Aktenzeichen 4 K 476/16
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch den Erbschaftsteuerbescheid vom 04.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.03.2016 nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Bestimmung zur Selbstnutzung der (sanierten) Wohnung durch die Klägerin erfolgte nicht „unverzüglich“ i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG i.d.F. vom 24.12.2008 gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers soweit sie nicht steuerfrei ist. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG i.d.F. vom 24.12.2008 bleibt steuerfrei der Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S.d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, die beim Erwerber unverzüglich zu Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit Weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG).
Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG soll als begrenzte Steuerfreistellung für Kinder neben dem Schutz des familiären Lebensraums auch dem Ziel der Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers dienen. Das Familiengebrauchsvermögen soll in bestimmten Grenzen krisenfest erhalten werden, die Substanz des Immobilienvermögens innerhalb der Familie erhalten bleiben (vgl. BT-Drs. 16/11107, S. 9; BFH-Urteil vom 05.10.2016 II R 32/15, BStBl. II 2017, 130; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, ErbStG, § 13 Rn. 35). Dabei ist zu berücksichtigen, dass erwachsene Kinder grundsätzlich nur eine eingeschränktere Bindung an ihre Eltern besitzen. Die Steuerbefreiung soll sicherstellen, dass Wohneigentum innerhalb bestimmter Grenzen an Kinder vererbt werden kann, wenn der Erbe ansonsten wegen seiner Erbschaftsteuerverpflichtungen zur Veräußerung gezwungen wäre (BT-Drs. 16/11107, S. 9).
2. Der Erwerber muss die Wohnung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen (BFH-Urteil vom 23.06.2015 II R 39/13, BStBl II 2016, 225; Bayerische St2tsministerium der Finanzen, Gleichlautender Erlass vom 25.06.2009 34-S. 3715-009-21653/09; FG Münster Urteil vom 28.09.2016 3 K 3793/15 Erb, EFG 2016, 2079, nicht rkr, Az. des BFH II R 37/16). Eine Wohnung ist beim Erwerber zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, diese zu eigenen Wohnzwecken selbst zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt (BFH-Urteil vom 23.06.2015 II R 13/13, BStBl. II 2016, 223). Dabei lässt sich die Absicht des Erwerbers zur Selbstnutzung der Wohnung als eine innere Tatsache nur anhand äußerer Umstände feststellen. Dies erfordert, dass der Erwerber tatsächlich in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt (BFH-Urteil vom 05.10.2016 II R 32/15, BStBl. II 2017, 130). Der Lebensmittelpunkt der Familie muss sich in der zu begünstigenden Wohnung befinden (Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, ErbStG, § 13 Rn. 30). Nicht ausreichend ist eine bloße Widmung zur Selbstnutzung, beispielsweise durch entsprechende Angaben in der Erbschaftsteuererklärung (vgl. BFH-Urteil vom 23.06.2015 II R 13/13, BStBl. II 2016, 223).
Die Bestimmung zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke erfolgt dann unverzüglich, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Hierbei ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall als angemessen anzusehen (BFH-Urteil vom 23.06.2015 II R 39/13, BStBl. II 2016, 225). Zieht der Erwerber innerhalb dieses Zeitraums in die Wohnung ein, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass eine unverzügliche Bestimmung der Wohnung zur Selbstnutzung als Familienheim vorliegt.
Wird die Selbstnutzung der erworbenen Wohnung dagegen erst nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten aufgenommen, kann dennoch eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen (BFH-Urteil vom 23.06.2015 II R 39/13, BStBl. II 2016, 225; vgl. auch Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, ErbStG, § 13 Rn. 40; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13 Rn. 69). Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem tatsächlichen Einzug des Erwerbers in die Wohnung ist, umso höhere Anforderungen sind an die Darlegung des Erwerbers und seine Gründe für die verzögerte Nutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke zu stellen (Loose, jurisPR-SteuerR 42/2015 Anm. 5; FG Münster Urteil vom 28.09.2016 3 K 3793/15 Erb, EFG 2016, 2079, nicht rkr, Az. des BFH II R 37/16).
Der Steuerpflichtige trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Merkmale der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG (Hessisches FG Urteil vom 20.07.2015 1 K 392/15, ZEV 2016, 55).
3. Im Streitfall hat die Klägerin gemeinsam mit ihrer Familie das ererbte Anwesen Straße 1 in 1 nicht unverzüglich i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG als Familienheim bestimmt.
3. a. Innerhalb einer Zeitspanne von 6 Monaten nach dem Erbfall, d.h. bis 01.11.2009, ist eine Selbstnutzung der erworbenen Wohnung durch die Klägerin und deren Familie verbunden mit einer Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen von 3 nach 1 nicht erfolgt. Das (sanierte) Anwesen Straße 1 in 1 wurde erst Ende des Monats März 2011 von der Klägerin und deren Familie und damit rund 23 Monate nach dem Erbfall zur Selbstnutzung bezogen.
3. b. Die Klägerin hat nicht in ausreichender Weise anhand äußerer Umstände glaubhaft gemacht, dass sie sich innerhalb der Sechs-Monats-Frist zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke, d.h. zur Verlagerung ihres Lebensmittelpunktes in die Wohnung des Erblassers nach 1, entschlossen hat. Darüber hinaus hat sie die Gründe, weshalb ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war, zu vertreten.
(1) Die Sechs-Monats-Frist begann mit dem Zeitpunkt des Erbfalles am 01.05.2009.
Die Klägerin war mit dem Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments ihrer Eltern vom 12.01.1997, welches die Einsetzung der Klägerin als Alleinerbin vorsah, im Besteuerungszeitpunkt aufgrund des Ablebens der Mutter im Jahr 1999 vertraut, ebenso wie mit der darin enthaltenen Pflichtteilsregelung zu Lasten ihres Bruders. Zweifel der Klägerin an ihrer Alleinerbenstellung sind nicht erkennbar. So begann sie in tatsächlicher Hinsicht mit der Räumung des Mobiliars aus der Wohnung des Erblassers am 25.06.2009 und damit vor Testamentseröffnung und Erteilung des Erbscheins im August 2009. Auch ließ die Klägerin während dieser Phase im Hinblick auf mögliche (Pflichtteils-)Ansprüche des Bruders keine Gutachten über Wertgegenstände des Erblassers bzw. das Anwesen Straße 1 in 1 anfertigen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch Erbstreitigkeiten bzw. eine ungeklärte Erbfolge an der Aufnahme der Selbstnutzung bzw. Sanierung des Anwesens Straße 1 ab 01.05.2009 gehindert gewesen wäre. Der zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemachte Pflichtteilsanspruch des Bruders ist auf die Zahlung von Geld gerichtet.
Soweit die Klägerin vorbringt, wegen der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches durch den Bruder Dr. BA Ende Januar 2010 seien begonnene Sanierungsbemühungen im Hinblick auf ein einzuholendes Verkehrswertgutachten eingestellt worden, ist dies nicht entscheidungserheblich und im Übrigen so auch nicht erkennbar. Die Geltendmachung Ende Januar 2010 liegt außerhalb des 6-Monats-Zeitraumes. Beabsichtigte oder bereits in der Durchführung befindliche Baumaßnahmen durch Dritte in der Zeit bis Ende Januar 2010 sind – mit Ausnahme des Angebots der Firma Y GmbH vom 26.10.2009 – nicht konkret vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Unklar ist, welche Sanierungsbemühungen die Klägerin eingestellt haben will. Obgleich die Klägerin ausgeführte, zwischen Mitte September 2009 und Mitte Dezember 2009 bzw. November 2009 bis Januar 2010 seien erste Angebote verschiedener Fachfirmen eingeholt worden, hat sie diese nicht konkret vorgetragen bzw. nachgewiesen. Das Gutachten des Sachverständigen wurde am 04.03.2010 gefertigt, die Begehung des Anwesens mit der Dokumentierung des baulichen Zustandes erfolgte bereits am 22.02.2010 und damit innerhalb eines Monats nach Geltendmachung des Pflichtteils. Geradezu entgegenstehend zur vorgetragenen Einstellung begonnener Sanierungsbemühungen Ende Januar 2010 erscheint die Vorlage des ersten dokumentierbaren Angebots vom 13.02.2010 während dieser Phase.
(2) Die Art und der Umfang der von der Klägerin und dem Prozessbevollmächtigten beabsichtigten und durchgeführten Sanierungsmaßnahmen lassen nicht darauf schließen, dass sich die Klägerin innerhalb der Sechs-Monats-Frist zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen und diesen Entschluss unverzüglich umgesetzt hat.
Zwar ist die Klägerin im September 2009 – zeitlich kurz nach Testamentseröffnung – tätig geworden und hat eine Begehung mit einem Architekten am 02.09.2009 sowie eine Schätzung der Umbaukosten durch die Fa. Y veranlasst. Diese Maßnahmen könnten jedoch auch – einerseits – der Vorbereitung einer Veräußerung des Anwesens und – andererseits – als Abwägungsgrundlage für die Entscheidung über die Sanierung des vorhandenen Gebäudes oder dessen Abriss verbunden mit einem an die Bedürfnisse der Familie angepassten, dem Stand der Bautechnik entsprechenden und energieeffizientem Neubau gedient haben. Ein Rückschluss der von der Klägerin im September/Oktober 2009 veranlassten Maßnahmen auf eine damals bereits vorhandene Absicht zur Sanierung des vorhandenen Gebäudes ist nicht zwingend.
Soweit die Klägerin eine Begehung durch den Architekten Z am 02.09.2009 vorbringt, handelte es sich um eine bloße Begutachtung der vorhandenen Bausubstanz. Der Zeuge Z führte hierzu in seiner Zeugeneinvernahme aus, es habe sich bei dem rund zweistündigen Termin um einen klassischen Besichtigungstermin über den Zustand des Gebäudes mit einer kurzen Einschätzung über einen möglichen Reparaturstau im Rahmen einer Gefälligkeit gehandelt. Weitere Leistungen wurden von ihm nicht erbracht. Nach Aussage des Zeugen wurden weder Aufzeichnungen über die Begehung gefertigt noch eine Schätzung entsprechender Aufwendungen sowie eines zeitlichen Rahmens getroffen. Trotz der Einschätzung des Zeugen Z über die Absicht zur Selbstnutzung des Gebäudes durch die Klägerin und deren Familie waren damit am 02.09.2009 keine hinreichenden tatsächlichen Maßnahmen zur Umsetzung getroffen gewesen, insbesondere keine Aufträge erteilt worden.
Soweit die Firma Firma Y GmbH am 26.10.2009 eine vorläufige Kostenschätzung der Gesamtsanierung in Höhe von rund 260.000 € abgegeben hat, war aufgrund des Umfangs der vorläufigen Kostenschätzung (u.a. Heizungserneuerung, Fensteraustausch, Dacherneuerung, Trockenbau) ersichtlich, dass derartige Baumaßnahmen nicht mehr bis zum Ablauf der 6-Monats-Frist durchführbar gewesen wären. Auch ist eine Auftragsvergabe an die Firma Firma Y GmbH zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Das erste dokumentierte Einzelangebot stammt vom 13.02.2009 (Firma U) und wurde damit außerhalb der 6-Monats-Frist erstellt und angenommen.
(3) Aus dem Schulwechsel der Tochter A1 zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 lässt sich kein von der Klägerin nicht zu vertretender Grund für die Verzögerung herleiten. Hätte die Absicht zur unverzüglichen Selbstnutzung der ehemaligen Wohnung des Erblassers bereits von Anfang an – wie von der Klägerin vorgetragen – festgestanden, wäre ein Schulwechsel bereits zu Beginn des Schuljahres 2009/2010 nahegelegen, zumal an bayerischen Realschulen die Zweigwahl zur 7. Jahrgangsstufe erfolgt, die Gemeinde 3 auch im Einzugsbereich der 1er Schulen liegt und der Prozessbevollmächtigte seine Rechtsanwaltskanzlei in betrieb.
Darüber hinaus legte die Tochter A2 im Mai 2011 das Abitur am Gymnasium in 6 und damit ortsnah zum früheren Wohnort 3 ab.
(4) Die von der Klägerin und dem Prozessbevollmächtigten abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen vom 28.09.2017 geben lediglich die Absichten der Versichernden wieder, bilden jedoch keine äußeren Umstände an sich. Die Absicht eines Erwerbers zur Selbstnutzung einer Wohnung ist jedoch anhand tatsächlich erfolgter, äußerer Umstände festzustellen.
(5) Gegen eine unverzüglich Bestimmung der Wohnung des Erblassers zur Selbstnutzung durch die Klägerin und deren Familie spricht, dass die Klägerin die Anlage „Steuerbefreiung Familienheim zur Erbschaftsteuererklärung“ nicht zusammen mit der Steuererklärung am 28.12.2009 eingereicht hat. Zwar mag die Anlage zur Steuererklärung eine bloße Widmung darstellen, jedoch wurde nicht einmal eine solche zeitlich während der 6-Monats-Frist bzw. in der durch das Finanzamt gesetzten Erklärungsfrist bis Ende des Jahres 2009 abgegeben.
3. c. Die Klägerin hat die Feststellunglast dafür zu tragen, dass die Merkmale der Unverzüglichkeit der Bestimmung zur Eigennutzung vorliegen.
Darüber hinaus ist der Senat davon überzeugt, dass die Entscheidung zur umfassenden Renovierung des Anwesens und anschließender Selbstnutzung Ende Januar/Anfang Februar 2010 und damit nicht unverzüglich – weil außerhalb der 6-Monats-Frist – von der Klägerin und deren Familie getroffen wurde, sodann jedoch unverzüglich mit der Umsetzung der Entscheidung begonnen worden war.
Indem die Anlage „Steuerbefreiung Familienheim zur Erbschaftsteuererklärung“ erst gemeinsam mit der Mitteilung der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Bruder am 19.02.2010 – knapp zwei Monate nach Abgabe der Steuererklärung – unaufgefordert beim Finanzamt eingereicht wurde, liegt eine Entscheidung der Klägerin zeitnah nach bzw. aus Anlass der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nahe. Die anstehende Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung eines hohen Geldbetrages als Pflichtteilsverbindlichkeit war ihr – auch aufgrund der in der Familie vorhandenen Rechtskenntnisse – seit Ende Januar 2010 bewusst, dieser Geldbetrag stand ihr und ihrer Familie zur Finanzierung von Baumaßnahmen gleich welcher Art auf dem erworbenen Grundstück nicht mehr zur Verfügung. Im Regelfall stellt sich die Entscheidung darüber, ob und wie eine vorhandene Bebauung im Einzelfall nutzbar gemacht wird oder ein Abriss verbunden mit einer Neubebauung günstiger erscheint, wesentlich auch als eine Frage der Finanzierbarkeit dar. Die Klägerin hatte vom Erblasser Kapitalvermögen in Höhe von 353.402 € übernommen und Beträge in Höhe von 91.575 € als Vermächtnisse an die Enkelkinder und in Höhe von letztendlich 240.000 € als geltend gemachten Pflichtteil zu entrichten. In der Anlage Steuerbefreiung Familienheim führt die Klägerin u.a. aus, der Finanzierungsbedarf (ca. 250.000 € Sanierungskosten) und die Finanzierungsmöglichkeit seien noch zu klären. Die Klägerin bringt einen wesentlichen Umfang der Arbeiten in Eigenregie (ca. 1.500 Arbeitsstunden) vor.
Für eine Ende Januar/Anfang Februar 2010 getroffene Entscheidung zur Sanierung und Selbstnutzung der Wohnung spricht auch das Schreiben der Klägerin an die Stadt 1 betreffend die Aussetzung der Überprüfung der Heizöllageranlage vom 05.02.2010 sowie das erste durch die Klägerin dokumentierte schriftliche Angebot vom 13.02.2010 (Firma U).
Soweit die Klägerin eine Sanierung des Anwesens von Anfang an beabsichtigt haben sollte, hat sie den nicht mehr unverzüglichen, tatsächlichen Sanierungsbeginn als auch das Fehlen unverzüglicher Vorbereitungsmaßnahmen zu vertreten.
4. Darüber hinaus erscheint es im Hinblick auf die Behaltensfrist des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG von 10 Jahren nicht sachgerecht, den verbindlich vorgeschriebenen zehnjährigen Nutzungszeitraum durch die Erbringung umfangreicher Eigenleistungen bei der Sanierung mit entsprechender zeitlicher Verzögerung der Fertigstellung und tatsächlichen Selbstnutzung weit über die Sechs-Monats-Frist hinaus zu verkürzen. Dies hat die Klägerin zu vertreten.
Der Erwerber hat das Objekt des Erblassers für die Bestimmung zum Familienheim so, wie es zum Stichtag des Todes definiert ist, zu nutzen (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13 Rn. 63). Die Klägerin und der Prozessbevollmächtigte haben in der mündlichen Verhandlung jedoch vorgetragen, ein Einzug in das Gebäude in dem Zustand, wie es vom Erblasser am 01.05.2009 übernommen worden war, sei aufgrund des schlechten Gebäudezustandes und der ungeeigneten Raumaufteilung für sie und ihre Familie zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen. Es entspricht nicht dem Zweck der Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, den Erwerb von im großen Umfang der Sanierung bedürftigen Gebäude mit längerer Sanierungsdauer – im Streitfall von letztendlich nahezu 2 Jahren – zu begünstigen. Denn Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist insbesondere die Finanzmarktentwicklung des Jahres 2008 sowie die Vermeidung der Veräußerung von Todes wegen erworbenen Grundbesitzes zur Finanzierung von Erbschaftsteuerverpflichtungen (BT-Drs. 16/11107, S. 9). Das Gesetz sieht dagegen keine Mindestbesitzzeit der Wohnung beim Erblasser vor, so dass es für die Qualifizierung als Familienheim nicht darauf ankommt, dass die Klägerin in dem Gebäude aufgewachsen ist. Schädlich für die Steuerbefreiung ist u.a. ein längerer Leerstand der Wohnung (BT-Drs. 16/11107, S. 8 zu Nummer 4b), durch die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist ausdrücklich die Unverzüglichkeit der Bestimmung zur Selbstnutzung gefordert. Diese Voraussetzung ist, auch aus Gründen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Vorschrift, eng auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 05.10.2016 II R 32/15, BStBl. II 2017, 130; BFH-Urteil vom 18.07.2013 II R 35/11, BStBl. II 2013, 1051).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.