Aktenzeichen M 7 X 17.5819
VwZVG VwZVG Art. 19, 35, 37 Abs. 3 Satz 1
WaffG WaffG §§ 45, 46 Abs. 1, 2
Leitsatz
1. Ein Antrag auf richterliche Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung zum Zweck einer Sicherstellung nach § 46 Abs. 2 WaffG, die der Vollziehung eines waffenrechtlichen Bescheides dient, kann sich nur gegen den Vollstreckungsschuldner richten, denn die ergänzend anwendbare Vorschrift des § 37 Abs. 3 S. 1 VwZVG sieht nur eine Befugnis zum Betreten und Durchsuchen der Wohnung des “Pflichtigen” vor, nicht auch von Wohnungen Dritter; in Abgrenzung zu einer Wohnungsdurchsuchung nach § 46 Abs. 4 S. 2 WaffG (vgl. dazu VG Ansbach BeckRS 2009, 47431). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Begriff der Wohnung iSd Art. 13 GG ist weit auszulegen und umfasst auch Arbeits-, Betriebs- und Gesellschaftsräume, somit auch ein landwirtschaftliches Anwesen mit seinen Stallungen etc. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar ist jeder Bewohner Träger des Grundrechts aus Art. 13 GG, die Mitbewohner eines Pflichtigen haben jedoch die Durchsuchung der gemeinsamen Wohnung zu dulden (ebenso BayVGH BeckRS 1994, 15126). (Rn. 25 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Durchsuchung der Wohnräume und des zugehörigen landwirtschaftlichen Anwesens (Stallungen etc.) des
Herrn …
bewohnt zusammen mit Frau …, geb. …, und …, durch Bedienstete des Landratsamts … und Polizeibeamte wird gestattet. Verschlossene Türen und Behältnisse dürfen geöffnet werden. Die Gestattung gilt sechs Monate ab Beschlussdatum und nur für die zwangsweise Sicherstellung vorhandener Munition sowie der in der Waffenbesitzkarte Nr. … benannten Schusswaffe Art Kaliber Hersteller Herst.Nr. Halbautom. Pistole 9mm Luger SIG P226 LDC …
II. Soweit die Durchsuchung der unter der gleichen Anschrift … befindlichen Wohnung von Herrn … und Frau … und deren Kindern … und … beantragt wurde, wird der Antrag abgelehnt.
III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens zu ¾, im Übrigen der Antragsteller.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die richterliche Anordnung einer Durchsuchung der Wohnung und des dazugehörigen landwirtschaftlichen Anwesens des Antragsgegners sowie der unter gleicher Adresse befindlichen Wohnung der Schwiegereltern des Antragsgegners zum Zwecke der Sicherstellung einer Schusswaffe und dazugehöriger Munition.
Mit Bescheid vom 20. September 2017, der im Verwaltungsverfahren bereits Bevollmächtigten per Postzustellungsurkunde zugestellt am 21. September 2017, widerrief der Antragsteller nach vorangegangener Anhörung vom 29. November 2016 sowie 15. Februar 2017 die dem Antragsgegner am 17. Dezember 2015 erteilte Waffenbesitzkarte Nr. … (Nr. 1). Dem Antragsgegner wurde in Nr. 1.2 des Bescheids auferlegt, die in der Waffenbesitzkarte eingetragene Waffe (halbautomatische Pistole des Herstellers SIG P 226 LDC Kaliber 9mm Luger, Herst.Nr. …) und Munition binnen eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheids einem Berechtigten zu überlassen, dauerhaft unbrauchbar zu machen oder unter Eigentumsverzicht zur Verwertung oder Vernichtung im Landratsamt während der Öffnungszeiten abzugeben. Nachweise der Überlassung oder Unbrauchbarmachung seien dem Landratsamt unverzüglich vorzulegen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist zu Nr. 1.2 werde die Waffe und die Munition durch das Landratsamt sichergestellt, verwertet und ggf. vernichtet (Nr. 1.3). Mit Nr. 2 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung der Nrn. 1.2 und 1.3 angeordnet. Die Begründung stützt sich auf die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit des Antragsgegners wegen einer seit 15. Juli 2016 rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 40,- Euro wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 32 Fällen sowie einer Zugehörigkeit zur sog. „Reichsbürgerbewegung“, die sich seinen Ausführungen gegenüber dem Hauptzollamt – Finanzkontrolle Schwarzarbeit –, aus Angaben bei der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises und eines Vorfalls bei einer Gerichtsverhandlung am 13. Juni 2016 ergäbe.
Mit Telefax vom 23. Oktober 2017 erhob die Bevollmächtigte des Antragsgegners im waffenrechtlichen Verfahren Klage zum Verwaltungsgericht München gegen den Bescheid (M 7 K 17.5043) mit den Anträgen, den Bescheid vom 20. September 2017 in den Nummern 1-4 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die dem Landratsamt übersandte Waffenbesitzkarte herauszugeben und die in der Waffenbesitzkarte eingetragene Waffe und Munition unverzüglich wieder auszuhändigen bzw. freizugeben.
Mit Telefax vom 14. Dezember 2017 beantragt der Antragsteller,
die Durchsuchung – der Wohnung im Anwesen …, bewohnt von Herrn …, dessen Ehefrau …, geb. …, und der gemeinsamen Tochter …
– des zugehörigen landwirtschaftlichen Anwesens (Stallungen etc.) und
– der Wohnung im Anwesen …, bewohnt von den Schwiegereltern … und … und deren Kindern … und …
zum Zwecke der Sicherstellung der in der Waffenbesitzkarte Nr. … eingetragenen Waffe und Munition.
Es handelt sich um folgende Waffe:
Art Kaliber Hersteller Herst.Nr. … Halbautom. Pistole 9mm Luger SIG P226 LDC …
Zur Begründung wird auf den Bescheid vom 20. September 2017 Bezug genommen. Der Antragsgegner sei seiner Verpflichtung aus Nr. 1.2 des Bescheids, seine Waffe und Munition an einen Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und hierüber einen Nachweis vorzulegen, bislang nicht nachgekommen. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass er nicht bereit sei, seine Waffe und Munition freiwillig herauszugeben. Vielmehr sei zu befürchten, dass er bei einem Versuch der Sicherstellung der Waffe und Munition die freiwillige Herausgabe verweigere und dann den erforderlichen Zugriff auf die Waffe und Munition unmöglich mache. Um dies zu verhindern, sei für den Fall der Verweigerung der freiwilligen Herausgabe eine Durchsuchung der Wohnung und des dazugehörigen landwirtschaftlichen Anwesens (Stallungen etc.) erforderlich. Zudem bestehe der Verdacht, dass der Antragsgegner Waffe und Munition auch im Waffenschrank oder den Räumlichkeiten seines Schwiegervaters, der im Besitz einer Lang- und einer Kurzwaffe sei, verwahre. Daher sei auch die Durchsuchung der Wohnung des Schwiegervaters erforderlich.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte zu vorliegenden Verfahren und die beigezogene Gerichtsakte M 7 K 17.5043 Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf richterliche Anordnung der Wohnungsdurchsuchung nach Art. 13 Abs. 2 Grundgesetz (GG) ist in Bezug auf die Wohnung des Antragsgegners zulässig und begründet, nicht jedoch hinsichtlich der beantragten Durchsuchung der Wohnung der Schwiegereltern des Antragsgegners unter der gleichen Adresse.
1. Hinsichtlich des Antrages auf Durchsuchung der Wohnung der Schwiegereltern des Antragsgegners ist der Antrag bereits nicht statthaft, jedenfalls unbegründet. Schließlich richtet der Antragsteller seinen Antrag im Telefax vom 14. Dezember 2017 (nur) gegen den Antragsgegner. Ein entsprechender, aber formell erforderlicher Antrag gegen den Schwiegervater … wurde nicht gestellt. Ein solcher wäre im Übrigen unbegründet, wenn nicht bereits unstatthaft, da sich die Antragsbegründung auf die Vollstreckung eines sofort vollziehbaren waffenrechtlichen Bescheids bezieht, der Schwiegervater des Antraggegners jedoch nicht Bescheidsadressat ist und somit auch nicht Vollstreckungsschuldner. Der vom Antragsteller ausdrücklich auf Art. 37 Abs. 3 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) gestützte Antrag kann sich jedoch dem Wortlaut dieser Vorschrift nach nur gegen den Vollstreckungsschuldner richten, die Gesetzesregelung sieht ausdrücklich (nur) eine Befugnis zum Betreten und Durchsuchen der Wohnung des „Pflichtigen“ vor, nicht auch von Wohnungen Dritter. Hierfür müsste der Antragsteller auf etwaige weitere Rechtsgrundlagen zurückgreifen und ggf. entsprechende Anträge zum jeweils zuständigen Gericht stellen. Soweit das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 16. Dezember 2009 im Zusammenhang mit einer Wohnungsdurchsuchung nach § 46 Abs. 4 Waffengesetz (WaffG) auch ein Betreten der Wohnung eines Dritten als zulässig erachtet hat, folgt dem das Gericht jedenfalls nicht für eine Sicherstellung nach § 46 Abs. 2 WaffG (vgl. VG Ansbach, B.v. 16.12.2009 – An 15 K 09.01794 – juris Rn. 39). Bei einer Sicherstellung nach § 46 Abs. 2 WaffG ist ergänzend Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG anwendbar, der den Begriff des „Pflichtigen“ zugrundelegt und nicht wie § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG den Begriff des „Betroffenen“.
2. Der Antrag ist in Bezug auf die Wohnung und des dazugehörenden landwirtschaftlichen Anwesens des Antragsgegners statthaft.
Im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 und 2 GG dürfen Wohnungsdurchsuchungen außer bei Gefahr in Verzug nur auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 3. April 1979 – 1 BvR 994/76 – juris Rn. 24 ff. m.w.N., Rn. 51 u. B.v. 16. Juni 1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 38; BayVGH, B.v. 23. Februar 2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 24). Der Begriff der Wohnung ist dabei weit auszulegen und umfasst auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume (BVerfG, B.v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66 – beck-online), somit auch das landwirtschaftliche Anwesen des Antragsgegners mit seinen Stallungen etc.. Bloße Verkehrsmittel wie Kraftfahrzeuge unterliegen nicht dem Wohnungsbegriff (VG München, B.v. 2.3.2017 – M 7 E 16.5979 – juris Rn. 18; Papier in Maunz/Dürig, GG, 78. Erg.Lfg. Stand September 2016, Art. 13 Rn. 10 m.w.N.) und damit deren Durchsuchung nicht dem richterlichen Vorbehalt. Für die Durchsuchung eines Kraftfahrzeugs genügt die allgemeine Befugnis der Waffenbehörde nach Art. 30 Abs. 1 VwZVG, ihren Verwaltungsakt auch selbst zu vollstrecken, bei Anwendung unmittelbaren Zwangs nach Art. 37 Abs. 2 VwZVG mit Hilfe der Polizei (VG München, a.a.O.).
3. Der Antrag hat hinsichtlich der Wohnung und des landwirtschaftlichen Anwesens des Antragsgegners auch in der Sache Erfolg.
Aus Art. 13 Abs. 2 GG folgt für den Prüfungsmaßstab und -umfang, dass die sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebenden Voraussetzungen der Durchsuchung als solche in richterlicher Unabhängigkeit geprüft werden müssen (BVerfG, B.v. 16. Juni 1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 41; BayVGH, B.v. 23. Februar 2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 25). Notwendig und ausreichend ist es daher zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Vollstreckungsmaßnahme vorliegen und ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, insbesondere, ob die zu vollstreckende Maßnahme den schwerwiegenden Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung rechtfertigt (BayVGH, a.a.O., Rn. 25 m.w.N.).
Rechtsgrundlage für die Durchsuchung der Wohnung und des landwirtschaftlichen Anwesens des Antragsgegners zur Sicherstellung der in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffe und vorhandener Munition nach fruchtlosem Ablauf der zur Erfüllung der Rückgabepflicht eingeräumten Fristen ist Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Der Vollzug der Sicherstellungsanordnung für Waffen und Munition ist eine bundesrechtlich angeordnete Art des unmittelbaren Zwangs im Sinne von Art. 34 VwZVG, so dass sich die Durchführung ergänzend nach Art. 37 Abs. 3 VwZVG richtet (vgl. VG Augsburg, B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris Rn. 13; VG Neustadt, B.v. 8.11.2011 – 5 N 992/11.NW – juris Rn. 10).
Die Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 19, Art. 29 ff. VwZVG sind gegeben.
a) Der Bescheid vom 20. September 2017 ist zwar nicht bestandskräftig, sondern derzeit hiergegen Klage beim Verwaltungsgericht München anhängig. Er ist jedoch sofort vollziehbar, hinsichtlich der Verpflichtung in Nr. 1.2 des Bescheids, die näher bezeichnete in der Waffenbesitzkarte des Antragsgegners eingetragene Waffe und die ggf. in seinem Besitz befindliche dazugehörige Munition binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheids einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und den Nachweis darüber gegenüber dem Landratsamt zu führen oder unter Eigentumsverzicht zur Verwertung oder Vernichtung im Landratsamt abzugeben, durch Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 2 des Bescheids.
b) Die in dem ausweislich Postzustellungsurkunde am 21. September 2017 der im waffenrechtlichen Widerrufsverfahren Bevollmächtigten zugestellten Bescheid vom 20. September 2017 gesetzte Frist zur Überlassung der Waffe und Munition an einem Berechtigten bzw. Unbrauchbarmachung mit jeweils entsprechendem Nachweis dem Landratsamt gegenüber bzw. Abgabe beim Landratsamt zur Verwertung oder Vernichtung ist am 23. Oktober 2017 abgelaufen. Die Behörde ist nunmehr gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG befugt, die Waffe sowie vorhandene Munition durch hoheitlichen Zugriff sicherzustellen und zu verwerten (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.1985 – 1 C 12/83 – juris Rn. 62).
Die Frist von einem Monat war auch angemessen im Sinne von Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Insbesondere ging diesem Bescheid eine Anhörung mit Schreiben bereits vom 15. Februar 2017 voran. Der Antragsgegner hatte somit hinreichend Zeit, sich auf eine Waffenabgabe vorzubereiten. Seit mindestens 10. März 2017 hat er eine Rechtsanwältin bevollmächtigt, die in ihrer Klage vom 23. Oktober 2017 bereits die Verpflichtung auf (Wieder) Herausgabe der Waffe und Munition beantragte.
c) Der Anwendung eines milderen Vollstreckungsmittels i.S.v. Art. 34 Satz 1 VwZVG, nämlich einer Zwangsgeldandrohung, vor Anwendung unmittelbaren Zwangs, bedarf es aufgrund der Regelung in § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG gerade nicht.
d) Die Androhung des Zwangsmittels nach Art. 37 VwZVG ist durch die Androhung der Sicherstellung als spezialgesetzliche Ausformung unmittelbaren Zwangs in Nr. 3 des Bescheids hinreichend erfolgt. Der besonderen Androhung einer Wohnungsdurchsuchung bedarf es nicht.
e) Ebenso konnte eine vorhergehende Anhörung des Antragsgegners nach Art. 103 Abs. 1 GG durch das Gericht unterbleiben. Zwar gebietet Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich die vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners. Die Sicherung gefährdeter Interessen kann jedoch in besonderen Verfahrenslagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt. In diesen Fällen ist der Betroffene auf nachträgliche Anhörung zu verweisen (VG München, B.v. 12.12.2016, a.a.O. unter Bezug auf BVerfG, B.v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 52 ff.). Bei einer vom Vollstreckungsgläubiger beantragten richterlichen Anordnung der Durchsuchung wird eine vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners in vielen Fällen den Vollstreckungserfolg gefährden, da die Durchsuchung gerade bezweckt, etwas aufzuspüren, was der Betroffene von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will (Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 13. Aufl. 2014, Art. 13 Rn. 14). Ob der Vollstreckungserfolg durch eine vorherige Anhörung des Schuldners gefährdet wäre, muss das Gericht im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände prüfen und entscheiden (BVerfG, B.v. 16.6.1981, a.a.O.). Unter Würdigung des bisherigen aktenkundigen Verhaltens des Antragsgegners sah das erkennende Gericht dies vorliegend als gegeben an.
f) Die Wohnungsdurchsuchung verstößt auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Obwohl der Antragsgegner seit einem Monat nach Zustellung des Bescheids am 21. September 2017, somit 23. Oktober 2017, verpflichtet ist, seine Waffe und Munition abzugeben bzw. unbrauchbar machen zu lassen, ist er dem bislang nicht nachgekommen. Da er anwaltlich vertreten ist, kann er sich auch nicht darauf berufen, darauf vertraut zu haben, dass keine Vollstreckungsmaßnahmen erfolgen, solange das Klageverfahren rechtshängig ist. Ein Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde nicht gestellt.
Umstände, aufgrund derer eine Wohnungsdurchsuchung als nicht verhältnismäßig erscheinen würden, sind nicht erkennbar. Insbesondere muss das Recht des Antragsgegners auf die Unverletzlichkeit seiner Wohnung (Art. 13 GG) angesichts der vom Antragsteller hier im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzenden öffentlichen Interessen an einer effektiven Gefahrenabwehr im Waffenrecht zurücktreten. Die Interessensabwägung im waffenrechtlichen Eilverfahren zugunsten des Sofortvollzugs mit der Folge zurücktretender Interessen des Antragsgegners fließt insoweit auch in die Verhältnismäßigkeitserwägungen für eine Wohnungsdurchsuchung mit ein. Schließlich ermöglicht erst diese in den Fällen, in denen die Waffen nicht fristgerecht überlassen oder unbrauchbar gemacht werden, dass dem überragenden Schutz der Allgemeinheit hinreichend Rechnung getragen werden kann. Angesichts der erheblichen Gefahren, die von einsatzbereiten Waffen in der Hand von waffenrechtlich unzuverlässigen bzw. unberechtigten Personen ausgehen, hat der Antragsgegner Einschränkungen seines Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG hinzunehmen.
Nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG sind die mit der Durchführung des Verwaltungszwangs beauftragten Bediensteten der Vollstreckungsbehörde und Polizeibeamten befugt, die Wohnung des Antragsgegners zu betreten und verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. Die Bediensteten des Antragstellers bzw. der Polizei werden allerdings, bevor sie mit der Durchsuchung beginnen, vom Antragsgegner die Waffe und Munition herausverlangen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist die Durchsuchung zu beenden, sobald der Antragsgegner die Waffe und Munition freiwillig herausgeben sollte (Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG). Macht er dies nicht, so bleibt keine andere Möglichkeit, als die Wohnung zu durchsuchen.
g) Auch die Mitbewohner der Wohnung des Antragsgegners, seine Ehefrau und Tochter, haben die Durchsuchung der Wohnung zu dulden.
Zwar ist jeder Bewohner Träger des Grundrechts nach Art. 13 GG, ein Mitbewohner kann sich jedoch nicht der Durchsuchung gegenüber einem anderen Mitbewohner widersetzen (BayVGH, B.v. 29.3.1994 – 4 C 94.1274 – beck-online).
Bei der Durchführung der Wohnungsdurchsuchung werden der Antragsteller und die Polizei jedoch zu beachten haben, dass sich die Durchsuchung zunächst auf die Wohnräume des Antragsgegners konzentriert und eine Durchsuchung der speziell zuordbaren Wohnräume der Mitbewohner, insbesondere das Zimmer der Tochter, unter Verhältnismäßigkeitserwägungen erst in Betracht kommt, wenn sich vor Ort Erkenntnisse ergeben, dass die gesuchte Waffe und Munition dort befindlich sein könnten.
Dem Antrag auf Durchsuchung der Wohnung und des landwirtschaftlichen Anwesens des Antragsgegners war daher stattzugeben.
4. Um den Erfolg der Durchsuchung nicht zu gefährden, ist der Antragsteller beauftragt, diesen Beschluss im Wege der Amtshilfe gemäß § 14 VwGO i.V.m. § 168 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO – analog unmittelbar bei Beginn der Durchsuchungsmaßnahme durch Übergabe zuzustellen. Der Antragsteller hat das Empfangsbekenntnis des Antragsgegners an das Gericht zurückzuleiten (§ 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 176 Abs. 1 ZPO).
5. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.