Aktenzeichen 7 K 3241/15
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet. Gegen die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 vom 27. September 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2015 bestehen keine Bedenken.
1. Das Finanzamt durfte die Einkommensteuerbescheide vom 28. Juli 2006 (2004) und vom 29. Juni 2007 (2005) gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) ändern. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.
Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – vgl. BFH-Urteil vom 8. Juli 2015 VI R 51/14, BStBl II 2017, 13 m.w.N.). Nicht unter den Tatsachenbegriff fallen dagegen Schlussfolgerungen aller Art, rechtliche Würdigungen und Bewertungen, Rechtsansichten und juristische Subsumtionen, bei denen auf Grund von Tatsachen anhand gesetzlicher Vorschriften ein bestimmter Schluss gezogen wird (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BStBl II 2011, 543). Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist. Grundsätzlich kommt es dabei auf den Wissensstand der zur Bearbeitung des Steuerfalls berufenen Dienststelle an, wobei aktenkundige Tatsachen stets als bekannt gelten (BFH-Urteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BStBl II 2013, 5, m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen konnten die Einkommensteuerbescheide 2007 vom 28. Juli 2006 (2004) und vom 29. Juni 2007 (2005) nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden, da dem Finanzamt bei Erlass dieser Steuerbescheide die für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen nicht bekannt waren. Tatsachen sind in diesem Zusammenhang die von den Klägern tatsächlich mit Spargel bebauten Anbauflächen, die maßgebend für die Ermittlung der Einkünfte waren.
2.1. Nach § 162 Abs. 1 AO durfte das Finanzamt – der Schätzung der Kläger folgend – die Gewinne aus dem Spargelanbau für die Streitjahre 2004 und 2005 grundsätzlich im Schätzungswege feststellen, da es die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen konnte. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stellt für die Veranlagungsstelle des Finanzamts die Schätzung nach Richtsätzen, die bei einer Vielzahl buchführender Vergleichsbetriebe ermittelt werden, in der Regel die brauchbarste Methode, den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in einer Höhe schätzen, die dem wirklichen Gewinn möglichst nahe kommt (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 8. November 1984 IV R 33/82, Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, 21. Aufl. 2006, 278. Lieferung 03.2017, Vorbemerkungen zu §§ 4-7, Rz. 12). Das gilt auch für die Richtsätze der damaligen Oberfinanzdirektion München (nunmehr Landesamt für Finanzen), die von den durchschnittlichen Hektarerträgen der Vergleichsbetriebe ausgehen. Nach diesen Grundsätzen ist die vom Finanzamt durchgeführte Schätzung nicht zu beanstanden. Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Schätzung nach Richtsätzen auch für nichtbuchführende Landwirte die Schätzungsmethode darstellt, die dem tatsächlichen Gewinn am nächsten kommt.
2.2. Im Zeitpunkt des Erlasses der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 war dem Finanzamt anhand der Angaben der Kläger entsprechend der abgegebenen Gewinnermittlungen nicht bekannt, dass für den Spargelanbau im Jahr 2004 eine Gesamtfläche von 3,21 ha, im Jahr 2005 eine Gesamtfläche von 3,96 ha und im Jahr 2006 eine Gesamtfläche von 3,47 ha genutzt worden ist und der landwirtschaftliche Gewinn für die Wirtschaftsjahre 2004/2005 und 2005/2006 auf dieser Grundlage zu berechnen ist. Erst im Rahmen der Betriebsprüfung wurden die tatsächlichen Flächen für den Spargelanbau anhand des Abgleichs mit den beim Amt für Landwirtschaft angegebenen Flächen für die Streitjahre festgestellt.
3. Die Kläger können nicht mit Erfolg einwenden, dass von den bewirtschafteten Spargelflächen in den Gewinnermittlungen für die Wirtschaftsjahre 2004/2005 bzw. 2005/2006 jeweils 0,47 ha Wendeflächen abzuziehen seien und dieser Umstand dem zuständigen Bearbeiter im Finanzamt bereits in einem Telefonat im Jahr 2003 mitgeteilt worden sei, so dass insoweit keine neue Tatsache vorliege. Für diesen Vortrag gibt es in den dem Finanzgericht vorliegenden Finanzamtsakten keinen Hinweis, insbesondere wurde ein Abzug von Wendeflächen weder von den Klägern in ihren Gewinnermittlungen 2004 und 2005 ausgewiesen noch finden sich entsprechende Hinweise darauf in den vom Landwirtschaftsamt im Rechtsbehelfsverfahren vorgelegten Unterlagen, die von den Klägern in den Jahren 2004 bis 2006 dort eingereicht worden sind.
Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Auffassung des Finanzamts, nach der ein Abzug für Wendeflächen bei der Ermittlung des Gewinns nicht in Betracht kommt, da ein sich dadurch gegebenenfalls verminderter Ertrag beim Spargelanbau bereits in den Schätzbetrag eingearbeitet worden und damit abgegolten ist. Es liegt in der Natur jeder Schätzung, dass sie nur eine Annäherung an die tatsächlichen Werte bieten kann, Schätzungsunschärfen nicht zu vermeiden sind und die Berücksichtigung unterschiedlicher Schätzungsfaktoren naturgemäß zu anderen Ergebnissen führen.
4. Das Finanzamt durfte bei seiner Schätzung für das Wirtschaftsjahr 2004/2005 auch den sogenannten „L-Acker“ berücksichtigen. Von der Tatsache, dass auch diese Fläche im Wirtschaftsjahr 2004/2005 bewirtschaftet worden ist, hat das Finanzamt ebenfalls erst im Rahmen der Betriebsprüfung Kenntnis erhalten. Die Kläger können nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft darlegen, dass die Fläche von 0,79 ha im Wirtschaftsjahr 2004/2005 aus der Bewirtschaftung genommen worden ist. Insbesondere lässt sich der Vortrag der Kläger nicht durch die im Klageverfahren eingereichte Versicherung an Eides Statt vom 25. Januar 2016 bestätigen, da die Klägerin insoweit nur angibt, den Flächen- und Nutzungsnachweis mit dem handschriftlichen Vermerk an das Landwirtschaftsamt gefaxt zu haben, nicht jedoch, dass sie die Änderung der Anbauflächen bereits im Jahr 2005 mitgeteilt hat. Auch anhand der Unterlagen des Landwirtschaftsamts ergibt sich nicht, dass der „L-Acker“ im Jahr 2005 nicht bewirtschaftet worden ist. Auf dem beim Landwirtschaftsamt am 12. April 2006 eingegangenen FNN für das Jahr 2005 war für das Erntejahr 2005 eine Gesamtfläche von 3,96 ha für den Spargelanbau angegeben worden. Auf dem FNN war unter dem „Feldstück: 3 L-Acker“ eine Gesamtfläche von 0,79 ha und „Spargel“ vermerkt, der handschriftliche Vermerk „aus der Erzeugung genommen“, der auf dem FNN 2005 angebracht worden ist, der mit Schreiben des steuerlichen Vertreters vom 29. April 2013 eingereicht worden ist, war auf den Originalunterlagen des Landwirtschaftsamts nicht vorhanden. Darüber hinaus hat das Landwirtschaftsamt auch mitgeteilt, dass eine Änderung der Anbauflächen nicht erfolgt sei. Das Gericht sieht keinen Anlass, an den Angaben des Landwirtschaftsamts zu zweifeln.
Soweit die Kläger vortragen, dass aus der aus dem Jahr 2005 stammenden Luftbildaufnahme klar ersichtlich sei, dass im Jahr 2005 auf dem „L-Acker“ kein Spargel angebaut worden sei, ist ihnen entgegenzuhalten, dass nach Auskunft des Landwirtschaftsamtes vom 15. Dezember 2014 der auf der Luftbildaufnahme dargestellte „L-Acker“ mit der FID DEBYLI … nicht identisch mit dem im FNN 2005 bezeichneten Flurstück „L-Acker“ ist, für das die Kläger beim Landwirtschaftsamt den Spargelanbau beantragt haben. Das Gericht zweifelt nicht an den Angaben des Landwirtschaftsamtes, das anhand der Lage und Größe und der jeweiligen Flächenidentifikationsnummer eine eindeutige Unterscheidung vorgenommen hat.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.