Aktenzeichen M 10 S 18.407
VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen einen Gewerbesteuerbescheid ist unzulässig, wenn er mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Gewerbesteuermessbescheids begründet wird (§ 351 Abs. 2 AO). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 857,50 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Gewerbesteuerbescheid.
Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung nicht tätig.
Das Finanzamt … setzte gegenüber der Antragstellerin für das Jahr 2014 mit Bescheid vom 22. November 2016 den Gewerbesteuermessbetrag auf 17 EUR fest und erhöhte diesen Betrag mit Bescheid vom 10. Mai 2017 auf 175 EUR. Für das Jahr 2015 setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheid vom 10. Mai 2017 auf 525 EUR fest.
Mit Bescheid vom 22. Mai 2017 setzte die Antragsgegnerin die Gewerbesteuer für das Jahr 2014 auf 857,50 EUR, für das Jahr 2015 auf 2.572,50 EUR fest. Zudem wurde ein Verspätungszuschlag von 50 EUR festgesetzt.
Die Antragstellerin legte am 30. Mai 2017 hiergegen sinngemäß Widerspruch ein.
Am 12. Juli 2017 hat die Antragstellerin sich an das Finanzgericht … gewandt und sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Gewerbesteuerbescheid vom 22. Mai 2017 anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin mache keinen Umsatz, das Finanzamt habe zu hoch geschätzt. Eine solche Straf- oder Mondschätzung sei nichtig. Es handele sich um frei erfundene Zahlen, die keinen Anhalt in den Umständen des Falles hätten. Das Schreiben sei nicht an die Geschäftsadresse der Antragstellerin, sondern an die Privatadresse des Gesellschafter-Geschäftsführers gesandt worden. Es entstehe der Eindruck vorsätzlicher Schikane. Die Grundlagenbescheide seien nichtig und es gebe daher keine rechtliche Bindung für die Gewerbesteuerbescheide.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragsgegnerin sei an die Feststellungen des Finanzamts gemäß § 184 Abs. 1 Satz 4 AO i.V.m. § 182 Abs. 1 AO gebunden. Die Antragsgegnerin habe den jeweils vom Finanzamt festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag richtig übernommen und hierauf den geltenden Hebesatz von 490% angewendet. Das Finanzamt entscheide nach § 125 AO, ob der Gewerbesteuermessbescheid nichtig sei. Solange der Gewerbesteuermessbescheid nicht aufgehoben werde, bestehe die Bindungswirkung. Eine Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheids liege nicht vor, die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuerbescheide komme daher nicht in Betracht. Es bestünden weder Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes noch liege eine unbillige Härte vor.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2017 setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2015 auf 175 EUR herab; der Verspätungszuschlag wurde auf 15 EUR herabgesetzt.
Mit Bescheid vom 1. August 2017 setzte die Antragsgegnerin die Gewerbesteuer für 2015 auf 857,50 EUR und den Verspätungszuschlag auf 15 EUR fest.
Das Finanzgericht … hat mit Beschluss vom 11. September 2017 das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuer 2014 und 2015 abgetrennt, diesbezüglich mit Beschluss vom selben Tag die Unzulässigkeit des Rechtswegs zum Finanzgericht festgestellt und den Rechtstreit an das Verwaltungsgericht München verwiesen.
Das Finanzgericht hat mit Beschluss vom 6. November 2017 den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2014 vom 10. Mai 2017 sowie den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2015 vom 17. Juli 2017 bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens insoweit von der Vollziehung ausgesetzt, als ein höherer Gewinn als 1.000 EUR im Kalenderjahr 2014 (führt zu einem Gewerbesteuermessbetrag von 140 EUR) und ein höherer Gewinn als 2.000 EUR im Kalenderjahr 2015 (führt zu einem Gewerbesteuermessbetrag von 105 EUR) angesetzt gewesen war. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. In den Gründen des Beschlusses ist unter anderem ausgeführt, die überhöhte Schätzung führe nicht zu einer Nichtigkeit der Bescheide. Selbst grobe Schätzungsfehler, die auf einer Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten oder der wirtschaftlichen Zusammenhänge beruhten, führten regelmäßig nicht zu einer Nichtigkeit des Steuerbescheids. Angesichts der mit einer Schätzung verbundenen Unsicherheiten liege im Streitfall kein besonders schwerwiegender Fehler i.S. des § 125 Abs. 1 AO vor. Ein willkürliches Verhalten des Finanzamts sei nicht ersichtlich. Dieses lasse sich im Streitfall auch nicht aus der Höhe der vom Finanzamt vorgenommenen Schätzung ableiten.
Dem finanzgerichtlichen Beschluss entsprechend hat das Finanzamt mit Aussetzungsverfügung vom 15. November 2017 für das Jahr 2014 einen auszusetzenden Gewerbesteuermessbetrag von 140 EUR und für das Jahr 2015 einen auszusetzenden Gewerbesteuermessbetrag von 105 EUR festgesetzt.
Mit Bescheid vom 23. November 2017 hat die Antragsgegnerin die Gewerbesteuer für das Jahr 2014 in Höhe von 686 EUR und für das Jahr 2015 in Höhe von 514,50 EUR ausgesetzt.
Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 24. November 2017 zur Zahlung der verbliebenen Restforderung von 446,20 EUR (2014: 88,20 EUR; 2015: 343 EUR) aufgefordert. Mit Schreiben vom 28. November 2017 hat die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung der noch verbliebenen Gewerbesteuerforderungen beantragt. Sie teilte mit, sie habe gegen den verbliebenen nicht ausgesetzten Gewerbesteuermessbetrag Einspruch eingelegt.
Am 5. Dezember 2017 teilte das Finanzamt mit, der Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2014 sei auf 35 EUR, der für das Jahr 2015 auf 70 EUR herabgesetzt worden, der Verspätungszuschlag sei aufgehoben worden.
Mit Bescheiden vom 15. und 18. Dezember 2017 hat die Antragsgegnerin die Gewerbesteuer für 2014 auf 171,50 EUR und für 2015 auf 343 EUR festgesetzt und den Verspätungszuschlag auf 0 EUR herabgesetzt.
Den Antrag vom 28. November 2017 auf Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuerbescheide hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat mitgeteilt, weiterhin sei der Gewerbesteuerbescheid formell und materiell rechtmäßig. Der Gewerbesteuermessbescheid sei richtig übernommen worden und der geltende Hebesatz angewendet worden. Ein offensichtlicher Fehler liege nicht vor. Solange die Gewerbesteuermessbescheide nicht aufgehoben seien, bestehe die Bindungswirkung weiterhin.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Gerichts- und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg, da er unzulässig ist.
Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen den Gewerbesteuerbescheid ist unzulässig, wenn er mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Gewerbesteuermessbescheids begründet wird (SächsOVG, B.v. 25.1.2010 – 5 B 264/08). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kommt nicht in Betracht, weil die vorgetragenen Einwendungen gegen den Gewerbesteuermessbescheid im Verfahren gegen den Gewerbesteuerbescheid nicht berücksichtigt werden können (§ 351 Abs. 2 AO). Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Folgen der im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen kann nur durch Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheids gewährt werden (vgl. BayVGH, B.v. 20.6.2008 – 4 CS 08.1409 – juris Rn. 2; BFH, U.v. 29.10.1987, BFHE 151, 319). Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen den Gewerbesteuerbescheid ist unzulässig, wenn er mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Gewerbesteuermessbescheids begründet wird. Dies gilt unabhängig von der umstrittenen Frage, ob ein Verstoß gegen § 351 Abs. 2 AO zur Unzulässigkeit oder zur Unbegründetheit von Rechtsmitteln in der Hauptsache führt (vgl. BayVGH, B.v. 20.6.2008 – 4 CS 08.1409 – juris Rn. 2).
Soweit die Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheids behördlicherseits ausgesetzt würde, wäre auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen (§ 361 Abs. 3 Satz 1 AO); gleiches gilt nach § 69 Abs. 3 FGO für die finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids. Die Verwaltungsgerichte sind dabei nicht dazu berufen, eine diesbezügliche finanzgerichtliche Entscheidung zu überprüfen. Im Übrigen zweifelt das Verwaltungsgericht ebensowenig wie das Finanzgericht an der Rechtswirksamkeit der Gewerbesteuermessbescheide, zumal sie nunmehr in herabgesetzter Form Grundlage der Gewerbesteuerbescheide und Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sind.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Gewerbesteuerbescheid, an dessen Rechtmäßigkeit mangels insoweit beachtlichen Vorbringens keine ernstlichen Zweifel bestehen, ist auch nicht deshalb anzuordnen, weil dessen Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Billigkeitsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann somit mangels Rechtschutzbedürfnis keinen Erfolg haben.
Er war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.