Steuerrecht

Pfändungs- und Einziehungsverfügung wegen bestehender Steuerrückstände

Aktenzeichen  2 V 2986/15

Datum:
2.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 132595
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 850k
FGO § 69 Abs. 3 S. 1, § 114 Abs. 5, § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 22. Juni 2015 (Drittschuldnerin: die Fa. E-GmbH -GmbH-) und vom 19. November 2015 (Drittschuldnerin: Kreissparkasse … -Bank-).
Die Antragsteller (Ast) werden beim Antragsgegner (dem Finanzamt -FA-) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Ast ist selbständiger Elektriker und ist u.a. für die GmbH tätig. Die Astin ist Hausfrau. Die Ast haben einen am 4. Juli 1995 geborenen Sohn, für den die Astin das Kindergeld bezieht. Die Ast vertreten seit geraumer Zeit die Auffassung, dass für die Abgabe von Steuererklärungen und die Zahlung fälliger Steuern keine Rechtsgrundlage besteht. Sie bestreiten die Gültigkeit von Steuergesetzen sowie der Abgabenordnung. Aus diesem Grund gaben die Ast letztmals für den Veranlagungszeitraum 2008 Steuererklärungen ab. Der Ast gab auch keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Seither werden die Besteuerungsgrundlagen vom FA geschätzt. Die Ast wurden vom FA zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (vgl. die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 2011 und für 2012 jeweils vom 29.12.2014, vgl. Rb-Akte, Bl. 19 ff.). Die Ast sind mit der Zahlung ihrer Abgabenschulden in Rückstand (vgl. Rückstandsaufstellungen vom 25. November 2015, Rb-Akte, Bl. 35 ff.). Für die Einkommensteuer 2011 und 2012 haften die Ast gesamtschuldnerisch.
Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens pfändete das FA mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 22. Juni 2015 wegen zu diesem Zeitpunkt bestehender Steuerrückstände der Ast von 4.967,91 € die Ansprüche, Forderungen und Rechte des Ast gegen die GmbH. Am 19. November 2015 pfändete das FA wegen zu diesem Zeitpunkt bestehender Steuerrückstände der Ast in Höhe von 5.823,96 € die Ansprüche, Forderungen und Rechte der Astin gegen die Bank. Am 24. November 2015 schränkte das FA gegenüber der Bank die Pfändungs- und Einziehungsverfügung auf 5.543,96 € ein.
Nach Rücklauf der Zustellungsurkunden von den Drittschuldnern übersandte das FA den Ast einen Abdruck der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, d.h. am 2. Juli 2015 und am 24. November 2015.
Mit Drittschuldnererklärung vom 29. Juni 2015 bzw. vom 18. November 2015 erkannte die GmbH die gepfändete Forderung in Höhe von 1.336,66 € an. Die GmbH überwies diesen Betrag am 20. November 2015 an das FA.
Die Bank teilte am 24. November 205 mit, dass sie die Pfändung auch auf künftige Ansprüche vorgemerkt habe, zu gegebener Zeit darauf zurückkommen werde und das Konto der Astin nur ein Guthaben von 140,79 € aufweise. Am 1. Dezember 2015 teilte die Bank dem FA mit, das die Astin ihr Konto als Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k der Zivilprozessordnung (ZPO) führe.
Nach Aktenlage haben die Ast beim FA keinen Einspruch gegen die genannten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen eingelegt.
Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 22. Juni 2015 und vom 19. November 2015 wenden sich die Ast und begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bei Gericht deren Aufhebung. Auf das Konto der Astin gehe das Kindergeld. Die Kontosperrung sei aufzuheben. Im Übrigen bedrohten die Pfändungsmaßnahmen die Existenz der gesamten Familie.
Die Ast beantragen sinngemäß,
ihnen vorläufigen Rechtsschutz gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 22. Juni 2015 und vom 19. November 2015 zu gewähren.
Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist ohne Aussicht auf Erfolg.
1. Der Antrag auf einstweilige Anordnung auf Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 22. Juni 2015 und 19. November 2015 ist unzulässig.
Gegen diese Pfändungs- und Einziehungsverfügungen ist der statthafte Rechtsbehelf die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung (§ 114 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Nach § 114 Abs. 5 FGO gelten die Vorschriften des § 114 Abs. 1 bis 3 FGO nicht für die Fälle des § 69 FGO, d.h. der Antrag auf einstweilige Anordnung ist subsidiär gegenüber dem Antrag nach § 69 FGO.
Im finanzgerichtlichen Verfahren ist vorläufiger Rechtsschutz entweder gem. § 69 FGO durch Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO zu gewähren. Die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung ist gegenüber der einstweiligen Anordnung grundsätzlich vorrangig (§ 114 Abs. 5 FGO). Die Abgrenzung der beiden Rechtsschutzmöglichkeiten richtet sich danach, welche Klage in einem Hauptsacheverfahren zu erheben wäre. Ist die zutreffende Klageart die Anfechtungsklage, wird vorläufiger Rechtsschutz in der Regel durch die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung gewährt (69 FGO), bei Verpflichtungs-, Feststellungs- und sonstigen Leistungsklagen ist grundsätzlich eine einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) zu beantragen (vgl. Gräber/Koch, FGO, 7. Aufl., § 114 Rz. 19, mit Rechtsprechungsnachweisen).
Im Streitfall ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart. Denn die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sind vollziehbare Verwaltungsakte (vgl. Gräber/Koch, FGO, 7. Aufl., § 69 Rz. 55 „Vollstreckungsmaßnahmen“, mit Rechtsprechungsnachweisen). Gegen diese vollziehbaren Verwaltungsakte ist damit der Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der statthafte Rechtsbehelf.
2. Legt man den Pfändungsschutzantrag des Antragstellers als Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der oben bezeichneten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aus, ist festzustellen, dass dieser Antrag gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO allerdings derzeit unstatthaft ist, weil die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen bislang nicht mit Einsprüchen von den Ast angefochten worden sind (§ 69 Abs. 1 Satz 1 FGO).
3. Ausnahmsweise kann zwar vorläufiger Rechtsschutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen nicht nur im Wege der Aussetzung der Vollziehung bzw. Aufhebung der Vollziehung, sondern wegen der unterschiedlichen Zielrichtungen der Rechtschutzbegehren trotz § 114 Abs. 5 FGO gleichzeitig auch durch einstweilige Anordnung gewährt werden. Ein solcher Antrag kann z.B. auf § 258 AO (einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung, Aufhebung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen) gestützt werden (Gräber/Koch, FGO, § 69 Rz. 55 Vollstreckungsmaßnahmen). Mit dem Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) wird eine Regelungsanordnung durch das Gericht i.S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO begehrt. Die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Gründe („wesentliche Nachteile“ und „drohende Gewalt“) setzen Maßstäbe für die Beurteilung der Frage, ob ein „anderer“ Anordnungsgrund vorliegt. Er müsste so schwerwiegend sein, dass er die einstweilige Anordnung unabweisbar macht. Danach kommt eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die den Anordnungsgrund rechtfertigenden Umstände müssen über die Nachteile hinausgehen, die im Regelfall bei einer Vollstreckung zu erwarten sind (vgl. BFH-Beschluss vom 10. August 1993 VII B 262/92, BFH/NV 1994, 719).
Eine solche Bedrohung haben die Ast weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Hinzu kommt, dass der Ast offensichtlich unwahre Angaben über seine Konten im Vermögensverzeichnis gemacht hat, weil er das Konto bei der V. AG Österreich (vgl. vorliegende Rechnungen des Ast an die GmbH, Rb-Akte, Bl. 54 ff.) verschwiegen hat (Vermögensverzeichnis des Ast vom 22. April 2014, vgl. Rb-Akte, Bl. 72) und den diesbezüglichen Vortrag des FA im gerichtlichen Verfahren wegen einstweiligen Rechtsschutz nicht einmal bestritten hat. Im Übrigen haben die Ast die im Rahmen ihrer persönlichen Vorsprache beim FA am 25. November 2015 überreichten Vordrucke in Sachen Erklärung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bisher nicht vorgelegt. Ebenso wenig ist der Ast seiner Mitwirkungspflicht nach § 850i ZPO hinsichtlich der Vorlage von Kontoauszügen sämtlicher Konten, insbesondere des Kontos, auf das die Zahlungen der GmbH überwiesen worden sind, nachgekommen. Darauf hat das FA bereits in der Besprechung am 25. November 2015 die Ast eindringlich hingewiesen (vgl. Aktenvermerk vom 25. November 2015, Rb-Akte Bl. 24).
Im Übrigen merkt das Gericht an, dass sich die Ast mit ihrer Auffassung, die Bundesrepublik Deutschland besitze keine staatliche Legitimation, da das Deutsche Reich fortbestehe, und ihrer dadurch bedingten generellen Steuerverweigerung rechtmissbräuchlich verhalten (haben). Wegen ihrer Verweigerungshaltung haben sie sich letztlich selbst in ihre jetzige schwierige Lage gebracht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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