Steuerrecht

Schätzung der Einkünfte

Aktenzeichen  2 K 154/16

Datum:
21.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150423
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 1 S. 1, § 13a Abs. 1 S. 2
FGO § 105 Abs. 5, § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb und erzielte im Streitjahr 2011 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.
Bis zum Wirtschaftsjahr 2003/2004 wurde der Gewinn des Klägers nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Der Betrieb des Klägers erstreckt(e) sich auf eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von über 50,5210 Hektar.
Mit an beide Kläger adressiertem (und nicht angefochtenem) Bescheid vom 5. Januar 2004 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass für deren landwirtschaftlichen Betrieb mit einer selbstbewirtschafteten Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung ohne Sonderkulturen von über 20 Hektar ab 1. Juli 2004 die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen i.S.d. § 13a Abs. 3 bis 6 EStG wegfalle und die Kläger ab dem 1. Juli 2004 verpflichtet seien entweder Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen oder als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben anzusetzen, wobei entsprechende Aufzeichnungen zu führen seien (vgl. Dauerunterlagen, Bl. 2). Der Bescheid wurde von den Klägern nicht angefochten.
Ab dem Wirtschaftsjahr 2005/2006 schätzte der Beklagte die Gewinne des Klägers nach § 162 der Abgabenordnung (AO) auf der Grundlage der amtlichen Richtsätze, da keine Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 3 EStG eingereicht wurden.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2011 wies der Beklagte nunmehr die Prozessbevollmächtigte der Kläger auf die Abgabepflicht einer Gewinnermittlung für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in … in … spätestens ab 1. Juli 2011 hin (vgl. Dauerunterlagen, Bl. 6).
Im Schreiben vom 4. November 2011 vertraten die Kläger die Auffassung, dass der Gewinn des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft weiterhin nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG zu ermitteln sei. Denn die Mitteilung des Beklagten vom 5. Januar 2004 über den Wegfall der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen sei an die Kläger gerichtet worden. Betriebsinhaber des landwirtschaftlichen Betriebs sei jedoch allein der Kläger; ihm seien die Einkünfte aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ausschließlich zuzurechnen. Der Inhalt des Bescheids sei deshalb nicht hinreichend bestimmt, der Verwaltungsakt also inhaltlich unbestimmt und damit nichtig.
Im Juni 2013 reichten die Kläger die Einkommensteuererklärung für 2011 beim Beklagten ein. In der Anlage L machte der Kläger die für die Gewinnermittlung nach § 13a EStG notwendigen Angaben.
Daraufhin forderte der Beklagte die Kläger erneut auf, entsprechend dem Schreiben des Beklagten vom 4. Februar 2011 zur Einkommensteuererklärung 2011 eine Gewinnermittlung einzureichen.
Die Kläger teilten dem Beklagten mit, dass sie durch den Fachschulbesuch ihres Sohnes im Jahr 2011 ein überaus intensives Jahresarbeitspensum zu bewältigen gehabt hätten. Daher seien nur unzureichende Buchführungsunterlagen als Grundlage für eine ordentliche Buchführung vorhanden. Mit einer Schätzung wie bereits in den Vorjahren bestehe jedoch Einverständnis.
Der Beklagte wies die Kläger im Schreiben vom 18. September 2013 nochmals darauf hin, dass die Kläger von Gesetzes wegen zur Einreichung einer Gewinnermittlung verpflichtet seien. Eine Schätzung entbinde die Kläger nicht von der Einreichung einer Gewinnermittlung.
Im Bescheid vom 25. November 2013 schätzte der Beklagte abweichend von der Einkommensteuererklärung der Kläger die Besteuerungsgrundlagen für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auf der Grundlage der amtlichen Richtsätze, ermittelte einen Gewinn in Höhe von 68.786 € und setzte die Einkommensteuer der Kläger für 2011 auf 10.827 € fest (vgl. Rb-Akte, Bl. 1 ff.).
Den dagegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015 als unbegründet zurück. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft sei gemäß § 162 AO nach den amtlichen Richtsätzen zutreffend geschätzt worden, da die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nicht erfüllt seien und der Kläger eine Gewinnermittlung nicht eingereicht habe. Die Mitteilung über die Änderung der Gewinnermittlungsart sei ein Verwaltungsakt. Die Mitteilung vom 5. Januar 2004 sei zwar insoweit fehlerhaft, weil sie gegenüber beiden Klägern und nicht allein gegenüber dem Kläger als Betriebsinhaber ergangen sei, sie sei aber nicht nichtig. Trotz der fehlerhaften Adressierung sei unter Würdigung aller Umstände ersichtlich gewesen, dass sich diese Mitteilung an den Betriebsinhaber des landwirtschaftlichen Betriebs … in … gerichtet habe und sich auf eben diesen Betrieb bezogen habe. Den Klägern sei bekannt gewesen, dass nur der Kläger Betriebsinhaber gewesen sei. Eine Verwechslung sei daher ausgeschlossen gewesen. Der Kläger habe als alleiniger Adressat die Mitteilung auch tatsächlich erhalten. Gegenüber der Klägerin sei die Mitteilung unwirksam, da sie keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt habe.
Dagegen richtet sich die Klage der Kläger. Im Wesentlichen tragen die Kläger zur Begründung erneut Folgendes vor: Der Kläger habe den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG ermitteln können, da eine an den Kläger als Inhaltsadressat gerichtete Mitteilung im Sinne von § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG nicht vorliege. Die Mitteilung des Beklagten vom 5. Januar 2004 habe sich an die Kläger als Bekanntgabe- und Inhaltsadressat gerichtet. Die Wegfallmitteilung könne den Betrieb des Klägers nicht erfasst haben, da Inhaltsadressat die Ehegattengemeinschaft gewesen sei. Zu keinem Zeitpunkt sei jedoch die Ehegattengemeinschaft als Betriebsinhaber aufgetreten. Vielmehr sei der Kläger alleiniger Betriebsinhaber und habe dementsprechend seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt. Die Nennung beider Kläger als Bekanntgabe- und Inhaltsadressat sei weder auslegungsbedürftig noch auslegungsfähig. Eine Auslegung dahingehend, dass von der Wegfallmitteilung der Betrieb des Klägers erfasst sei, scheide aus.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2011 vom 25. November 2013 und der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015 die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft des Klägers nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG erklärungsgemäß in Höhe von 18.020 € zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 2011 auf 0 € festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Der Beklagte hat zu Recht die Einkünfte des Klägers nach § 13 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung schätzen können.
a) Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Gewinn für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen zu ermitteln, wenn der Steuerpflichtige nicht buchführungspflichtig ist, die selbstbewirtschaftete Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung nicht 20 Hektar überschreitet und seine Tierbestände insgesamt 50 Vieheinheiten nicht übersteigen (§ 13a Abs. 1 Nr. 3 EStG) sowie der Wert der selbstbewirtschafteten Sondernutzungen nicht mehr als 2.000 Deutsche Mark je Sondernutzung beträgt (§ 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG).
Eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen kommt beim Kläger bereits seit dem Wirtschaftsjahr 2003/2004 und folglich auch im Streitjahr nicht mehr in Betracht, weil er eine landwirtschaftliche Fläche von über 50 Hektar selbst bewirtschaftet hat.
b) Allein das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG führt jedoch noch nicht dazu, dass die Gewinnermittlung nicht mehr nach Durchschnittssätzen vorzunehmen ist.
Denn liegen die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht (mehr) vor, ist der Steuerpflichtige von der Finanzbehörde darauf hinzuweisen (§ 13a Abs. 1 Satz 2 EStG), dass er seinen Gewinn auf andere Weise zu ermitteln hat, nämlich durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG oder durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG auf Grund freiwilliger Buchführung oder auf Grund Buchführungspflicht gemäß § 141 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 AO.
Erst diese Mitteilung schließt als rechtsgestaltender Verwaltungsakt konstitutiv die Möglichkeit der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen für die der Bekanntgabe der Mitteilung nachfolgenden Wirtschaftsjahre aus (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 2007 IV R 14/05, BStBl II 2007, 816, unter II.1.b).
Kommt danach eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nicht mehr in Betracht, führt der Steuerpflichtige aber weder die nach § 4 Abs. 3 EStG erforderlichen Aufzeichnungen noch Bücher, so ist die Finanzbehörde zur Schätzung gemäß § 162 AO befugt (ständige Rspr., z. B. BFH-Urteil vom 30. Oktober 2014 IV R 61/11, BStBl II 2015, 478, m.w.N.).
Im Streitfall ist der Kläger vom Beklagten auf den Wegfall der Voraussetzungen der Durchschnittsbesteuerung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG mit Bescheid vom 5. Januar 2004 hingewiesen worden ist.
c) Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Wegfallmitteilung vom 5. Januar 2004 nicht nichtig.
aa) Gemäß § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist.
Gemäß § 119 Abs. 1 AO muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein.
Ein Verwaltungsakt leidet an einem schweren und offenkundigen Mangel und ist deshalb gemäß § 125 Abs. 1 AO i.V.m. § 119 AO nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsaktes ist daher die Angabe des Inhaltsadressaten, d.h. desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 2005 IV R 55/04, BStBl II 2006, 404, unter I.1.). Dabei reicht es jedoch aus, wenn der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 2005 III R 8/03, BStBl II 2006, 287, unter II.1.b, und vom 15. April 2010 IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606, unter II.3.c aa).
bb) Im Streitfall handelt es sich inhaltlich um zwei Verwaltungsakte, einmal um die Mitteilung an den Kläger und einmal um die Mitteilung an die Klägerin.
Der Kläger ist mit Vor- und Zuname in der Mitteilung ausdrücklich als Inhaltsadressat benannt worden. Der Umstand, dass die Mitteilung auch an die Klägerin als Inhaltsadressatin gerichtet ist, führt dazu, dass hierin ein weiterer Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin ergangen ist. Denn jede inhaltliche Bezeichnung ist getrennt zu betrachten.
Für den Kläger als Betroffenen ist aus Empfängersicht daher ohne weiteres erkennbar gewesen, dass der Beklagte von ihm als Betriebsinhaber des genannten landwirtschaftlichen Betriebs die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 4 Abs. 3 EStG verlangt hat und daher der Bescheid an ihn gerichtet ist.
Nichts anderes ergibt die Auslegung der Wegfallmitteilung. Es finden sich aus Empfängersicht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mitteilung an eine nichtexistierende Ehegattengemeinschaft gerichtet gewesen ist. Eine derartige Bezeichnung „Ehegattengemeinschaft“ oder vergleichbare Bezeichnung lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen. Vielmehr richtet sich der Bescheid bzw. richten sich die Bescheide an zwei Personen „Herrn und Frau“, die verheiratet sind. Dementsprechend haben die Kläger gegen die Mitteilung auch keinen Einspruch eingelegt.
Im Gegensatz zu der an den Kläger gerichteten Mitteilung ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin allerdings mangels Betriebsinhaberschaft unwirksam. Hat ein Bescheid mehrere Inhaltsadressaten kann er ohne weiteres gegenüber einzelnen Adressaten wirksam sein, gegenüber anderen nicht (vgl. Güroff in Beermann/Gosch, AO, § 119 Rz 6.2 m.w.N.).
d) Unabhängig davon ist der Kläger vom Beklagten mit Schreiben vom 4. Februar 2011 (nochmals) aufgefordert worden, eine Gewinnermittlung für seinen landwirtschaftlichen Betrieb spätestens ab dem 1. Juli 2011 einzureichen.
e) Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die zutreffende Begründung der Einspruchsentscheidung verwiesen (vgl. § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
f) Die Besteuerungsgrundlagen für die Ermittlung der land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte des Klägers sind gemäß § 162 Abs. 1 und Abs. 2 AO im Streitfall zu schätzen gewesen, da für das Streitjahr keine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 3 EStG für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb beim Beklagten eingereicht worden ist. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Schätzung sind weder von den Klägern vorgetragen worden noch ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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