Aktenzeichen M 11 S 20.148 und M 11 S 20.354
BayBO Art. 6 Abs. 2 S. 3 Hs. 1, Abs. 9 S. 1 Nr. 1, S. 2, Art. 75 Abs. 1 S. 1
VwZVG Art. 31
Leitsatz
1. Die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 BayBO setzt voraus, dass die Möglichkeit der Überbauung auf dem Nachbargrundstück mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Dauer ausgeschlossen sein muss. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist in dem Sinne intendiert, dass ein öffentliches Interesse daran besteht, die Fortführung unzulässiger Bauarbeiten zu verhindern, sofern nicht besondere Gründe vorliegen, die eine andere Entscheidung als die Baueinstellung rechtfertigen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wer mit der Bauaufsichtsbehörde Verhandlungen über ein Bauvorhaben führt, ohne wenigstens konkludent zum Ausdruck zu bringen, dass er selbst nicht Bauherr sei, muss sich im Hinblick auf die Störerhaftung als Bauherr behandeln lassen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Verfahren M 11 S 20.148 und M 11 S 20.354 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. M 11 S 20.354
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Der Antragsteller hat die Kosten der Verfahren zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 8.750,– Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 wandte sich der Antragsgegner an die … GbR und teilte mit, dass anlässlich einer Baukontrolle festgestellt worden sei, dass sie auf dem Grundstück Flurnummer … Gemarkung … ein Nebengebäude errichte, mit dem die gemäß Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO zulässige Grenzwandlänge überschritten werde. Die Herstellung rechtmäßiger Zustände könne durch entsprechenden teilweisen Rückbau oder durch entsprechende Abstandsflächenübernahmen der Eigentümer aller umliegenden Nachbargrundstücke erfolgen. Die … GbR wurde aufgefordert, bis spätestens zum 5. Juli 2019 mitzuteilen, in welcher Form sie rechtmäßige Zustände herstellen wolle. Sollte eine entsprechende Mitteilung nicht fristgerecht abgegeben werden, sei der Erlass einer zwangsgeldbewehrten Anordnung beabsichtigt.
Mit Schreiben vom … Juli 2019 teilte der Architekt des Antragstellers dem Antragsgegner unter Bezugnahme auf das Schreiben des Antragsgegners vom 27. Juni 2019 mit, der Antragsteller habe ihn vor dem Bau „seines“ Gartenhauses um Auskunft über die Zulässigkeit „seines“ verfahrensfreien kleinen Bauvorhabens gebeten. Der Architekt habe bestimmte Absätze in Art. 6 BayBO so interpretiert, dass „sein“ Bau ohne Einhaltung eines Grenzabstandes zulässig sei.
Am 21. Oktober 2019 fertigte ein Mitarbeiter des Antragsgegners einen handschriftlichen Vermerk. Darin ist unter anderem festgehalten, dass der Antragsteller wegen des Nebengebäudes vorgesprochen habe. Dem Antragsteller sei erklärt worden, dass die zulässige Grenzwandlänge auf dem Grundstück überschritten werde und deshalb die Abstandsflächen nicht eingehalten seien. Der Antragsteller habe erklärt, dass er nicht verstehe, dass der Antragsgegner bei ihm immer mit zweierlei Maßen messe. Dem Antragsteller sei ferner mitgeteilt worden, dass der Baukontrolleur das Gebäude in den nächsten Tagen vermessen werde, womit sich der Antragsteller einverstanden erklärt habe.
Am 23. Oktober 2019 fand eine weitere Baukontrolle statt, bei der auch weitere Lichtbilder angefertigt wurden. Die Nebengebäude wurden vermessen. Danach befindet sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück an der südwestlichen Grundstücksgrenze ein grenzständiges Nebengebäude mit einer Länge von 3,60 m. In geringem Abstand – wohl weniger als 2 m – zur nordöstlichen Grundstücksgrenze ist ein 7 m langes Gebäude situiert. Das streitgegenständliche, im Bau befindliche Gebäude befindet sich in geringem Abstand zur östlichen Grundstücksecke und ist nach den Eintragungen im Lageplan 7,50 m lang und 3,30 m breit.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2019, der an den Antragsteller gerichtet ist, verfügte der Antragsgegner, dass sämtliche Arbeiten an dem in der östlichen Grundstücksecke des Grundstücks Flurnummer … der Gemarkung … ohne bauaufsichtliche Genehmigung errichteten Nebengebäude sofort einzustellen seien (Nummer 1). Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Nummer 2) und für den Fall der Nichtbeachtung von Nummer 1 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,– EUR angedroht (Nummer 3).
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich die Anordnung in Nummer 1 des Bescheids auf Art. 75 Abs. 1 BayBO stütze. Das Gebäude weise eine Länge von ca. 7,50 m, eine Breite von ca. 3,50 m sowie eine Höhe von ca. 3,15 m an der nordöstlichen Grundstücksgrenze auf. Das Gebäude sei an der Längsseite mit einem Abstand von 0,50 m an die Grundstücksgrenze und an der Breitseite mit einem Abstand von ca. 1,4 m an die Grundstücksgrenze gebaut. Die nordöstliche GrundstücksgrenM 11 S 20.354 ze zum Grundstück Flurnummer 1748/3 weise eine Länge von mehr als 42 m auf und sei bereits mit einer Garage mit einer Länge von 7 m bebaut. Weder die maximal zulässige Höhe noch die maximal zulässigen Grenzwandlängen würden eingehalten. Die Baueinstellung sei gegenüber dem Bauherrn und Eigentümer des Baugrundstücks als Handlungsstörer im Sinne von Art. 9 Abs. 1 LStVG zu erlassen. Der Erlass der Baueinstellung sei verhältnismäßig. Das zur Verfügung stehende Ermessen sei pflichtgemäß ausgeübt worden. Der Bauherr habe das Nebengebäude auf dem Grundstück entgegen Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO errichtet. Der sofortige Vollzug der Maßnahme sei gemäß § 80 Abs. 2 Nummer 4 VwGO im öffentlichen Interesse und mit der Begründung, eine geordnete städtebauliche Entwicklung aufrechtzuerhalten, geboten. Die Baueinstellung könne ihren Zweck nur dann erfüllen, wenn sie für sofort vollziehbar erklärt und damit der Fortschritt der Bauarbeiten verhindert werde.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 12. Dezember 2019 zugestellt.
Am 18. Dezember 2019 führte der Antragsgegner eine weitere Baukontrolle durch, bei der auch Fotos gefertigt wurden.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2019 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, im Rahmen einer Baukontrolle vom 18. Dezember 2019 sei festgestellt worden, dass der Antragsteller entgegen der Baueinstellung vom 11. Dezember 2019 die Arbeiten fortgeführt habe. Zum Zeitpunkt der Baukontrolle seien Verputzarbeiten durchgeführt worden. Das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,– EUR sei deshalb fällig geworden. Mit gleichzeitig erlassenem Bescheid drohte der Antragsgegner dem Antragsteller für den Fall der Nichtbefolgung der Baueinstellung vom 11. Dezember 2019 nunmehr ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000,– EUR an.
Das Schreiben bzw. der Bescheid vom 18. Dezember 2019 wurden dem Antragsteller am 24. Dezember 2019 zugestellt.
Mit Schreiben vom … Dezember 2019 wandte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers an den Antragsgegner. Der Antragsteller sei weder Bauherr noch Grundstückseigentümer. Der Bescheid richte sich an den falschen Adressaten. Im Übrigen handele es sich angesichts der Nutzungsabsichten des Gebäudes um ein verfahrensfreies Bauvorhaben.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2020 antwortete der Antragsgegner dem Bevollmächtigten des Antragstellers. Nach den Ermittlungen, die der Antragsgegner für erforderlich und ausreichend halten musste, sei der Antragsteller Bauherr. Beim jetzigen Stand des Verfahrens reiche es sicher nicht mehr aus, nur zu behaupten, die Baueinstellung richte sich an den falschen Adressaten. Es müssten schon Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich dies ergebe.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom … Januar 2020, der am selben Tag bei Gericht einging, erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2019 (M 11 K 20.147) und beantragte außerdem,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller sei weder Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks noch Bauherr des streitgegenständlichen Vorhabens. Der Antragsgegner sei davon auch mit Schreiben vom … Dezember 2019 in Kenntnis gesetzt worden. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei begründet, weil die Verfügung offensichtlich rechtswidrig sei. Der Bescheid richte sich an den falschen Adressaten.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom … Januar 2020, das am selben Tag bei Gericht einging, erhob der Antragsteller eine weitere Klage (M 11 K 20.353) mit dem Antrag, den Bescheid vom 18. Dezember 2019 aufzuheben (Nummer I) und die Beitreibung des Zwangsgeldes von 5000,– EUR einzustellen (Nummer III). Außerdem wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird vorgetragen, die isolierte Androhung des Zwangsgeldes sei rechtswidrig, weil der Ausgangsbescheid rechtswidrig sei. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei anzuordnen, weil der Bezugsbescheid offensichtlich rechtswidrig sei. Es komme hinzu, dass die Beitreibung der jetzt zusätzlich angedrohten 15.000,– EUR den Antragsteller massiv in seinen wirtschaftlichen Interessen beeinträchtige. Die Beitreibung sei entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 2 VwGO einzustellen, weil der Antragsgegner eine entsprechende Entscheidung abgelehnt habe. Die Beitreibung von öffentlichen Abgaben habe bereits dann zu unterbleiben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestünden. Das sei hier der Fall.
Mit Schreiben vom … Januar 2020 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Grundbuchauszug vor, demzufolge seit dem Jahr 2014 die … GbR Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks ist und Gesellschafter dieser GbR – wohl – die Ehefrau und 2 Kinder des Antragstellers sind, nicht jedoch der Antragsteller selbst.
Mit Schreiben vom … Januar 2020 übersandte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine Mahnung des Antragsgegners an den Antragsteller über einen Betrag von 5.000,00 EUR zuzüglich Nebenkosten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Die Verfahren M 11 S 20.148 und M 11 S 20.354 konnten zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden, da sie im Sinne des § 93 Satz 1 VwGO den gleichen Gegenstand betreffen und ihre Verbindung zweckmäßig ist.
2. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2019 wiederherzustellen, ist unbegründet.
a) Die nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erlassene Sofortvollzugsanordnung genügt den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Sie wurde auf Seite 3 Mitte der Bescheidsgründe mit eigenständigen Erwägungen ausreichend begründet. Eine Baueinstellung ist regelmäßig nur mit einer Sofortvollzugsanordnung sinnvoll, da sie ansonsten ihren Zweck verfehlen würde (BayVGH, Beschluss vom 16. September 2013 – 14 CS 13.1383 – juris Rn. 9).
b) Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Baueinstellung überwiegt das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage, weil die getroffene Maßnahme aller Voraussicht nach rechtmäßig ist.
Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung dürften hier vorliegen.
Das Gebäude dürfte abstandsflächenrechtlich nicht zulässig sein. Nach Aktenlage (vgl. Plan vom 23. Oktober 2019, Bl. 10 d. A.) beträgt die Länge der die Abstandsflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden Bebauung nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO deutlich mehr als 15 m (7,00 m + 7,50 m + 3,30 m + 3,60 m = 21,4 m), wodurch gegen die Regelung in Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO verstoßen wird. Außerdem weist das streitgegenständliche Gebäude nach den vom Antragsteller nicht bestrittenen Ausführungen im Bescheid vom 11. Dezember 2019 an der nordöstlichen Grundstücksgrenze eine Höhe von ca. 3,15 m auf und ist somit auch deshalb abstandsflächenrechtlich nicht zulässig (vgl. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO). Schließlich bestehen nach Aktenlage unabhängig von der Kubatur des Gebäudes erhebliche Zweifel, ob es seiner Art nach überhaupt von Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO erfasst wird. Nach den in der Akte befindlichen Fotos deutet einiges darauf hin, dass hier ein Gebäude mit einem Aufenthaltsraum entstehen soll. Soweit man dem Schreiben des Architekten des Antragstellers vom … Juli 2019 entnehmen kann, dass dieser meint, im vorliegenden Fall dürften sich die Abstandsflächen ganz oder teilweise auf die Nachbargrundstücke erstrecken, weil rechtlich oder tatsächlich gesichert sei, dass sie nicht überbaut werden können, ist diese Auffassung voraussichtlich unrichtig. Die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BayBO setzt voraus, dass die Möglichkeit der Überbauung auf dem Nachbargrundstück mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Dauer ausgeschlossen sein muss (Simon /Busse / Dhom, BayBO, Art. 6 Rn. 95). Dafür genügt es nicht, dass diejenigen Flächen auf den Nachbargrundstücken, auf die die Abstandsflächen fallen würden, die von den grenzständigen oder grenznahen Gebäuden auf dem Vorhabengrundstück geworfen werden, gegenwärtig faktisch teilweise als Fahrwege o. ä. genutzt werden. Den jeweiligen Grundstückseigentümern ist es grundsätzlich unbenommen, ihre Grundstücke im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen auch anders zu bebauen. Dass dies hier rechtlich oder tatsächlich auf Dauer nicht möglich ist, ist nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt.
Nicht zu beanstanden ist, dass der Antragsgegner sein Ermessen dahingehend aus geübt hat, die weitere Bauausführung vorläufig zu unterbinden. Das der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO insoweit eingeräumte Ermessen ist in dem Sinne intendiert, dass ein öffentliches Interesse daran besteht, die Fortführung unzulässiger Bauarbeiten zu verhindern, sofern nicht besondere Gründe vorliegen, die eine andere Entscheidung als die Baueinstellung rechtfertigen (vgl. Decker, in Simon/Busse, BayBO, Art. 75 Rn. 83 f. m. w. N.). Solche besonderen Gründe sind hier nicht vorhanden. Insbesondere liegen solche besonderen Gründe nicht darin, dass der Antragsgegner verhältnismäßig lange mit seiner Entscheidung zugewartet hat, obwohl er bereits im Schreiben vom 27. Juni 2019 zutreffend von der abstandsflächenrechtlichen Unzulässigkeit des Gebäudes ausgegangen ist und zwischen der weiteren Baukontrolle am 18. Oktober 2019 und dem Bescheidserlass nochmals über 7 Wochen vergangen sind.
Schließlich dürfte es auch rechtmäßig sein, dass der Antragsgegner den Antragsteller als Adressaten der Baueinstellungsverfügung ausgewählt hat. Aus der Begründung des Bescheids vom 11. Dezember 2019 geht hervor, dass der Antragsgegner den Antragsteller als Bauherrn angesehen und daraus dessen Eigenschaft als Handlungsstörer gefolgert hat. Diese Einschätzung ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die erst nach Bescheidserlass erfolgte gegenteilige Einlassung des Antragstellers, er sei nicht Bauherr, ist nach den aus der Akte ersichtlichen Gesamtumständen nicht glaubhaft. So hat auf das Schreiben des Antragsgegners vom 27. Juni 2019 an die … … GbR der Architekt des Antragstellers reagiert, der in seinem Antwortschreiben vom 12. Juli 2019 den Antragsteller sinngemäß als Bauherrn dargestellt hat („vor dem Bau seines Gartenhauses“, „seines verfahrensfreien kleinen Bauvorhabens“, „sein Bau“). Der Antragsteller selbst sprach am 21. Oktober 2019 oder kurz davor beim Antragsgegner vor. Der Antragsteller hat sich bei diesem Gespräch als Bauherr geriert. Aus dem über das Gespräch gefertigten Aktenvermerk geht nicht ansatzweise hervor, dass der Antragsteller in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass jemand anders als er selbst für das Vorhaben die Verantwortung trägt und die Bauausführung beherrscht. Wer mit der Bauaufsichtsbehörde Verhandlungen über ein Bauvorhaben führt, ohne wenigstens konkludent zum Ausdruck zu bringen, dass er selbst nicht Bauherr sei, muss sich im Hinblick auf die Störerhaftung als Bauherr behandeln lassen (vgl. Simon / Busse / Würfel, BayBO, Art. 50 Rn. 10). Im Übrigen geht aus den Akten auch hervor, dass der Antragsteller gegenüber den Nachbarn wohl ebenfalls als Bauherr aufgetreten ist (vgl. Bl. 6, 15, 36 d. A.). Schließlich ist den Akten auch nichts dafür zu entnehmen, dass im Verfahren einer der der … … GbR angehörenden Gesellschafter in irgendeiner Weise aktiv geworden, geschweige denn als Bauherr aufgetreten ist. Nach Aktenlage muss deshalb davon ausgegangen werden, dass niemand anders als der Antragsteller selbst Bauherr war und ist.
Nach Aktenlage ist zwar anzunehmen, dass der Antragsgegner den Antragsteller wohl nicht nur als Handlungsstörer, sondern auch als Zustandsstörer angesehen hat, weil der Antragsteller im Bescheid nicht nur als Bauherr, sondern auch als „Eigentümer des Baugrundstücks“ bezeichnet wird. Letzteres ist nach dem vorgelegten Grundbuchauszug unzutreffend. Nach summarischer Prüfung ändert dieser Umstand aber voraussichtlich nichts daran, dass die vom Antragsgegner getroffene Entscheidung, gegen den Antragsteller vorzugehen, diesen nicht in seinen Rechten verletzt. In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass bei der Auswahl zwischen mehreren Störern in der Regel der Handlungsstörer (Art. 9 Abs. 1 LStVG) vor dem Zustandsstörer (Art. 9 Abs. 2 LStVG) in Anspruch zu nehmen ist, wenn nicht die Wirksamkeit der Maßnahme eine andere Reihenfolge gebietet (BayVGH, Beschluss vom 28. Mai 2001 – 1 ZB 01.664 – Rn. 5; vgl. auch Simon / Busse / Decker, BayBO, Art. 76 Rn. 179 m. w. N.). Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, weshalb es effektiver sein könnte, nicht gegen den Antragsteller als Bauherrn und Handlungsstörer, sondern gegen die Grundstückseigentümerin und Zustandsstörerin vorzugehen. Da die Handlungsstörer-Eigenschaft des Antragstellers für den Antragsgegner trotz der Verkennung der Eigentumssituation ohnehin das maßgebliche Kriterium war (vgl. Seite 3 des Bescheids: „…gegenüber dem Bauherrn und Eigentümer des Baugrundstücks als Handlungsstörer i. S. d. Art. 9 Abs. 1 LStVG zu erlassen.“), kann man deshalb ausschließen, dass der Antragsgegner bei Kenntnis der wahren Eigentumslage eine andere Entscheidung getroffen hätte.
c) Unbegründet ist der gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2019 gerichtete Antrag auch, soweit er sich gegen die der Baueinstellungsverfügung beigefügte Zwangsgeldandrohung richtet. Gegen diese Annexentscheidung bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl. Art. 31, 36 VwZVG).
3. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2019 anzuordnen, ist ebenfalls unbegründet.
Auch dieser Bescheid ist voraussichtlich rechtmäßig, sodass das öffentliche Interesse an der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegen die mit diesem Bescheid erlassene erneute Zwangsgeldandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken, weil die Grundverfügung voraussichtlich rechtmäßig ist (siehe 2.) und gegen die mit der Grundverfügung auferlegte Pflicht, die weitere Bauausführung zu unterlassen, auch verstoßen worden ist. Der Antragsgegner hat im Bescheid vom 18. Dezember 2019 ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Baukontrolle am 18. Dezember 2019 Verputzarbeiten durchgeführt worden sind. Der Antragsteller ist diesen Ausführungen nicht substantiiert entgegengetreten, sodass das Gericht vorläufig davon ausgeht, dass die Baueinstellungsverfügung, die am 12. Dezember 2019 zugestellt worden ist, missachtet wurde. Aufgrund des Umstands, dass der Antragsteller aller Voraussicht nach als Bauherr anzusehen ist, bestehen auch keine begründeten Zweifel daran, dass der Antragsteller diese weiteren Baumaßnahmen zu verantworten hat und deshalb die weitere Zwangsgeldandrohung zu Recht erging. Die Höhe des nunmehr angedrohten Zwangsgeldes bewegt sich im gesetzlichen Rahmen und ist angesichts des Umstands, dass die erste Zwangsgeldandrohung den Antragsteller nicht zur Einhaltung der Baueinstellungsverfügung bewegen konnte, nicht unverhältnismäßig hoch.
4. Das Begehren des Antragstellers um einstweiligen Rechtsschutz ist über die An träge auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klagen hinaus auch dahingehend auszulegen, dass er eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO begehrt, mit der dem Antragsgegner untersagt wird, das mit Schreiben vom 18. Dezember 2019 fällig gestellte Zwangsgeld weiter beizutreiben. Auch dieser Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, weil kein Anordnungsanspruch besteht. Wie sich aus den Ausführungen unter 2. und 3. ergibt, ist das Zwangsgeld fällig geworden, weil der Antragsteller die zwangsgeldbewehrte und für sofort vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung nach Zustellung missachtet hat. Besondere Gründe, weshalb die Einziehung des Zwangsgeldes trotz Fälligkeit rechtswidrig sein könnte, sind nicht erkennbar. Der Antragsteller hat die Baueinstellungsverfügung in Kenntnis des angedrohten Zwangsgeldes allem Anschein nach bewusst missachtet, sodass in der Beitreibung des Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,– EUR eine unzumutbare Härte nicht gesehen werden kann.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GKG i. V. m. den Nummern 1.7.1 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs. M 11 S 20.354