Steuerrecht

Schuldhafte Fristversäumung bei Wiedereinsetzungsantrag

Aktenzeichen  Au 5 K 16.894

Datum:
8.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO GewO § 35 Abs. 1
VwGO VwGO § 60 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, S. 3, § 74 Abs. 1

 

Leitsatz

Auch die fahrlässige Versäumung einer Frist schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Ist eine Person zugleich Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, ist es als fahrlässiges Verhalten zu werten, wenn diese Person einen Bescheid, der an sie persönlich adressiert ist, nicht so aufmerksam liest, dass ihr anhand der Tenorierung, der Begründung und der separaten Zustellung nicht auffällt, dass es sich um einen eigenständigen Verwaltungsakt handelt, der diese Person neben der GmbH betrifft, gegen die sich ein anderer Bescheid in der gleichen Sache richtet. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage stellt sich bereits als unzulässig dar.
1. Der Kläger hat die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO von einem Monat nach Bekanntgabe bzw. Zustellung des Verwaltungsakts nicht eingehalten. Der Bescheid des Beklagten vom 7. April 2016 war mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung:versehen, die den Kläger auf die Möglichkeit der Erhebung der Klage beim Verwaltungsgericht Augsburg als statthaften Rechtsbehelf hinwies. Dieser Bescheid ist dem Kläger ausweislich der vorgelegten Behördenakten mittels Postzustellungsurkunde am Freitag, dem 8. April 2016 zugestellt worden. Damit war Fristende gemäß § 57 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am 8. Mai 2016. Da es sich dabei um einen Sonntag handelt, verschiebt sich das Fristende gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. 222 Abs. 2 ZPO auf den nächsten Werktag. Die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist damit am 9. Mai 2016 um 0 Uhr abgelaufen. Die Klageerhebung am 17. Juni 2016 erfolgte nicht mehr innerhalb der Klagefrist.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz VwGO ist der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die versäumte Handlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Bei Nachholung der Handlung kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO).
Der Kläger hat die versäumte Handlung – hier die Klageerhebung – zwar nachgeholt, es ist jedoch kein Grund für eine Wiedereinsetzung gegeben. Dem Kläger ist ein Verschulden bei der Nichteinhaltung der Frist anzulasten.
Für das Verschulden bezüglich der Fristwahrung kommt es darauf an, ob der Beteiligte diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalles auch zumutbar war (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 60 Rn. 9). Auch Fahrlässigkeit schließt eine Wiedereinsetzung aus.
Nach diesen Maßstäben liegt ein Verschulden des Klägers vor. Auf ein etwaiges Verschulden der Mitarbeiterin des Klägers ist hierbei nicht einzugehen, da der Kläger nach eigenem Vortrag zumindest im Zeitraum seiner Anwesenheit vom 18. April 2016 bis 6. Mai 2016 die Möglichkeit der Kenntnisnahme beider Schreiben hatte. Dass er die Relevanz des an ihn persönlich gerichteten Schreibens falsch einschätzte, muss nach Auffassung der Kammer als fahrlässig gewertet werden. Auch ein juristischer Laie muss nach den rechtlichen Fahrlässigkeitsmaßstäben die im Rechtsverkehr übliche Sorgfalt aufwenden, einen an ihn adressierten Bescheid zu beachten und aufmerksam zu lesen. Beide Bescheide wurden in separaten Umschlägen, jeweils mit einer eigenen Postzustellungsurkunde zugestellt. Weiterhin unterscheiden sich die Bescheide nicht nur hinsichtlich der Adressierung und des Aktenzeichens, vielmehr muss einem aufmerksamen Leser die unterschiedliche Tenorierung, insbesondere in Ziffer 2 der Bescheide auffallen. Bereits aus dem jeweiligen Tenor der Bescheide sind die inhaltlich unterschiedlichen Verfügungen ersichtlich. Diesbezüglich sind keinerlei rechtliche Kenntnisse erforderlich. Schon rein optisch ist anhand Ziffer 2 der Bescheide ein Unterschied deutlich erkennbar, so dass nicht von einer zweifachen Ausfertigung ausgegangen werden kann. In der Begründung des an die … GmbH gerichteten Bescheides wird zudem auf die eigenen Steuerschulden und die Straftat des Geschäftsführers Bezug genommen. Die Begründung der Bescheide unterscheidet sich insgesamt und durchgängig an vielen Stellen und nicht nur hinsichtlich der Bezeichnung des jeweiligen Adressaten. Weiterhin ergibt sich das ersichtliche Vorliegen zweier Untersagungsverfahren schon hinsichtlich der bereits vor Bescheidserlass erfolgten Anhörungsschreiben, die für jedes Verfahren separat, sowohl an den Kläger selbst als auch an die GmbH gerichtet, ergingen. Damit war den Kläger bereits vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids deutlich erkennbar, dass zwei Gewerbeuntersagungsverfahren nebeneinander betrieben werden, von denen eines ihn persönlich betrifft. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Kläger entgegen des Vortrags seines Bevollmächtigten nicht um einen gänzlich unerfahrenen Bürger, sondern um einen international tätigen Gewerbetreibenden handelt, der den Umgang mit rechtlich relevanten Schriftstücken gewohnt ist.
c) Damit kann offen bleiben, ob die Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses eingehalten wurde.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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