit. Auch wenn dem Ehemann der Klägerin bei Abschluss des Überlassungsvertrags und bei der Angabe gegenüber der Steuerberaterin womöglich nicht der volle Umfang seiner Sammlung präsent gewesen sei sollte und er sich nicht im einzelnen – wie ein Kunstsachverständiger – über deren (Gesamt-) Wert zum 14.06.2006 im Klaren war, so hat der Kläger angesichts des groben Umfangs seiner Sammlung und hervorstechender Einzelstücke von namhaften Künstlern und deren Werkstätten bzw. Umkreis zumindest ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet, dass die Kunstgegenstände von beträchtlichem Wert waren.
Die Parteien des Überlassungsvertrags haben, wie der Klägervertreter zutreffend vorgetragen hat, hinsichtlich ihrer Regelung unter 3.b) des Vertrags unterschieden zwischen dem Wohnhaus und den Grundstücken, die die Klägerin zu einem durch sie zu bestimmenden Zeitpunkt, spätestens mit ihrem Ableben, an eines oder mehrere Kinder ihres Ehemanns herauszugeben hat und dem mitübergebenen Inventar und den sonstigen in dem Anwesen befindlichen beweglichen Gegenständen, über die die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemanns unbeschränkt verfügen kann. Auch aus dieser bewussten Unterscheidung ergibt sich nach Überzeugung des Senats, dass dem Ehemann der Klägerin zum einen bekannt und bewusst war, dass nicht nur das Familienwohnheim übertragen wurde und er zudem ernsthaft mit der Möglichkeit rechnete, dass die übertragenen Gegenstände ein eigene Wertigkeit hatten, die mit einer eigenen „Behaltensregelung“ zugunsten der Klägerin umgesetzt wurde.
Dass der Ehemann der Klägerin als Schenker von Anfang an zumindest ernsthaft mit der Möglichkeit rechnete, unvollständige Angaben zu den überlassenen Gegenständen zu machen und eine Steuerverkürzung billigend in Kauf nahm, wird nach Überzeugung des Senats auch dadurch deutlich, dass der notarielle Überlassungsvertrag vom 14.06.2006 ausdrücklich auf eine Aufzählung der mitübergehenden beweglichen Gegenstände und auch auf eine Zusammenfassung der beweglichen Gegenstände unter einer einheitlichen Bezeichnung z. B. als Kunstgegenstände und Antiquitäten verzichtet, was einem Dritten einen Einblick in den Umfang und die Werthaltigkeit dieser Gegenstände unmöglich macht. Der Notar legte der Kostenberechnung lediglich einen Wert von 600.000 € zugrunde. Nach den Angaben des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung betrug damals allein der Wert des überlassenen Grundbesitzes bereits mindestens 400.000 €. Außerdem wurden neben dem Hausrat und dem Inventar u. a. auch Kunstgegenstände und Antiquitäten überlassen, die, wie vorstehend erwähnt, u. a. aus 98 Bildern, 37 Skulpturen, 15 Möbelstücken und Porzellan im Wert von 993.540 € bestanden. Ausgehend von diesen Werten kann nach Auffassung des Senats der Hinweis des Notars, dass die Übertragung des Vermögens (voraussichtlich) zu keiner Schenkungsteuer führen werde, nur dahin gedeutet werden, dass diesem das unter der Bezeichnung bewegliche Gegenstände aufgeführte Vermögen weder hinsichtlich dessen Umfangs noch hinsichtlich dessen Werthaltigkeit bekannt war.
Dieses Vorgehen lässt nach Auffassung des Senats darauf schließen, dass es der Ehemann der Klägerin darauf anlegte, dass für Dritte Umfang und Werthaltigkeit der übertragenen Gegenstände im Unklaren blieben. Der Ehemann der Klägerin konnte damit rechnen, durch die Formulierung des Vertrags vom 14.06.2006 den Anschein zu erwecken, bei den übertragenen beweglichen Gegenständen handele es sich lediglich um unwesentliche Sachen. Dies setzte sich in der Äußerung gegenüber der Steuerberaterin W, in der er wider besseres Wissen unvollständige Angaben über die übertragenen Gegenstände machte, fort.
Der Ehemann der Klägerin hat ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet, dass er mittels der Steuerberaterin unvollständige Angaben gegenüber den Finanzbehörden macht.
Der Ehemann der Klägerin hatte am 28.07.2006 den Antrag auf Fristverlängerung beim Finanzamt gestellt.
Der Anruf der Steuerberaterin W bei ihm erfolgte, wie der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 02.05.2016 ausführt, nachdem das Steuerbüro die an die Klägerin gerichtete Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung erhalten hatte. Der Ehemann der Klägerin hat nach Überzeugung des Senats bei diesem Gespräch ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet, dass die Inhalte seines Gesprächs mit der Steuerberaterin an das Finanzamt weitergegeben werden würden, insbesondere weil er als vertragschließende Partei und Schenker im Gegensatz zur Steuerberaterin, der der Überlassungsvertrag nach Aussage des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung zu diesem Zeitpunkt gar nicht vorlag, eine Wissensherrschaft über das tatsächlich Übertragene hatte.
Weiter hat der Ehemann der Klägerin ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet, dass durch seine Angabe Schenkungsteuer verkürzt wird; er hat diesen Erfolg billigend in Kauf genommen.
Dem Ehemann der Klägerin waren schenkungsteuerliche Aspekte des Überlassungsvertrags bewusst. Dies ergibt sich aus seiner Äußerung gegenüber Steuerberaterin W, wonach er seiner Frau sein Einfamilienhaus geschenkt und der Notar gesagt habe, dass eine Schenkungsteuer nicht zu erwarten sei. Infolge seiner unvollständigen Angabe zum Schenkungsgegenstand rechnete der Ehemann der Klägerin nach Überzeugung des Senats ernsthaft mit der Möglichkeit einer Steuerverkürzung, da er eben nicht nur ein „steuerfreies“ Familienwohnheim, sondern u. a. eine beträchtliche Kunstsammlung übertragen hatte. Damit hat er die Verkürzung der Schenkungsteuer zumindest billigend in Kauf genommen.
(iii) Ein schuldausschließender Verbotsirrtum im Sinn des § 17 Strafgesetzbuch (StGB) des Ehemanns der Klägerin liegt nicht vor.
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er nach § 17 StGB ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden.
Sollte dem Ehemann der Klägerin das Bestehen einer Steuerpflicht der über das Familienwohnheim hinausgehenden Schenkungen – etwa wegen des Hinweises des Notars – nicht bekannt gewesen sein und er über die Notwendigkeit vollständiger Angaben und die Tragweite des unvollständigen Machens der Angaben zur Schenkung vom 14.06.2006 im Irrtum gewesen sein, liegt in diesem Irrtum über die Pflichtwidrigkeit seines Handelns ein Verbotsirrtum i. S. v. § 17 StBG vor. Fehlt hiernach dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er nach § 17 StGB ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Der Ehemann der Klägerin hätte aber einen solchen Irrtum durch steuerliche Beratung vermeiden können, so dass in diesem Fall ein vermeidbarer Verbotsirrtum vorliegt, der keinen Ausschluss der Schuld zur Folge hat.
dd) Die Klägerin hat durch die Steuerhinterziehung ihres Ehemanns mit der nicht rechtzeitigen Festsetzung der Schenkungsteuer einen Vermögensvorteil erlangt. Sie hat ihrem Ehemann faktisch die Behandlung der an sie gerichteten Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung überlassen. Der Ehemann der Klägerin hat den Antrag auf Fristverlängerung gestellt und das Telefonat mit Fr. W geführt. Vorkehrungen der Klägerin um bei der Behandlung der schenkungsteuerlichen Angelegenheit durch ihren Ehemann eine Schenkungsteuerhinterziehung zu verhindern, sind nicht ersichtlich.
Demnach war bei Ergehen des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids am 19.05.2015 die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen.
3. Das Finanzamt konnte den Bescheid vom 14.08.2006 auf Grundlage des § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ändern und den Schenkungsteuerbescheid vom 19.05.2015 erlassen.
a) Der Bescheid vom 14.08.2006 stellt einen Steuerbescheid in Form eines Freistellungsbescheides im Sinn des § 155 Abs. 1 S. 3 AO dar.
Nach § 155 Abs. 1 AO werden die Steuern, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 AO bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.
Ein Freistellungsbescheid im Sinn des § 155 Abs. 1 S. 3 AO ist begrifflich ein Steuerbescheid, der nach dem Willen des Finanzamts den Steuerpflichtigen davon unterrichtet, dass eine Steuer von ihm aufgrund des geprüften Sachverhalts dem Grunde nach überhaupt nicht oder für einen bestimmten Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum nicht gefordert werde (BFH-Urteile vom 26.03.1969 I R 38/67, BStBl II 1969, 473; vom 22.10.1986 I R 254/83, BFH/NV 1988, 10, und vom 09.04.2008 II R 31/06, BFH/NV 2008, 1435). Hierbei kommt es darauf an, ob für den Adressaten aus der Mitteilung selbst oder aus den Umständen ihres Erlasses objektiv erkennbar ist, dass eine einseitige, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Regelung kraft hoheitlicher Gewalt gewollt ist (BFH-Urteil vom 22.10.1986 I R 254/83, BFH/NV 1988, 10).
Der Erklärungsgehalt des Schreibens des Finanzamts ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (§ 133 BGB). Ein Verwaltungsakt wird nach § 124 Abs. 1 Satz 2 AO mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekanntgegeben wird (Erklärungstheorie, vgl. Koenig, Abgabenordnung, § 124 Rz. 8). Es kommt deshalb darauf an, wie der Steuerpflichtige selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Schreibens unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteile vom 09.04.2008 II R 31/06, BFH/NV 2008, 1435, m. w. N.).
Nicht ausschlaggebend ist, was das Finanzamt mit der Mitteilung bewirken wollte. Daher ist auch unbeachtlich, ob die Behörde den Willen hatte, einen Freistellungsbescheid zu erlassen. Es reicht aus, wenn der Anschein eines entsprechenden Entscheidungswillens erweckt wird.
Bei Auslegung des Schreibens des Finanzamts vom 14.08.2006 nach den o.g. Grundsätzen ist dieses aus Sicht der steuerpflichtigen Klägerin so zu verstehen, dass sich das Finanzamt einseitig, verbindlich und der Bestandskraft fähig dahin äußert, dass für einen bestimmten Besteuerungsfall – aus der Zuwendung vom 14.06.2006 – eine Schenkungsteuer nicht festgesetzt wird. Dass keine Rechtsbehelfsbelehrung beigegeben ist, nimmt dem Bescheid nicht seinen Charakter als einseitige und verbindliche Regelung. Sofern das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung darauf hindeuten kann, dass das Finanzamt keinen Freistellungsbescheid erlassen wollte, schadet dieser fehlende Wille nicht.
b) Der Bescheid vom 14.08.2006 kann nur nach den Änderungsvorschriften der §§ 172 ff. AO geändert werden.
Rechtsgrundlage für die Änderung und für den Erlass des angefochtenen Schenkungsteuerbescheid vom 19.05.2015 ist § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Danach ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden (sog. neue Tatsachen oder neue Beweismittel), die zu einer höheren Steuer führen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
aa) Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1987 IV R 69/85, BFH/NV 1988, 346, m. w. N.). Schlussfolgerungen sind keine Tatsachen i. S. des § 173 AO (BFH-Urteil vom 14.01.1998 II R 9/97, BStBl II 1998, 371).
Der Wert eines Gegenstandes ist keine Tatsache. Er ist nur das Ergebnis von Schlussfolgerungen aus den wertbegründenden Eigenschaften. Wertbegründenden Eigenschaften sind indes Tatsachen (BFH-Urteil vom 25.07.2001 VI R 82/96, BFH/NV 2001, 1533).
Eine Tatsache ist „neu“, wenn sie das Finanzamt bei abschließender Zeichnung des entsprechenden Eingabewertbogens für die Erstellung des Steuerbescheids noch nicht kannte.
Tatsache ist im vorliegenden Streitfall, dass die 14.06.2006 geschenkten beweglichen Gegenstände eine umfangreiche Sammlung von Antiquitäten und Kunstgegenständen umfassten, deren Alter, künstlerische Qualität und künstlerische Herkunft einen erheblichen, vom Kunstsachverständigen mit 993.540 € geschätzten Wert bilden.
Diese Tatsache ist „neu“. Sie wurde dem Finanzamt mit Eingang der Erbschaftsteuererklärung am 14.10.2014 bekannt. Im Zeitpunkt der Zeichnung des Entwurfs des Freistellungsbescheides vom 14.08.2006 war sie der Schenkungsteuerstelle des Finanzamts nicht bekannt.
Dieses Verständnis der „neuen Tatsache“ steht der oben unter 1.c) getroffenen Auslegung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nicht entgegen. Dort vertritt der Senat die Auffassung, dass das Finanzamt mit Eingang des Überlassungsvertrags am 19.06.2006 Kenntnis von der vollzogenen Schenkung erlangt hat. Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt von Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten und vom Rechtsgrund des Erwerbs Kenntnis erlangt hat. Eine detaillierte Kenntnis der Schenkungsgegenstände und deren wertbildenden Eigenschaften ist für den Beginn der Festsetzungsverjährungsfrist des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nicht erforderlich. Tatsächlich hatte das Finanzamt bei Ergehen des Bescheids vom 14.08.2006 keine Kenntnis vom Umfang und von der Werthaltig-keit dieser beweglichen Gegenstände.
Daher kann die Übertragung der Kunst- und Antiquitätensammlung als Teil der Zuwendungsgegenstände am 14.10.2014 „neu“ i. S. v. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sein.
bb) Die neuen Tatsachen führen zu einer höheren Steuer.
Bei Vergleich des bisherigen Freistellungsbescheids i. S. v. § 155 Abs. 1 S. 3 AO mit der aufgrund der neuen Tatsachen festzusetzenden Steuer ergibt sich eine höhere Steuer.
Der BFH geht im Leitsatz 2 des Urteils vom 16.09.1987 II R 178/85, BStBl II 1988, 174, davon aus, dass die Vornahme einer Änderung durch das Finanzamt von Amts wegen gegen den Willen des Steuerpflichtigen unwiderlegbar indiziere, dass das Finanzamt die Voraussetzungen von § 173 Abs.1 Nr. 1 AO (Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen) für gegeben hält.
cc) Das Finanzamt war nicht nach Treu und Glauben gehindert, den Freistellungsbescheid vom 14.08.2006 durch Erlass des Schenkungsteuerbescheids vom 19.05.2015 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern.
(i) Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist nach Treu und Glauben aus-geschlossen, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Soweit das Gesetz die Erfüllung bestimmter Mitwirkungspflichten verbindlich vorschreibt, wie Steuererklärungspflichten, hat die Finanzbehörde diese einzufordern und durchzusetzen (Seer in Tipke/Kruse AO/FGO, § 88 AO Rz. 8). Der Steuerpflichtige muss dabei seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.1992 III R 50/91, BFH/NV 1993, 496). Das Finanzamt verletzt seine Ermittlungspflicht nach § 88 AO nur, wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht (BFH-Urteil vom 13.11.1985 II R 208/82, BStBl II 1986, 241). Es muss aber nicht jeder denkbaren Möglichkeit nachgehen. Bei der Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des Finanzamtes kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob damit die steuerlich relevanten Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich dem Finanzamt zur Prüfung unterbreitet worden sind (BFH-Urteil vom 24.10.1989 VII R 1/87, BStBl II 1990, 198). Das Finanzamt kann regelmäßig von der Richtigkeit und Vollständigkeit der eingereichten Erklärung ausgehen (vgl. BFH-Urteil vom 18.03.1988 V R 206/83, BFH/NV 1990, 1). Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft die Verantwortlichkeit in der Regel den Steuerpflichtigen mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteil vom 14.12.1994 XI R 80/92, BStBl II 1995, 293). Eine Änderungsmöglichkeit scheidet in Fällen beiderseitiger Pflichtverletzungen nur dann aus, wenn der Verstoß des Finanzamtes deutlich überwiegt (vgl. BFH-Beschluss vom 14.05.2013 X B 33/13, BStBl II 2013, 997).
(ii) Dem Finanzamt war die Änderung des Bescheids auf Grundlage des § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. AO auch unter diesem Gesichtspunkt nicht verwehrt.
Zwar ist das Finanzamt seiner gebotenen Ermittlungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen.
Bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Ermittlungspflicht hätte das Finanzamt auf der Abgabe der Schenkungsteuererklärung bestehen müssen, um in diesem Rahmen aufzuklären bzw. von der Klägerin erklären zu lassen, welche beweglichen Gegenstände zu welchen Werten die Schenkung an sie am 14.06.2006 umfasste. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung ergibt sich aus § 31 ErbStG. In dem sich das Finanzamt auf die durch die Steuerberaterin gemachten, telefonischen Angaben des Ehemanns zum Schenkungsgegenstand verließ und diese zur Grundlage seiner Entscheidung über die Nichtfestsetzung der Steuer und das Absehen von einer Steuererklärung machte, verletzte es seine Ermittlungspflicht.
Die gemäß § 8 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ErbStDV vom Notar gemachten Angaben zum Wert der Zuwendung von 600.000 € geben, über die Anforderung der Steuererklärung hinaus, für sich genommen jedoch keinen weiteren Anlass zu Ermittlungen, da sich hieraus nicht Unklarheiten oder Zweifelsfragen aufdrängen mussten.
Die Klägerin hat jedoch ihre Mitwirkungspflicht nicht im gebotenen Maße erfüllt.
Zwar hat sie, wie der Klägervertreter zu Recht betont, durch die Weitergabe der Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung vom 27.07.2006 an das Steuerbüro die Bereitschaft zur Mitwirkung gezeigt und die richtigen Schritte für die Erfüllung der Mitwirkungspflicht eingeleitet. Jedoch wurde schon im Vorfeld der Abgabe einer Steuererklärung der steuerlich relevante Sachverhalt durch die unvollständigen Angaben ihres Ehemanns dem Finanzamt nicht vollständig unterbreitet. Die unzureichende Erfüllung der Mitwirkungspflicht kann sich nach Auffassung des Senats auch schon vor Abgabe einer Steuererklärung realisieren, wenn, wie im vorliegenden Fall, das Finanzamt aufgrund der unvollständigen Angaben von der Anforderung der Steuererklärung Abstand nimmt und verbescheidet, dass eine Steuer nicht festzusetzen ist.
Das Verhalten ihres Ehemanns, der wie die Klägerin nach § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG Steuerschuldner und als ihr steuerlicher Erfüllungsgehilfe tätig geworden ist, ist der Klägerin zuzurechnen.
Die Zurechnung des Handelns (und Verschuldens) des Erfüllungsgehilfen folgt dem in §§ 110 Abs. 1 S. 2, 152 Abs. 1 S. 3 AO normierten Rechtsgedanken.
Bei gebotener Abwägung der Ermittlungsversäumnisse des Finanzamts gegenüber der Verletzung der Mitwirkungspflichten der Klägerin durch die unvollständigen Angaben ihres Ehemanns fällt ein Pflichtverstoß des Finanzamts weniger ins Gewicht.
Die unvollständigen Angaben stammten aus der Sphäre der Klägerin. Sie und ihr Ehemann sind als Parteien des Überlassungsvertrags Kenner und Herren ihrer Verhältnisse und zudem beide Steuerschuldner. In Kenntnis ihrer Verhältnisse muss die Klägerin dafür Sorge tragen, dass die steuerlich relevanten Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich dem Finanzamt zur Prüfung unterbreitet werden und dass die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung nicht durch unvollständige Angaben zum Schenkungsgegenstand abgewendet wird. Diese Pflicht hat die Klägerin verletzt, indem ihr Ehemann unvollständige Angaben machte, obwohl er ernsthaft mit der Möglichkeit rechnete, unvollständige Angaben zu machen und dadurch den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllte (s.o. 2. b) aa) und bb)). Sein Pflichtverstoß ist ihr zurechenbar. Dem gegenüber fällt das Aufklärungsversäumnis des Finanzamts bei unvollständiger telefonischer Angabe der Schenkungsgegenstände, der es fälschlicherweise Vertrauen schenkte, weitaus weniger ins Gewicht, zumal das Finanzamt von der Richtigkeit und Vollständigkeit der mündlichen Angaben der Steuerberaterin W als Organ der Rechtspflege ausgehen konnte.
4. Der Erlass des Schenkungsteuerbescheids vom 19.05.2015 verstößt nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (vgl. hierzu generell BFH-Urteil vom 09.08.1989 I R 181/85, BStBl II 1989, 990) in Form des als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung anzusehenden Rechtsinstituts der Verwirkung (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 14.09.1978 IV R 89/74, BStBl II 1979, 121, 124).
Verwirkung tritt ein, wenn ein Berechtigter durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung seines Rechts als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muss (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 169 ff m. w. N.).
Zwar hat das Finanzamt durch seinen Bescheid vom 14.08.2006, in dem es der Klägerin mitteilte, dass „nach den eingereichten Unterlagen eine Schenkungsteuer nicht festzusetzen“ sei, einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass eine Besteuerung der Schenkung vom 14.06.2006 nicht erfolgen werde. Hierbei spielt es nach Auffassung des Senats keine Rolle, dass das Finanzamt unzutreffender Weise die standardisierte Formulierung „nach den eingereichten Unterlagen“ verwendet hat. Diese Wortwahl ist für den Gehalt des Schreibens nicht von Belang; maßgeblich ist allein die Regelung, wonach eine Schenkungsteuer nicht festzusetzen ist.
Nach Aktenlage sind bis zum weiteren Tätigwerden des Finanzamts in Form der Mitteilung der Besteuerungsabsicht vom 04.02.2015 8 14 Jahre und bis zum Erlass des Bescheids vom 19.05.2015 8% Jahre vergangen.
Der Erlass des Schenkungsteuerbescheides vom 19.05.2015 stellt sich aber nicht als illoyale Rechtsausübung des Finanzamts dar.
Das Vertrauen der Klägerin in den Bescheid vom 14.08.2006 und die dort geregelte Nichtbesteuerung der Schenkung ist nicht schutzwürdig, da die unvollständigen Angaben ihres Ehemanns hinsichtlich der Schenkungsgegenstände ursächlich für das Abstandnehmen von der Anforderung der Steuererklärung und der Mitteilung vom 14.08.2006 waren. Diese hat der Ehemann der Klägerin gemacht, obwohl er ernsthaft mit der Möglichkeit rechnete, unvollständige Angaben zu machen und dadurch den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllte (s.o. 2. b) aa) und bb)). Die Klägerin muss sich das Verhalten ihres Ehemanns als diesbezüglicher Erfüllungsgehilfe zurechnen lassen (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO, Rz. 162 f m. w. N.).
Unabhängig davon, war auch der Klägerin, die mit dem Schenker in dem überlasse-nen Haus wohnte, bekannt, dass mit dem notariellen Überlassungsvertrag vom 14.06.2006 nicht nur der Grundbesitz, sondern auch wertvolle Kunstgegenstände und Antiquitäten im Wert von ca. 900.000 € mitübertragen wurden, die im Vertrag nicht als solche aufgeführt wurden. Hierzu erklärte der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung, der Bearbeiterin des Finanzamts hätte bei dem vom Notar angegebenen Wert von 600.000 € auffallen müssen, dass dieser bereits den tatsächlichen Wert des übertragenen Grundbesitzes wesentlich zu niedrig angesetzt habe. Dies gilt nach Auffassung des Senats erst recht für die Klägerin. Sie konnte daher wider besseren Wissens nicht gutgläubig darauf vertrauen, dass das Finanzamt bei Bekanntwerden der tatsächlichen Werte der übertragenen beweglichen Gegenstände von einer Festsetzung der zutreffenden Steuer absehen wird.
Die Klägerin kann sich daher mangels eines Vertrauenstatbestandes nicht auf die Verwirkung des Steueranspruchs berufen.
5. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht geboten.
a) Nach § 93 Abs. 3 S. 2 FGO kann das Gericht nach Schluss der mündlichen Verhandlung deren Wiedereröffnung beschließen.
Nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes hat jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Vorsitzende hat in der mündlichen Verhandlung die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern (§ 93 Abs. 1 FGO). Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (§ 96 Abs. 2 FGO).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Beschluss vom 16.09.2008 X B 158/07, BFH/NV 2008, 2024-2026) liegt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (in Form einer Überraschungsentscheidung) vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (BFH-Beschluss vom 07.12.2005 I B 90/05, BFH/NV 2006, 601, m. w. N.).
§ 93 Abs. 1 FGO stellt klar, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch die Erörterung der voraussichtlich entscheidungserheblichen Rechtsfragen umfasst (BFH-Beschluss vom 10.06.2005 XI B 182/04, BFH/NV 2005, 1838). Die Beteiligten sollen auch in rechtlicher Hinsicht vor Überraschungen bewahrt werden. Die Gewährung rechtlichen Gehörs besteht in der Verschaffung einer ausreichenden Gelegenheit zur Äußerung; inwieweit diese Gelegenheit wahrgenommen wird, ist Sache der Beteiligten (BFH-Beschluss vom 17.08.2011 X S 10/11 (PKH), BFH/NV 2012, 50).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt jedoch nicht, dass das Gericht die maßgebenden Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend erörtert oder sogar die einzelnen für die Entscheidung erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Gesichtspunkte im Voraus andeutet (BFH-Beschlüsse vom 07.12.2005 I B 90/05, BFH/NV 2006, 601 und vom 07.02.2007 X B 105/06, BFH/NV 2007, 962). Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (BFH-Entscheidungen vom 03.03.1998 VIII R 66/96, BStBl II 1998, 383, unter I. 2. der Gründe, m. w. N., und vom 26.04.2000 III B 47/99, BFH/NV 2000, 1451).
Die Wiedereröffnung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts („kann“) (vgl. BFH-Urteile vom 04.04.2001 XI R 60/00, BStBl II 2001, 726, und vom 23.10.2003 V R 24/00, BStBl II 2004, 89). Dieses Ermessen ist jedoch auf Null reduziert, wenn durch die Ablehnung einer Wiedereröffnung wesentliche Prozessgrundsätze verletzt würden, so z. B. wenn der Vorsitzende seine Verpflichtung, auf die Beseitigung von Formfehlern oder auf die Stellung von klaren Anträgen hinzuwirken, oder den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzen würde oder wenn die Sachaufklärung noch nicht ausreicht (vgl. BFH-Urteil vom 04.04.2001 XI R 60/00, BStBl II 2001, 726, m. w. N.).
Eine Wiedereröffnung kann deshalb geboten sein, wenn ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung mit Hinweisen oder Fragen des Gerichts überrascht wurde, zu denen er nicht sofort Stellung nehmen konnte, und ihm das Gericht keine Möglichkeit mehr zur Stellungnahme gegeben hat (BFH-Urteil vom 04.04.2001 XI R 60/00, BStBl II 2001, 726; BFH-Beschluss vom 15.10.2008 X B 106/08, BFH/NV 2009, 41).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird verletzt, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles ergibt, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Urteil vom 19.02.1993 III R 101/89, BFH/NV 1994, 555). Der BFH hat die Nichtberücksichtigung nachgereichter Schriftsätze grundsätzlich als verfahrensfehlerhaft angesehen, wenn dies zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs oder der finanzgerichtlichen Sachaufklärungspflicht geführt hat (BFH-Beschluss vom 26.10.1998 III R 42/98, BFH/NV 1999, 509; vgl. auch BFH-Beschluss vom 05.09.2005, IV B 155/03, BFH/NV 2006, 98). Zwar sind Schriftsätze, die erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht werden, grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen. Allerdings kann das FG die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beschließen (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO), um nachträgliche Schriftsätze noch zu berücksichtigen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung steht danach grundsätzlich im Ermessen des Gerichts; dieses Ermessen ist allerdings dann auf Null reduziert, wenn durch die Ablehnung der Wiedereröffnung wesentliche Prozessgrundsätze verletzt würden (s.o.).
In jedem Fall muss das Finanzgericht aber auch ohne ausdrücklichen Antrag darüber beschließen, ob es aufgrund des eingereichten Schriftsatzes die mündliche Verhandlung wiedereröffnet oder die Wiedereröffnung nicht für geboten erachtet. Es muss insbesondere zum Ausdruck bringen, dass entsprechende Erwägungen angestellt worden sind; denn anderenfalls lässt sich nicht nachprüfen, ob das Gericht sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Auf diese Ausführungen haben die Prozessbeteiligten einen Anspruch. Nur dann ist auch gewährleistet, dass das Recht auf Gehör gewahrt worden ist (BFH-Beschlüsse vom 08.10.2003 VII B 321/02, BFH/NV 2004, 499, 500, m. w. N.; vom 25.04.1996 VIII B 30/95, BFH/NV 1997, 118 und vom 05.09.2005 IV B 155/03, BFH/NV 2006, 98). Das Gesetz sieht zwar in § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO für die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Beschluss des Gerichts vor. Es reicht aber auch aus, wenn das FG seine Entscheidung, die mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen, im Urteil selbst begründet (BFH-Urteil vom 23.10.2003 V R 24/00, BStBl II 2004, 89, II.1.a aa, m. w. N.).
b) Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor; insbesondere ist weder der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt noch liegt ein Fall unzureichender Sachaufklärung vor.
aa) Der Vorsitzende Richter hat bereits in seinen einleitenden Worten auf die Problematik der Dauer der Festsetzungsverjährung hingewiesen und wiederholt betont, im Streitfall stehe im Raum, dass diese 10 Jahre betrage. Ferner hat er ausdrücklich angesprochen, dass entsprechend dem Wortlaut des § 169 Abs. 2 S. 3 AO die 10-jährige Festsetzungsfrist auch dann gilt, wenn eine Steuerhinterziehung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient. Hierbei hat er auch darauf hingewiesen, dass das Handeln der Steuerberaterin den von ihr Vertretenen zuzurechnen ist.
Weiter hat er auch auf die sich aus § 153 AO ergebenden Verpflichtungen hingewiesen.
Die vom Klägervertreter in seinem Schriftsatz von 20.06.2016 aufgeworfenen Punkte a) bis c) und e) hat dieser bereits in der mündlichen Verhandlung, teils schon in vorbereitenden Schriftsätzen angesprochen.
Dies gilt auch für seine Ausführungen zur Verwirkung; hierauf hatte er bereits im Schriftsatz vom 31.05.2016 hingewiesen. Zu dem dem Rechtsinstitut der Verwirkung zugrundeliegenden Gedanken des Vertrauensschutzes bzw. Treu und Glauben hat die Berichterstatterin in der mündlichen Verhandlung ausführlich Stellung genommen.
bb) Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt.
In der mündlichen Verhandlung hat eine ausreichende tatsächliche und rechtliche Erörterung stattgefunden. In tatsächlicher Hinsicht wurden insbesondere die Umstände des Anforderns der Schenkungsteuererklärung durch das Finanzamt, des Tätigwerdens des Y, des Telefonats vom 11.08.2006 und des Schreibens des Finanzamts vom 14.08.2006 erörtert. In rechtlicher Hinsicht wurden u. a. der Zeitpunkt des Beginns der Festsetzungsverjährung und deren Dauer erörtert. Hierbei sprach der Vorsitzende Richter wiederholt von einer möglichen 10-jährigen Verjährungsfrist und verwies für die Person der Begehung auf § 169 Abs. 2 S. 3 AO. Auch die Fragestellung der Verwirkung wurde erörtert.
Damit wurden die voraussichtlich entscheidungserheblichen Rechtsfragen im für die Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlichen Maß seitens des Gerichts angesprochen. Nicht notwendig ist, dass das Gericht die maßgebenden Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend erörtert oder sogar die einzelnen für die Entscheidung erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Gesichtspunkte im Voraus andeutet.
Die Beteiligten hatten ausreichende Gelegenheit zur Äußerung zu den erörterten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten.
Der Klägervertreter konzentrierte sich in seinen Ausführungen auf die Anwendung des § 170 Abs. 5 S. 2 AO im Streitfall, machte aber auch Ausführungen zu den Aspekten, die er später in seinem Schriftsatz vom 20.06.2016 unter a) bis c) und e) anführte, sowie zur Verwirkung. Es bestand für die Klägervertreter auch ausreichend Gelegenheit, zu der Frage einer möglichen Steuerhinterziehung Stellung zu nehmen; inwieweit diese Gelegenheit wahrgenommen wird, ist Sache der Beteiligten.
Die Klägervertreter wurden in der mündlichen Verhandlung vom Vorsitzenden Richter wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Ausführungen zur Anwendung des § 170 Abs. 5 AO wohl nicht entscheidungserheblich seien. Der Klägervertreter ging jedoch auf diesen rechtlichen Hinweis nicht ein und setzte den Schwerpunkt seines Vorbringens auf die Darlegung von entsprechenden Urteilen, die nach seiner Auffassung die Nichtanwendung des § 170 Abs. 5 AO auf den Streitfall bestätigten.
Auch wenn die Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung mit Hinweisen des Gerichts überrascht worden sein sollten, zu denen sie nicht sofort Stellung nehmen konnten, liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht vor, da das Gericht die Möglichkeit einer weiteren Stellungnahme durch die Klägervertreter in keiner Weise eingeschränkt hat. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass es den Klägervertretern nicht möglich gewesen wäre, sich ergänzend zu aus ihrer Sicht ungenügend erörterten Punkten zu äußern. Die Klägervertreter haben zwar die Gewährung einer Schriftsatzfrist nach mündlicher Verhandlung nicht beantragt. Jedoch haben sie den Schriftsatz vom 20.06.2016 nachgereicht.
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich auch nicht daraus, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Die Äußerungen des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung zur Frage, in wieweit die Formulierungen des Überlassungsvertrags üblich oder unüblich sind und insofern Anlass zur Differenzierung und Nachfrage seitens des Finanzamts geben bzw. geben sollten, wurden vom Gericht durchaus zu Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Gleiches gilt für die Ausführungen zur Verwirkung, bei denen der Klägervertreter an früher gemachte schriftsätzliche Ausführungen anknüpft.
Die Wiedereröffnung ist auch nicht wegen neuen Vorbringens im Schriftsatz vom 20.06.2016 geboten.
Das Vorbringen unter a) bis c) und e) war bereits in der mündlichen Verhandlung, teilweise schon in vorbereitenden Schriftsätzen ausgeführt worden. Der unter d) gemachte Hinweis auf Rechtsprechung des BFH und auf die Nachweisnotwendigkeit eines die Klägerin begünstigenden steuerlichen Vorteils sind für die Entscheidung des Streitfalls nicht relevant, da nach Auffassung des Senats eine Steuerhinterziehung des Ehemanns der Klägerin, nicht der Klägerin selbst vorliegt.
cc) Der Sachverhalt ist ausreichend aufgeklärt.
Das Gericht hat den Sachverhalt ausreichend aufgeklärt. Im Vorfeld der mündlichen Verhandlung hat es neben den Schenkungsteuerakten des Finanzamts auch auszugsweise die Akten der Kanzlei des Klägervertreters in Bezug auf die Aufforderung zu Abgabe der Schenkungsteuererklärung vom 27.07.2006 und das am 11.08.2006 geführte Telefonat angefordert, um das diesbezügliche Geschehen aufzuklären. Im Schriftsatz des Klägervertreters vom 02.05.2016 hat dieser unter 1. das Gespräch von Steuerberaterin IV mit Y nach Ergehen der Aufforderung zur Abgabe der Schenkungsteuererklärung geschildert.
Aus den Steuerakten des Ehemanns der Klägerin ergab sich aus dem Bericht über die Betriebsprüfung vom 30.10.1998 für die Vermögensteuer 1993 bis 1995, dass der Ehemann der Klägerin bereits seinerzeit über eine Kunstsammlung verfügte, deren steigender Wert mit 150.000 DM (1993), 200.000 DM (1994) und 250.000 DM (1995) angesetzt wurde. In der mündlichen Verhandlung wurden insbesondere die vom Ehemann der Klägerin dem Notar gegenüber gemachten Angaben zum Wert der Schenkung (Wert, der der Kostenberechnung zugrunde liegt) aufgeklärt. Eine weitere Aufklärung beim Ehemann der Klägerin selbst scheidet aus tatsächlichen Gründen aus.
6. Die Revision ist nicht zuzulassen.
Ein Zulassungsgrund ergibt sich nicht aus § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Das Urteil ergeht in Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
Die Klägerseite beruft sich auf das unter Az. II R 52/15 gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26.08.2015 4 K 4035/10, EFG 2016, 13 anhängige Revisionsverfahren, bei dem es um die Klärung der Rechtsfrage der Reichweite der Ermittlungspflicht im Zusammenhang mit dem Verzicht auf eine Steuererklärung und hierbei die Verwirkung der Änderungsmöglichkeit wegen neuer Tatsachen geht, weil das Finanzamt den Sachverhalt unzureichend ermittelt hat und darüber hinaus ausdrücklich auf die Abgabe einer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung des Grundbesitzwerts verzichtet hat.
Wegen dieses Revisionsverfahrens ist die Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren nicht angezeigt. Anders als im Fall des FG Köln liegen hier unvollständige Angaben des Ehemanns der Klägerin vor, die ihr zuzurechnen sind, und die dieser gemacht hat, obwohl er ernsthaft mit der Möglichkeit rechnete, unvollständige Angaben zu machen und dadurch den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllte (s.o. 2. b) aa) und bb)). Die Sachverhalte beider Verfahren sind nicht vergleichbar. Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben wird im Streitfall von der deliktischen Handlung bestimmt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

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