Aktenzeichen M 16 K 15.4650
Leitsatz
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Klagepartei über die Sache verhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg.
Das Gericht geht davon aus, dass die Klage bereits wegen Fehlens der erforderlichen Beteiligungsfähigkeit der Klägerin nach § 61 Nr. 1 VwGO unzulässig ist (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 12.9.2014 – 9 K 3455/13 – juris Rn. 13 ff. unter Bezugnahme auf OVG NW, B.v. 25.3.1981 – 4 B 1643/80 – GewArch 1981, 263; vgl. auch VG Arnsberg, U.v. 6.11.2002 – 1 K 5028/01 – juris Rn. 21 f.; a.A. Kunkel, juris PR-HaGesR 1/2015 Anm. 2 m. w. N.).
Doch selbst wenn man davon ausginge, dass für das vorliegende Verfahren weiterhin eine Beteiligungsfähigkeit der Klägerin vorliegt – unter der allgemeinen Annahme, dass die Löschung einer GmbH im Handelsregister zwar ihre Auflösung bewirkt, die GmbH als juristische Person aber bis zum Abschluss des Abwicklungsverfahrens nach § 74 Abs. 1 GmbHG erhalten bleibt und daher zunächst auch in der Liquidation grundsätzlich ihre Rechts- und prozessuale Parteifähigkeit behält und somit grundsätzlich auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligungsfähig ist (vgl. Kunkel, jurisPR-HaGesR 1/2015 Anm. 2 m.w.N), ohne jedoch die diesbezüglich ggf. noch im Einzelnen zu prüfenden Umstände weiter aufzuklären -, hätte die Klage keinen Erfolg, da sie jedenfalls auch unbegründet wäre.
Der Bescheid des Landratsamts vom 15. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Landratsamt ist zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit der Klägerin im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ausgegangen.
Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender dann gewerberechtlich unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris; BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris; BVerwG, B.v. 11.11.1996 – 1 B 226/96 – juris; BVerwG, B.v. 5.3.1997 – 1 B 56/97 – juris; BVerwG, B.v. 16.2.1998 – 1 B 26/98 – juris).
Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes gemäß § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – juris; BVerwG, B.v. 16.6.1995 – 1 B 83/95 – juris). Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, insbesondere eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (BayVGH, B.v. 23.10.2012 – 22 ZB 12.888 – juris).
Auch auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es nicht an, da sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit ausschließlich nach objektiven Kriterien bestimmt. Daher ist es grundsätzlich unerheblich, ob den Gewerbetreibenden hinsichtlich der Umstände, derentwegen ihm eine negative Prognose hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit seines künftigen gewerblichen Verhaltens ausgestellt werden muss, ein Verschuldensvorwurf trifft (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 8.5.2015 – 22 C 15.760 – juris Rn. 20). Auch kommt es nicht darauf an, ob der Gewerbetreibende seine öffentlich-rechtlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten nicht erfüllen konnte oder nicht erfüllen wollte (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 4.6.2014 – 22 C 14.1029 – juris Rn. 14 m. w. N.).
Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Gewerbeuntersagung zu Recht ergangen. Das Landratsamt hat die negative Prognose über die gewerberechtliche Zuverlässigkeit der Klägerin in nachvollziehbarer Weise auf ihre erheblichen Zahlungsrückstände beim Finanzamt und die erheblichen Rückstände bei den Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung bei der BG … gestützt. Da für die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit die Nichterfüllung von öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten aller Art von Bedeutung ist, ist es auch unbeachtlich, dass sich ggf. ein Anteil an den Steuerschulden aus angefallenen Säumniszuschlägen ergibt (vgl. z. B. BayVHG, B.v. 17.10.2008 – 22 ZB 08.2592 – juris Rn. 2).
Die Rückstände bestanden auch bereits über einen längeren Zeitraum und konnten von der Klägerin auch im Laufe des Verfahrens nicht verringert werden. Ein tragfähiges Sanierungskonzept der Klägerin, das die geordnete Rückführung der Steuer und Beitragsschulden in einem überschaubaren Zeitraum hätte erwarten lassen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 23.10.2012 – 22 ZB 12.888 – juris Rn. 17 f.), lag nicht vor. Von wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit war auszugehen. Ein Antrag des Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens war mangels Masse abgewiesen worden. Letztlich blieben auch die „Rettungsbemühungen“ für die Klägerin nach Erlass des Bescheids ohne Erfolg.
Insgesamt war damit zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt die Prognose über die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Klägerin gerechtfertigt, da sie nach dem Gesamteindruck ihres Verhaltens nicht die Gewähr dafür bot, dass sie ihr Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben werde.
Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu untersagen, ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht der erheblichen Zahlungsrückstände und der fortlaufenden Nichtbegleichung aufgelaufener öffentlich-rechtlicher Forderungen war die Untersagung der Gewerbeausübung auch zum Schutz der Allgemeinheit im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO erforderlich. Eine mildere, gleichermaßen geeignete Maßnahme war nicht erkennbar.
Eine Aufgabe des Betriebs im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 3 GewO, die eine Ermessensentscheidung über die Fortsetzung des Gewerbeuntersagungsverfahrens erfordert hätte, lag nicht vor. Zwar war zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses bereits gemäß § 65 Abs. 1 GmbHG die Auflösung der Klägerin von Amts wegen in das Handelsregister eingetragen worden, jedoch gab es zu diesem Zeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gewerbebetrieb der Klägerin aufgegeben worden wäre. Eine Gewerbeabmeldung war – nach Angabe des Landratsamts selbst bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – nicht erfolgt. Zudem bestätigt die Einlassung von Seiten der Klägerin im Rahmen der Anhörung, dass eine „Rettung“ und damit auch konkret eine Weiterführung des Gewerbebetriebs beabsichtigt war.
Gegen die weiteren Verfügungen des streitgegenständlichen Bescheids hat die Klägerin rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
Die Klage waren daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
…
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 15.000,– Euro festgesetzt
(§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz i. V. m. Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs 2013).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.