Aktenzeichen 2 K 781/16
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Die Schätzung des Finanzamts ist rechtmäßig. Die Klägerin ist ihren Aufzeichnungspflichten über unentgeltliche Wertabgaben an den Kommanditisten L. und seine Familie nicht nachgekommen, weshalb die Sachentnahmen zu schätzen sind.
Entnahmen sind nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG alle Wirtschaftsgüter (darunter Waren), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Gemäß § 4 Abs. 7 i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG sind Einzelaufzeichnungen über unentgeltliche Wertabgaben zu führen.
Nach § 22 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 1 Satz 2 und § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG sind Entnahmen von Gegenständen durch den Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, getrennt nach Steuersätzen aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungsverpflichtung nach dem UStG wirkt unmittelbar auch für Zwecke der Einkommensbesteuerung und das nach den Vorschriften des EStG ermittelte Einkommen ist nach § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) maßgeblich für den Gewerbeertrag und damit auch für den Gewerbesteuermessbetrag.
Die Klägerin ist danach verpflichtet gewesen, die unstreitig vorgenommenen Sachentnahmen des Kommanditisten L. in den Streitjahren aufzuzeichnen.
Da die Klägerin keine derartigen Aufzeichnungen geführt hat, sind die Besteuerungsgrundlagen über die unentgeltlichen Wertabgaben an den Kommanditisten L. und seine Familie zu schätzen gewesen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich, vernünftig und plausibel sein (vgl. BFH in BFH/NV 2015, 1106, m.w.N.). Bei der Schätzung der Sachentnahmen darf mangels besserer Anhaltspunkte von Pauschbeträgen ausgegangen werden, die die Finanzverwaltung in einer amtlichen Richtsatzsammlung zusammengefasst hat, weil diese auf Erfahrungswerten beruhen. Nur wenn die auf der Grundlage der Richtsatzsammlung vorgenommene Schätzung nach einer Gesamtwürdigung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde, entfällt die auch für die Gerichte geltende Bindungswirkung der Richtsatzsammlung (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 2015 V R 32/14, BFH/NV 2015, 1106; BFH-Beschluss vom 19. März 2007 X B 191/06, BFH/NV 2007, 1134).
Im Streitfall ist die Schätzung des Finanzamts anhand der amtlichen Richtsatzsammlungen über Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) mit einem Vervielfältiger für insgesamt 2,5 Personen für jedes Streitjahr zutreffend in den angefochtenen Steuerbescheiden erfolgt und nicht zu beanstanden.
Die teilweise Inanspruchnahme der Pauschbeträge und die teilweise Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls -wie es die Klägerin im Streitfall in Gestalt von vorgetragenen Negativaufzeichnungen für einzelne Familienmitglieder des L. begehrtentzieht der Pauschalierung insgesamt die Grundlage und führt zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen, die gegen § 162 Abs. 1 Satz 2 AO verstoßen würden. Bei fehlenden Aufzeichnungen sind somit die Pauschbeträge insgesamt anzuwenden, individuelle Besonderheiten kommen nicht zum Tragen (vgl. Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 17. März 2010 3 K 108/06, juris).
Die Klägerin hat es in der Hand gehabt, durch konkrete Aufzeichnungen nachzuweisen, dass ihre Sachentnahmen nicht den Erfahrungssätzen im Gaststättengewerbe entsprechen. Hat sie stattdessen die von der Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen in der Richtsatzsammlung aufgestellten Pauschalregelungen zur Ermittlung der Sachentnahmen im Schätzungswege angewandt, muss sie sich deshalb die Ungenauigkeiten, die sich aus der Anwendung dieser Erfahrungsätze ergeben können, gefallen lassen (vgl. FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17. März 2010 3 K 108/06, juris; Urteil des sächsischen Finanzgerichts vom 19. September 2006 1 K 698/01, DStRE 2007, 1117, m.w.N., nachfolgend bestätigt durch BFH-Beschluss vom 19. März 2007 X B 191/06, BFH/NV 2007, 1134, Urteil des Finanzgerichts München vom 28. Juni 2007 14 K 2378/05, juris).
Ein Steuerpflichtiger kann sich nicht unter Verstoß gegen seine Aufzeichnungspflichten auf die Methodik der Richtsätze berufen, zugleich aber geltend machen, die dortige Annahme, dass jedes Familienmitglied altersentsprechend einen durchschnittlichen Eigenverbrauch begründet habe, treffe im Einzelfall auf bestimmte Familienangehörige nicht oder nur eingeschränkt zu (vgl. Urteil des sächsischen Finanzgerichts vom 19. September 2006 1 K 698/01, DStRE 2007, 1117, m.w.N., nachfolgend bestätigt durch BFH-Beschluss vom 19. März 2007 X B 191/06, BFH/NV 2007, 1134). Dementsprechend ist auch das Finanzamt an Ziffer 3 der amtlichen Richtsatzsammlung des jeweiligen Streitjahres gebunden, wonach die Anwendung der Pauschbeträge der Vereinfachung dient und diese keine Zu- und Abschläge wegen individueller persönlicher Ess- und Trinkgewohnheiten zulässt (vgl. Urteil des Finanzgerichts München vom 23. April 2009 14 K 4909/06, juris).
Ebenso wenig kann die Klägerin gegen die entsprechend der zum Haushalt des Kommanditisten L. vorzunehmende Vervielfältigung der vom Finanzamt festgesetzten Pauschbeträge mit Erfolg einwenden, dass die Ehefrau und das Kind sich anderweitig verköstigt haben (vgl. Urteil des sächsischen Finanzgerichts vom 19. September 2006 1 K 698/01, DStRE 2007, 1117, m.w.N., nachfolgend bestätigt durch BFH-Beschluss vom 19. März 2007 X B 191/06, BFH/NV 2007, 1134, Urteil des Finanzgerichts München vom 28.Juni 2007 14 K 2378/05, juris). Auch, soweit der nicht von seiner Ehefrau getrenntlebende Kommanditist L. zeitweise allein -was nicht nachgewiesen istin einer eigens von ihm angemieteten Wohnung in R gewohnt haben soll, gilt nichts anderes.
Das Finanzamt ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Schätzung des Eigenverbrauchs des Kommanditisten L. und seiner Familie nicht darauf angekommen ist, ob und in welchem Umfang in der Gaststätte hergestellte fertige Gerichte eingenommen werden, mithin ob die Familie in der Gaststätte präsent gewesen ist, oder ob in der Gaststätte hergestellte Speisen nach Hause mitgenommen worden sind. Entscheidend ist vielmehr, dass Grundnahrungsmittel von der Klägerin eingekauft worden sind und dass davon die tägliche Ernährung der Familie des L. hat bestritten werden können (vgl. Urteil des sächsischen Finanzgerichts vom 19. September 2006 1 K 698/01, DStRE 2007, 1117, m.w.N., nachfolgend bestätigt durch BFH-Beschluss vom 19. März 2007 X B 191/06, BFH/NV 2007, 1134; und Urteil des Finanzgerichts München vom 28. Juni 2007 14 K 2378/05, juris, jeweils m.w.N.). Die von der Klägerin in den Streitjahren laut den Jahresabschlüssen bezogenen erheblichen Warenbestände haben ohne weiteres ausgereicht, die tägliche Ernährung des L. und seiner Familie sicherzustellen. Gegenteiliges hat auch die Klägerin nicht vorgetragen.
Die Klägerin hat auch ansonsten keine Umstände dargelegt, die bei Ansatz der Pauschalen zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würden. Auch aus dem Vortrag, die Ehefrau habe anderweitig Lebensmittel eingekauft, ergibt sich dies nicht. Zumal aus den vorgetragenen Lebensmitteleinkäufen der Ehefrau des L. weder für die Streitjahre noch für die Jahre 2015 von insgesamt: 3.685,08 € und 2016 von insgesamt: 3.870,51 € (lt. Vortrag der Klägerin) nicht zwingend auf eine Deckung des jährlichen Familienbedarfs zu schließen ist.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die weitere zutreffende Begründung der Einspruchsentscheidungen verwiesen.
Es ist sachgerecht, die Streitsache nicht auf den Senat zurück zu übertragen (§ 6 Abs. 3 FGO). Weder sind die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 FGO erfüllt, noch kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und § 139 Abs. 4 FGO. Dem Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen, da er keine Anträge gestellt hat. Etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten. Dieser hat keine Sachanträge gestellt oder anderweitig das Verfahren wesentlich gefördert (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 II R 24/15, BStBl II 2017, 128, m.w.N.).
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO erkennbar nicht erfüllt sind.