Steuerrecht

Sonderbetriebseinnahme eines Kommanditisten bei Beteiligung an einer Fonds-KG

Aktenzeichen  8 K 152/19

Datum:
11.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2022, 386
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 346, § 355 Abs. 2§ 357, § 357 b, § 358 Abs. 4, § 495 Abs. 1
EStG § 15, § 16
AO § 93
FGO § 76 Abs. 1 S. 2, § 90 Abs. 2, § 100 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 1 u. 21, § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

Ob die Einnahmen des Mitunternehmers durch seine Beteiligung an der Personengesellschaft veranlasst sind, beurteilet sich nach der wirtschaftlichen Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis (vgl. BFH-Urteil vom 23. Mai 1979 I R 163/77).  (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Strittig ist, ob der Kläger im Streitjahr erhaltene Zahlungen aus einem Vergleich mit der Bank B-W in dem Verfahren vor dem Landgericht (LG) S (Aktenzeichen …/12) als Gewinn aus Sonderbetriebsvermögen als Kommanditist der ABC GmbH & Co. 2002 KG versteuern muss.
Der Kläger beteiligte sich durch Zeichnungsschein vom 13. Dezember 2002 mit einer Zeichnungssumme von 150.000 € als Kommanditist an der ABC GmbH & Co. 2002 KG (im Folgenden: KG), einem geschlossenen Filmfonds, der von der Bank X Girozentrale aufgelegt wurde. Dieser wurde als sogenannter X Fonds von der Bank X Girozentrale (im Folgenden: BK X) vertrieben. Die Zeichnungssumme hatte der Kläger zu 60% (= 90.000 €) als Bareinlage aus Eigenmitteln aufzubringen. Er zahlte diese im Jahr 2002 auf das Konto der KG ein. Die restlichen 40% der Beteiligungssumme (= 60.000 €) wurden über eine obligatorische Anteilsfinanzierung in Form einer Inhaberschuldverschreibung von der BK X gestellt und am 27. Dezember 2002 auf dem Konto der KG, Nr. …, bei der BK X wertmäßig gutgeschrieben. Der Kläger hatte in dem Zeichnungsschein die KG ermächtigt, für ihn bei der BK X den Ankauf der Inhaberschuldverschreibung in US-Dollar abzuwickeln, die umgerechnet mit dem vereinbarten Wechselkurs 1 € = 0,9775 US-Dollar zum Nennbetrag von 61.740,88 € am 09. Januar 2004 in einer Summe einschließlich Zinsen rückzahlbar sein sollte. Dieser Betrag setzte sich neben der Inhaberschuldverschreibung in Höhe von 60.000 € aus Zinsen in Höhe von 0,2303% pro Monat, somit einem effektiven Jahreszinsen in Höhe von 2,9014% (= 1.740,88 €) zusammen. Die Rückführung dieser Summe erfolgte für den Kläger und die anderen Kommanditisten der KG, die Zeichnungsscheine mit gleichlautenden Konditionen unterzeichnet hatten, vereinbarungsgemäß zum 09. Januar 2004 an die BK X. Die Rückführung der Inhaberschuldverschreibung konnte erfolgen, da die KG von dem Vertriebsunternehmen G. F. D. B.V. der beiden durch die KG finanzierten Spielfilme die garantierte Mindestlizenzgebühr erhalten hatte (siehe dazu den Emissionsprospekt „Filmbeteiligungsfonds II“ S. 8, Bericht über die Geschäftsführung für das Geschäftsjahr 2004 S. 8). Da diese Zahlungen aufgrund der schlechten Vermarktbarkeit der produzierten Filme das Entgelt für den gesamten Auswertungszeitraum darstellten, wurde in der Gesellschafterversammlung beschlossen, die zugeflossenen Garantiezahlungen nicht sofort in voller Höhe ertragswirksam zu verbuchen, sondern durch die Bildung passiver Rechnungsabgrenzungsposten ertragswirksam bis zum letztmaligen Kaufoptionstermin für die G. F. D. B.V. am 30. Juni 2020 zu verteilen (Bericht über die Geschäftsführung für das Geschäftsjahr 2004, Seite 8). Die Rückzahlung der Anteilsfinanzierung an die BK X wurde bei der KG auf den Privatentnahmekonten der Kommanditisten verbucht.
Der Kläger widerrief die Anteilsfinanzierung gegenüber der Bank (BK) B-W (der Rechtsnachfolgerin der BK X) mit Erklärung vom 22. Januar 2012 wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung in dem vom Kläger unterschriebenen Zeichnungsschein, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Fondsbeteiligung. Die BK B-W wurde aufgefordert, die geleistete Bareinlage zurückzuerstatten. Diese wies jedoch den Widerruf zurück. Daraufhin erhob der Kläger Klage gegen die BK B-W mit Schreiben vom 31. Juli 2012 vor dem Landgericht S (Az.: …/12). Mit dieser begehrte er die Zahlung von 122.043,54 €, die sich aus der geleisteten Bareinlage von 90.000 € und einem Nutzungsersatz aus Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 32.043,54 € zusammensetzte.
Mit Vergleich vom 18. Januar 2013 einigte sich der Kläger mit der BK B-W in der öffentlichen Sitzung vor dem Landgericht S auf die Zahlung von 72.000 € ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage. Alle Ansprüche und Einwendungen des Klägers aus und im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der KG gegen die BK B-W sollten damit abgegolten und erledigt sein und umgekehrt. Die 72.000 € wurden dem Kläger am 07. März 2013 überwiesen. Der Kläger blieb weiterhin Kommanditist der KG.
Die KG gab am 16. April 2014 eine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2013 ab. In dieser waren für den Kläger laufende Einkünfte in Höhe von 7,36 € erklärt. Vor Erlass eines Feststellungsbescheides wurde bei der KG eine Betriebsprüfung für die Veranlagungsjahre 2012 bis 2013 angeordnet (Prüfungsanordnung vom 25. Juli 2014). Gemäß dem Bericht über die Außenprüfung vom 14. Januar 2016) ordnete der Außenprüfer die Vergleichszahlungen an Kommanditisten im Allgemeinen und an den Kläger im Speziellen in Höhe von 72.000 € den Sonderbetriebseinnahmen des Klägers im Rahmen der KG zu. Der Beklagte (das Finanzamt) schloss sich der Rechtsaufassung der Betriebsprüfung an und erließ einen entsprechenden Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung 2013 am 31. März 2016, der der steuerlichen Vertreterin der KG, der XY GmbH & Co. KG, als Empfangsbevollmächtigte am 05. April 2016 im Finanzamt ausgehändigt wurde.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Dieser wurde mit Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2018 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der dagegen eingereichten Klage macht der Kläger geltend, das Landgericht S habe seinen erklärten Widerruf gegenüber der BK B-W als wirksam erachtet und den geltend gemachten Anspruch zumindest hinsichtlich der Bareinlage für begründet gehalten. Hinsichtlich der Zinsnutzung habe das Gericht noch gegen den geltend gemachten Anspruch tendiert. Bei der im Vergleich vereinbarten Zahlung habe es sich um eine Kompensationszahlung aufgrund des Widerrufs der Anteilsfinanzierung durch die BK X gehandelt, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen sei.
Bei der Leistungspflicht der BK B-W habe es sich um eine direkte Erstattungspflicht gemäß §§ 357, 346 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gehandelt und sei nicht mit dem Eintritt in die Rolle des Unternehmers begründet. Der gezahlte Vergleichsbetrag betreffe allein seine nicht steuerbare Vermögensebene. Ein steuerpflichtiger Veräußerungsvorgang im Sinne des § 16 Einkommensteuergesetz (EStG) liege nicht vor, da er seine Gesellschaftsrechte nicht aufgegeben habe. Auch eine Entschädigung sei nicht gegeben, da eine Entschädigung den Zweck habe, weggefallene Einnahmen zu ersetzen. Sie müsse auf einer neuen Rechtsgrundlage beruhen. Erfüllungsleistungen seien keine Entschädigungen. Der Betrag von 72.000 € sei als Kompensationszahlung aufgrund des Widerrufs der Anteilsfinanzierung geleistet worden, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen sei. Der Betrag sei nicht bezahlt worden, weil er (der Kläger) seinen Widerruf oder seine Kündigung zurückgenommen habe. Der Betrag sei gezahlt worden, weil die BK X die Widerrufsbelehrungen falsch formuliert habe. So habe man mit der Stillschweigenserklärung nach Ziffer 4 des Vergleichs weitere Rücktritte anderer Kommanditisten bei der eventuellen Veröffentlichung oder Kenntniserlangung dieses Fehlers vermeiden wollen. Weder sei die Einlage zurückgezahlt worden noch mit der Vergleichssumme ein Nutzungsersatz bezahlt worden.
Eine Sonderbetriebseinnahme scheide aus, weil die Vergleichszahlung nicht mit dem Eintritt in die Rolle des Unternehmers begründet worden sei. Der gezahlte Betrag habe allein seine Grundlage in der Erstattungspflicht gemäß §§ 357, 346 BGB und betreffe die nicht steuerbare Vermögensebene. Ein weiteres Indiz für die steuerrechtlich fehlerhafte Behandlung der Zahlungen durch das Finanzamt ergebe sich durch die Gegenüberstellung der steuerlichen Ergebnisse der bereits versteuerten Einkünfte durch ihn (den Kläger) mit der Musterbeteiligungsrechnung der KG. Die KG habe bei einer Musterbeteiligung von 100.000 € und bei einer Beendigung der Liquidation im Jahr 2011 eine Verlustzuweisung von 57.996 € errechnet. Dies ergebe in analoger Anwendung auf eine Beteiligung von 150.000 € – wie im Streitfall – eine Verlustzuweisung von 86.994,00 €. Dies würde auch dem konkreten steuerlichen Ergebnis von – 87.551,32 € ohne Berücksichtigung der Zahlung von 72.000 € entsprechen. Bei einer steuerlichen Erfassung der Zahlung in Höhe von 72.000 € ergäbe sich lediglich eine Verlustzuweisung von – 16.841,14 € für den Zeitraum 2002 bis 2016.
Der Kläger beantragt daher sinngemäß, den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2013 vom 31. März 2016, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2018, dahingehend zu ändern, dass für ihn anteilige Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 7,36 € festgestellt werden.
Der Beklagte (das Finanzamt) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, durch den Zufluss der Vergleichszahlung finde beim Kläger neben seiner partiellen Teilhabe am regulären Geschäftszweck der KG ein zusätzlicher Mittelzufluss und eine tatsächliche Vermögensmehrung statt, zu der es ohne die Begründung der Beteiligung nicht gekommen wäre. Das Eingehen einer Geschäftsbeziehung mit der BK X bzw. B-W sei für den Kläger erforderlich gewesen, um eine Beteiligung an der KG zu generieren und insoweit überhaupt die Erzielung von Einkünften zu ermöglichen. Somit sei ein ausreichender kausaler Zusammenhang und letztlich eine Verursachung der Vergleichszahlungen durch die Beteiligung an der KG gegeben, die eine steuerliche Erfassung rechtfertige. Die Vergleichszahlung sei de facto Bestandteil eines Leistungsaustauschs, zu dem es nur aufgrund der kausalen Verursachung durch die Beteiligung des Klägers an der KG habe kommen können.
Mit Auskunftsersuchen gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 93 Abgabenordnung (AO) vom 26. Mai 2020 wurde die Rechtsanwaltskanzlei L., die Prozessbevollmächtigte der BK B-W in dem Verfahren vor dem Landgericht S, Az.: …/12, war, zur Veranlassung und der Berechnungsgrundlagen der gezahlten Vergleichssumme von 72.000 € befragt. Mit Schreiben vom 30. Juni 2020 gab Herr Rechtsanwalt A. von der Kanzlei L. an, dass aus Sicht der BK B-W die Vergleichssumme eine Teilrückerstattung der vom Kläger bezahlten Bareinlage darstellte, da er Ansprüche hierauf im Falle einer Rückabwicklung „im Verbund“ nach § 358 BGB auch gegen die BK B-W als anteilsfinanzierender Bank habe richten können. Zins- und Tilgungsleistungen sollten aus der Sicht der damaligen Beklagten nicht abgegolten werden. Für das „Schweigen des Klägers“ seien keine Zahlungen entrichtet worden, auch wenn die Beklagte davon ausgegangen sei, dass der geschlossene Vergleich vertraulich behandelt werde und eine Schweigepflicht vereinbart worden sei. Andere Ansprüche seien von der BK B-W nicht abgegolten worden. Dies stelle eine Interpretation der Verhandlung vor dem LG S von Seiten der BK B-W dar. Wie der Kläger die Vorgänge verstanden habe, könne der damalige Prozessbevollmächtigte der BK B-W nicht wissen.
Auf Antrag des Klägers wurde auch dessen Prozessbevollmächtigter in dem Rechtsstreit vor dem LG S, Herr F., mit Auskunftsersuchen des Gerichts vom 26. Mai 2020 gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO i.V.m. § 93 AO zu der Veranlassung der Vergleichszahlung von 72.000 € befragt. Mit Schreiben vom 02. Oktober 2020 beantwortete Herr F. dieses dahingehend, dass mit der Klage vor dem LG S im Ergebnis die Rückzahlung der Bareinlage in Höhe von 90.000 € und die Zahlung des verbleibenden Nutzungsersatzes in Höhe von 32.043,54 € gegen Übernahme der Fondsbeteiligung verfolgt worden sei. Das LG S habe im Jahr 2012 die Ansicht vertreten, dass die Widerrufsbelehrung im Finanzierungsvertrag fehlerhaft gewesen sei. Im Falle des zu erwartenden Urteils wäre die BK B-W verpflichtet gewesen, dem Kläger die Bareinlage und den Nutzungsersatz zu erstatten und die Fondsbeteiligung zu übernehmen. Da die fehlerhafte Widerrufsbelehrung in tausenden Fällen verwendet worden sei, habe diese versucht die Entstehung und Veröffentlichung derartiger Urteile für die Anleger zu vermeiden. Überdies habe sie auch kein Interesse daran gehabt, die nicht mehr werthaltigen Fondsbeteiligungen in ihren Eigenbestand zu übernehmen. Das unterbreitete Vergleichsangebot habe daher dem Ziel gedient, den Kläger zu einem Verzicht auf die weitere Geltendmachung der Rückabwicklung zu bewegen und zudem die Veröffentlichung eines entsprechenden negativen Urteils durch das LG S zu verhindern. Zur Bezifferung der Höhe der Vergleichssumme sei die vom Kläger geleistet Bareinlage als Orientierung herangezogen worden und eine Quote von 80% berechnet worden. Der Nachlass zur Klageforderung sei durch den Wegfall weiterer Verfahrensrisiken im Berufungsverfahren, das die BK B-W im Falle ihres Unterliegens bereits angekündigt habe, begründet worden. Es sei kein Anteil der Vergleichssumme der Stillschweigensverpflichtung zugeordnet worden, auch wenn in Ziffer 4 des Vergleichs diese Verpflichtung geregelt worden sei. Die Zins- und Tilgungsleistungen (61.740,88 €) seien bei der Berechnung der Vergleichssumme ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Die gezahlte Vergleichssumme stelle keine Rückzahlung der Einlage im gesellschaftsrechtlichen Sinne dar, da der Kläger seine Kommanditistenstellung nicht aufgegeben habe. Sonstige Ansprüche seien durch die Vergleichsvereinbarung nicht behandelt oder gar abgegolten worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, Akten und Unterlagen sowie die Auskunftsersuchen des Gerichts an die Prozessbevollmächtigten der Parteien im Verfahren vor dem LG S und die schriftsätzlichen Antworten darauf vom 30. Juni 2020 und 02. Oktober 2020 verwiesen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Schreiben des Klägers zuletzt vom 13. Oktober 2020 und Schreiben des Beklagten zuletzt vom 16. Oktober 2020).
II.
1. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
2. Die Klage ist unbegründet.
Die aufgrund des Vergleiches vor dem LG S in dem Verfahren …/12 von der BK B-W an den Kläger im Streitjahr bezahlten 72.000 € stellen einen Gewinn aus Sonderbetriebsvermögen des Klägers in seiner Eigenschaft als Kommanditist der KG dar. Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung ist deshalb rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
a) Aufgrund der im Rahmen der Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 FGO getätigten Feststellungen des Gerichts, insbesondere der Auskünfte der vormaligen Prozessvertreter des Klägers und der BK B-W in dem zivilgerichtlichen Verfahren vor dem LG S, ist davon auszugehen, dass der Kläger durch den am 18. Januar 2013 abgeschlossenen Vergleich und den bezahlten Geldbetrag in Höhe von 72.000 € so gestellt werden sollte, als ob er im Wege eines Widerrufsdurchgriffs seine Einlage zurückerhalten hätte, abzüglich von 20% für ein bestehendes Prozessrisiko. Denn das LG S ging nach den Angaben der beiden Prozessvertreter von einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung (§§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 2 BGB) beim Abschluss des mit dem Gesellschaftsbeitritts verbundenen Finanzierungsvertrages und damit von einem Widerrufsrecht aus. Ferner bejahte es im Sinne von § 358 BGB ein verbundenes Geschäft zwischen dem Gesellschaftsbeitritt und dem Finanzierungsvertrag. Im Wege eines Widerrufsdurchgriffs gemäß § 358 Abs. 4 BGB alte Fassung i.V.m. §§ 357 bis 357 b BGB stand dem Kläger daher ein Recht auf Rückabwicklung unter anderem des Gesellschaftsbeitritts zu (vgl. zum Widerrufsdurchgriff BundesgerichtshofBGH-Urteil vom 10. März 2009 XI ZR 33/08, BGHZ 180,123).
Der Kläger hatte den Finanzierungsvertrag mit Schreiben vom 22. Januar 2012 widerrufen und zunächst für den mit dem Finanzierungsvertrag gemäß § 358 Abs. 3 BGB verbundenen Beitrittsvertrag zur KG die Rückabwicklung und damit verbunden die Rückzahlung seiner Einlage und die Übernahme der Fondsbeteiligung durch die BK B-W im Wege eines Widerrufsdurchgriffs nach dem für den am 13. Dezember 2002 gezeichneten Beitritt an der KG geltenden § 358 Abs. 4 BGB alte Fassung (siehe dazu Habersack in Münchner Kommentar § 358 Rz. 17 m.w.N.) i.V.m. §§ 357 bis 357 b BGB verfolgt. Infolgedessen klagte er vor dem LG S, Az.: …/12, auf die Rückgewähr seiner nicht finanzierten Bareinlage in Höhe von 90.000 € und daneben noch auf Nutzungsersatz der BK B-W aus Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 32.043,54 € gemäß § 358 Abs. 4 BGB alte Fassung i.V.m. § 357, § 346 Abs. 1 BGB. In der öffentlichen Sitzung des LG S am 18. Januar 2013 kamen die Parteien jedoch überein, dass diese ihm eine Summe von 72.000 € statt der Rückgewähr seiner Einlage bezahlte und der Kläger dafür Kommanditist der KG blieb, da die BK B-W keine Interesse an der Übernahme der Kommanditbeteiligung hatte. Nach der Auskunft des Prozessvertreters des Klägers im zivilgerichtlichen Verfahren war die Fondsbeteiligung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr werthaltig. Nach den übereinstimmenden Angaben der Prozessvertreter des Klägers und der BK B-W in ihren Antworten auf die Auskunftsersuchen des Gerichts diente die Zahlung dazu, den Kläger dazu zu bewegen, trotz des nach Ansicht des LG S aufgrund der fehlerhafte Widerrufsbelehrung der damaligen BK X beim Abschluss des Finanzierungsvertrages bestehenden Anspruchs auf Rückabwicklung der Beteiligung diesen nicht durchzusetzen. Im Gegenzug sollte der Kläger eine Zahlung erhalten, die an seiner Einlage bemessen war, vermindert um 20% für eine noch bestehendes Prozessrisiko. Zins- und Tilgungsleistungen sowie ein Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen wurden nach den Angaben der Prozessvertreter nicht von der gezahlten Summe in Höhe von 72.000 € ersetzt.
b) Die gezahlte Summe von 72.000 € stellt eine Sonderbetriebseinnahme des Klägers im Rahmen seiner Beteiligung an der KG dar.
aa) Zu den einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünften aus der Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft gehören neben dem Anteil am Gewinn der Gesellschaft auch der Sondergewinn, der sich aus den Sonderbetriebseinnahmen und – ausgaben der Gesellschafter ergibt, die im Zusammenhang mit der Beteiligung entstehen (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 15. Juni 2004 VIII R 72/03, BFH/NV 2005, 29). Zu den Einnahmen der Personengesellschaft zählen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG die Gewinnanteile der Gesellschafter einer OHG, einer KG oder einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist, und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft, für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat. Über die Aufzählung in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG hinaus gehören zu den Sonderbetriebseinnahmen auch alle Einnahmen des Mitunternehmers, die durch seine Beteiligung an der Personengesellschaft veranlasst sind, so insbesondere Erträge der Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens I, soweit sie nicht bereits als Vergütungen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG den gewerblichen Einkünften des Mitunternehmers zuzurechnen sind, die Erträge der Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens II und andere Leistungen, die ein Gesellschafter in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Tätigkeit für die Gesellschaft von Dritten erhält (Tiede in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 15 Anm. 544). Ob die Einnahmen des Mitunternehmers durch seine Beteiligung an der Personengesellschaft veranlasst sind, beurteilen insbesondere der I. und der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs nach der wirtschaftlichen Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis (BFH-Urteil vom 23. Mai 1979 I R 163/77, BStBl II 1979, 757), so dass die Leistung, für die der Mitunternehmer die Einnahmen erzielt, ihre rechtliche Grundlage im Gesellschaftsvertrag haben oder auf schuldrechtlichen Verträgen beruhen muss, die wirtschaftlich zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks beitragen (BFH-Urteil vom 06.Juli 1999 VIII R 46/94, BStBl II 1999, 720; insgesamt dazu Wacker in Schmidt, Kommentar zum EStG, 39. Aufl. 2020, § 15 Rz. 562). Der VIII. Senat bejaht in seiner Entscheidung vom 15. Juni 2004 VIII R 72/03, BFH/NV 2005, 29 ferner Sonderbetriebseinnahmen auch für Zahlungen Dritter als Ersatz für entgangene Einnahmen eines Gesellschafters, wenn die Einnahmen an die Stelle von Sondervergütungen des Gesellschafters im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG treten. Demgegenüber grenzt der IV. Senat die Veranlassung negativ ab und scheidet nur solche Einnahmen des Mitunternehmers als Sonderbetriebseinnahmen aus, bei denen ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Mitunternehmerschaft ausgeschlossen erscheint, so dass diese nur zufällig zusammentreffen (BFH-Urteil vom 01. Februar 2001 IV R 3/00, BStBl II 2001, 520). Ob ein Wertzugang betrieblich veranlasst ist, richtet sich danach, ob das ihn auslösende Ereignis der betrieblichen Sphäre zuzuordnen ist. Handelt es sich um eine Schadensersatzzahlung im Rahmen eines mit dem Betriebsinhaber geschlossenen Vertrags, so ist darauf abzustellen, ob die schadensstiftende Ursache einen betrieblichen oder einen außerbetrieblichen Vorgang betrifft (BFH-Urteil vom 18. Juni 1998 IV R 61/97, BStBl II 1998, 621).
b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall sind die 72.000 €, die der Kläger aufgrund des vor dem LG S am 18. Januar 2013 abgeschlossenen Vergleichs, erhalten hat, den Sonderbetriebseinnahmen zuzurechnen.
Zwar hat die Zahlung ihre rechtliche Grundlage nicht im Gesellschaftsvertrag und beruht auch nicht auf einem schuldrechtlichen Vertrag, der zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks – die Finanzierung von Filmproduktionen, den Erhalt von Lizenzzahlungen und die Beteiligung an Einspielerlösen der Filme – beiträgt. Auch werden keine Einnahmen aus Sondervergütungen im Zusammenhang mit der KG ersetzt. Nach der Definition der Sonderbetriebseinnahmen des I. und VIII. Senats des BFH liegen demnach keine Sonderbetriebseinnahmen vor (vgl. dazu BFH in BStBl II 1979, 757, BStBl II 1999,720 und BFH/NV 2005, 29). Der erkennende Senat schließt sich jedoch der Rechtsprechung des IV. Senats des BFH (vgl. dazu BFH in BStBl II 2001, 520 und HFR 2010, 245) an, wonach Einnahmen des Mitunternehmers nur dann keine Sonderbetriebseinnahmen sind, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Mitunternehmerschaft ausgeschlossen erscheint bzw. kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Einnahmen und der betrieblichen Sphäre besteht.
Nach dieser Begriffsbestimmung stellt die Abfindungszahlung im vorliegenden Fall eine Sonderbetriebseinnahme dar. Es besteht bei der Vergleichszahlung ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Mitunternehmerschaft des Klägers. Denn wäre der Kläger nicht der KG als Kommanditist beigetreten und hätte er keine Einlage in die Gesellschaft erbracht, so hätte er – im Zusammenhang mit einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung im Rahmen des Finanzierungsvertrages – kein Rückabwicklungsrecht gehabt, auf das er hätte verzichten können und das er sich finanziell hätte abbedingen lassen können. Es bestand auch ein eindeutiger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Abfindungssumme und der Gesellschafterstellung. Dies ergibt zum einen die Orientierung der Höhe der Zahlung an der auf dem Kapitalkonto des Klägers bei der KG gebuchten Einlage. Die BK B-W wollte mit ihrer Vergleichszahlung – abzüglich eines Abschlags für ein noch bestehendes Prozessrisiko – den Kläger so stellen, wie er bei der Rückgewähr der Einlage gestanden hätte. Zum anderen sollte mit der Abfindungszahlung nach der Überzeugung des Gerichts daneben nicht nur der Verzicht auf die Ausübung des Rückabwicklungsrechts abgegolten werden, sondern auch eine Minderung des Werts der Beteiligung, die zu einem teilweisen oder völligen Verlust der Einlage führen kann. Denn nach den Angaben des Klägers und seines Prozessvertreters im zivilgerichtlichen Verfahren war die Beteiligung an der KG stark im Wert gemindert, wenn nicht sogar wertlos.
Gegen eine Qualifizierung der Vergleichszahlung als Sonderbetriebseinnahme spricht auch nicht, dass mit dieser ein – im Streitfall nach Ansicht des Zivilgerichts – bestehendes gesetzliches Rückabwicklungsrecht nach § 358 Abs. 4 alte Fassung i.V.m. §§ 357 ff BGB abbedungen wurde. Denn auch dieses Rückabwicklungsrecht steht wirtschaftlich in direktem Zusammenhang mit der Beteiligung des Klägers an der Personengesellschaft. Ohne eine Beteiligung des Klägers an der KG, hätte ihm kein Rückabwicklungsrecht und damit verbunden kein Anspruch auf Rückzahlung der Einlage bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung zum Finanzierungsvertrag zugestanden. Die dem Kläger gewährte Zahlung hat zwar auch ihren Grund im Verzicht auf das gesetzliche Rückabwicklungsrecht, ihren wirtschaftlichen Ursprung und ihre Hauptveranlassung hat sie jedoch in der Einlage in die KG. Es besteht daher zwischen der Ersatzzahlung in Höhe von 72.000 € und dem Betriebsvermögen ein eindeutiger wirtschaftlicher Zusammenhang (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 26. März 1992 IV R 74/90, BStBl II 1993, 96).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO) zugelassen.

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