Aktenzeichen M 6 E 20.4600
ZPO §§ 42 ff.
VwZVG Art. 21
Leitsatz
Tenor
I. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers wegen der Besorgnis der Befangenheit wird als offensichtlich unzulässig verworfen.
II. Der Antrag wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert wird auf 181,81 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollstreckung von Rundfunkgebühren. Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist die Zwangsvollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis des Bayerischen Rundfunks vom … Februar 2019 mittels Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 3. September 2020.
Im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist als Drittschuldner die Bank A* … … … … … … … … … … … eingetragen.
Am 24. September 2020 stellte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Er beantragte wörtlich,
„die ohne Rechtsgrundlage in Gang gesetzte Vollstreckung (in Form eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in einer unbekannten Zwangsvollstreckungssache betreffs Beitragsnummer … … … vom … Februar 2019) unverzüglich“ aufzuheben.
Zur Begründung seines Antrags trug der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht ordnungsgemäß unterschrieben sei. Zudem sei die Zustellungskunde nur mit einem Kringel abgezeichnet, der nicht einmal einer Paraphe darstelle. Eine Unterschrift und ein Stempel des Drittschuldners sei nicht angebracht. Die Kostenrechnung des Obergerichtsvollziehers weise keine eigenhändige Unterschrift auf. Weiter sei dem Antragsteller nie ein Ausstandverzeichnis zugestellt worden. Der Antragsteller habe auch keinen der im Ausstandverzeichnis angegebenen Festsetzungsbescheide erhalten, da er sich im europäischen Ausland aufgehalten habe. Zudem seien diese automatisiert erstellt und damit nichtig. Für den Fall des Scheiterns des Eilantrags, kündigte der Antragsteller eine negative Feststellungsklage oder (hilfsweise) eine Vollstreckungsabwehrklage bzw. -gegenklage an.
Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2020 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners und trat dem Antrag entgegen. Eine konkrete Antragstellung erfolgte nicht. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen vorlägen und keiner der zur Post gegebenen Festsetzungsbescheide als unzustellbar zurückgekommen sei.
Der Antragsteller beanstandete die Bevollmächtigung auf Seiten des Antragsgegners und beantragte etwaige Kanzleischreiben als Verzögerung nach § 296 ZPO zurückzuweisen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 5. Oktober 2020 wurden die Beteiligten hinsichtlich der vorgebrachten Zweifel an der Art und Weise der Zwangsvollstreckung zu einer Verweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit angehört. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2020 und 30. Oktober 2020 erklärte der Antragsteller, diesen Sachverhalt nicht weiter verfolgen zu wollen. Das Gericht wies den Antragsteller mit Schreiben vom 30. Oktober 2020 u.a. darauf hin, in welcher Form eine Klage im Hauptsacheverfahren einzureichen sei. Ein Eingang einer Hauptsacheklage erfolgte bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Eilverfahren nicht.
Auf Aufforderung des Gerichts vom 13. Oktober 2020 und 29. Oktober 2020, wobei der Antragsteller die Aufforderung vom 13. Oktober 2020 aufgrund eines gerichtsinternen Versehens erst am 3. November 2020 erhalten hat, erklärte der Antragsteller mit Schreiben vom 30. Oktober 2020, dass das betroffene Konto bereits gekündigt worden war und die Pfändung nicht gelingen konnte.
Aufgrund der nicht erfolgten Zurückweisung des Bevollmächtigten des Antragsgegners und unmittelbaren Sachentscheidung beschwerte sich der Antragssteller mit Schreiben vom 16. Oktober 2020 und 24. Oktober 2020 über die Verfahrensführung. Mutmaßlich sei der Vorsitzende der 6. Kammer hierfür verantwortlich. Auch die Umstände der Aufforderung vom 13. Oktober 2020 seien für den Antragsteller nicht nachvollziehbar, es könne auch sein, dass der Berichterstatter in Wirklichkeit keine Kenntnis der bisherigen Vorgänge gehabt habe und die Akte erst nachträglich auf den Tisch bekommen habe. Auch Manipulationen der Akte wären vorstellbar. Für den Antragsteller erscheine es außerdem denkbar, dass das Verfahren bewusst gezögert worden sei, um eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung erst zu ermöglichen. Es bestehe daher die Besorgnis der Befangenheit des „verantwortlichen Richters (des Berichterstatters oder des Kammervorsitzenden?)“.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
I. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers ist offensichtlich unzulässig.
Ein Ablehnungsgesuch kann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unzulässig verworfen werden oder überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn sich der Befangenheitsantrag als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt. Rechtsmissbräuchlich und daher unbeachtlich ist ein Befangenheitsgesuch dann, wenn die Begründung dieses Gesuchs unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Ablehnung des Richters rechtfertigen kann und mit der Art und Weise seiner Anbringung ein gesetzwidriger und damit das Instrument der Richterablehnung missbrauchender Einsatz dieses Rechts erkennbar wird (vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2017 – 8 PKH 1/17 – juris, Rn. 5; B.v. 14.11.2012 – 2 KSt 1.11 – juris Rn. 2, NVwZ 2013, 225; BayVGH, B.v. 9.2.2017 – 4 M 16.2335 – juris Rn. 2).
Diese Voraussetzungen für eine Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als rechtsmissbräuchlich sind hier gegeben, da in der Begründung des Ablehnungsgesuchs bereits keine konkreten Anhaltspunkte dafür benannt werden, dass der abgelehnte Richter voreingenommen sein könnte. Das Ablehnungsgesuch enthält lediglich als Vermutungen geäußerte Mutmaßungen des Antragstellers zu hypothetischen Verfahrensabläufen und deren möglichen Hintergründen. Das Gesuch bleibt im Bereich der Spekulationen ohne konkrete Tatsachen zu benennen. Der Antragsteller hätte Zweifel am Verfahrensablauf und der Verfahrensführung des Gerichtes ohne weiteres durch Einsichtnahme in die Gerichtsakte beseitigen können, worauf der Antragsteller vom Gericht explizit hingewiesen wurde. Auch eine Zurückweisung des Bevollmächtigten des Antragsgegners (§ 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO) war nicht vorzunehmen.
Es ist nicht mit der Funktion des Ablehnungsgesuchs vereinbar, dieses einzusetzen, um Druck auf die zur Entscheidung berufenen Richter dahin auszuüben, dass sie in dem vom Antragsteller gewünschten Sinne verfahren. Der Prozessgegner darf nicht der Willkür des Antragstellers ausgesetzt sein und hat ebenfalls Anspruch auf Einhaltung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (OLG Stuttgart, B.v. 9.4.2013 – 13 U 195/12 – juris Rn. 5 jeweils m.w.N.).
Das Ablehnungsgesuch ist zudem auch deshalb offensichtlich unzulässig, weil es die abgelehnten Richter nicht zweifelsfrei bezeichnet und sich nicht mit hinreichender Bestimmtheit ergibt, welcher Richter abgelehnt werden soll (BayVGH, B.v. 12.9.2011 – 8 CE 11.1916 – juris Rn. 2). Der Antrag enthält lediglich Vermutungen zu möglichen Verfahrensabläufen und lässt dabei offen, ob sich das Ablehnungsgesuch nun gegen den Berichterstatter oder den Vorsitzenden oder auch beide richten soll. Die Formulierungen reichen zur Individualisierung des/der abgelehnten Richter nicht aus. Auch aus diesem Grund stellt sich die Ablehnung zugleich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts dar (BayVGH, B.v. 12.9.2011 – 8 CE 11.1916 – juris Rn. 2).
Aufgrund der offensichtlichen Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs konnte die Kammer abweichend von § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 ZPO in der Besetzung mit dem abgelehnten Richter entscheiden (BayVGH, B.v. 12.9.2011 – 8 CE 11.1916 – juris Rn. 5 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 7.10.1987 – 9 CB 20/87 – juris Rn. 3). Aus diesem Grund bedurfte es auch keiner vorherigen Einholung von dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO (BayVGH, B.v. 12.9.2011 – 8 CE 11.1916 – juris Rn. 5 m.w.N.).
II.
Der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz bleibt ohne Erfolg.
Im vorliegenden Verfahren der Vollstreckung eines Leistungsbescheids auf Grundlage von Art. 26, 27 VwZVG ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, soweit sich der Betroffene gegen die Vollstreckbarkeit des Titels wendet, mithin Einwendungen geltend macht, die das „Ob“ der Vollstreckung betreffen. Für Einwendungen gegen die Art und Weise der Vollstreckung, das „Wie“ der Vollstreckung, sind gemäß Art. 26 Abs. 7 Satz 2 VwZVG die Zivilgerichte zuständig (Käß in Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand November 2019, Art. 21 Rn. 51; BayVGH, B.v. 3.2.2012 – 6 C 12.221 – juris Rn. 4 ff.). Im vorliegenden Fall macht der Antragsteller nach entsprechender Klarstellung (nur noch) Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch als solchen geltend bzw. Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit des Titels. Er begehrt die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung mittels Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und wendet sich damit gegen das „Ob“ der Vollstreckung, sodass eine verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit besteht.
Der Antrag ist jedoch unzulässig.
1. Dem Antrag fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag nach § 123 VwGO ist darauf gerichtet, die Zwangsvollstreckung einstweilig unzulässig zu erklären. Abgesehen davon, dass der Antragsteller eine Hauptsacheklage noch nicht erhoben hat, könnte eine solche derzeit auch nicht zulässig erhoben werden. Entgegen dem Hinweis des Gerichts hat der Antragsteller mehrfach geäußert (im Falle des Unterliegens) eine negative Feststellungsklage erheben zu wollen und dass sich damit der Hinweis auf einen Aussetzungsantrag für ihn erübrigt habe.
Über Einwendungen gegen die Vollstreckung entscheidet nach Art. 21 Satz 1 VwZVG die Anordnungsbehörde, d.h. die Behörde, die den zu vollstreckenden Verwaltungsakt erlassen hat (Art. 20 Nr. 1 VwZVG). Aus dieser Regelung folgt, dass sich der Vollstreckungsschuldner zunächst an die Anordnungsbehörde zu wenden hat. Diese erklärt entweder die Vollstreckung für unzulässig oder weist die Einwendungen gegen die Vollstreckung mit anfechtbarem Verwaltungsakt zurück (VG München, Urteil vom 29. Februar 2000 – M 5 V 99.5028 -, juris). In der Hauptsache wäre damit eine Verpflichtungsklage zu erheben mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären (Art. 21, Art. 22 VwZVG). Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Verpflichtungsklage besteht aber nur dann, wenn der Betroffene vorher einen entsprechenden Antrag bei der Anordnungsbehörde gestellt hat (Käß in Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand November 2019, Art. 21 Rn. 56). Ein solcher wurde nicht gestellt. Auch der vorgelegten Behördensakte kann nicht entnommen werden, dass der Antragsteller bei der Anordnungsbehörde die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung beantragt hat.
Ein solcher war auch bei der vorliegenden Vollstreckung mittels Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht entbehrlich. Gerade wenn man den Vortrag des Antragstellers, er habe keine der maßgeblichen Schriftstücke erhalten, sondern erst den Pfändungszu Überweisungsbeschluss vom 3. September 2020, als wahr unterstellt, ist es nicht gerechtfertigt, dass sich der Antragsteller ohne vorherige Befassung des Antragsgegners sofort an das Gericht gewandt hat. Denn gerade in einem solchen Fall liegt es auf der Hand und entspricht dem Sinn und Zweck des Art. 21 VwZVG, sich zunächst bei der Behörde zu melden, um die vom Antragsteller vorgetragenen Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung zu erheben und einen entsprechenden Antrag zu stellen. Auch zeitlich wäre dies im vorliegenden Fall ohne weiteres für den Antragsteller zumutbar gewesen, da ein Konto beim Drittschuldner nicht mehr existiert und die streitgegenständliche Zwangsvollstreckung dahingehend ohnehin fehlgeschlagen ist (dazu sogleich 2.). Ein weiterer Vollstreckungsversuch des Antragsgegners ist nicht erkennbar. Einer (noch zu erhebenden) Verpflichtungsklage fehlt derzeit daher das Rechtsschutzbedürfnis ebenso wie dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO ist daher bereits unzulässig.
2. Der Antrag ist aber auch deshalb unzulässig, da die für unzulässig zu erklärende Zwangsvollstreckung ohnehin bereits fehlgeschlagen ist. Wie der Antragsteller erst mit Schreiben vom 30. Oktober 2020 ausführte, konnte die Zwangsvollstreckung nicht gelingen, da das Konto-Vertragsverhältnis bereits zuvor von der Bank gekündigt wurde. In der Antragsschrift führte der Antragsteller noch aus, dass „davon auszugehen“ sei, dass „bei einem Scheitern es der BR andernorts“ versuchen werde. Gleichwohl wurde begehrt, die gegenständlich beschrittene Form der Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Der Antragsteller konnte damit gerichtlich keine Verbesserung seiner Rechtsstellung erreichen, sodass auch insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Eine Erweiterung oder Umstellung des Antrags kam insoweit nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 8.4.2019 – 10 CE 19.444).
3. Auf die Frage der fehlenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes mittels geeigneter Nachweise, die darlegen, dass der Antragsteller tatsächlich durch eine Vollstreckung nicht mehr in der Lage wäre, essenzielle Zahlungen zu leisten und, dass keine Begleichung des beizutreibenden Betrages von 727,25 € (keine Höhe, die eine wirtschaftliche Überforderung des Antragstellers nahe liegend erscheinen lässt, zumal auch kein Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt wurde) zur Vermeidung von Nachteilen infrage kommt, die im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache zu einem Erstattungsanspruch nach Art. 28 VwZVG führt, braucht daher nicht eingegangen werden.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war insgesamt abzulehnen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes – GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.7.1 Satz 1 Halbsatz 2, Nr. 1.5 Satz 2).