Aktenzeichen 7 K 3182/17
KAGG § 40 Abs. 1, § 43 Abs. 14 S. 3
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1, Art. 76 Abs. 2, Art. 77 Abs. 2
GewStG § 7 S. 2
AO § 363 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
1. Soweit mit dem UntStFG vom 20.12.2001 § 43 Abs. 14 KAGG mit Wirkung für den VZ 2001 rückwirkend dadurch geändert wurde, dass nach § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG die in § 40 Abs. 1 KAGG i.d.F. des StSenK vom 23.10.2000 angeordnete Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG von Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen, in denen Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften enthalten sind, nicht mehr auf Veräußerungen vor dem 01.01.2001 (Altveräußerungsgewinne) anzuwenden ist, ist diese Norm verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auf Ausschüttungen von Altveräußerungsgewinnen, die vor der Beschlussfassung des Vermittlungsausschusses zum UntStFG am 11.12.2001 beschlossen wurden und dem Anteilsinhaber des Wertpapier-Sondervermögens zugeflossen sind, noch die Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 2 KStG nach der Rechtslage des § 40 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG zur Anwendung kommt.
2. Offen bleibt, ob § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG unter Verletzung von Art. 20 Abs. 2, 76 Abs. 1 GG verabschiedet worden ist.
Tenor
1. Die Bescheide über Körperschaftsteuer 2001 vom 10.5.2017, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 Satz 3, 37 Abs. 2 und 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 vom 20.5.2016 und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2001 vom 10.5.2017, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.12.2017, werden insoweit geändert, als die in 2001 vereinnahmten Ausschüttungen von Altveräußerungsgewinnen aus sog. X-Fondsin Höhe von insgesamt 1.107.950.020 DM (566.485.850 €) unter Anwendung von § 8b Abs. 2 KStG 2001 bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben. Die Berechnung der steuerlichen Auswirkungen im Einzelnen wird dem Finanzamt übertragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 6% und der Beklagte zu 94%.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Klage ist hinsichtlich der Besteuerung der Altveräußerungsgewinne begründet (dazu Ziff. I.), im Übrigen (hinsichtlich des Bescheids über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 36 Abs. 7 KStG i.V.m. § 34 Abs. 13f KStG) bleibt sie ohne Erfolg (dazu Ziff. II.).
I. Das Finanzamt hat die im Streitjahr vereinnahmten Ausschüttungen von Altveräußerungsgewinnen aus sog. X-Fonds zu Unrecht der Besteuerung nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG vom 20.12.2001 unterworfen. Die Norm ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass Ausschüttungen von Altveräußerungsgewinnen, die wie im Streitfall vor der Beschlussfassung des Vermittlungsausschusses zum UntStFG am 11.12.2002 beschlossen wurden und dem Anteilsinhaber des Wertpapier-Sondervermögens zugeflossen sind, nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG jeweils i.d.F. des StSenkG zu besteuern und damit nach § 8b Abs. 2 KStG steuerbefreit sind.
1. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 KAGG in der Fassung Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23.10.2000 – StSenkG – sind Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen insoweit steuerfrei, als sie Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren und Bezugsrechten auf Anteile an Kapitalgesellschaften enthalten, es sei denn, dass es sich um Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 und 3 EStG handelt, oder dass die Ausschüttungen Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen sind; § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 2 KStG sind anzuwenden. Die streitgegenständlichen Ausschüttungen der X-Fonds, die von der Klägerin als alleinige Inhaberin sämtlicher Anteilsscheine des Wertpapier-Sondervermögens am 3.12.2001 beschlossen und die ihr am 6.12.2001 gutgeschrieben wurden, sind dem Grunde nach Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 KAGG, die Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren und Bezugsrechte auf Anteile an Kapitalgesellschaften enthalten. Die Ausschüttungen in Höhe von 1.107.950.020 DM wurden aus bei den X-Fonds thesaurierten Veräußerungsgewinnen aus ausländischen Aktien vorgenommen. Da die Ausschüttungen bei der Klägerin Betriebseinnahmen sind, sind sie dem Grunde nach steuerpflichtig, fallen jedoch unter die Bestimmung des § 8b Abs. 2 KStG, falls die Ausschüttungen in den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm fallen.
§ 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG bestimmte, dass für die erstmalige Anwendung u.a. des § 40 Abs. 1 KAGG der § 52 Abs. 36 Satz 2 EStG sinngemäß gilt. Bei sinngemäßer Anwendung dieser Norm ist § 40 Abs. 1 KAGG i.d.F. des StSenkG (erstmals) auf Erträge anzuwenden, die in einem Wirtschaftsjahr ausgeschüttet worden sind, in dem das Körperschaftsteueranrechnungsverfahren nicht mehr gilt (§ 52 Abs. 36 Satz 2 EStG i.V.m. § 52 Abs. 36 Satz 1 EStG i.V.m. § 34 Abs. 10a Satz 1 Nr. 2 KStG i.d.F. des StSenkG; vgl. Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, § 43 KAGG Rz. 43). Damit sind, da im Streitjahr das Körperschaftsteueranrechnungsverfahren nicht mehr galt, die streitgegenständlichen Ausschüttungen grundsätzlich nach Maßgabe von § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei.
2. Allerdings wurde mit dem UntStFG vom 20.12.2001 § 43 Abs. 14 KAGG mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2001 rückwirkend geändert, indem aus Satz 2 der Verweis auf § 40 Abs. 1 KAGG entfernt wurde und die Sätze 3 bis 5 eingefügt wurden. Nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 14 Satz 3 i.d.F. des UntStFG ist § 40 Abs. 1 KAGG auf Veräußerungen von Anteilen an unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften und von Bezugsrechten auf derartige Anteile anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs der Gesellschaft erfolgen, deren Anteile veräußert werden, für das das KStG i.d.F. des Art. 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I S. 1433) erstmals anzuwenden ist, und auf sonstige Veräußerungen, die nach dem 31. Dezember 2000 erfolgen. Da die von der Klägerin im Dezember 2001 vereinnahmten Ausschüttungen der X-Fonds aus vor dem 31. Dezember 2000 realisierten Veräußerungsgewinnen aus der Veräußerung ausländischer Aktien stammen, könnte dies bedeuten, dass diese nach der Neuregelung durch das UntStFG nicht mehr unter die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG fallen, sondern die Ausschüttungen aus dem Wertpapier-Sondervermögen aufgrund einer neu und mit Rückwirkung für den Veranlagungszeitraum 2001 geschaffenen Sonderregelung für thesaurierte Altveräußerungsgewinne ohne die Begünstigung des § 8b Abs. 2 KStG zu versteuern sind.
3. Würden die am 3.12.2001 beschlossenen und am 6.12.2001 der Klägerin gutgeschriebenen Ausschüttungen der X-Fonds in den Anwendungsbereich des am 20.12.2001 beschlossenen UntStFG fallen und damit § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG eingreifen, wäre dies jedoch ein verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in eine geschützte Rechtsposition der Klägerin. Zwar liegt in der durch § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG angeordneten Rückanknüpfung auf den Veranlagungszeitraum 2001 eine Änderung während eines laufenden Veranlagungszeitraums. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind derartige Sachverhalte als unechte Rückwirkung (bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung) einzuordnen, die – anders als die sog. echte Rückwirkung – unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht grundsätzlich unzulässig ist (so die Terminologie des 2. Senats des BVerfG) bzw. grundsätzlich zulässig sind (so die Terminologie des 1. Senats des BVerfG; vgl. Desens, FR 2013, 148/149). Sofern der Gesetzgeber aber für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte innerhalb des nicht abgeschlossenen Veranlagungszeitraums anknüpft, ist dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz jedoch in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind gegeneinander abzuwägen (BVerfG-Beschlüsse vom 7.7.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76/82 – „Rückwirkung I“; 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61 (76), BStBl II 2011, 86/92 – „Rückwirkung II“ -; 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BVerfGE 127, 31 (48), – „Rückwirkung III“ -). Über dieses allgemeine Gebot der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus gilt nach der neuen Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG-Beschlüsse vom 7.7.2010 a.a.O. und vom 10.10.2012, 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932) für Gesetzesänderungen, die einen schon laufenden Veranlagungszeitraum oder Erhebungszeitraum betreffen, im Verhältnis zu sonstigen Fällen unechter Rückwirkung ein strengerer, dem der echten Rückwirkung weitgehend gleichgestellter Schutz, wenn besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten. Ein solcher strengerer Schutz greift insbesondere dann ein, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die geltende Rechtslage eine schutzwürdige Dispositionsentscheidung getroffen hat (vgl. Desens, FR 2013, 148, 150; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Auflage, § 3 Rz. 267). Denn dem Steuerpflichtigen steht in diesen Fällen eine verfestigte Rechtsposition oder konkrete Vermögensposition zu, die ihm durch die Gesetzesänderung rückwirkend wieder entzogen würde. In diesen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand darf nur in besonderen Ausnahmefällen eingegriffen werden, nämlich dann, wenn „besondere Gründe“ (so die Diktion des 2. Senats des BVerfG) bzw. „hinreichend gewichtige Gründe“ (so die Diktion des 1. Senats des BVerfG) vorliegen (dazu Ziff. 9).
4. Das BVerfG hat in der Disposition über Wirtschaftsgüter in der berechtigten Erwartung einer steuerfreien Vereinnahmung von Wertgewinnen eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition anerkannt (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 127, 1; 31; 61 „Rückwirkung I-III“). Ferner hat es beim Zufluss von Einkünften einen verfassungsrechtlichen Schutz vor belastenden Rückanknüpfungen angenommen, wenn der Einkünfteerzielung eine Disposition vorangegangen ist, die vom Vertrauen in das geltende Steuerrecht getragen war (BVerfG in BVerfGE 127, 31 und in BVerfGE 132, 302). Ausreichend ist eine vertragliche Vermögensposition, wenn der Steuerpflichtige bei seinen Entscheidungen über Sparen, Konsum und Investition der erzielten Einnahmen darauf vertraut, dass der Steuergesetzgeber nicht ohne sachlichen Grund von hinreichendem Gewicht die Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend zu seinen Lasten verändert und dadurch in seine Vermögensposition eingreift. Auch in der Ausschüttung von Gewinnanteilen hat das BVerfG eine gefestigte Rechtsposition anerkannt. So hat es die rückwirkende Besteuerung von Gewinnanteilen nach § 36 Abs. 4 GewStG i.d.F. des UntStFG für verfassungswidrig erklärt, soweit die belastende Neuregelung Vorabausschüttungen erfasste, die bis einschließlich dem Tag beschlossen und abgewickelt wurden, an dem der Vermittlungsausschuss erstmals die später Gesetz gewordene Regelung vorgeschlagen hat (BVerfG in BVerfGE 132, 302/323 f.). Den Zufluss der Ausschüttung hat es dabei als abgeschlossenen Sachverhalt angesehen, der verfassungsrechtlichen Schutz genießt. In dieser Entscheidung hat das BVerfG als maßgebende schutzwürdige Dispositionsentscheidung (nur) deshalb nicht auf den Ausschüttungsbeschluss abgestellt, sondern auf den Zufluss der Ausschüttung, weil es sich um eine Streubesitzbeteiligung handelte und eine solche Beteiligung allein noch keine Rechtsbeständigkeit gegenüber einer Gesetzesänderung vermittele.
5. Im Streitfall kann sich die Klägerin auf ein berechtigtes Vertrauen im Hinblick auf eine Vermögensposition, die sie aufgrund schutzwürdiger Dispositionsentscheidung erhalten hat, berufen. Auch Gesellschafter können sich in Bezug auf erhaltene Gewinnausschüttungen nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich auf Vertrauensschutz berufen (BVerfG in BVerfGE 132, 302/322 f.). Da dies im Hinblick auf die Gewährleistungsfunktion der Rechtsordnung selbst für Streubesitzbeteiligte gilt, denen im Regelfalle überhaupt keine Dispositionsbefugnis über die Gewinnausschüttung zusteht (BVerfG in BVerfGE 127, 31) gilt dies für die Klägerin als „Alleingesellschafterin“ im Hinblick auf ihre Fondsbeteiligung umso mehr. Darüber hinaus spricht die jüngere Rechtsprechung des BVerfG den Normadressaten von Gesetzesänderungen einen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz zu, wenn die geänderte Norm nachträglich in eine „auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition“ eingreift (BVerfG in BVerfGE 127, 31/47). Für den verfassungsrechtlichen Schutz der Dispositionsfreiheit kommt es darauf an, ob bereits eine gefestigte Rechtsposition – unabhängig vom Veranlagungszeitraum – entstanden ist (BVerfG in BVerfGE 127, 31/47). Im vorliegenden Fall wäre die tatbestandliche Rückanknüpfung von § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG auf die von der Klägerin als Fondsanlegerin am 3.12.2001 beschlossene und am 6.12.2001 bei ihr gutgeschriebene Ausschüttung der Altveräußerungsgewinne der X-Fonds mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG nicht vereinbar, weil die Klägerin im Hinblick auf die Ausschüttung eine verfestigte Rechtsposition innehatte, die ihr durch die Gesetzesänderung rückwirkend entzogen würde. Die Ausschüttung der X-Fonds stellte für die Klägerin eine verfassungsrechtlich geschützte Vermögensdisposition dar, weil der zugrunde liegende Sachverhalt (die Beschlussfassung über ihre Ausschüttung am 3.12.2001 und die Gutschrift bei der Klägerin am 6.12.2001) nach der Rechtsprechung des BVerfG ein gesteigertes Maß an Abgeschlossenheit erreicht hatte. Die Klägerin durfte daher darauf vertrauen, dass ihre durch die damalige Rechtslage gedeckten Erwartungen an die Vereinnahmung der Gewinnausschüttung unter Anwendung von § 40 Abs. 1 Satz 1 KAGG i.V.m. § 8b Abs. 2 KStG nicht nachträglich enttäuscht werden. Denn der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist verletzt, soweit die Anwendung einer belastenden gesetzlichen Neuregelung mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum erfolgt und dabei – wie im vorliegenden Fall – eine bis zum Abschluss des Vermittlungsverfahrens beschlossene und zugeflossene Ausschüttungen umfasst. Mit der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses über eine belastende gesetzliche Neuregelung wird zwar das Vertrauen in den zukünftigen Bestand der bisherigen Rechtslage zerstört, nicht aber berechtigtes Vertrauen in den Bestand der Steuerrechtslage für den davorliegenden Zeitraum beseitigt (BVerfG in BVerfGE 132, 302/330). Im Streitfall datierte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 11.12.2001 (BT-Drs. 14/17780). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ihre Dispositionsentscheidung bereits getroffen und verwirklicht. Erst zu diesem Zeitpunkt war für die Klägerin in einer den Vertrauensschutz einschränkenden Weise erkennbar, dass das KAGG i.d.F. des StSenkG auch mit Rückwirkung für die von § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG erfassten Altveräußerungsgewinne geändert werden sollte, da zu diesem Zeitpunkt nunmehr die Vorschläge für einen geänderten § 43 Abs. 14 KAGG bekannt wurden. Dabei kann es dahinstehen, ob hinsichtlich der für die Verwirklichung des Vertrauenstatbestands maßgeblichen Investitionsentscheidung primär auf den Ausschüttungsbeschluss vom 3.12.2001 abzustellen ist – wofür spricht, dass anders als im Falle einer Minderheitsbeteiligung die Klägerin auf die Ausschüttungsentscheidung unmittelbar Einfluss nehmen und daher über das Ob und Wie einer Ausschüttung entscheiden konnte – oder ob auf den Zufluss der Ausschüttung am 6.12.2001 abgestellt wird, da auch die Ausschüttung der Klägerin noch vor der Beschlussfassung des Vermittlungsausschusses am 11.12.2001 gutgeschrieben wurde. Damit schaffte die zu diesem Zeitpunkt bestehende gesetzliche Regelung eine Vertrauensgrundlage für die Dispositionsentscheidung der Klägerin. Die Ausschüttungen der X-Fonds an die Klägerin in der Erwartung, sie aufgrund der sowohl zum Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses wie auch zum Zeitpunkt der Gutschrift bei der Klägerin bestehenden Gesetzeslage steuerfrei zu vereinnahmen, genießt verfassungsrechtlichen Schutz vor belastenden Rückanknüpfungen, da insoweit eine konkret verfestigte Vermögensposition entstanden ist.
6. Auch wenn man der Auffassung folgte, dass bereits die Einbringung eines Gesetzesentwurfs durch ein initiativberechtigtes Organ i.S.d. Art. 76 Abs. 1 GG, auf deren Grundlage die künftige gesetzliche Regelung vorhersehbar wäre, zu einer Einschränkung des Vertrauensschutzes führen kann (vgl. BVerfG in BVerfGE, 127, 31/50), ändert dies am vorliegenden Ergebnis nichts. Denn im Streitfall hat es an der Einbringung eines dem § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG entsprechenden Gesetzesentwurfes durch ein initiativberechtigtes Organ gefehlt. Der durch die Bundesregierung eingebrachte Entwurf des UntStFG enthielt noch keinerlei Bestimmungen, die auf die spätere Änderung des § 43 Abs. 14 KAGG hingewiesen hätte. Auch im Übrigen gab es keinerlei öffentlich zugängliche Äußerung eines initiativberechtigten Organs in diese Richtung. Die Klägerin konnte daher ihr Verhalten weder zum Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses noch zum Zeitpunkt der tatsächlichen Ausschüttung auf die spätere Gesetzesänderung ausrichten.
7. Eine Einschränkung des Vertrauensschutzes ergab sich auch nicht aus dem Hinweis im Bericht des Finanzausschusses vom 8.11.2001 im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum StÄndG 2001, dass thesaurierte Altveräußerungsgewinne aus Wertpapier-Sondervermögen steuerfrei ausgeschüttet werden könnten (BT-Drucksache 14/7341, S. 9). Denn Berichte über einen Regierungsentwurf und über die Arbeit von Parlamentsausschüssen an einer neuen Regelung sind noch nicht geeignet, dem Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Stand des geltenden Rechts die Schutzwürdigkeit zu nehmen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 11.10.1962, 1 BvL, 22/57, BVerfGE 14, 288/298; vom 14.5.1986, 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200/262). Ebenso würde eine die spätere gesetzliche Regelung betreffende Anregung des Bundesrates in seiner Stellungnahme zu einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung, welcher noch keine konkreten Formulierungsvorschläge enthalten hatte, nicht ausreichen, um das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der aktuellen Rechtslage einzuschränken. In diesem Stadium müssen potentiell Betroffene ihr Verhalten noch nicht auf eine solche Regelung einstellen. Dies ändert sich erst mit der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses an den Bundestag (BVerfG vom 10.10.2012, 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302/325). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem BVerfG-Beschluss vom 3.12.1997, 2 BvR 882/97 (BVerfGE 97, 67/82; vgl. dazu Desens, StuW 2011, 113/119). Soweit das BVerfG dort den Dispositionsschutz bereits zum Zeitpunkt einer politischen Ankündigung eines Initiativberechtigten entfallen ließ, wurde dies damit begründet, dass zwingende Gründe des Allgemeinwohls hier ausnahmsweise die Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot rechtfertigten (vgl. dazu Ziff. 9). Außerdem muss berücksichtigt werden, dass es sich beim UntStFG und beim StÄndG 2001 verfahrensrechtlich um zwei unterschiedliche Gesetzgebungsverfahren handelt. Der Vertrauensschutz in einem laufenden Gesetzgebungsverfahren kann nicht durch Beschlüsse in einem früheren Verfahren erschüttert werden. Vielmehr ist das Vertrauen des Steuerpflichtigen in bestehendes Recht für jedes Gesetzgebungsverfahren gesondert zu betrachten (vgl. Höreth/Stelzer, DStZ 2013, 218/225). In dem vom BVerfG mit Urteil vom 10.4.2018, 1 BvR 1236/11 (BVerfGE 148, 217) entschiedenen Fall, in dem dieser die Gesetzgebungsverfahren zum UntStFG und zum Fünften Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes, jeweils mit dem Ziel der Einfügung von § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG, unter Vertrauensgesichtspunkten im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Rückwirkung als ein einheitliches Gesetzgebungsverfahren behandelt hat, lag anders als im Streitfall, bereits ein ausformulierter Gesetzesentwurf vor, der durch die Bundesregierung als initiativberechtigtes Organ i.S.d. Art. 76 Abs. 1 GG ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden war.
8. Bei der Regelung des § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG handelt es sich nicht lediglich um eine Klarstellung mit deklaratorischer Wirkung. Anders als eine deklaratorische Regelung kann der Gesetzgeber eine Regelung mit konstitutiver Wirkung, auch wenn er sich als „Klarstellung“ bezeichnet“, nur innerhalb der Grenzen des Rückwirkungsverbots vornehmen (BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1). Eine Regelung ist bereits dann konstitutiv, wenn sie eine fachgerichtliche Auslegung durch nachträglichen Zugriff auf einen abgeschlossenen Sachverhalt ausschließen soll. Im Streitfall wurde durch die ursprünglich im StSenkG getroffene Regelung die Anwendung von § 8b Abs. 2 KStG auf Ausschüttungen i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 KAGG angeordnet. Der Neuregelung in §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG schließt die Anwendung von § 8b Abs. 2 KStG in den genannten Fällen gerade aus, aus diesem Grund kommt ihr nicht lediglich deklaratorische Wirkung zu. Eine klarstellende Regelung würde nur vorliegen, wenn sich das durch die gesetzliche Änderung nunmehr ausdrücklich Geregelte auch schon aus der bisherigen Regelung unter Anwendung der herkömmlichen Auslegungsregeln aus dem Gesetz ableiten ließe (vgl. BFH-Urteil vom 20.6.2000, VIII R 5/99, BStBl II 2001, 35). Dem ist im Streitfall aber gerade nicht so, denn das StSenkG differenzierte nicht zwischen Altveräußerungsgewinnen und Veräußerungsgewinnen, die unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens entstanden sind (Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, § 43 KAGG Rz. 44). Da die Neuregelung in § 43 Abs .14 Satz 3 KAGG somit konstitutiv wirkt, entfaltet die in der Begründung des Regierungsentwurfs vom 19.9.2003 zum Investmentmodernisierungsgesetz (BT-Drucksache 15/1553) vertretene Auffassung, dass es sich bei dieser Regelung um eine Klarstellung handle, keine Bindungswirkung.
9. Besondere Gründe bzw. hinreichend gewichtige Gründe, welche die nachträgliche steuerliche Belastung der Ausschüttungen aus dem Sondervermögen der „X-Fonds“ rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar (vgl. BVerfG in BVerfGE 132, 302 Rz. 72; BVerfGE 127, 1/25; 127, 31/59; 127, 61/82). Wie das BVerfG im Beschluss vom 10.10.2012, 1 BvL 6/07 (BVerfGE 132, 302 Rz. 75) entschieden hat, bietet der im Jahr 2001 vollzogene Systemwechsel in Körperschaftsteuerrecht keinen Rechtfertigungsgrund für das rückwirkende Inkraftsetzen des § 8 Nr. 5 GewStG. Die zwischenzeitlich im Jahr 2001 geltende Rechtslage war keineswegs offensichtlich so ungerecht oder auch so systemwidrig, dass eine rückwirkende Änderung durch den Gesetzgeber als unabweisbar hätte erscheinen müssen. Im Zusammenhang mit der rückwirkend eingefügten Norm des § 43 Abs. 18 KAGG hat das BVerfG im Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08 (BVerfGE 135, 1) entschieden, dass vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Investmentsteuergesetzes und des dieses prägenden eingeschränkten Transparenzprinzips die ursprüngliche Regelung nicht zu einer so systemwidrigen und unbilligen Begünstigung der Kapitalanlagegesellschaften führt, dass bereits ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Auslegung bestünden. Auch wenn es – so das BVerfG – systematisch fragwürdig erscheine, weshalb – abweichend vom „normalen“ neuen Körperschaftsteuersystem – positive Wertentwicklungen nicht der Besteuerung unterliegen, negative Wertentwicklungen hingegen steuerliche Berücksichtigung finden sollten, könne im Ergebnis von einer systemwidrigen Abwälzung der Verluste der Kapitalanlagegesellschaften auf die Allgemeinheit nicht die Rede sein.
Diese Gründe gelten auch im Streitfall. Entgegen der Begründung des Regierungsentwurfs vom 19.9.2003 zum Investmentmodernisierungsgesetz (BT-Drucksache 15/1553 S. 131) stellt die sich aus § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG ergebende Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG auf Altveräußerungsgewinne keine offensichtlich systemwidrige Besserstellung des betrieblichen Fondsanlegers gegenüber dem betrieblichen Direktanleger dar. Denn das KAGG enthielt gewichtige Abweichungen vom Transparenzprinzip, beispielsweise beim Zuflusszeitpunkt bestimmter Investmenterträge (so auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Investmentmodernisierungsgesetz in der allgemeinen Einführung – BT-Drucksache 15/1553 S. 131 -). Eine wesentliche Durchbrechung des steuerlichen Transparenzprinzips bestand darin, dass Wertgewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren durch den Fonds für Anleger, die ihre Anteilsscheine am Sondervermögen im Betriebsvermögen hielten, nicht als Betriebseinnahmen erfasst wurden, solange die Gewinne nicht ausgeschüttet wurden (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 KAGG). Insofern hatte das Sondervermögen eine abschirmende Wirkung gegenüber dem Anteilseigner. Dass thesaurierte Erträge i.S.v. § 40 Abs. 1 Satz 1 KAGG nicht steuerbar waren, führte zu einem gesetzlich vorgesehenen Steuervorteil gegenüber einem Direktanleger in Form eines Zinsvorteils durch die nachgelagerte Erfassung der Veräußerungsgewinne als Betriebseinnahmen im Zeitpunkt der Ausschüttung der Veräußerungsgewinne aus dem Sondervermögen. Mehrfach hat der BFH in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass angebliche Besteuerungslücken durch die unvollständige Umsetzung des Transparenzgedankens keine planwidrigen Regelungsfehler darstellten, die eine teleologische Ergänzung der Steuervorschriften mit dem Ziel einer vollständigen Umsetzung des Transparenzprinzips rechtfertigen würden (BFH-Urteile vom 4.3.1980, VIII R 48/76, BStBl II 1980, 453; vom 7.4.1992, VIII R 79/88, BStBl II 1992, 786; vom 11.10.2000, I R 99/96, BStBl II 2001, 22; vom 27.3.2001, I R 120/98, BFH/NV 2001, 1539). Der Gesetzgeber hat die Besteuerung von thesaurierten Veräußerungsgewinnen bewusst dergestalt geregelt, dass im Sondervermögen thesaurierte Veräußerungsgewinne nicht von der Ausschüttungsfiktion des § 39 Abs. 1 Satz 2 KAGG sowohl in seiner Altfassung als auch i.d.F. des StSenkG erfasst werden. Die mangelnde Umsetzung des Transparenzprinzips für thesaurierte Veräußerungsgewinne wurde somit auch durch das StSenkG beibehalten. Insoweit entsprach die zum Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses der X-Fonds geltende Regelung des § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG dem damaligen Besteuerungssystem. Denn aus der Entscheidung des Gesetzgebers, thesaurierte Veräußerungsgewinne als nicht steuerpflichtig zu behandeln und diese erst bei ihrer Ausschüttung zu erfassen, folgt bei Beachtung der steuerlichen Grundsätze zur Gewinnrealisierung, dass für die Besteuerung dieser Gewinne die im Ausschüttungszeitpunkt geltenden Steuervorschriften anzuwenden sind, auch wenn diese günstiger sind als die im Zeitpunkt der Anteilsveräußerung durch den Fonds geltenden Vorschriften. So wurden auch in der Vergangenheit bei Absenkung der Körperschaftsteuersätze (56/50%, 50/45%, 45/40%) die Veräußerungsgewinne stets mit dem jeweils geltenden Steuersatz im Zeitpunkt der Ausschüttung an die Fondsanleger und nicht mit dem zum Zeitpunkt der Anteilsveräußerung durch den Fonds geltenden Steuersatz besteuert. Es kann daher nicht ohne weiteres als offensichtlich systemwidrig angesehen werden, dass auch für die am 6.12.2001 gutgeschriebenen Ausschüttungen der X-Fonds an die Klägerin die Begünstigung des § 8b Abs. 2 KStG zur Anwendung kam. Vielmehr lässt sich die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens in diesem Zusammenhang als eine Absenkung des Steuersatzes bis auf 0% beim körperschaftsteuerpflichtigen Anleger interpretieren (Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, § 43 KAGG Rz. 44). Somit kann die ursprüngliche Regelung nicht als offensichtlich so ungerecht und so systemwidrig angesehen werden, dass eine rückwirkende Änderung durch den Gesetzgeber als unabweisbar hätte erscheinen müssen.
Es erscheint auch fernliegend, dass eine der übrigen Fallgruppen vorliegt, bei denen nach der Rechtsprechung des BVerfG eine echte Rückwirkung ausnahmsweise zulässig ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 Rz. 64 ff.). Weder war die Rechtslage so unklar und verworren, dass eine Klärung erwartet werden musste (wobei die Unklarheit einer Rechtslage über die bloße Auslegungsbedürftigkeit hinaus zusätzliche qualifizierende Umstände erfordert, die das geltende Recht so verworren erscheinen lassen, dass es keine Grundlage für einen verfassungsrechtlich gesicherten Vertrauensschutz mehr bilden kann), noch sind überragende Belange des Gemeinwohls ersichtlich, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen.
Wenn der Gesetzgeber sich nachträglich dazu entscheidet, diese Systematik im Fall der Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG nicht beizubehalten, weil er nun der Auffassung ist, dass auf diese Weise Besteuerungslücken entstehen, so kann er dies – da es sich um eine konstitutive Regelung handelt – nur unter Beachtung des steuerlichen Rückwirkungsverbots regeln. Lübbehüsen (in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, § 43 KAGG Rz. 50) sieht in der Regelung in § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG zwar eine „mit dem GG noch zu vereinbarende unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung“. Diese Kommentierung aus dem Jahr 2002 stammt jedoch noch aus der Zeit, bevor das BVerfG seine Rechtsprechung zu den Grenzen der unechten Rückwirkung, eingeleitet durch die Beschlüsse vom 7.7.2010 („Rückwirkung I – III“), entwickelt hat. Lübbehüsen hat daher auch auf die verfassungsrechtliche Problematik und die Notwendigkeit der – zwischenzeitlich erfolgten – Überprüfung der Grenzen der unechten Rückwirkung im Rahmen von „Reparaturgesetzen“ durch das BVerfG hingewiesen.
10. Zur Vermeidung eines verfassungsrechtlich unzulässigen Eingriffs in die geschützte Rechtsposition der Klägerin ist § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG im Wege der verfassungskonformen Auslegung dahingehend einzuschränken, dass auf Ausschüttungen von Altveräußerungsgewinnen, die vor der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum UntStFG am 11.12.2001 beschlossen wurden und dem Anteilseigner des Wertpapier-Sondervermögens zugeflossen sind, die Regelung des § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG noch nicht zum Tragen kommt und diese unter Anwendung der Übergangsregelung in § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG nach § 40 Abs. 1 Satz 1 KAGG i.V.m. § 8b Abs. 2 KStG von der Besteuerung auszunehmen sind. Zwar findet die verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG-Beschluss vom 24.5.1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37). Hiervon abzugrenzen sind jedoch zu weit geratene – und damit verdeckt lückenhafte – Überleitungsbestimmungen, die auch Sachverhaltskonstellationen erfassen, für die der Gesetzgeber – hätte er sie bedacht – zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung eine besondere Anwendungsregelung getroffen hätte. Eine solche verdeckte Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Rechtsfortbildung dadurch zu schließen, dass die verfassungsrechtlich erforderlichen Einschränkungen dem Gesetzeswortlaut hinzuzufügen sind (BFH-Urteil vom 27.3.2012 I R 62/08, BStBl II 2012, 745 m.w.N.). Der BFH wendet diese Rechtsprechung auch an, um speziellen Anwendungsnormen und Übergangsregelungen die verfassungsrechtlich erforderlichen Einschränkungen dem Gesetzeswortlaut hinzuzufügen (BFH-Urteil vom 12.12.2000, VIII R 10/99, BFHE 194, 135, BStBl II 2001, 282; vom 19.10.2005, I R 34/04, BFH/NV 2006, 1099; vom 23.3.2011, X R 28/09, BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753). Für den Streitfall bedeutet dies, dass die Bestimmung des § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG, obwohl sie ihrem Wortlaut nach eindeutig ist, nicht auf Fondsausschüttungen für Altveräußerungsgewinne anzuwenden ist, die – wie im Streitfall – noch vor der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum UntStFG am 11.12.2001 beschlossen wurden und dem Anteilseigner des Wertpapier-Sondervermögens zugeflossen sind. Vielmehr sind diese nach der im Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses – im Streitfall am 3.12.2001 – bzw. des Zuflusses der Ausschüttung – im Streitfall am 6.12.2001 – geltenden Rechtslage des § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG nach Maßgabe von § 40 Abs. 1 Satz 1 KAGG i.V.m. § 8b Abs. 2 KStG zu besteuern. Die Einfügung von § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG war erstmals in der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 11.12.2001 enthalten und damit erst in einem Zeitpunkt nach Gutschrift der Ausschüttung vorgesehen. Für die Anwendung von § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung im Streitfall spricht auch, dass im Zeitpunkt der Verabschiedung des UntStFG das BVerfG seine Rechtsprechung zu den Grenzen der unechten Rückwirkung, wie bereits dargelegt, noch nicht entwickelt hatte. Hätte der Gesetzgeber die Grenzen der unechten Rückwirkung, wie sie in späteren Entscheidungen vom BVerfG gezogen wurden, gekannt, hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die verfassungsrechtlich erforderlichen Einschränkungen dem Gesetzeswortlaut hinzugefügt.
Da § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG im Streitfall nicht anwendbar ist, kann dahingestellt bleiben, ob diese Norm auch formell verfassungswidrig ist, d.h. unter Verletzung von Art. 20 Abs. 2, 76 Abs. 1 GG verabschiedet worden ist.
II. Die Klage ist unzulässig, zumindest aber unbegründet, soweit die Klägerin beantragt, den angefochtenen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 36 Abs. 7 KStG i.V.m. § 34 Abs. 13f KStG in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 6.12.2017 dahingehend zu ändern, dass ein Bestand von EK 45 in Höhe von 1.546.762.991 DM festgestellt wird. Das FG Münster hat mit Vorlagebeschluss vom 16.9.2014, 9 K 1600/12 F (EFG 2015, 500) die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob die Umgliederungsvorschrift des durch § 34 Abs. 13f KStG i.d.F. des JStG vom 8.12.2010 eingefügten § 36 Abs. 6a KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG (un) vereinbar ist. Aus diesem Grund ruht der Einspruch nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes. Das BVerfG ist im Verfahren der konkreten Normenkontrolle zwar hinsichtlich des Prüfungsgegenstandes beschränkt, nicht aber hinsichtlich des Maßstabs. Es hat daher die zur Prüfung gestellte Norm unter jeglichem Gesichtspunkt und nicht nur unter demjenigen zu prüfen, den das vorlegende Gericht zur Begründung seiner Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm heranzieht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15.1.2008, 2 BvL 12/01, BVerfGE 120, 56 Rz. 74). Im Streitfall ist das BVerfG daher nicht daran gehindert, die vom FG Münster zur Prüfung vorgelegte Norm auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG zu prüfen. Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargelegt, dass sich aus Art. 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf die Wahrung ihrer Rechtsstellung weiter gehende Wirkungen ergeben als aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist nicht ersichtlich und wurde von der Klägerin auch nicht dargelegt, dass die Prüfung der Regelung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 zu anderen Ergebnissen im Sinne eines höheren oder geringeren Schutzniveaus führt als eine Prüfung am Maßstab der Freiheitsgrundrechte (BFH-Beschluss vom 11.11.2015 I B 22/14, BFH/NV 2016, 784). Dementsprechend wurde in der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH die verfassungsrechtliche Problematik des Körperschaftsteuerguthabens auch stets nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG abgehandelt und die Frage, ob der Schutzbereich des Art. 14 GG betroffen ist, mangels Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich offen gelassen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.11.2009 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1; BFH-Urteile vom 8.11.2006 I R 69, 70/05, BFHE 215, 491, BStBl II 2007, 662; vom 20.4.2011 I R 65/05, BFHE 234, 385, BStBl II 2011, 983). Es kommt daher nicht darauf an, ob das im belastetem vEK angelegte „Körperschaftsteuerminderungspotential“ dem Eigentumsbegriff des Art. 14 GG unterfällt (BFH, Urteil vom 02. Februar 2016 – I R 21/14 -, BFHE 253, 126, BStBl II 2017, 794 m.w.N.). Die Position der Klägerin wird durch das gesetzlich angeordnete Ruhen des Verfahrens ausreichend gewahrt.
III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung. Es erscheint zweckmäßig, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Abs. 1 FGO).