Aktenzeichen 14 ZB 15.1664
BBhV § 4 Abs. 1
BBG § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 6 S. 1
GG Art. 33 Abs. 5
Leitsatz
1 § 4 Abs. 1 BBhV, der für die Prüfung der Beihilfeberechtigung des Ehegatten auf die Einkünfte im zweiten Kalenderjahr vor Beantragung der Beihilfe abstellt, verstößt nicht gegen die in Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete beamtenrechtliche Fürsorgepflicht. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verlangt weder, dass Aufwendungen der Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind (ebenso BVerwG BeckRS 2014, 45320). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 17 K 14.519 2015-06-25 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 860,51 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen jedenfalls nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548).
a) Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage des Klägers auf Gewährung von Beihilfe in Höhe von 70% der Aufwendungen für bei seiner Ehefrau durchgeführte Behandlungen abgewiesen. Diese waren von der Praxis für Krankengymnastik mit Datum 13. März 2013, 25. April 2013 und 21. August 2013 sowie von den behandelnden Ärzten mit Datum 28. Februar 2013 und 12. März 2013 in Rechnung gestellt worden, wobei ein Teil der Behandlungen noch im Jahr 2012 durchgeführt worden war. Insgesamt handelt es sich um einen Betrag in Höhe von 1.229,30 Euro. Der vom Kläger gestellte Beihilfeantrag datiert vom 6. November 2013. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht an, die Ehefrau des Klägers sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Beantragung der Beihilfe nicht als Angehörige i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 BBhV berücksichtigungsfähig gewesen. Der Gesamtbetrag ihrer Einkünfte nach § 2 Abs. 3 EStG habe im zweiten Jahr vor Beantragung der Beihilfe, also im Jahr 2011, 17.000 Euro überstiegen. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation des Ehegatten verstoße weder gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG geregelten Gleichheitsgrundsatz noch gegen den Fürsorgegrundsatz. Der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BBhV maßgebende Zeitpunkt für die Feststellung einer möglichen Überschreitung des Einkommensgrenzbetrags, nämlich der Eingang des Beihilfeantrags bei der Beihilfestelle, und damit möglicherweise einhergehende Härten begegneten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Selbst wenn die ärztlichen Leistungen für den Ehegatten zum überwiegenden Teil noch im Jahr 2012 und damit noch im Zeitraum seiner Beihilfeberechtigung erbracht worden seien, die Rechnungsstellung hingegen erst im Jahr 2013 erfolgt sei, in dem die Beihilfeberechtigung wegen Überschreitens der Einkommensgrenze nicht mehr bestanden habe, läge es an der Ehefrau des Klägers, dadurch entstehende Versorgungslücken zu vermeiden. So hätte sie zum Beispiel eine Zwischenrechnung für die im Jahr 2012 erbrachten Leistungen verlangen und diese noch im selben Jahr bei der Beihilfestelle einreichen können. Außerdem wäre sie aufgrund ihres Einkommens bereits im Jahr 2011 finanziell in der Lage gewesen, ihre Krankheitskosten selbst zu tragen. Warte die Ehefrau trotz Überschreitens der für die Beihilfeberechtigung maßgeblichen Einkommensgrenze und ihrer dadurch entstandenen wirtschaftlichen Selbständigkeit mit dem Abschluss einer privaten Gesundheitsvorsorge bis zum letzten Tag ihrer Beihilfeberechtigung im Vertrauen darauf, dass sie alle medizinischen Aufwendungen noch zeitgerecht geltend machen könne, so liege das in ihrer Verantwortung. Diese Wertung sei sachgerecht, da sich der Ehegatte des Beihilfeberechtigten zwei Jahre lang private Krankenversicherungsbeiträge erspare, obwohl ihm wirtschaftlich zumutbar wäre, für seine Krankenversorgung selbst aufzukommen.
b) Durch das Vorbringen des Klägers werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht ernsthaft in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
Der Kläger meint, § 4 BBhV verstoße gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht. Seine Ehefrau habe nachträglich keine Möglichkeit, sich Versicherungsschutz von 100% in der privaten Krankenversicherung für einen zurückliegenden Zeitraum zu verschaffen. Wenn sich das Einkommen in den Folgejahren 2012 und 2013 nicht auf einen unter der Einkommensgrenze des § 4 Abs. 1 BBhV liegenden Betrag belaufe, bestehe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch keine Möglichkeit, durch ein verzögertes Einreichen der Rechnungen bei der Beklagten nachträglich die Aufwendungen für die Behandlung erstattet zu erhalten. Bei einem schweren Unfall oder einer unaufschiebbaren Operation am letzten Tag im Dezember eines Jahres, für das (noch) Beihilfeberechtigung bestehe, würden die Behandlungen zwangsläufig erst im Folgejahr abgerechnet. Die private Krankenversicherung erstatte in diesem Fall 30% des Rechnungsbetrags, weil auf den Tag der Behandlung abgestellt werde. Wenn in dem Folgejahr und darauf das Einkommen über der Einkommensgrenze des § 4 BBhV in Höhe von 17.000 Euro liege, habe der Beamte bzw. sein beihilfeberechtigter Ehegatte nach dem Gesetzeswortlaut keinen Anspruch darauf, die restlichen 70% der Behandlungskosten über die beihilferechtlichen Vorschriften erstattet zu bekommen. Dies könne erhebliche Beträge ausmachen, die ein Beihilfeberechtigter bzw. sein Ehegatte bei nur geringfügiger Überschreitung der Einkommensgrenze nicht tragen könnten.
Das Vorbringen des Klägers kann keine ernsthaften Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts wecken. Dieses hat zutreffend entschieden, dass die Regelung des § 4 Abs. 1 BBhV, der für die Prüfung der Beihilfeberechtigung des Ehegatten auf die Einkünfte im zweiten Kalenderjahr vor Beantragung der Beihilfe abstellt, nicht gegen die in Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete beamtenrechtliche Fürsorgepflicht verstößt. In deren verfassungsrechtlich geschütztem Kernbereich hat der Dienstherr dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er – in zumutbarer Weise – aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann (vgl. BVerwG, B.v. 18.1.2013 – 5 B 44.12 – USK 2013, 145 Rn. 7). Die Beihilfe ist somit ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die – neben der zumutbaren Eigenbelastung des Beamten – nur ergänzend in angemessenem Umfang einzugreifen hat, um in einem durch die Fürsorgepflicht gebotenen Maße die wirtschaftliche Lage des Beamten durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern. Bei der Konkretisierung der Fürsorgepflicht kommt dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 – BVerfGE 83,89). Dieser Spielraum erlaubt auch in gewissem mit höherrangigem Recht zu vereinbarendem Maße die Berücksichtigung wirtschaftlicher und finanzieller Selbständigkeit des nicht selbst beihilfeberechtigten Ehegatten (vgl. BVerwG, U.v. 3.6.2009 – 2 C 27.08 – NVwZ-RR 2009, 895 Rn. 14). Ausschließungsregelungen, die in einer dem Charakter der Beihilfe nicht gerecht werdenden Weise Aufwendungen des nicht selbst Beihilfeberechtigten zu einer unter Fürsorgegesichtspunkten unzumutbaren Eigenbelastung des Beihilfeberechtigten werden lassen, sind allerdings unzulässig (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.1976 – VI C 187.73 – BVerwGE 51, 193).
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBG wird Beihilfe gewährt für Aufwendungen des Ehegatten, der kein zur wirtschaftlichen Selbständigkeit führendes Einkommen hat, wobei nach Absatz 6 Satz 1 dieser Vorschrift die näheren Einzelheiten durch Rechtsverordnung geregelt werden können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber durch § 4 Abs. 1 BBhV in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht und gemäß Satz 1 als Maßstab für die wirtschaftliche Selbständigkeit die Überschreitung eines Einkommens von 17.000 Euro im zweiten Kalenderjahr vor Beantragung der Beihilfe festgelegt. Gemäß Satz 2 der Vorschrift sind Ehegatten unter dem Vorbehalt des Widerrufs bereits im laufenden Jahr berücksichtigungsfähig, wenn dieser Gesamtbetrag der Einkünfte im laufenden Kalenderjahr nicht erreicht wird. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Ehegatte ab Erreichen dieser Einkommensgrenze wirtschaftlich selbständig ist und die Aufwendungen für seine Krankenversicherung selbst tragen kann. Durch die Festlegung, dass (grundsätzlich) auf das Einkommen im zweiten Kalenderjahr vor dem Beihilfeantrag (hier 2011) abzustellen ist, weiß der Ehegatte bereits Ende dieses Jahres oder jedenfalls im Verlauf des Folgejahres (hier 2012), dass er sich – jedenfalls soweit er weiterhin wirtschaftlich selbständig bleibt – künftig (hier ab dem Jahr 2013) wegen der Überschreitung der Einkommensgrenze selbst in voller Höhe privat versichern muss. In Einzelfällen, wie dem vom Kläger aufgezeigten, dass am letzten Tag der Beihilfeberechtigung (hier also am 31.12.2012) ein Unfall stattfindet und die Behandlungskosten erst im nächsten Jahr (hier 2013) abgerechnet werden können, bietet § 4 Abs. 1 Satz 2 BBhV die Möglichkeit, bei Reduzierung der Einkünfte im Jahr nach dem Unfall (hier 2013) weiter beihilfeberechtigt zu sein und damit Beihilfe für die erst in diesem Jahr in Rechnung gestellten Aufwendungen zu erhalten. Abgesehen davon, dass es sich bei der geschilderten Fallkonstellation um einen extremen Einzelfall handeln dürfte – für den im Übrigen durch den vorzeitigen Abschluss einer privaten Vollversicherung Vorsorge getragen werden könnte –, verlangt die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht weder, dass Aufwendungen der Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2013 – 5 C 32.12 – BVerwGE 148, 106 Rn. 24). Die Regelung, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Beihilfeberechtigung des Ehegatten die Stellung des Beihilfeantrags ist, hält sich im Rahmen des dem Normgeber obliegenden Spielraums, innerhalb dessen er die Voraussetzungen, den Umfang und die Art und Weise der Beihilfe bestimmen kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.1976 – VI C 187.73 – BVerwGE 51, 193). Eine unzumutbare Eigenbelastung des Klägers für den Fall, dass der Ehegatte entsprechende Eigenvorsorge getätigt hätte, wird nicht vorgetragen. Der Senat hat deshalb nicht davon auszugehen.
2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 36 ff. m.w.N.).
Die vom Kläger formulierte Frage, ob es „zumutbar und möglich ist, eine Lücke in der Versichertenversorgung zu schließen, indem man bei der Ungewissheit über die Höhe des Einkommens und Überschreitung der Einkommensgrenze zusätzlich für privaten Krankenversicherungsschutz sorgt“, wäre für die Entscheidung im Berufungsverfahren nicht erheblich. Es ist weder ersichtlich noch dargelegt, dass dem Kläger und seiner Ehefrau erst im Dezember 2012 die Höhe des Einkommens bzw. die Überschreitung der Einkommensgrenze im Jahr 2011 bekannt geworden wäre. Nur in diesem Fall läge eine „Ungewissheit“ über die Höhe des Einkommens vor. Die Ungewissheit des Ehegatten des Klägers kann sich Ende des Jahres 2012 allenfalls auf sein Einkommen in diesem Jahr beziehen. Das Einkommen aus dem Jahr 2012 und damit verbundene Fragen sind jedoch nicht entscheidungserheblich.
Nach alledem war der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostentragungspflicht aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG (wie Vorinstanz).