Steuerrecht

Pflicht des Inhabers einer Ferienwohnungsagentur zur Leistung eines Fremdenverkehrsbeitrags

Aktenzeichen  4 ZB 17.2268

Datum:
6.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2019, 491
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 6 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
AO § 12
GewStG § 4 Abs. 1 S. 1
BGB § 855

 

Leitsatz

Auswärtige Gewerbetreibende, die keine Betriebsstätte in der Gemeinde besitzen, unterliegen dem Fremdenverkehrsbeitrag allenfalls dann, wenn sie in einer nicht nur vorübergehenden, objektiv verfestigten Beziehung zum Gemeindegebiet stehen. Eine solche spezifische Ortsbezogenheit kann sich, wenn es um die Verwaltung oder Vermittlung von Wohnungen in der Gemeinde geht, nicht schon aus der Dauer bzw. Häufigkeit oder aus dem Inhalt der entsprechenden Tätigkeit ergeben. (Rn. 14 und 19)

Verfahrensgang

M 10 K 17.931 2017-09-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 6.592,50 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich als Inhaber einer Ferienwohnungsagentur gegen die Heranziehung zu Fremdenverkehrsbeiträgen.
Von seinem in einer anderen Gemeinde gelegenen Firmensitz aus betreut der Kläger u. a. Ferienwohnungen im Gemeindegebiet der Beklagten. Im Rahmen dieser Tätigkeit wird er von den jeweiligen Eigentümern beauftragt, deren Wohnungen zu vermieten und zu betreuen. Er übernimmt u. a. die Werbung für die Wohnungen, die Bereitstellung, die Korrespondenz mit Interessenten und den Abschluss der Mietverträge sowie den Empfang, die Betreuung und die Verabschiedung der Gäste.
Mit Bescheiden vom 30. März, 28. Juni und 5. Dezember 2016 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger jeweils auf der Grundlage von Schätzungen Fremdenverkehrsbeiträge für die Jahre 2011 bis 2014, Vorauszahlungen für die Jahre 2016 und 2017 sowie Verspätungszuschläge fest.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger dagegen jeweils Anfechtungsklage. Er trug vor, er unterliege als Auswärtiger nicht der Beitragspflicht.
Mit Urteil vom 21. September 2017 hob das Verwaltungsgericht die angegriffenen Bescheide auf. Der Kläger sei von der Beitragspflicht nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil seine Vermittlungsagentur nicht im Gemeindegebiet liege. Aus dem Territorialitätsprinzip folge aber, dass die Gemeinden durch Abgabensatzungen (nur) solche Personen verpflichten könnten, die in ihrem Gebiet Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hätten, ein Gewerbe ausübten oder sonstige Tatbestände erfüllten, durch die sie in nähere Beziehungen zur Gemeinde träten und sich damit in die Abgabenhoheit der Gemeinde begäben. Das sei nur dann der Fall, wenn der Betroffene zu der Gemeinde in einer nicht nur vorübergehenden, objektiv verfestigten Beziehung stehe, die jedenfalls dann anzunehmen sei, wenn in der Gemeinde eine Betriebsstätte gem. § 12 AO unterhalten werde. Der Kläger unterhalte keine solche Betriebsstätte; das bloße Tätigwerden in fremden Räumen reiche hierzu nicht aus. Die Ferienwohnungen „dienten“ nicht der Tätigkeit des Unternehmens des Klägers, sondern ihre Verwaltung sei der Gegenstand dieses Unternehmens. Der Kläger unterhalte im Gemeindegebiet der Beklagten keine Geschäfts- oder Büroräume und keine sonstigen Anlagen. Es halte sich kein von ihm angestelltes Personal ständig oder mit einer gewissen Regelmäßigkeit in den Ferienwohnungen auf. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger Gerätschaften, die er zur Ausübung seiner Verwaltungstätigkeit benötige, dauerhaft in den von ihm verwalteten Ferienwohnungen untergestellt habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Der Kläger tritt dem Zulassungsantrag entgegen.
Die Landesanwaltschaft Bayern unterstützt unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr das Zulassungsbegehren des Beklagten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
aa) An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Solche Zweifel sind nur gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Beklagte trägt vor, das Verwaltungsgericht habe das Fehlen eines territorialen Bezugs des Klägers zu ihrem Gemeindegebiet ausschließlich mit dem Nichtvorliegen einer Betriebsstätte gemäß § 12 AO begründet. Darin liege aber keine zwingende Voraussetzung für eine nicht nur vorübergehende, objektiv verfestigte Beziehung. Eine solche sei hier gegeben, da der Kläger regelmäßig und nicht nur gelegentlich Dienstleistungen durch die Vermittlung und – meist kurzzeitige – Vermietung von Ferienwohnungen im Gebiet der Beklagten erbringe. Da diese Tätigkeit in den immer gleichen Objekten ausgeübt werde, könne man von einer örtlichen Verfestigung sprechen. Der Kläger übernehme auch vor Ort die konkrete Bereitstellung der Wohnungen, die Reinigung, den Empfang, die Betreuung und Verabschiedung der Gäste sowie Hausmeisterregiearbeiten. Nach dem Verständnis der Beklagten sei zudem von einer Betriebsstätte auszugehen, da die vermittelten Wohnungen dem Unternehmen des Klägers unmittelbar dienten. Er habe darüber eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht, da ihm regelmäßig das alleinige Recht zur Vermietung eingeräumt sei. Er besitze auch jeweils einen Wohnungsschlüssel und habe damit die tatsächliche Sachherrschaft über die Wohnungen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen. Die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Vermittlung und Vermietung von Ferienwohnungen im Gemeindegebiet der Beklagten reichen nicht aus, um ihn zur Zahlung des Fremdenverkehrsbeitrags heranzuziehen.
(1) Nach § 1 Abs. 1 der Satzung der Beklagten für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags (FBS) wird von allen selbständig tätigen natürlichen und juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet – mittelbare oder unmittelbare (vgl. § 2 Abs. 1 FBS) wirtschaftliche (vgl. Art. 6 Abs. 1 KAG) – Vorteile erwachsen, ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben. Einer solchen Beitragspflicht können nach der Rechtsprechung des Senats auch ortsfremde Personen unterfallen; Voraussetzung dafür ist aber, dass sie zu der beitragserhebenden Gemeinde in einer nicht nur vorübergehenden, objektiv verfestigten Beziehung stehen (BayVGH, U.v. 5.4.2017 – 4 BV 16.1970 – juris Rn. 16 m.w.N.). Eine derartige Beziehung kann insbesondere durch das Innehaben einer Betriebsstätte im steuerrechtlichen Sinne (Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KAG i. V. m. § 12 AO) im Gemeindegebiet vermittelt werden. Das Abstellen auf den Begriff der Betriebsstätte ermöglicht eine aus Gründen der Rechtsklarheit unumgängliche und praktikable Abgrenzung des Kreises der Beitragspflichtigen; es verhindert, dass auch auswärtige Lieferanten, die nur in einer Geschäftsbeziehung zu ortsansässigen Betrieben stehen, zum Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen werden mit der Folge, dass der Kreis der Beitragspflichtigen unüberschaubar würde (so bereits BayVGH, U.v. 9.4.1987 – 4 B 85 A.435 – NVwZ-RR 1989, 156/157).
(2) Der Kläger unterhält keine Betriebsstätte im Gebiet der Beklagten. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AO ist Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Nach dieser Legaldefinition muss, wie auch aus der exemplarischen Aufzählung in Satz 2 hervorgeht, ein dem Unternehmenszweck unmittelbar förderlicher körperlicher Gegenstand oder eine entsprechende Sachgesamtheit existieren und für eine gewisse Dauer „fest“ an einem bestimmten Ort verbleiben (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 8/2018, § 12 AO Rn. 4 ff.; Gersch in Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 12 Rn. 2 ff.). Dass sich der Kläger in Ausübung seiner selbständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig im Gemeindegebiet der Beklagten aufhält, wo seine Agentur über keinen festen Anlaufpunkt verfügt, kann hiernach mangels räumlich-gegenständlicher Verfestigung allein noch keine Betriebsstätte begründen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch aus der dem Kläger eingeräumten Vertretungsmacht, selbständig Mietverträge namens der Wohnungseigentümer abzuschließen und als deren Besitzdiener (§ 855 BGB) die Schlüssel der Ferienwohnungen zu übergeben, keine ortsgebundene Geschäftseinrichtung im Sinne des steuerrechtlichen Betriebsstättenbegriffs, die zur Fremdenverkehrsbeitragspflicht wie auch zur Gewerbesteuerpflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GewStG führen müsste. Die zur Vermietung angebotenen Wohnungen stellen Betriebsstätten allenfalls für die jeweiligen Eigentümer dar, deren unternehmerischer Tätigkeit sie unmittelbar zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, U.v. 17.1.1997 – 4 B 95.2592 – juris Rn. 13 f.). Für den Kläger bilden dagegen die Wohnungen, die ihm weder gehören noch zur eigenen Nutzung zur Verfügung stehen, nicht das Mittel, sondern den Gegenstand seiner gewerblichen Tätigkeit (vgl. BayVGH, U.v. 9.4.1987, a.a.O.). Sein Tätigwerden bei der Vermittlung und Bereitstellung einer Ferienwohnung erfolgt in Erfüllung der mit dem jeweiligen Eigentümer geschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarung und unterscheidet sich damit nicht von demjenigen eines Handwerkers, der in der Wohnung Reparaturen ausführt. Ein bloßes Tätigwerden in fremden Räumen reicht für die Annahme einer Betriebsstätte nach allgemeiner Auffassung nicht aus (vgl. Koenig in ders., AO, 3. Aufl. 2014, § 12 Rn. 11 m.w.N.).
(3) Ernstliche Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen auch nicht deshalb, weil – trotz des Fehlens einer Betriebsstätte – eine auf anderweitigen Umständen beruhende nicht nur vorübergehende und objektiv verfestigte Beziehung des Klägers zum Gemeindegebiet der Beklagten bestehen würde.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat es in dem bereits erwähnten Urteil vom 9. April 1987 (NVwZ-RR 1989, 156/157) offengelassen, ob besonders gelagerte Einzelfälle denkbar sind, in denen eine Fremdenverkehrsbeitragspflicht für nicht Ortsansässige entsteht, ohne dass in der beitragserhebenden Gemeinde eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO unterhalten wird. Wie in den Entscheidungsgründen weiter ausgeführt wurde, genügt es dafür jedenfalls nicht, dass ein von einem Gewerbetreibenden verwaltetes Objekt im Gebiet der fremdenverkehrsbeitragserhebenden Gemeinde gelegen ist; neben dieser bloßen Belegenheit müssen weitere Umstände vorliegen, die eine besondere Verknüpfung zum Gemeindegebiet begründen könnten.
Eine solche spezifische Ortsbezogenheit kann sich entgegen der Meinung der Beklagten und des Vertreters des öffentlichen Interesses nicht schon aus der Dauer bzw. Häufigkeit oder aus dem Inhalt einer objektbezogenen Verwaltungstätigkeit ergeben, hier also aus der Tatsache, dass der Kläger im Gemeindegebiet der Beklagten regelmäßig Ferienwohnungen vermittelt und dabei für die Vermieter auch einige der aus dem Mietverhältnis folgenden Nebenpflichten übernimmt. Der Kreis der dem Fremdenverkehrsbeitrag unterliegenden auswärtigen Personen ließe sich nicht mehr in hinreichend klarer und praktikabler Weise bestimmen, wenn die örtliche Radizierung einer Verwaltungs- oder sonstigen Dienstleistungstätigkeit davon abhinge, dass diese in zeitlicher und/oder sachlicher Hinsicht einen noch zu definierenden Mindestumfang überschreitet. In der Entscheidung vom 9. April 1987 hat der Senat demgemäß die Beitragspflicht der damaligen Klägerin in ihrer Eigenschaft als Verwalterin eines in Wohnungseigentum aufgeteilten Hotels verneint, ohne näher zu prüfen, worin ihre Leistungen vereinbarungsgemäß bestanden und wie oft sie deswegen die betreffenden Wohnungen aufsuchen musste. Solche individuellen Vertragsgestaltungen und Verhaltensweisen, die sich nur schwer vergleichen und überprüfen lassen und überdies ständigem Wandel unterliegen, können nicht maßgebend dafür sein, ob ein auswärtiger Gewerbetreibender in einer objektiv verfestigten Beziehung zum Gemeindegebiet steht, die der Errichtung einer Betriebsstätte gleichkommt (vgl. dazu BayVGH, U.v. 5.4.2017, a.a.O., Rn. 22 ff.).
bb) Der Rechtssache kommt auch nicht die im Zulassungsverfahren geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob eine nicht nur vorübergehende, objektiv verfestigte Beziehung eines Gewerbetreibenden zu einer Gemeinde bereits dann ausscheidet, wenn dieser keine Betriebsstätte im Sinne von § 12 AO unterhält, kommt es hier nicht entscheidungserheblich an. Denn selbst wenn man die Frage verneint, führt dies in der vorliegenden Fallkonstellation aus den oben genannten Gründen nicht zu einer Beitragspflicht des Klägers.
Die darüber hinaus gestellte Frage, welche Anforderungen an das Vorliegen einer nicht nur vorübergehenden, objektiv verfestigten Beziehung eines Gewerbetreibenden zu einer den Fremdenverkehrsbeitrag erhebenden Gemeinde zu stellen sind, wenn keine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO vorliegt, lässt sich in Anbetracht der Vielzahl denkbarer rechtlicher und tatsächlicher Gestaltungsmöglichkeiten nicht in verallgemeinerungsfähiger Form beantworten.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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